Agil. Und verbunden - Bettina Ruggeri - E-Book

Agil. Und verbunden E-Book

Bettina Ruggeri

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Beschreibung

Agil. Und verbunden. beschäftigt sich mit der Frage, wie Menschen und Organisationen in Zeiten von Wandel und Komplexität handlungsfähig bleiben können, ohne Verbindung zu sich selbst und zu anderen zu verlieren. Das Buch verbindet agile Prinzipien mit der Haltung und den Grundannahmen der Gewaltfreien Kommunikation. Im Mittelpunkt stehen innere Einstellung, Sprache und Beziehung als zentrale Faktoren wirksamen Handelns in komplexen Situationen. Anhand typischer Spannungsfelder aus dem Arbeits- und Führungsalltag zeigt das Buch, wie neue Denk- und Handlungsoptionen entstehen können. Es richtet sich an Menschen, die Wandel bewusst gestalten und Agilität als Haltung verstehen wollen – jenseits von Methoden und Frameworks.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 305

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Impressum

Buchbeschreibung

Widmung

Autorenportrait

Vorwort

Kapitel Eins - Wenn Komplexität weh tut – und Gewaltfreie Kommunikation hält

Kapitel Zwei - Vier Sätze, die Beziehung verändern können

Kapitel Drei - Agil. Und verbunden

Kapitel Vier - Wenn Sicherheit zur Begrenzung wird

Kapitel Fünf - Sprache, die Welten öffnet

Kapitel Sechs - Selbstführung ist Weltführung

Kapitel Sieben - Konflikte lieben lernen

Kapitel Acht - Von Macht zu Wirkung

Kapitel Neun - Räume für Resonanz

Kapitel Zehn - Radikal verbunden

Kapitel Elf - Das Gespräch der Stimmen

Nachklang

Anhang

Glossar

Quellen

Impressum

Titel: Agil. Und verbunden - Komplexität begegnen: Mit Agilität und Gewaltfreier Kommunikation

Autorin: Bettina RuggeriGestaltung, Satz & Cover: Bettina RuggeriLektorat & Korrektorat: Manuel Fernandes

Veröffentlichung im SelbstverlagBettina RuggeriTherese-Giehse-Allee 11081739 Mü[email protected] & Distribution: tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland

ISBN: 978-3-982-72593-2© 2025 - Alle Rechte vorbehalten.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die Verwendung – auch auszugsweise – sowie Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe bedarf der ausdrücklichen schriftlichen Zustimmung der Autorin.

Trotz sorgfältiger Prüfung kann keine Haftung für die Inhalte übernommen werden. Für Hinweise auf Fehler oder Anregungen freut sich die Autorin über Kontaktaufnahme unter: [email protected]

Buchbeschreibung

Agil. Und verbunden. ist ein Buch über die Kraft von Verbundenheit in Zeiten des Wandels.

Es lädt dazu ein zu verstehen, wie innere Einstellung, Sprache und Beziehung unsere Fähigkeit prägen, mit Veränderung, Unsicherheit und Komplexität umzugehen.

Anhand zentraler Spannungsfelder – zwischen Sicherheit und Lebendigkeit, Kontrolle und Vertrauen, Kontakt und Korrektheit – zeigt das Buch, wie Verbindung gestaltet werden kann: zu sich selbst, zu anderen und im Umgang mit Veränderung.

Es beleuchtet die Herausforderungen, die durch Komplexität entstehen können, und wie gelebte Agilität – das bewusste Anpassen und Gestalten von Wandel – mit den Prinzipien der Gewaltfreien Kommunikation verbunden werden kann.

Daraus kann Verbundenheit entstehen, die innere und äußere Beweglichkeit stärkt.

Das Buch geht weder auf agile Frameworks ein noch ist es ein systematischer Lehrgang in Gewaltfreier Kommunikation. Es zeigt auf, wie sich Elemente aus beiden Welten – Agilität und Gewaltfreie Kommunikation – miteinander verbinden lassen.

Dabei werden unterschiedliche Aspekte komplexer Herausforderungen aufgegriffen.

Jedes Kapitel beleuchtet drei Spannungsfelder, die dabei eine Rolle spielen können, und zeigt, wie die Perspektive der Gewaltfreien Kommunikation einen hilfreichen Umgang unterstützt.

So können neue Sichtweisen und Handlungsmöglichkeiten entstehen, die Wandel nicht bekämpfen, sondern mitgestalten – auf eine Weise, die menschlich, wirksam und verbunden bleibt.

In der Verbundenheit liegt Kraft.

Dieses Buch lädt dazu ein, sie bewusst zu gestalten – zu uns selbst und zu anderen – um Wandel lebendig und gemeinsam zu gestalten.

Widmung

Für Elena

und alle,die sich mehr Verbindung wünschen,auch wenn es schwierig wird

Autorenportrait

Bettina Ruggeri begleitet seit über 20 Jahren Menschen und Organisationen an den Schnittstellen von Führung, Entwicklung und Zusammenarbeit.

Als Agile Coach (CEC, CTC, Accreditation Coach) und Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation verbindet sie Struktur mit Tiefe, Klarheit mit Beziehungsfähigkeit – und bringt Veränderungsimpulse in Einklang mit innerer Ausrichtung.

In ihrer Arbeit mit Teams, Führungskräften und Organisationen unterstützt sie dabei, Räume zu gestalten, in denen Agilität und wirkungsvolle Kommunikation eine gemeinsame Grundlage für klare Prozesse und vertrauensvolle Zusammenarbeit bilden.

Mit den von ihr mitentwickelten Movement-Programmen hat sie ein praxisnahes Format geschaffen, das nachhaltiges Lernen in Organisationen ermöglicht. Ihre Arbeit basiert auf agiler Praxis, systemischen Ansätzen und der Überzeugung, dass wirksame Veränderung dort entsteht, wo Menschen einander zuhören und ihre unterschiedlichen Perspektiven einbringen.

Ihr Anliegen:Verbindung und Verantwortung stärken – für einen nachhaltigen Umgang mit den Herausforderungen einer komplexen Welt.

Vorwort

Wir brauchen nicht Gewissheit, sondern die Fähigkeit,mit Ungewissheit zu leben.

(Edgar Morin)

Seit vielen Jahren begleite ich Menschen und Organisationen in Veränderungsprozessen. Ich erlebe, wie stark der Wunsch nach Klarheit, Orientierung und Miteinander ist – gerade dann, wenn Unsicherheit zunimmt. In diesen Situationen sind Agilität und Gewaltfreie Kommunikation (GFK) zwei Wege, die auf diesen Wunsch eingehen. Beide schaffen Räume, in denen wir handlungsfähig bleiben, auch wenn die Welt sich schneller bewegt, als uns lieb ist. Und beide sind berufliche und persönliche Herzensanliegen.

Agilität steht für die Fähigkeit, mit Wandel umzugehen – mit wachen Sinnen, mit Verantwortung und mit Vertrauen in das, was entsteht. Gewaltfreie Kommunikation erweitert diesen Ansatz um eine Sprache, die Verbindung hält: zu mir selbst, zu anderen und zu dem, was wichtig ist. Wenn beides zusammenkommt, entsteht eine Haltung, die sowohl wirksam ist als auch menschlich.

Komplexität prägt heute fast jedes Arbeitsumfeld. Entscheidungen werden unter Unsicherheit getroffen, Abhängigkeiten wachsen, und der Druck steigt, alles richtig zu machen. In solchen Situationen ist weniger das Wissen über Prozesse entscheidend, sondern vielmehr die Qualität der inneren Ausrichtung: Wie klar bin ich mit mir selbst? Wie offen bleibe ich im Gespräch? Wie gestalte ich Beziehung, wenn Meinungen auseinandergehen?

Agil. Und verbunden richtet den Blick auf Spannungsfelder, die in agilen Umfeldern sichtbar werden – im Zusammenspiel von Menschen, Strukturen und Sprache.Jedes Kapitel eröffnet einen Resonanzraum, in dem die Gewaltfreie Kommunikation Orientierung bietet und neue Perspektiven entstehen können.

Dieses Buch versteht sich als Einladung, die Art, wie wir zusammen leben und arbeiten, bewusster zu gestalten. Es richtet sich an Menschen, die in Organisationen, Projekten, Führung oder Beratung Verantwortung tragen – und die neugierig darauf sind, wie aus Agilität und GFK eine klare, verbindende und handlungsfähige Arbeits- und Entscheidungsweise entsteht.

Ich wünsche mir, dass dieses Buch Mut macht.

Mut, Unsicherheit als Teil eines lebendigen Systems zu sehen.

Mut, Sprache bewusst zu wählen.

Und Mut, im Arbeitsalltag mehr Menschlichkeit zu wagen – weil Verbindung ihre Grundlage ist und dazu beitragen kann, scheinbare Gegensätze zu überwinden.

Herzlich,Bettina Ruggeri

Wie du dieses Buch lesen kannst

Dieses Buch ist eine Einladung, Verbindung im Kontext von Agilität und Gewaltfreier Kommunikation bewusst zu betrachten – und zu entdecken, welche Gestaltung daraus möglich wird.

Ich spreche dich durchgängig mit „Du“ an, weil es persönlicher ist und zum Austausch einlädt. Stell dir vor, wir sitzen zusammen, blättern durch die Seiten und kommen ins Gespräch über das, was dich in deiner Arbeit und deinem Alltag bewegt.

Dieses Buch erzählt aus dem Erleben in der Praxis und zieht zur Erklärung psychologische und systemische Erkenntnisse hinzu. In Verbindung mit Reflexionen und Impulsen zum Umgang mit Unsicherheit entsteht daraus ein Weg, Orientierung zu finden und Verbindung zu halten – in uns selbst, miteinander und in unseren Organisationen.

Die Kapitel folgen einem roten Faden, der sich durch das ganze Buch zieht. Wenn du magst, kannst du einzelne Themen später noch einmal gezielt vertiefen, doch am meisten entfaltet Agil. Und verbunden seine Wirkung, wenn du es Schritt für Schritt liest. So wachsen die Gedanken und Erfahrungen und bilden nach und nach ein zusammenhängendes Bild.

Jedes Kapitel beleuchtet ein Spannungsfeld, das in agilen Umfeldern sichtbar wird. Der Einstieg ist jeweils erzählend gestaltet und macht das Spannungsfeld greifbar. Im anschließenden Resonanzraum findest du Impulse aus der Gewaltfreien Kommunikation, ergänzt durch wissenschaftliche Erkenntnisse wie psychologische Sicherheit und anschlussfähige systemische Sichtweisen. Selbstreflexionen und kleine Alltagsexperimente laden dich dazu ein, das Gelesene auszuprobieren – dort, wo es für dich gerade passt.

Kapitel Eins

Wenn Komplexität weh tut – und Gewaltfreie Kommunikation hält

Agilität - Anpassungsfähigkeit im Wandel

„Wir haben es weniger mit der Vorhersagbarkeit der Zukunft zu tun, sondern vielmehr mit der Fähigkeit,uns an das Unvorhersagbare anzupassen.“

(Snowden & Boone)

Agilität beschreibt die Fähigkeit, sich inmitten von Wandel zu orientieren und Entscheidungen zu treffen, während sich die Bedingungen bereits verändern. Sie wird überall dort gebraucht, wo Zusammenhänge sich beschleunigen und gegenseitig beeinflussen: in globalen Lieferketten, die durch politische oder klimatische Ereignisse ins Wanken geraten; in Städten, die auf Migration, Wohnraummangel und ökologische Transformation gleichzeitig reagieren müssen; in Familien, die Beruf, Pflege, Bildung und digitale Lebenswelten miteinander vereinbaren.

Unsere Zeit ist durch eine bisher nie dagewesene Vernetzung geprägt. Was an einem Ort geschieht, kann sich auf viele andere auswirken. Diese Vernetzung schafft zahlreiche Möglichkeiten – sie beschleunigt Wissen, Innovation und Austausch –, doch sie erhöht auch die Komplexität. Entwicklungen verlaufen nicht mehr linear, sondern verzweigt und miteinander verwoben. Ursache und Wirkung lassen sich oft erst im Nachhinein erkennen.

Wenn Orientierung fehlt, führt das schnell zu Überforderung. Menschen versuchen, Halt zu finden: in klaren Plänen, festen Rollen, vertrauten Abläufen. Doch Komplexität entzieht sich diesen Sicherheiten. Das erzeugt Spannungen: in Systemen, in Beziehungen, in uns selbst. Wir spüren sie in wirtschaftlichen Krisen, in gesellschaftlichen Debatten, in politischen Auseinandersetzungen ebenso wie im privaten Alltag.

Agilität ist keine Methode, die solche Spannungen beseitigt. Sie ist eine Haltung, die dabei hilft, mit ihnen umzugehen – durch Wahrnehmung, Anpassung und bewusste Kommunikation. Das Agile Manifesto, 2001 formuliert [Agile Manifesto 2001], beschreibt dazu vier Leitgedanken, die bis heute gültig sind. Sie laden dazu ein, den Blick auf das zu richten, was Verbindung und Zusammenarbeit ermöglicht:

Individuen und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge.

Funktionierende Software ist wichtiger als umfassende Dokumentation.

Zusammenarbeit mit dem Kunden ist wichtiger als Vertragsverhandlungen.

Reagieren auf Veränderung ist wichtiger als das Befolgen eines Plans.

Wichtiger als ist eine bewusste Gewichtung. Beide Aspekte der Leitgedanken sind wichtig, doch der linke weist die Richtung, an der sich der rechte orientiert.

Im Alltag – ob in Teams, Organisationen oder gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen – gerät diese Gewichtung oft aus dem Gleichgewicht. Regeln und Abläufe übernehmen die Führung, während das gemeinsame Denken, Zuhören und Anpassen an Bedeutung verliert.

Agilität erinnert daran, dass Wandel nicht planbar ist, aber gestaltbar – unter der Voraussetzung, dass Menschen dazu bereit sind, Unsicherheit als Teil des Lebens anzuerkennen.

Hier entsteht der Raum, in dem Gewaltfreie Kommunikation wirksam werden kann: Sie ergänzt die agilen Prinzipien um eine Sprache, die Verbindung ermöglicht – dort, wo Komplexität uns sprachlos macht und wo Klarheit über Bedürfnisse Orientierung schafft.

Während Agilität Strukturen und Entscheidungen beweglich hält, stärkt die Gewaltfreie Kommunikation das Miteinander, das diese Beweglichkeit trägt.

Gewaltfreie Kommunikation – eine Sprache des Lebens

„Worte können Fenster oder Mauern sein.“

(Ruth Bebermeyer)

Sprache bringt zum Ausdruck, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten und wie wir Bedeutung geben. Sie macht sichtbar, was wir denken und wollen, und sie dient als Medium, uns gegenseitig zu verstehen. Unsere Worte können Kontakt fördern oder behindern, sie können Brücken bauen oder Mauern errichten.

Gewaltfreie Kommunikation – kurz GFK – kann uns dabei helfen, diese Fenster zu öffnen und die Mauern abzubauen, die Verständigung erschweren. Ein Vertiefung zur GFK befindet sich im Anhang.

Marshall B. Rosenberg [Rosenberg 1999] entwickelte die GFK, um Wege zu finden, auch in schwierigen Momenten in Kontakt zu bleiben – mit uns selbst und mit anderen. Sie lädt dazu ein, wahrzunehmen, was in einem Augenblick lebendig ist – Gedanken, Gefühle, Bedürfnisse, Impulse –, und dies so auszudrücken, dass unser Umgang mit uns selbst und anderen Brücken baut und vielfältiger Handlungsspielraum entstehen kann.

Wenn wir Bedürfnisse hinter dem Geschehen und dem Verhalten anderer erkennen, erweitert sich unser Verständnis sowohl für uns selbst als auch für andere. Rosenberg betont, dass Konflikte nicht auf der Ebene der Bedürfnisse entstehen, sondern auf der Ebene der Strategien, mit denen wir versuchen, sie zu erfüllen. Diese Unterscheidung öffnet den Blick für Wege, die mehreren Bedürfnissen gerecht werden können.

Verbindung in diesem Sinn bedeutet, mit dem in Kontakt zu sein, was in uns und im Gegenüber lebendig ist. Sie entsteht, wenn wir bereit sind, das Gemeinsame zu sehen, das unter allen Unterschieden liegt: das Streben nach Erfüllung, nach Sinn, nach Wirksamkeit. Wenn wir Bedürfnisse erkennen – in uns und im anderen –, sehen wir, dass hinter jedem Verhalten der Versuch steht, etwas Wertvolles zu schützen oder zu erhalten. Daraus kann Vertrauen entstehen – in uns, in das Gegenüber und in das Leben selbst.

Verbindung erinnert uns daran, dass wir von denselben Kräften bewegt sind. Sie zeichnet Konflikte als Ausdruck lebendiger Bedürfnisse, die sich in einem Moment scheinbar nicht vereinbaren lassen. In dieser Sichtweise wird Unsicherheit zu einer Einladung dazu, Verständigung zu vertiefen.

Gewaltfreie Kommunikation hilft dabei, die Dynamik menschlicher Begegnung bewusster wahrzunehmen, und stärkt die Fähigkeit, in Bewegung und Wandel Orientierung zu finden – durch Bewusstheit, Verständnis und Vertrauen in das, was uns Menschen wichtig ist: für uns selbst und für uns als Gemeinschaft.

In Zeiten von Komplexität und Unsicherheit zeigt sich, wie bedeutsam diese Fähigkeit ist – im Arbeitskontext ebenso wie im alltäglichen Leben. Wenn Strukturen an ihre Grenzen kommen, tragen Beziehungen, Sprache und gegenseitiges Vertrauen. Sie halten uns handlungsfähig, wo Gewissheiten brüchig werden, und schaffen den Raum, in dem Neues entstehen kann.

Wertepaare für mehr Verbundenheit

Die vier Leitgedanken des Agilen Manifests sind als Werte-Paare formuliert. Jede dieser Aussagen verbindet zwei Aspekte, die beide Bedeutung haben und deren Gewichtung daran erinnert, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten möchten.

Die im Folgenden beschriebenen Werte-Paare folgen demselben Prinzip. Sie greifen Phänomene des Lebens auf, denen ich einen ausgleichenden Wert zuordne, um die Aufmerksamkeit in Richtung Verbundenheit zu verschieben – zu uns selbst und zu anderen. Die Orientierung hin zur Verbundenheit ist der Grund für mich, Agilität und Gewaltfreie Kommunikation zusammenzuführen.

Im Wandel brauchen wir beides: die agilen Prinzipien, die uns darin unterstützen, mit Veränderungen beweglich umzugehen, und die Gewaltfreie Kommunikation, die uns hilft, Verbundenheit wahrzunehmen und zu gestalten. In der Kombination entsteht eine Ausrichtung, die Beziehungen stabiler macht und inneren Halt ermöglicht – gerade dann, wenn sich ständig alles verändert.

Beziehung über Struktur

Strukturen geben Orientierung. Sie klären Abläufe, beschreiben Rollen und schaffen Verlässlichkeit. Doch sie sagen wenig darüber aus, wie Menschen sich im Miteinander erleben: ob Vertrauen entsteht, ob sie sich sicher fühlen, ob sie bereit sind, offen zu sprechen oder zuzuhören. Diese Qualität zeigt sich nur im gelebten Kontakt.

Stephen W. Porges beschreibt in seiner Polyvagal-Theorie [Porges 2011], wie unser Nervensystem ständig prüft, ob wir in einer Situation sicher sind. Erst wenn diese Sicherheit spürbar ist, öffnet sich der Zugang zu Kooperation, Kreativität und gemeinsamer Problemlösung. Diese Reaktion ist ein biologischer Prozess, der immer dann abläuft, wenn uns jemand mit aufmerksamer Präsenz begegnet, wenn Blick, Stimme oder Körperhaltung vermitteln: Du bist hier willkommen.

Wie Louis Cozolino mit seinem Konzept des Social Brain [Cozolino 2014] zeigt, beruhen Lernen, Veränderung und Resilienz auf solchen Erfahrungen. Wenn sich Menschen verbunden fühlen, erweitern sie ihr Denken, sind offener für neue Perspektiven und können auch in unsicheren Situationen gemeinsam tragfähige Lösungen entwickeln. Diese Wirkung entsteht nicht nur in Teams oder Organisationen – sie zeigt sich auch in Familien, Freundschaften, Nachbarschaften und überall dort, wo Menschen miteinander in Kontakt stehen.

Die Gewaltfreie Kommunikation baut auf diesen Grundannahmen auf: Wenn Sicherheit und Verbindung den Weg zu Kooperation öffnen, können wir über Sprache und bewusstes Handeln aktiv dazu beitragen. Sie bietet uns ein Sprachmodell und gewaltfreie Prinzipien, mit denen wir auf diese psychologischen Prozesse einwirken können. So lassen sich Beziehungen gestalten, die auch unter schwierigen Umständen Bestand haben und uns Halt geben.

Aus diesem Halt entsteht die Fähigkeit, Strukturen zu gestalten und anzupassen, wenn es die Situation erfordert.

Vertrauen über Kontrolle

Vertrauen ist kein Selbstläufer. Es entsteht in Bedingungen, unter denen sich Menschen sicher genug fühlen, um ihre Gedanken zu teilen, Fragen zu stellen und Unsicherheiten zu zeigen – ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. Vertrauen wächst in einem Raum, in dem Offenheit erlaubt ist und Verletzlichkeit nicht als Schwäche gilt. Wo Menschen spüren, dass sie gehört und ernst genommen werden, entsteht die Grundlage für Beziehung und gemeinsames Wachstum.

In Organisationen hat dieser Gedanke über die Forschung von Amy C. Edmondson Eingang gefunden. Sie beschreibt dieses Klima als psychologische Sicherheit [Edmondson 2018] – eine Erfahrung, die Vertrauen ermöglicht, weil sie Offenheit, Lernen und gemeinsames Verantwortungsgefühl fördert. Was ursprünglich als Beobachtung in medizinischen Teams begann, hat heute große Bedeutung für Führung, Zusammenarbeit und Kulturentwicklung: Überall dort, wo Menschen angstfrei sprechen können, wächst Vertrauen – und damit die Fähigkeit, sich in komplexen Situationen gegenseitig zu stützen.

Wenn Unsicherheit zunimmt, entsteht häufig der Wunsch nach Kontrolle. Sie gibt Orientierung und vermittelt das Gefühl, Einfluss zu behalten. Gleichzeitig jedoch lenkt sie die Aufmerksamkeit nach außen – auf Abläufe, Regeln und Ergebnisse – und schwächt damit den Blick für die Beziehungsebene.

Bei steigender Komplexität stößt Kontrolle irgendwann an ihre Grenzen. Komplexe Systeme bestehen aus vielen wechselseitig abhängigen Elementen, die sich fortlaufend gegenseitig beeinflussen. Es gibt keine einzelne Ursache und keine eindeutige Wirkung. Jedes Handeln verändert das Ganze. Orientierung entsteht durch Beobachtung, durch Resonanz – die Fähigkeit, wahrzunehmen, was sich gegenseitig beeinflusst – und durch gemeinsames Lernen im Rückblick. Kontrolle hingegen versucht, Unvorhersehbarkeit zu bändigen – und verstärkt sie oft ungewollt.

Wenn Kontrolle zu stark wird, geraten Eigenverantwortung und Zutrauen unter Druck: Menschen beginnen, sich zu schützen, statt sich zu zeigen. Kontrolle entsteht aus dem Bedürfnis, Sicherheit herzustellen, und zeigt, wie herausfordernd es ist, Unsicherheit gemeinsam zu tragen. Sie schafft Ordnung. Vertrauen jedoch entsteht aus innerer Bereitschaft und gegenseitigem Zutrauen.

Brené Brown beschreibt Vertrauen als Summe vieler kleiner Erfahrungen – Momente, in denen wir spüren, dass wir gesehen und ernst genommen werden [Brown 2012]. Sie nennt sie Vertrauensmarbeln: Jede Begegnung zählt, jedes Wort kann Vertrauen stärken oder schwächen. So entsteht Verlässlichkeit nicht durch Kontrolle, sondern durch wiederholte Erfahrungen von Achtung, Aufrichtigkeit und gegenseitigem Wohlwollen.

Hier kann die Gewaltfreie Kommunikation Orientierung geben. Sie schafft Worte für das, was oft unausgesprochen bleibt – die Angst vor Fehlern, das Bedürfnis nach Sicherheit, der Wunsch nach Mitgestaltung –, und unterscheidet zwischen Beobachtung und Bewertung, zwischen Bitte und Forderung [Rosenberg 1999]. So fördert sie Klarheit in Momenten, in denen Unsicherheit sonst zu Rückzug führt, und unterstützt darin, spannungsgeladene Situationen in Gesprächsräume zu verwandeln, in denen wir auch schwierige Themen ansprechen und gleichzeitig die Beziehungsebene stärken können.

Wenn wir uns regelmäßig Zeit nehmen, kurz anzukommen und zu teilen, wie es uns gerade geht, verändert sich das Miteinander. In diesen Momenten werden neben Informationen auch das emotionale Erleben und die Sehnsucht dahinter sichtbar. Wer erzählt, was ihn beschäftigt, zeigt etwas von sich, und wer zuhört, öffnet sich für die Perspektive des anderen.

So entsteht ein wechselseitiger Prozess, in dem Verbundenheit erfahrbar wird. Vertrauen wächst, wenn wir einander als Menschen wahrnehmen – mit Unsicherheit, Freude, Müdigkeit oder Hoffnung. Solche Begegnungen fördern Verständnis und Aufmerksamkeit füreinander und schaffen die Grundlage, auf der Vertrauen wachsen kann.

Beweglichkeit über Planbarkeit

Pläne geben Orientierung. Sie schaffen Übersicht über Aufgaben, Zeiträume und Ressourcen und helfen dabei, Erwartungen abzustimmen. In stabilen Phasen können sie der Kompass sein, der Sicherheit vermittelt. Doch in dynamischen Umfeldern bleiben Pläne stets eine Momentaufnahme – ein Bild dessen, was im Jetzt sinnvoll erscheint.

Wer schon einmal ein Projekt bis ins Detail geplant hat, kennt die Erfahrung: Ein Wechsel im Team, veränderte Prioritäten oder neue gesetzliche Vorgaben – und die sorgfältigste Planung verliert ihre Gültigkeit. In solchen Momenten zeigt sich, dass weniger der ursprüngliche Plan entscheidend ist als vielmehr die Fähigkeit, schnell und gemeinsam neu zu denken.

Beweglichkeit bedeutet, trotz Veränderungen in Verbindung zu bleiben – mit dem Team, mit den eigenen Zielen und mit sich selbst. In der Gewaltfreien Kommunikation verschiebt sich der Fokus: Pläne sind Strategien, um Bedürfnisse zu erfüllen, nicht das Bedürfnis selbst. Ein Reiseplan kann für Erholung stehen, ein Projektplan für Sicherheit oder Wirkung. Wenn sich die Umstände ändern, passen wir den Plan an – im Dienst der zugrunde liegenden Ausrichtung.

Das kann bedeuten, gemeinsam das ursprüngliche Ziel auf den Prüfstand zu stellen und zu erörtern, ob es weiterhin gilt und wie es unter den neuen Bedingungen erreicht werden kann. Manchmal genügt eine Anpassung des Rahmens, manchmal braucht es eine neue Strategie. Ein Ich weiß es auch nicht kann dann eine Einladung sein – zur gemeinsamen Suche. Unsicherheit muss nicht verdrängt werden, sie darf geteilt werden.

Nachhaltige Beweglichkeit entsteht dort, wo Menschen auf Veränderungen reagieren können, ohne die Verbindung zueinander zu verlieren. Sie wird möglich, wenn Pläne Orientierung bieten, aber nicht die Aufmerksamkeit binden, und auch wahrgenommen wird, was notwendig und unter den gegebenen Umständen möglich ist.

Verbundenheit über Geschwindigkeit

Schnelligkeit wird oft bewundert. Sie steht für Effizienz, Fortschritt und Wettbewerbsfähigkeit. Doch wenn Tempo zur Hauptsache wird, verliert das Zuhören an Raum – und damit das, was Verbindung schafft.

Effizienz entfaltet ihre Wirkung erst dann, wenn sich Menschen gegenseitig verstehen und aufeinander eingehen können, weil jede Veränderung gemeinsame Abstimmung braucht: untereinander und auf das gemeinsame Ziel hin.

Sätze wie Ich weiß gar nicht mehr, woran wir gerade arbeiten! oder Es ändert sich ständig alles. Niemand blickt mehr durch! zeigen, wie Menschen in hoher Geschwindigkeit den Halt verlieren. Das Tempo entsteht oft als Reaktion auf Komplexität – ein Versuch, Unsicherheit mit schnellen Lösungen zu kontrollieren. Doch wenn Verbindung abhanden kommt, fehlt der emotionale Halt, der es ermöglicht, mit dieser Unsicherheit umzugehen.

Verbindung schafft keinen Schutz vor Veränderung. Sie ermöglicht Halt im Miteinander, wo es keine Sicherheit gibt, und hilft dabei, mit dem Ungewissen in Kontakt zu bleiben, ohne in Hektik zu verfallen.

Diese innere Ruhe, die aus Verbindung entsteht, zeigt sich im Alltag vor allem im Innehalten – einem zentralen Bestandteil gelungener Kommunikation.

In der Gewaltfreien Kommunikation bedeutet Innehalten, den ständigen Handlungsimpuls kurz zu unterbrechen, um wahrzunehmen, was gerade geschieht, was gebraucht wird und welche nächste Bewegung hilfreich ist. Dieses bewusste Wahrnehmen eröffnet den Raum für gemeinsames Lernen und für Anpassung, statt reflexartig auf Geschwindigkeit zu setzen. Dadurch entsteht Beweglichkeit, die in komplexen Situationen benötigt wird – und die gleichzeitig die Grundlage für Empathie bildet, wie Marshall B. Rosenberg sie beschreibt: einen bewussten, präsenten Zustand.

In Momenten, in denen Tempo und Druck zunehmen, ist Empathie die Fähigkeit, die Verbindung zu halten – zu sich selbst und zu anderen. Sie kann sich nach innen und nach außen richten. Wir halten inne, um besser zu verstehen, welche Gefühle in uns entstehen und was wir brauchen. Wenn wir mit einem Gegenüber empathisch in Kontakt treten, versuchen wir, die Perspektive des anderen zu verstehen und anzuerkennen. Empathie bedeutet dabei nicht Zustimmung. Ich kann eine Sichtweise nachvollziehen – auf der Ebene der Bedürfnisse – und zugleich eine andere Strategie bevorzugen, um diese zu erfüllen. Zum Beispiel wünschen sich die einen Aufrüstung, um Sicherheit zu erreichen, die anderen Abrüstung – beide verbindet das Bedürfnis nach Frieden.

Empathie bedeutet Präsenz mit dem Erleben, ohne zu bewerten oder einzugreifen. Sie ist eine Haltung, die Verbindung möglich macht. Diese Haltung prägt nicht nur unsere Arbeit, sondern unser gesamtes Zusammenleben. Sie zeigt sich in allen Formen von Gemeinschaften – in Beziehungen, Organisationen, Gesellschaften und Kulturen. In einer Welt, die von Tempo und Reizüberflutung geprägt ist, schafft Empathie die Verbindung, die wir für nachhaltige Lösungen brauchen.

In der Verbindung entsteht der Halt, den wir brauchen, um mit der Unsicherheit, die komplexer Wandel mit sich bringt, auf nachhaltige Weise umzugehen, sodass wir mit unseren eigenen Bedürfnissen und dem gemeinsamen Sinn in Kontakt bleiben und tragfähige Lösungen für unsere Herausforderungen finden.

Lernen über Wissen

Wissen gibt Sicherheit. Es schafft Orientierung in einem Umfeld, das vertraut ist. Doch in komplexen Systemen ist kaum etwas stabil – vieles verändert sich schnell, manches widerspricht sich. Was eben noch galt, ist wenig später schon wieder überholt.

Sätze wie Ich dachte, ich hätte es verstanden, doch dann war alles anders! oder Ich kann mitreden, aber ich weiß nicht, ob das noch stimmt! zeigen, wie verunsichernd es sein kann, wenn vertrautes Wissen nicht mehr trägt.

Mit bestehendem Wissen allein lassen sich neue Herausforderungen oft nicht lösen. Wir greifen auf Bekanntes zurück und übersehen dabei, dass die Gegenwart und Zukunft oft anderes, neues Wissen erfordern. Doch gerade komplexe Situationen erfordern die Fähigkeit, Perspektiven zu verbinden, Widersprüche auszuhalten und Unterschiede als Quelle für neue Ideen zu nutzen. Ein Forschungsteam, das an einer unerwarteten wissenschaftlichen Entdeckung arbeitet, oder eine Dorfgemeinschaft, die nach einer Flut gemeinsam entscheidet, wie sie den Wiederaufbau gestaltet, benötigt mehr als bekannte Antworten. Sie braucht den Mut, bisherige Annahmen zu hinterfragen und neues Wissen gemeinsam zu entwickeln.

Die Gewaltfreie Kommunikation geht davon aus, dass sich Menschen einbringen wollen. Sie schafft die Beziehungsebene, auf der Diversität als Ressource genutzt werden kann, weil Verstehen und Kontakt die Grundlage für gelingende Interaktion bilden. Reibung und Unterschiedlichkeit können in diesem Rahmen sichtbar werden, ohne zu eskalieren. So entsteht die Möglichkeit, Wissen neu zu verweben und Lösungen zu entwickeln, die über das hinausgehen, was Einzelne beitragen könnten.

Lernen wird so zu einem Gemeinschaftsgeschehen: Wir hören einander zu, wir versuchen, zu verstehen, wir teilen Erfahrungen. Unterschiedlichkeit wird bewusst genutzt. Die GFK bietet die Sprache und den Rahmen, um diese Zusammenarbeit tragfähig zu gestalten – selbst dann, wenn der Weg unklar ist, neue Ideen erst Gestalt annehmen müssen oder Meinungen auseinandergehen.

Auf diese Weise kann Lernen mehr sein als reiner Wissenszuwachs. Es wird zu einer gemeinsamen Entwicklung, in der Fragen willkommen und Irrtümer nicht beschämend sind und Erkenntnisse geteilt werden können. In komplexen Umfeldern gibt diese Art des Lernens durch die Verbindung zwischen den Beteiligten Halt – für dich, dein Team oder jede Gemeinschaft, in der ihr euch bewegt.

Hingabe über Perfektion

Agile Prinzipien ermutigen dazu, Ergebnisse frühzeitig sichtbar zu machen, auch wenn sie noch nicht vollständig oder ausgereift sind. Diese Haltung lässt sich weit über die Arbeitswelt hinaus beobachten: in der Kunst, in Beziehungen, in jedem Prozess, bei dem Entwicklung während des Tuns geschieht. Das frühe Zeigen ermöglicht Austausch, regt Feedback an und lädt dazu ein, gemeinsam zu lernen.

Für viele Menschen ist das ungewohnt. Sie haben gelernt, erst dann etwas zu präsentieren, wenn es fertig ist. Die Sorge, bewertet oder abgelehnt zu werden, sitzt tief. Sätze wie Ich will, dass es gut aussieht, dass ich nicht angreifbar bin! oder Ich weiß, dass wir iterieren sollen – aber ich will es perfekt machen! zeigen, wie stark der Wunsch nach Sicherheit das Handeln prägt, selbst wenn die Bedeutung von Lernen und Entwicklung bekannt ist.

Perfektion wirkt wie ein Schutzschild. Sie vermittelt das Gefühl von Kontrolle und Sicherheit – vermeintlich frei von Angriffen oder Kritik. Doch in dynamischen Zusammenhängen wirkt dieser Anspruch oft als Bremse. Wer darauf wartet, dass alles fertig ist, verpasst die Gelegenheit, Ideen früh zu teilen und gemeinsam weiterzuentwickeln. Eine Architektin, die ihre Entwürfe erst im Endzustand zeigt, erhält weniger konstruktives Feedback, als wenn sie erste Skizzen vorlegt. Ein Musiker, der nur die perfekte Aufnahme spielen will, verzichtet auf den kreativen Input, der beim öffentlichen Proben entstehen könnte.

Die innere Ausrichtung, die Marshall B. Rosenberg mit der Gewaltfreien Kommunikation beschreibt, schafft Vertrauen, weil sie den Blick auf das richtet, was hinter den Worten liegt. Sie trennt die Person vom Verhalten und erkennt in jeder Handlung den Versuch, ein Bedürfnis zu erfüllen. Bewertungen und Fehler sind elementarer Bestandteil menschlicher Kommunikation und geben Hinweise auf das, was jemandem wichtig ist. Wer so reagiert, bleibt handlungsfähig und kann im Gespräch empathisch Verbindung halten, auch wenn etwas irritiert oder herausfordert. Auf diese Weise entsteht Vertrauen, weil Menschen erleben, dass sie mit dem, was in ihnen lebendig ist, gehört und ernst genommen werden.

In dieser Form von Verbindung entsteht Hingabe als bewusste Zuwendung zu dem, was gerade am Entstehen ist. Sie löst den Anspruch, alles richtig machen zu müssen, auf in Aufmerksamkeit für das, was sich zeigt – auch wenn es widersprüchlich, unklar oder unvollständig ist. Hingabe bedeutet, präsent zu bleiben, wenn Unsicherheit, Abhängigkeit und Veränderung spürbar werden. Sie ermöglicht, in komplexen Situationen handlungsfähig zu bleiben und Orientierung aus dem gemeinsamen Prozess zu gewinnen, statt sie in vermeintlicher Perfektion zu suchen.

Man kann diese Haltung auch im Großen beobachten. In gesellschaftlichen Fragen wie Aufrüstung, Klimawandel oder Migration zeigt sich immer wieder der Wunsch nach der einen großen Lösung – nach Sicherheit, Kontrolle oder klaren Ergebnissen. Doch die Wirklichkeit bleibt widersprüchlich, vielschichtig, oft ernüchternd langsam. Hingabe bedeutet hier, im Gespräch zu bleiben, auch wenn Fortschritte klein sind und Ergebnisse unvollständig wirken. Sie zeigt sich im Dranbleiben: in der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, weiter zu verhandeln, immer wieder neu anzufangen.

Präsenz über Zielorientierung

Ziele geben Richtung. Sie helfen dabei, Ressourcen zu bündeln, Entscheidungen zu treffen und Entwicklungen sichtbar zu machen. In Organisationen kann das Struktur und Orientierung geben – ebenso in persönlichen oder gesellschaftlichen Vorhaben. Gleichzeitig kann die Fixierung auf ein Ziel den Blick auf das verstellen, was im Augenblick geschieht – auf Signale, die für den nächsten Schritt entscheidend sein könnten. Manchmal sind das nur feine Hinweise: ein kurzes Schweigen in der Diskussion, eine Veränderung im Tonfall, eine kleine Geste, die Unsicherheit verrät.

Sätze wie Wir müssen vorankommen – jetzt! oder Ich spüre, dass etwas nicht stimmt, aber ich weiß nicht, ob ich das sagen darf! zeigen, wie leicht in zielgetriebenen Situationen übersehen wird, was im Moment gebraucht wird.

Präsenz bedeutet nicht, auf Ziele zu verzichten. Sie beschreibt die Fähigkeit, wahrzunehmen, was im Hier und Jetzt wirkt, und daraus den nächsten Schritt abzuleiten. Das kann sich in Projekten zeigen, wenn eine Deadline in den Hintergrund tritt, weil sichtbar wird, dass ein Konflikt im Team die Arbeit blockiert. Ebenso kann es im persönlichen Alltag bedeuten, das Smartphone beiseitezulegen, um im Gespräch mit einem Freund wirklich zuzuhören, auch wenn die Einkaufsliste im Kopf schon drängt.

Präsenz ist der Moment zwischen Reiz und Reaktion, in dem Wahrnehmung möglich wird. Sie beschreibt die Fähigkeit, innezuhalten und zu bemerken, was vorhanden ist – Gedanken, Gefühle, Bedürfnisse, Spannungen. Viktor Frankl [Frankl 1985] spricht davon, dass zwischen Reiz und Reaktion ein Raum entsteht und dass in diesem Raum unsere Entwicklungsmöglichkeiten liegen und die Freiheit, nicht automatisch zu handeln.

Wenn wir diesen Raum nutzen, wird sichtbar, dass Ziele oft Strategien sind, um Bedürfnisse zu erfüllen. Dann wird aus einem scheinbaren Gegensatz eine Einladung zum Verstehen. Die folgende Szene verdeutlicht dies: Eine Gruppe plant ihren Sommerurlaub. Die einen möchten in die Berge, andere ans Meer, wieder andere zu Hause bleiben. Die Diskussion zieht sich, Argumente wiederholen sich, keiner will nachgeben. Erst als jemand fragt: „Worum geht’s uns eigentlich? Was brauchen wir gerade?“, verändert sich die Atmosphäre. Es wird still, dann sagt jemand: „Ich brauche Ruhe.“ Eine andere Person: „Mir geht’s um Nähe – mal wieder etwas gemeinsam erleben.“ Plötzlich werden neue Möglichkeiten sichtbar. Präsenz zeigt sich in diesem Moment nicht im Handeln, sondern im Wahrnehmen. Sie öffnet den Raum, in dem sich Bedürfnisse zeigen können, und damit auch Wege, die vorher nicht sichtbar waren.

Die Gewaltfreie Kommunikation bietet eine Sprache, um diesen Raum bewusst zu gestalten. Sie unterscheidet zwischen Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte und macht auf diese Weise sichtbar, was in der Begegnung lebendig ist. Präsenz zeigt sich darin, zuzuhören, bevor entschieden wird, und aufmerksam zu bleiben, auch wenn Erwartungen, Zeitdruck oder Unsicherheit spürbar sind.

Resonanz über Bewertung

Bewertungen entstehen schnell. Oft nehmen wir etwas wahr und ordnen es automatisch ein: gut oder schlecht, richtig oder falsch. Diese Urteile geben Orientierung, weil sie unser Denken entlasten und uns dabei helfen, Entscheidungen zu treffen. Doch sie haben ihren Preis: Sie beenden häufig das Gespräch, weil das Gegenüber auf solche Bewertungen mit Abwehr oder Rückzug reagiert.

Bewertungen und Resonanz beginnen am selben Punkt: Etwas erreicht uns. Ein Gedanke, ein Satz, ein Blick – und in uns entsteht eine Reaktion. Ohne dieses erste Berührtsein gäbe es keine Reaktion. Der Unterschied liegt darin, wie wir mit diesem Moment umgehen.

In der Bewertung geschieht alles sehr schnell. Wir deuten, ordnen ein, ziehen Schlussfolgerungen. Das gibt Sicherheit und erleichtert unser Handeln, schließt aber auch den Raum, in dem Neues entstehen könnte. Resonanz hält diesen Raum offen. Sie bleibt für einen Moment bei der Bewegung, die das Erlebte in uns auslöst. Statt zu urteilen, nehmen wir wahr, was wir spüren – Irritation, Zustimmung, Überraschung – und bringen diese Wahrnehmung in die Begegnung ein.

Wie das ablaufen kann, wird anhand eines alltäglichen Beispiels deutlich: Jemand sagt in einem Meeting etwas, das uns unerwartet trifft. Noch bevor wir antworten, läuft innerlich ein Programm ab. Das ist falsch, das ist unlogisch, so kann man das nicht machen! Dieses schnelle Denken schützt uns. Es sortiert, reduziert Komplexität und schafft ein Gefühl von Kontrolle. Doch in demselben Moment schließt es den Kontakt. Wir sehen nicht mehr den Menschen, sondern nur noch die Bewertung.

Wenn wir stattdessen einen Augenblick innehalten, wird etwas anderes möglich. Wir bemerken, dass uns die Aussage überrascht oder verunsichert. Wir spüren vielleicht, dass wir uns wünschen, verstanden zu werden. Diese Wahrnehmung verändert die Situation. Wir müssen dem anderen nicht zustimmen, aber wir können ihm wieder begegnen. Resonanz heißt, das Berührtsein wahrzunehmen, ohne es sofort zu deuten. Es ist der Moment, in dem wir uns selbst und den anderen gleichzeitig spüren können – bevor wir entscheiden, was zu tun ist.

In der Bewertung wollen wir verstehen, um abzuschließen.

In der Resonanz wollen wir verstehen, um in Verbindung zu bleiben.

Gerade in komplexen Situationen ist das bedeutsam. Wo viele Perspektiven aufeinandertreffen, entsteht Unsicherheit. Bewertungen geben kurzfristig Orientierung, verengen aber den Blick. Resonanz lässt die Spannung bestehen, ohne sie sofort aufzulösen. Sie erlaubt, verschiedene Sichtweisen nebeneinander zu halten und zu prüfen, was jede von ihnen beitragen kann. So entsteht Beweglichkeit – nicht, weil alles offen bleibt, sondern weil das Wahrgenommene vollständig sein darf.

Die Gewaltfreie Kommunikation kann diesen Resonanzraum bewusst machen. Sie bietet eine Sprache, um das, was uns berührt, auszudrücken, ohne es zu bewerten. Wenn wir sagen: „Ich merke, dass mich das irritiert“, statt „Das ist falsch!“, übersetzen wir Reiz in Resonanz. Wir bleiben ansprechbar und im Dialog. Die vier Schritte der GFK – Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte – geben dieser Haltung eine Form. Sie helfen dabei, das Berührtsein wahrzunehmen und in Worte zu fassen, die Verbindung ermöglichen.

Resonanz über Bewertung bedeutet, einen Moment länger zu verweilen, bevor wir urteilen, und Berührung zuzulassen, ohne Kontrolle zu verlieren – und darin die Grundlage für Verständnis, Kooperation und gemeinsames Lernen zu finden.

Bedürfnis über Strategie

In unserem Alltag – ob im Team, in Familien oder in Gemeinschaften – stehen oft anstehende Arbeiten im Vordergrund. Welche Lösung ist die richtige? Welcher Weg führt am schnellsten ans Ziel? Welche Entscheidung bringt uns voran? Dabei geht der Blick auf das, was unser Handeln antreibt, leicht verloren.

Wenn jemand in einer Besprechung genervt sagt: „Jetzt entscheidet doch endlich mal!“, steckt darin oft nicht Ungeduld, sondern das Bedürfnis nach Orientierung oder Klarheit.

Wenn jemand ruft: „Dann mache ich es eben allein!“, zeigt sich dahinter selten ein echter Wunsch nach Alleingang. Meist ist es ein Versuch, Einfluss zu behalten oder Wirksamkeit zu erleben.

Auch im privaten Alltag begegnen uns solche Momente.

Eine Partnerin sagt: „Du hörst mir nie richtig zu“, aber meint damit vielleicht: „Ich möchte gesehen werden.“

Ein Freund zieht sich zurück und sagt: „Ich brauche einfach meine Ruhe“, aber sucht in Wirklichkeit Sicherheit oder Erholung.

Diese Situationen zeigen, wie Strategien entstehen: als spontane, oft unbewusste Versuche, ein Bedürfnis zu erfüllen. Erst wenn wir diese Ebene erkennen, wird verständlich, worum es im Kern geht und wie wir einander wieder erreichen können.

In der Gewaltfreien Kommunikation beschreibt der Begriff Bedürfnis eine universelle menschliche Qualität: das, was unser Handeln motiviert und uns mit anderen verbindet. Bedürfnisse wie Zugehörigkeit, Klarheit, Sicherheit, Wirksamkeit oder Sinnhaftigkeit sind unabhängig von Rolle, Kontext oder Kultur. Sie sind der gemeinsame Nenner menschlicher Erfahrung.

Strategien hingegen sind die konkreten Wege, über die wir versuchen, ein Bedürfnis zu stillen. Sie sind individuell, situationsabhängig und können sich sogar widersprechen. Während Bedürfnisse konstant bleiben, verändern sich Strategien mit den Umständen. Erst wenn das dahinterliegende Bedürfnis sichtbar wird, entsteht die Möglichkeit, Wege zu finden, die für alle Beteiligten tragfähig sind.

Manchmal zeigt sich dieser Unterschied erst dann, wenn vertraute Strategien nicht mehr greifen.

Eine Führungskraft, die ihre Meetings eng strukturiert, sucht vielleicht nicht Kontrolle, sondern Verlässlichkeit. Wenn das Team sich verändert und neue Dynamiken entstehen, kann dieselbe Person durch regelmäßige Check-ins dasselbe Bedürfnis erfüllen – auf eine neue Weise.

Oder im Privaten: Zwei Menschen wünschen sich Nähe. Die eine Person verfolgt dieses Ziel durch Reden, die andere durch Schweigen. Beide verfolgen dieselbe Absicht – in Kontakt zu bleiben – aber ihre Strategien widersprechen sich. Erst wenn das Bedürfnis ausgesprochen wird, lässt sich verstehen, was sich beide Partner wünschen: Zeit miteinander, Sicherheit, Verständnis. Dann kann Neues entstehen – vielleicht ein gemeinsamer Spaziergang, bei dem beides möglich ist: Schweigen und Nähe.

Marshall B. Rosenberg beschreibt diesen Unterschied als einen Kern seiner Arbeit: In Konflikten streiten sich Menschen nie über ihre Bedürfnisse. Sie streiten sich über die Strategien, mit denen sie diese Bedürfnisse erfüllen möchten. Wenn wir nur die Strategie sehen, nehmen wir häufig den Widerstand wahr. Doch wenn wir das Bedürfnis erkennen, können wir Verbindung herstellen.

In komplexen Umfeldern ist das entscheidend. Wenn Situationen sich schnell verändern, verlieren Strategien oft ihre Wirkung. Bedürfnisse aber bleiben bestehen. Wer in einem Veränderungsprozess an einer Vorgehensweise festhält, sucht häufig nicht Starrheit, sondern Sicherheit. Wer auf ein bestimmtes Werkzeug besteht, braucht vielleicht Klarheit oder Einfluss. Wenn wir diese Ebene ansprechen, können Gespräche sich öffnen – über das, was Menschen bewegt, nicht nur über das, was sie tun.

Fragen wie Was brauchst du gerade? oder Was ist dir wichtig in dieser Situation? öffnen diesen Raum. Sie ersetzen keine Entscheidung, aber sie schaffen ein Bewusstsein. In der Verbindung zu den Bedürfnissen entsteht Beweglichkeit: die Fähigkeit, auf neue Bedingungen zu reagieren, ohne den Kontakt zueinander zu verlieren.

Verstehen über Urteilen

Bewertungen und Urteile entstehen in unseren Gedanken – gespeist aus Erfahrungen, Erziehung, kulturellen Werten und Erinnerungen, die oft längst vergangene Situationen betreffen. Sie helfen uns dabei, die Welt einzuordnen und Handlungen anderer zu bewerten. Wenn jemand in einer Diskussion laut wird, denken wir vielleicht sofort: Der hat sich überhaupt nicht im Griff! oder Der will sich durchsetzen! Jemand erscheint in farbiger Kleidung zu einer Beisetzung: Das gehört sich nicht! Solche Bewertungen und Urteile entstehen schnell. Sie geben uns Orientierung, schaffen aber auch Distanz. Sie ordnen ein, bevor wir verstehen.