Aktuelle Herausforderungen und Entwicklungen des Konzernrechts - Alexander Vogel - kostenlos E-Book

Aktuelle Herausforderungen und Entwicklungen des Konzernrechts E-Book

Alexander Vogel

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Beschreibung

Die erste Tagung des Europa Instituts Zürich zum Konzernrecht gab einen Überblick über die neuesten Entwicklungen in einzelnen, für die Konzernpraxis in der täglichen Arbeit relevanten Rechtsgebieten. Ein wesentlicher Teil dieser Referate fanden in überarbeiteter Form Eingang in den vorliegenden Tagungsband, namentlich diejenigen zu den folgenden Themen: Die wichtigsten Stolpersteine bei Konzernfinanzierungen (Lukas Glanzmann), mögliche Vorwirkungen der Konzernverantwortungsinitiative auf die Unternehmensverantwortung und die Geschäftsherrenhaftung für „kontrollierte Unternehmen“ (Christoph B. Bühler), die Rolle von Corporate Governance und Compliance im Konzern vor dem Hintergrund einer potentiellen Haftung der Obergesellschaft (Karl Hofstetter), Entwicklungen zum Arbeitsrecht innerhalb von Konzernorganisationen (Thomas Geiser), Sanierungen durch Umstrukturierungen in einer Gruppe mit Praxisbeispielen aus der Rechtsprechung (Alexander Vogel).  

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Seitenzahl: 270

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Aktuelle Herausforderungen und Entwicklungen des Konzernrechts von Alexander Vogel wird unter Creative Commons Namensnennung-Nicht kommerziell-Keine Bearbeitung 4.0 International lizenziert, sofern nichts anderes angegeben ist.

© 2022 – CC BY-NC-ND (Werk), CC BY-SA (Text)

Herausgeber: Alexander Vogel – Europa Institut an der Universität ZürichVerlag: EIZ Publishing (eizpublishing.ch)Produktion, Satz & Vertrieb:buchundnetz.comISBN:978-3-03805-532-7 (Print – Softcover)978-3-03805-533-4 (PDF)978-3-03805-534-1 (ePub)DOI: https://doi.org/10.36862/eiz-532Version: 1.01 – 20221027

Das Werk ist als gedrucktes Buch und als Open-Access-Publikation in verschiedenen digitalen Formaten verfügbar: https://eizpublishing.ch/publikationen/aktuelle-herausforderungen-​und-​entwicklungen-des-konzernrechts/.

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Vorwort

Am 8. September 2020 führte das Europa Institut an der Universität Zürich (EIZ) ein Seminar zum Thema „Aktuelle Herausforderungen und Entwicklungen des Konzernrechts“ durch. Dies war die erste Zürcher Tagung zum Konzernrecht, sie bildete den Auftakt einer neuen Veranstaltungsreihe rund um das Thema Konzern in rechtlicher Hinsicht.

Auch in Zukunft sollen die Tagungen zum Konzernrecht in regelmässigen Abständen durchgeführt werden und den Teilnehmern neben rein fachlichen Aspekten und Überblicken auch die Gelegenheit zum Austausch unter Praktikern und Spezialisten geben, die sich regelmässig mit konzernrechtlichen Fragestellungen auseinandersetzen.

Die erste Tagung zum Konzernrecht gab einen Überblick über die neuesten Entwicklungen in einzelnen, für die Konzernpraxis in der täglichen Arbeit relevanten Rechtsgebieten. Neben verschiedenen handels- bzw. gesellschaftsrechtlichen Themen wie Corporate Governance und Compliance in der Gruppe, Haftungsthemen, Konzernfinanzierung sowie Umstrukturierungen wurden auch arbeits- und steuerrechtliche Themen mit einem Gruppenfokus dargestellt. Hierdurch wurde dem Praktiker ein Einblick in mögliche Massnahmen zur Antizipierung allfälliger zukünftiger Regelungen gegeben.

Während Lukas Glanzmann einen Überblick über die wichtigsten Herausforderungen bei Konzernfinanzierungen und Barbara Brauchli Rohrer über verschiedene damit verbundene steuerliche Aspekten gaben, referierten Karl Hofstetter und Christoph B. Bühler zu den Themen Unternehmensverantwortung und Konzernverantwortungsinitiative, die Übertragung der Geschäftsherrenhaftung auf „kontrollierte Unternehmen“ sowie über die Rolle von Corporate Governance und Compliance in der Gruppe. Thomas Geiser berichtete über neuste Entwicklungen, namentlich in der Rechtsprechung zum Arbeitsrecht im Konzern, gefolgt von einer umfassenden Übersicht über Umstrukturierungen als (heikles) Sanierungsinstrument in einer Gruppe mit diversen Beispielen aus der jüngeren Rechtsprechung von Alexander Vogel. Das Referat von Walter A. Stoffel beleuchtete schliesslich die Aspekte Konzernvertrauen und Konzerninteresse anhand von Beispielen aus der neueren bundesgerichtlichen Praxis. Eine lebhafte Paneldiskussion mit Vertretern von Befürwortern und Gegnern der Konzernverantwortungsinitiative zu den Kernaspekten dieser Initiative wie auch zum Gegenvorschlag bildete den Abschluss der Tagung. Die Referate – mit Ausnahme derjenigen von Barbara Brauchli Rohrer und Walter A. Stoffel – fanden Eingang in diesen Tagungsband.

Für das gute Gelingen der Tagung, insbesondere vor dem Hintergrund der andauernden Pandemie und den damit verbundenen neuen Herausforderungen, sowie der Veröffentlichung dieses Tagungsbandes möchte ich mich herzlich bei den Referenten und Verfassern der Beiträge bedanken. Ein besonderer Dank gilt ebenfalls den Mitarbeitern des Europa Instituts, Andreas Kellerhals und Carrie Joda sowie Iris Geiger von MLL Legal für die Organisation der Tagung sowie Sue Osterwalder für die Gestaltung dieses Bandes.

Zürich, im Herbst 2022 Dr. Alexander Vogel

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Inhaltsübersicht

Konzern-Kreditfinanzierungen unter Berücksichtigung der Aktienrechtsrevision 2020

Prof. Dr. Lukas Glanzmann, Rechtsanwalt, LL.M., Partner bei Baker & McKenzie Zürich, Mitglied der Eidg. Expertenkommission für das Handelsregister, Titularprofessor an der Universität St. Gallen

Unternehmensverantwortung als Zusammenspiel von Markt, Recht, Ethik und Corporate Governance

Prof. Dr. Karl Hofstetter, Titularprofessor für Privat- und Wirtschaftsrecht an der Universität Zürich

Konzernverantwortungsinitiative: Übertragung der Geschäftsherrenhaftung auf „kontrollierte Unternehmen“

Prof. Dr. Christoph B. Bühler, Rechtsanwalt, LL.M., Partner bei böckli bühler partner, Basel, Titularprofessor für Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität Zürich

Konzern in der Krise: Umstrukturierungen als (heikles) Sanierungsinstrument

Dr. Alexander Vogel, Rechtsanwalt, LL.M., Partner bei Meyerlustenberger Lachenal, Zürich/Zug

Arbeitsrecht im Konzern: neuere Tendenzen in Rechtsprechung und Praxis

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Thomas Geiser, Rechtsanwalt, Universität St. Gallen

Konzern-Kreditfinanzierungen unter Berücksichtigung der Aktienrechtsrevision 2020

Lukas Glanzmann

Der vorliegende Text basiert auf folgendem Aufsatz des Autors: Konzern-Kreditfinanzierungen aus Sicht der kreditgebenden Bank, SZW 2011, 229–248. Stand der Judikatur und Literatur ist anfangs 2021. Der Autor dankt Benedikt Rutscheidt, Rechtsanwalt, für die wertvolle Mitarbeit sowie Sammy Guidoum, Rechtsanwalt, und Dr. Markus Wolf, Rechtsanwalt, für die kritische Durchsicht des Manuskripts. Etwaige Bemerkungen werden gerne unter [email protected] entgegengenommen.

Inhalt

EinleitungStrukturen von Konzern-KreditfinanzierungenDownstream-, Upstream- und Cross-stream-StrukturenDrittbedingungen („at arm’s length“) bei Konzern-KreditfinanzierungenDie Bedeutung von DrittbedingungenRelevante SichtweiseWann liegen Drittbdingungen vor?Drittbedingungen bei DarlehenRelevanter ZeitpunktDrittbedingungen bei DrittsicherheitenBerücksichtigung des KonzernverbundsWirtschaftliche Folgen von nicht zu Drittbedingungen gewährten LeistungenDownstream-LeistungenUpstream-LeistungenCross-stream-LeistungenHeilung von Downstream-, Upstream- und Cross-stream-StrukturenZweckkonformität und InteressenkonflikteZweckkonformität einer LeistungInteressenkonflikteAndere Beschränkungen der VertretungsbefugnisGenehmigungsvorbehalt der Gesellschafterversammlung bei der GmbHKlumpenrisikenKapitalschutzvorschriftenLeistungen zu Lasten des geschützten EigenkapitalsWelche Eigenkapitalpositionen können betroffen sein?Relevante Bilanzverhältnisse in zeitlicher HinsichtLeistungen zu Lasten des GrundkapitalsVerbot der EinlagerückgewährWann verletzt eine finanzielle Leistung an nahestehende Personen das Verbot der Einlagerückgewähr?Rechtsfolgen der Verletzung des Verbots der EinlagerückgewährBei DarlehenBei SicherheitenLeistungen zu Lasten der ReservenReserveschutzvorschriftenWann verletzt eine finanzielle Leistung an nahestehende Personen die Reserveschutzvorschriften?Rechtsfolgen einer Verletzung der ReserveschutzvorschriftenBei Eingriff in die geschützten ReservenBei Eingriff in die frei verwendbaren ReservenKapitalersetzende DarlehenFazitLiteraturverzeichnis

Einleitung

Seit der Publikation des Aufsatzes „Konzern-Kreditfinanzierungen aus Sicht der kreditgebenden Bank“[1] sind über zehn Jahre vergangen. In dieser Zeit sind zu dem Thema nicht nur verschiedene Schriften publiziert worden, sondern auch einige Bundesgerichtsurteile ergangen.[2] Zudem wird auch die im Sommer 2020 verabschiedete Aktienrechtsrevision Auswirkungen auf die Finanzierungspraxis haben.[3] Deswegen rechtfertigt es sich, diesen Aufsatz in einer aktualisierten Form zu publizieren.

Im Folgenden werden zuerst die Strukturen bei Konzern-Kreditfinanzierungen dargestellt (II.). Danach werden typische rechtliche Aspekte von Konzern-Kreditfinanzierungen erörtert, nämlich Fragen der Zweckkonformität bzw. der Folgen von Interessenkonflikten (III.), des Kapitalschutzes (IV.) und kapitalersetzender Darlehen (V.). Hierbei handelt es sich um Themen, die beim Vorliegen internationaler Sachverhalte vom auf die Gesellschaft anwendbaren Recht bestimmt werden (Art. 155 IPRG). Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich daher auf Gesellschaften, für die nach Art. 154 IPRG Schweizer Recht anwendbar ist.

Nicht eingegangen wird auf die paulianische Anfechtung von Upstream- und anderen Drittsicherheiten sowie auf die Einschränkungen, die sich aufgrund des Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetzes oder der Covid-19-Härtefallverordnung ergeben.[4]

Obwohl die Ausführungen primär die AG im Konzernverbund adressieren, gelten sie grundsätzlich auch für die GmbH.

Strukturen von Konzern-Kreditfinanzierungen

Downstream-, Upstream- und Cross-stream-Strukturen

Konzern-Kreditfinanzierung zeichnen sich dadurch aus, dass an der Finanzierung mindestens zwei Gesellschaften des gleichen Konzerns beteiligt sind. Konkret ist dies in folgenden Konstellationen möglich:

Eine Konzerngesellschaft gewährt einer anderen Konzerngesellschaft ein Darlehen. Als Darlehen gelten insbesondere auch Forderungen gegenüber dem Pool-Leader in einem physischen bzw. zero balancing Cash Pool,[5] nicht jedoch Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, solange diese eine übliche Zahlungsfrist haben.[6]Ein Kreditgeber, z.B. eine Bank, gewährt einer Konzerngesellschaft einen Kredit, der durch eine andere Konzerngesellschaft besichert wird. Einer Sicherheit gleichgestellt ist die Solidarschuldnerschaft (auch aufgrund einer kumulativen Schuldübernahme) in Bezug auf all jene Beträge, welche die solidarisch haftende Gesellschaft nicht selber als Kredit beansprucht hat.[7] Der gleiche wirtschaftliche Effekt kann zudem eintreten, wenn eine Konzerngesellschaft ein Kreditinstrument (z.B. eine Erfüllungs- oder Anzahlungsgarantie) zugunsten einer Vertragspartei einer anderen Konzerngesellschaft ausstellen lässt. Somit ist der Begriff „Sicherheit“ nachfolgend umfassend zu verstehen.

Aus diesen Konstellationen ergeben sich drei verschiedene Grundstrukturen, die als Downstream‑, Upstream- und Cross-stream-Struktur bezeichnet werden:

Bei einer Downstream-Struktur erbringt eine Gesellschaft eine Leistung zu Gunsten ihrer Tochtergesellschaft, und zwar entweder in Form eines Darlehens an die Tochtergesellschaft oder als Drittsicherheit zu Gunsten des Kreditgebers, der die Tochtergesellschaft finanziert.Abbildung 1: Downstream-StrukturenBei einer Upstream-Struktur erbringt eine Gesellschaft eine Leistung zu Gunsten ihrer Muttergesellschaft, und zwar entweder in Form eines Darlehens an die Muttergesellschaft oder als Drittsicherheit zu Gunsten des Kreditgebers, der die Muttergesellschaft finanziert.Abbildung 2: Upstream-StrukturenBei einer Cross-stream-Struktur[8] erbringt eine Gesellschaft eine Leistung zu Gunsten ihrer Schwestergesellschaft, und zwar entweder in Form eines Darlehens an die Schwestergesellschaft (z.B. von T1 an T2) oder als Drittsicherheit zu Gunsten des Kreditgebers, der die Schwestergesellschaft (vorliegend T1) finanziert.Abbildung 3: Cross-stream-Strukturen

Zu beachten ist, dass eine Downstream-Leistung auch eine verdeckte Upstream- oder Cross-stream-Leistung sein kann. Dies ist der Fall, wenn eine Gesellschaft eine Leistung zu Gunsten ihrer nicht zu 100% gehaltenen Tochtergesellschaft erbringt. Wird diese Leistung nicht zu Drittbedingungen gewährt, dann erfolgt im Umfang derer Beteiligungen eine Leistung an die anderen Gesellschafter der Tochtergesellschaft. Sofern es sich bei diesen anderen Gesellschaftern um Ober- oder Schwestergesellschaften der leistenden Gesellschaft handelt, liegt im Resultat im entsprechenden Umfang eine Upstream- oder Cross-stream-Leistung vor.

Abbildung 4: Verdeckte Upstream-Struktur

Anstatt einer anderen Gruppengesellschaft können insbesondere bei Upstream-Leistungen auch natürliche Personen Begünstigte sein. Aus Sicht der leistenden Gesellschaft ist eine solche Leistung gleich zu behandeln wie jene an eine andere Gruppengesellschaft.

Drittbedingungen („at arm’s length“) bei Konzern-Kreditfinanzierungen

Die Bedeutung von Drittbedingungen

Die rechtlichen Probleme von Konzern-Kreditfinanzierungen gründen einerseits darin, dass der Konzern im Schweizer Privat- und Insolvenzrecht in der Regel nicht als Einheit behandelt wird. Vielmehr gilt jede Konzerngesellschaft als eigenständiges Rechtssubjekt, das seinen eigenen Interessen verpflichtet ist. Schon aus diesem Grund müssen Geschäfte zwischen einzelnen Konzerngesellschaften grundsätzlich zu Drittbedingungen (at arms’ length) abgeschlossen werden. Dies gilt, obschon das Gesetz den Konzern vereinzelt als Einheit behandelt, wie etwa bei der Konsolidierungspflicht[9] oder der Möglichkeit der Vereinheitlichung der Zuständigkeit bei Insolvenzverfahren.[10]

Anderseits müssen Kredit- von Eigenkapitalfinanzierungen abgegrenzt werden. Obwohl jene unbestrittenermassen auch zulässig sind, sind diese die typischen (aber eben nicht ausschliesslichen) Finanzierungsformen zwischen verbundenen Gesellschaften. Eigenkapitalfinanzierungen kommen in einem Downstream-Verhältnis als Beteiligung an einer Kapitalerhöhung oder als Einlage mittels Zuschusses in die Reserven, in einem Upstream-Verhältnis als Rückzahlung von Kapitalreserven, Dividendenausschüttung oder Kapitalherabsetzung vor. Ausser bei Kapitalerhöhungen erfolgen all diese Eigenkapitalfinanzierungen ohne direkte Gegenleistung. Aus diesem Grund stellt sich bei einer Kreditfinanzierung, bei der die Aussicht auf Rückzahlung von Beginn an zweifelhaft ist oder keine oder eine zu geringe Gegenleistung gewährt wird, die Frage, ob es sich um ein Darlehen oder um eine Eigenkapitalfinanzierung handelt.[11] Da Letztere, ausser dem Zuschuss in die Reserven, alle formbedürftig sind, steht damit auch die Rechtmässigkeit der Finanzierung zur Disposition. Deswegen ist bei Konzern-Kreditfinanzierungen der zentrale Aspekt, ob diese Drittbedingungen entsprechen.

Der Drittvergleich kann auch bei der Beurteilung, ob der Verwaltungsrat sorgfältig gehandelt hat, eine Rolle spielen.[12] Dabei geht es aber nicht darum, ob eine Kreditfinanzierung oder eine verdeckte Eigenkapitalfinanzierung vorliegt.

Relevante Sichtweise

Bei der Beurteilung, ob ein Kredit Drittbedingungen entspricht, ist vorab zu klären, aus welcher Perspektive diese Frage zu beantworten ist: Gilt die Sichtweise des Kreditgebers (er hätte den Kredit zu den nämlichen Konditionen auch einem Dritten gewährt) oder jene des Kreditnehmers (dieser hätte den Kredit zu den nämlichen Konditionen auch von einem unabhängigen Dritten erhalten)?

Für die Abgrenzung zwischen Kredit- und Eigenkapitalfinanzierung kann nicht relevant sein, ob der Kreditgeber den nämlichen Kredit auch einem Dritten gewährt hätte.[13] Denn damit kann keine Aussage über die Werthaltigkeit des Kredits gemacht werden, könnte der Kreditgeber doch auch gegenüber einem Dritten unsorgfältig sein und so den Drittmannstest erfüllen. Hinzu kommt, dass dieser Dritte über die gleiche Bonität verfügen müsste wie der Kreditnehmer, damit der Test aussagekräftig wird. Es wären also zwei zusätzliche Elemente einzubauen: Zum einen wäre von einem sorgfältig handelnden Kreditgeber auszugehen und zum anderen müsste der Dritte die gleiche Bonität aufweisen wie der Kreditnehmer. Wenn nun geprüft wird, ob dieser abstrakte Kreditgeber, z.B. eine Bank, einem Dritten, der die gleiche Bonität wie der Kreditnehmer aufweist, den Kredit gewähren würde, besagt der Test letztlich nichts anderes, als wenn man prüft, ob auch ein unabhängiger Dritter den Kredit dem Kreditnehmer gewährt hätte.

Aus diesem Grund ist der Drittvergleich aus der Perspektive des Kreditnehmers zu führen, d.h., es ist zu fragen, ob dieser den Kredit zu den nämlichen Konditionen auch von einem unabhängigen Dritten, insbesondere einer Bank, erhalten hätte.[14] Kann diese Frage bejaht werden, dann ist der Kredit als werthaltig zu betrachten und in einer Upstream- oder Cross-stream-Struktur nicht von einer verdeckten Ausschüttung bzw. in einer Downstream-Struktur nicht von einer verdeckten Einlage auszugehen.

Der Drittvergleich aus Sicht des Kreditgebers mag immerhin bei der Beantwortung der Frage helfen, ob ein Kreditgeber sorgfältig gehandelt hat.[15] Da aber bei der Prüfung der Sorgfalt grundsätzlich ein objektiver Standard anzuwenden ist,[16] lässt sich alleine gestützt auf den Drittvergleich nicht abschliessend beurteilen, ob etwa die Gewährung eines Darlehens sorgfältig war oder z.B. ein Klumpenrisiko[17] darstellt.

Wann liegen Drittbedingungen vor?

Drittbedingungen bei Darlehen

Das massgebende Kriterium für die Beurteilung, ob ein Darlehen Drittbedingungen entspricht, ist dessen Werthaltigkeit und damit Rückzahlungswahrscheinlichkeit. Wenn der Wille und die Fähigkeit bestehen, das erhaltende Geld zurückzubezahlen, liegt ein Darlehen und keine Eigenkapitalfinanzierung vor. Sind sich die Parteien hingegen einig, dass das Darlehen nicht zurückzuzahlen ist, so fehlt es an der Hauptpflicht des Kreditnehmers, nämlich der Rückzahlung des Darlehens.[18] In diesem Fall ist das Darlehen fiktiv, d.h., es liegt materiell eine verdeckte Ausschüttung (bei einer Upstream-Struktur) bzw. Einlage (bei einer Downstream-Struktur) vor. Das Gleiche gilt, wenn von vornherein klar ist, dass das Darlehen nicht zurückbezahlt werden kann.[19]

Da letztlich die Rückzahlungswahrscheinlichkeit des Darlehens zu testen ist, sind die in dieser Hinsicht relevanten Aspekte dem Drittvergleich zu unterziehen. Dazu gehören in Abhängigkeit der Bonität des Kreditnehmers die Besicherung des Darlehens,[20] die Höhe der Darlehenssumme, die Laufzeit des Darlehens sowie dessen Kündbarkeit (Kündigungsgründe und -fristen).[21] Dies hat im Ergebnis auch das Bundesgericht anerkannt, verneint es doch im Swisscargo-Entscheid die Drittbedingungen primär wegen der fehlenden Besicherung des Darlehens, womit es letztlich die Werthaltigkeit des Rückforderungsanspruchs in Frage stellt.[22] Richtigerweise hat das Bundesgericht seine apodiktische Haltung zur Besicherung im Flightlease-Urteil relativiert und festgehalten, dass sich aus dem Swisscargo-Entscheid keine generelle Pflicht zur Besicherung von Darlehen ergebe.[23] Als Sicherheit muss auch eine Konzerngarantie genügen, wenn diese auch für eine Bank eine ausreichende Sicherheit wäre. Dass diese Garantie in der Insolvenz des Konzerns ebenfalls ausfallen kann, trifft zwar zu, verhindert aber nicht die Erfüllung des Drittvergleichs. Eine Bank wäre nämlich genau gleich von einem solchen Ausfall betroffen.[24]

Die Werthaltigkeit einer Darlehensforderung kann sich auch daraus ergeben, dass der Kreditgeber gegenüber dem Kreditnehmer eine verrechenbare Schuld hat. Im Betrag, in dem eine Verrechnung möglich ist, ist die Forderung für den Kreditgeber werthaltig.[25]

Für sich allein nicht ausschlaggebend ist die Höhe des Zinssatzes und ob der Zins ausbezahlt oder kapitalisiert wird.[26] Insbesondere bietet die Bezahlung eines Marktzinssatzes oder des von der ESTV publizierten Zinssatzes[27] keinen „safe harbor“.[28] Ist der Zinssatz ohne ersichtlichen Grund vergleichsweise zu tief oder zu hoch, dann findet im Umfang der Zinsdifferenz eine finanzielle Leistung an die jeweils andere Partei statt. Ist das Darlehen unverzinslich, so kann dies in einem normalen Zinsumfeld ein Indiz für das Fehlen der Rückzahlungspflicht und somit für das Vorliegen eines fiktiven Darlehens sein, denn es ist – obwohl zulässig – nicht üblich, dass im kaufmännischen Verkehr ein Darlehen zinslos gewährt wird.[29]

Bei der Beurteilung der Höhe des Zinssatzes darf und muss die Tatsache der Konzernzugehörigkeit berücksichtigt werden: Wenn eine Gesellschaft z.B. im Rahmen eines Cash-Pooling einer anderen Konzerngesellschaft ein Darlehen gewährt, erhält sie einen höheren Zins als wenn sie das Geld bei einer Bank anlegte; gleichzeitig muss der Kreditnehmer aber weniger bezahlen, als wenn er sich bei einer Bank refinanzierte.[30] Die Tatsache allein, dass der Zinssatz nicht jenem eines Bankkredits entspricht, besagt somit nicht, dass er einem Drittvergleich nicht standhält. Dazu bedarf es einer auch im Verhältnis zu anderen konzerninternen Konstellationen offensichtlichen Abweichung.[31]

Gänzlich ohne Relevanz für die Werthaltigkeit ist die Form des Darlehensvertrags,[32] obwohl es selbstverständlich zu einer guten Corporate Governance gehört, diesen schriftlich abzuschliessen.[33]

Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts haben Upstream-Darlehen, die nicht Drittbedingungen entsprechen, Ausschüttungscharakter.[34] Demgegenüber kann nach der hier vertretenen Meinung nicht jede geringfügige Abweichung von Drittbedingungen eine Umqualifizierung des Kreditverhältnisses in ein Eigenkapitalverhältnis bewirken.[35] Vielmehr ist den Parteien ein gewisser Ermessensspielraum zuzugestehen. Deshalb darf der Drittvergleich nur dann als nicht erfüllt gelten, wenn das Darlehen in den relevanten Punkten „offensichtlich“ nicht Drittbedingungen entspricht.[36] Offensichtlich von Drittbedingungen abgewichen wird z.B., wenn das Darlehen nicht besichert ist, obwohl der Kreditgeber im Zeitpunkt der Darlehensgewährung weiss oder wissen müsste, dass die Bonität des Kreditnehmers so schlecht ist, dass dieser nicht fähig sein wird, die Darlehenssumme zurückzuzahlen.[37] In die gleiche Kategorie fällt in der Regel auch das unbesicherte Darlehen ohne vertragliche Kündigungsmöglichkeit mit einer festen Laufzeit von z.B. über zehn Jahren.[38]

Bei Darlehen, die offensichtlich nicht Drittbedingungen entsprechen oder fiktiv sind, liegt kein Kredit‑, sondern ein Eigenkapitalverhältnis vor. Deswegen dürfen diese Darlehen auch nicht mit ihrem vollen Nominalwert bilanziert werden.[39] Demgegenüber geht das Bundesgericht davon aus, dass ein Darlehen Ausschüttungscharakter haben könne, ohne dass es in seinem Wert berichtigt werden müsse.[40] Dies ist ein Widerspruch in sich, denn was Ausschüttungscharakter hat, wird nicht zurückbezahlt.[41] Damit kann kein Darlehen mehr vorliegen.

Relevanter Zeitpunkt

Der relevante Zeitpunkt für die Beurteilung, ob Drittbedingungen vorliegen, ist die Ausrichtung des Darlehens. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Darlehen während seiner Laufzeit notleidend werden kann. Dies darf dem Drittvergleich nicht schaden. Aus diesem Grund kann ein ursprünglich Drittbedingungen entsprechendes Darlehen nachträglich nicht ohne Weiteres Ausschüttungscharakter erhalten, sofern der Kreditgeber das Darlehen so verwaltet, wie es ein unabhängiger Dritter auch tun würde. Soweit erforderlich sind auf dem Darlehen Wertberichtigungen vorzunehmen,[42] die zwar direkt das Eigenkapital des Kreditgebers reduzieren, aber das Darlehen deswegen nicht in eine Eigenkapitaldisposition umwandeln.

Das Bundesgericht hat diese Sichtweise bei der Beurteilung eines vermeintlich kapitalersetzenden Downstream-Darlehens ausdrücklich geteilt.[43] Im Swisscargo-Entscheid geht es hingegen davon aus, dass ein Darlehen eine kapitalschutzrechtlich relevante Ausschüttung sein könne, obwohl dieses keiner Wertberichtigung bedarf und somit werthaltig ist.[44] Dieser Schluss ist inkohärent mit der Aussage, dass eine Konzerngesellschaft uneingeschränkt Darlehen zu Drittbedingungen vergeben könne.[45] Im Ergebnis führte dies nämlich dazu, dass die Vergabe von Darlehen zu Drittbedingungen nur zulässig ist, „sofern alles gut geht“: Würde das ursprünglich unproblematische Darlehen notleidend, dann läge plötzlich doch eine Eigenkapitaldisposition vor und es träten insbesondere in einem Upstream-Verhältnis drastische Rechtsfolgen ein, sofern der Kreditgeber die Voraussetzungen für die Ausrichtung eines nicht Drittbedingungen entsprechenden Darlehens nicht erfüllt.[46]

Drittbedingungen bei Drittsicherheiten

Bei der Beurteilung, ob eine Drittsicherheit einem Drittvergleich standhält, ist zwischen dem Valuta‑, Sicherungs- und Deckungsverhältnis zu unterscheiden.[47] Wenn die Forderung eines unabhängigen Dritten, z.B. einer Bank, besichert wird, werden das Valuta- und das Sicherungsverhältnis vermutungsweise Drittbedingungen entsprechen. Nicht zwingend ist dies jedoch beim Deckungsverhältnis, also im Verhältnis zwischen dem Kreditnehmer und dem Sicherheitengeber, da dieses konzernintern besteht. Deshalb muss der Drittvergleich anhand des Deckungsverhältnisses gemacht werden.

Das Deckungsverhältnis umfasst insbesondere den Auftrag zur Bestellung der Drittsicherheit, die Entschädigung für die Drittsicherheit sowie – soweit nicht eine gesetzliche Subrogation erfolgt[48] – den Rückforderungsanspruch des Sicherheitengebers gegenüber dem Kreditnehmer im Falle der Inanspruchnahme bzw. Verwertung der Drittsicherheit.[49] Bei der Prüfung, ob das Deckungsverhältnis einem Drittvergleich standhält, ist einmal zu beachten, dass der Sicherheitengeber den Auftrag zur Bestellung einer Sicherheit in den meisten Fällen nur deshalb annehmen wird, weil der Kreditnehmer dem gleichen Konzern angehört. Doch dies alleine ist noch kein Grund, dass das Deckungsverhältnis dem Drittvergleich nicht standhält, denn die Tatsache der Konzernzugehörigkeit darf auch hier in die Beurteilung einfliessen.[50]

Im Übrigen ist die Frage, ob das Deckungsverhältnis Drittbedingungen entspricht, unter den gleichen Aspekten zu prüfen wie ein Darlehensverhältnis, ausser dass dieses während der Laufzeit der Sicherheit selbstverständlich nie kündbar ist. Bei der Prüfung der Werthaltigkeit des Rückforderungsanspruchs sind etwaige Verrechnungsmöglichkeiten ebenfalls zu berücksichtigen.[51] Zudem ist zu beachten, dass die Gewährung von Drittsicherheiten im gewöhnlichen Bankgeschäft, z.B. die Ausstellung einer Bankgarantie, an die Bedingung geknüpft sein kann, dass der mögliche Regressanspruch besichert wird. Deshalb muss unter Umständen auch bei einer gruppeninternen Sicherheit verlangt werden, dass der Rückforderungsanspruch des Sicherheitengebers besichert wird, damit die Sicherheit als zu Drittbedingungen abgeschlossen gilt.

Ob die Entschädigung für die Sicherheit, also z.B. eine Garantiekommission, einem Drittvergleich standhält, ist unter den gleichen Aspekten zu beurteilen wie beim Darlehenszins.[52]

Berücksichtigung des Konzernverbunds

Bei Konzern-Kreditfinanzierungen kann die Tatsache der Zugehörigkeit zu einem Konzern in zweierlei Hinsicht relevant sein: Einerseits kann sie beim Drittvergleich eine Rolle spielen, anderseits ist sie bei der Prüfung der Sorgfaltspflichten zu berücksichtigen.

Die Analyse, ob bei einer Kreditfinanzierung zwischen verbundenen Gesellschaften Drittbedingungen vorliegen, ist grundsätzlich anhand einer gesamtheitlichen Betrachtung im Einzelfall vorzunehmen. Damit kann und muss auch die Konzernzugehörigkeit berücksichtigt werden.[53] Es wurde bereits aufgezeigt, dass sich z.B. bei einem konzerninternen Darlehen objektiv ein anderer Zinssatz rechtfertigen lässt als bei einem Bankdarlehen.[54] Weiter kann auch die Werthaltigkeit einer Darlehens- bzw. Regressforderung durch die Konzernzugehörigkeit begründet sein, weil die vielfältigen Beziehungen zwischen den Parteien eine Verrechnungsmöglichkeit begründen.[55]

Das Bundesgericht hat in der Vergangenheit bei der Beurteilung der Drittbedingungen die Konzernzugehörigkeit kaum berücksichtigt.[56] Im Swissair-Urteil hat es im Rahmen der Prüfung der Pflichtwidrigkeit eine Änderung der Rechtsprechung begründet: Richtigerweise hält es fest, dass „mit Blick auf die Vorteile der Konzernzugehörigkeit nicht einfach isoliert das Gesellschaftsinteresse der betreffenden Gesellschaft Massstab bilden kann, sondern in einem gewissen Grad auch das Konzerninteresse mitberücksichtigt werden muss“.[57] Im konkreten Fall befand es, dass nicht Drittbedingungen entsprechende Darlehen, welche die damalige Swissair anderen Konzerngesellschaften (namentlich der Flightlease AG) gewährte, dennoch im Gesellschaftsinteresse der Swissair lagen, da diese ein Interesse am Fortbestand des Konzerns und der Schwestergesellschaften hatte, weil sie ansonsten ihren Flugbetrieb nicht hätte fortführen können.[58] Damit hat das Bundesgericht aber nicht irgendwie geartete Konzerninteressen abstrakt berücksichtigt, sondern anerkannt, dass das Interesse am Fortbestand des Konzerns bzw. einzelner Konzerngesellschaften im eigenen Interesse einer anderen Konzerngesellschaft liegen kann, bspw. wenn jene eine wichtige (operative) Funktion erfüllt.[59] Im Ergebnis lag deshalb keine Pflichtverletzung vor, obwohl der Drittmannstest nicht erfüllt war. Leider hat das Gericht dies explizit als aussergewöhnlichen Fall bezeichnet,[60] obwohl gerade solche Situationen bei Konzernfinanzierungen regelmässig anzutreffen sind.

Wirtschaftliche Folgen von nicht zu Drittbedingungen gewährten Leistungen

Downstream-Leistungen

Sofern eine Downstream-Leistung zu Gunsten der Tochtergesellschaft nicht zu Drittbedingungen ausgerichtet wird, führt sie zu einer Bereicherung der Tochtergesellschaft. Dies ist z.B. der Fall, wenn ein Downstream-Darlehen nicht verzinslich oder fiktiv ist.[61] Den gleichen wirtschaftlichen Effekt hat die Einräumung einer Drittsicherheit, für welche die Tochtergesellschaft keine Entschädigung bezahlen muss oder die sonst einem fiktiven Darlehen entspricht.[62]

Die gleiche Downstream-Leistung führt aber nicht in jedem Fall zu einer Entreicherung bei der Muttergesellschaft. Diesbezüglich ist zu differenzieren:

Wenn die Tochtergesellschaft zu 100% gehalten wird und überlebensfähig ist, widerspiegelt sich der Wert der Downstream-Leistung in einem entsprechenden Mehrwert der Beteiligung an der Tochtergesellschaft.[63] Bei einer rein bilanziellen Betrachtung führt eine solche Downstream-Leistung bei der Muttergesellschaft nicht zu einer Entreicherung.[64] Wird die Leistung in Form eines Darlehens erbracht, dann kann es hingegen liquiditätsmässig durchaus einen Unterschied machen, ob das Geld bei der Muttergesellschaft oder bei der Tochtergesellschaft liegt.Anders liegt der Fall, wenn nicht mehr ernsthaft mit einer Gesundung der finanziell angeschlagenen Tochtergesellschaft und damit auch der Rückerstattung der gewährten Downstream-Leistung gerechnet werden darf. Dann werden primär die Gläubiger der Tochtergesellschaft begünstigt, ohne dass sich der Wert der Downstream-Leistung in einem Mehrwert der Beteiligung an der Tochtergesellschaft widerspiegeln würde.[65] Bei einer rein substanzmässigen Betrachtung erfolgt im Umfang der auszubuchenden Downstream-Leistung eine Entreicherung der Muttergesellschaft. Hingegen kann eine solche Leistung für die Muttergesellschaft nicht nur aus Reputationsgründen vorteilhaft sein, sondern auch weil die Tochtergesellschaft eine wichtige Funktion für die Kreditgeberin erfüllt oder weil deren Insolvenz bei der Kreditgeberin aufgrund eines sog. „cross default“ z.B. zur Zahlungsunfähigkeit führen würde.[66]Wenn die Tochtergesellschaft nicht zu 100% gehalten wird, dann kann eine verdeckte Upstream- oder Cross-stream-Leistung vorliegen, sofern nicht alle Gesellschafter anteilsmässig die gleiche Leistung erbringen.[67]
Upstream-Leistungen

Eine Upstream-Leistung, die nicht Drittbedingungen entspricht, führt zu einer Entreicherung der leistenden Gesellschaft, weil die Leistung die Sphäre der Tochtergesellschaft verlässt. Anders als bei einer Downstream-Leistung steht einer solchen Upstream-Leistung nie ein direkter Gegenwert bei der leistenden Gesellschaft, also bei der Tochtergesellschaft gegenüber. Hingegen ist es möglich, dass der Tochtergesellschaft aufgrund einer Upstream-Leistung andere Vorteile zukommen, weil sie z.B. aus operativen Gründen auf die Kreditnehmerin angewiesen ist.[68]

Bei der die Upstream-Leistung empfangenden Muttergesellschaft führt die Leistung bei einer substanzmässigen Betrachtung nicht zu einer Bereicherung, weil sich der Beteiligungswert an der Tochtergesellschaft im gleichen Betrag reduziert.

Wird eine Upstream-Leistung an eine Gesellschafterin ausgerichtet, die nicht 100% der Anteile an der Tochtergesellschaft hält, dann führt dies zu einer Bereicherung dieser Gesellschafterin; daneben liegt aber noch eine Ungleichbehandlung der anderen Gesellschafter der Tochtergesellschaft vor.

Cross-stream-Leistungen

Cross-stream-Leistungen, die nicht Drittbedingungen entsprechen, führen zu einer Bereicherung der empfangenden Gesellschaft und zu einer Entreicherung der leistenden Gesellschaft. Bei Schwester-Gesellschaften, die nicht symmetrisch von den gleichen Gesellschaftern gehalten werden, führen solche Cross-stream-Leistungen zudem zu einer Ungleichbehandlung der Gesellschafter,[69] weil eine Cross-stream-Leistung auch als eine Upstream-Leistung an die Muttergesellschaft mit einer anschliessenden Downstream-Leistung an die empfangende Schwestergesellschaft verstanden werden kann. Aufgrund dieser sog. Dreieckstheorie werden Cross-stream-Leistungen aus handelsrechtlicher Sicht grundsätzlich gleich behandelt wie Upstream-Leistungen.[70]

Heilung von Downstream‑, Upstream- und Cross-stream-Strukturen

Konzern-Kreditfinanzierungen führen häufig zu unerwünschten Strukturen, sei dies aus rechtlicher Sicht[71] oder aus wirtschaftlichen Überlegungen.[72] Deshalb kann es in gewissen Situationen erwünscht sein, Downstream‑, Up­stream- und Cross-stream-Strukturen zu beseitigen. Die Bereinigung solcher Strukturen hat oft steuerliche Implikationen, auf die hier aber nicht weiter eingegangen wird.

Eine Möglichkeit, unerwünschte Finanzierungsstrukturen zu beseitigen, ist, die verschiedenen an einer Kreditfinanzierung beteiligten Konzerngesellschaften zu fusionieren. In diesem Fall steht z.B. der kreditgebenden Bank nur noch eine Konzerngesellschaft als Kreditnehmerin gegenüber, die unter Umständen gleichzeitig auch noch die Sicherheiten bestellt.

Die Upstream-Struktur einer Sicherheit kann in eine direkte Besicherung überführt werden, wenn der Kreditnehmer gegenüber dem Sicherheitengeber eine Forderung hat und diese Forderung sicherungshalber an den Kreditgeber (z.B. eine Bank) abgetreten wird. Im Verwertungsfall kann der Kreditgeber aus der abgetretenen Forderung gegen den Sicherheitengeber vorgehen, wobei die Sicherheit eine eigene Verbindlichkeit dieser Gesellschaft besichert. Allerdings trifft dies nur im Betrag der abgetretenen Forderung zu, d.h., bezüglich eines den Forderungsbetrag übersteigenden Kreditbetrags bestünde immer noch eine Upstream-Struktur. Zudem muss die Sicherheit nicht nur den Kredit, sondern auch sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen des Kreditgebers gegenüber dem Sicherheitengeber besichern.

Eine Upstream-Sicherheit bzw. eine strukturelle Subordination kann auch durch einen sog. „debt push-down“ geheilt werden. In diesem Fall übernimmt der Sicherheitengeber vom Kreditnehmer die Verbindlichkeiten gegenüber dem Kreditgeber, wodurch wiederum eine direkte Besicherung entsteht. Die Übernahme der Verbindlichkeiten kann dadurch erfolgen, dass der Kreditnehmer eine Forderung gegenüber dem Sicherheitengeber begründet, wobei der Sicherheitengeber seine diesbezügliche Schuldpflicht durch Übernahme der Verbindlichkeiten gegenüber dem Kreditgeber erfüllt. Die Forderung kann z.B. durch einen Dividendenbeschluss oder durch ein Kaufsgeschäft begründet werden; bei Letzterem verkauft der Kreditnehmer dem Sicherheitengeber z.B. eine andere Gesellschaft, womit der Kreditnehmer gegenüber dem Sicherheitengeber eine Kaufpreisforderung begründet.

Zweckkonformität und Interessenkonflikte

Zweckkonformität einer Leistung

Organe können eine Gesellschaft nur bezüglich solcher Handlungen gültig vertreten, die der Zweck der Gesellschaft mit sich bringen kann.[73] Das Bundesgericht vertritt bei der Beurteilung der Zweckkonformität einer Handlung zu Recht eine sehr liberale Haltung: Nach seiner konstanten Rechtsprechung ist eine Handlung zweckkonform, sofern sie durch den Zweck nicht geradezu ausgeschlossen wird.[74] Somit sind selbst ungewöhnliche Geschäfte zweckkonform, sofern sie auch nur möglicherweise im Gesellschaftszweck liegen.[75] Für diese Beurteilung massgebend ist der in den Statuten verankerte Zweck.[76]

Liegt eine Handlung ausserhalb des Gesellschaftszwecks, dann mangelt es den Organen an Vertretungsmacht.[77] Eine entsprechende Rechtshandlung ist für die vertretene Gesellschaft einseitig unverbindlich, wobei die Gegenpartei keinen Gutglaubensschutz geniesst;[78] für diese ist der Vertrag zudem grundsätzlich bindend.[79] Immerhin hat sie aber die Möglichkeit, von der Gesellschaft innerhalb einer angemessenen Frist eine Erklärung zu verlangen, ob diese das Geschäft genehmigt; mit der Genehmigung wird das Geschäft für die vertretene Gesellschaft verbindlich.[80] Die Gesellschaft kann das Geschäft genehmigen, indem sie den statutarischen Zweck entsprechend anpasst. Einer formellen Anpassung des Gesellschaftszwecks gleichgestellt ist ein Beschluss der General- bzw. Gesellschafterversammlung, der mit dem gleichen qualifizierten Quorum gefasst wird.[81] Die Erfüllung eines nicht zweckkonformen Vertrags durch die Gesellschaft führt hingegen bei einer Überschreitung des Gesellschaftszwecks nicht ohne Weiteres zu einer Genehmigung des Geschäfts.[82]

Wird das Geschäft nicht genehmigt, ist dieses endgültig unwirksam[83] und die bereits empfangene Leistung zurückzuerstatten. Ist ein Darlehen noch nicht ausbezahlt, dann ist der Kreditgeber nicht verpflichtet, die Darlehenssumme an den Kreditnehmer auszurichten. Wurde die Darlehenssumme bereits ausbezahlt, dann ist der Kreditnehmer verpflichtet, diese aufgrund der Bestimmungen über die ungerechtfertigte Bereicherung zurückzuzahlen;[84] bei einem Upstream- oder Cross-stream-Darlehen kann eine Rückerstattung bei gegebenen Voraussetzungen auch aufgrund von Art. 678 OR gefordert werden. Liegt ein Sicherheitenvertrag ausserhalb des Gesellschaftszwecks des Sicherheitengebers, dann darf der besicherte Kreditgeber die Sicherheit nicht verwerten. Dies bedeutet, dass z.B. eine Garantie nicht durchgesetzt werden kann oder bezüglich eines an den Kreditgeber übertragenen Pfandgegenstands ein Vindikationsanspruch[85] besteht.[86] Wurde die Sicherheit bereits verwertet, dann hat der Sicherheitengeber einen Rückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung.[87]

Nach einem Teil der Lehre ist bei der Beurteilung der Zweckkonformität einer Leistung zusätzlich zu prüfen, ob das konkrete Geschäft mit dem Endzweck übereinstimmt („konkreter Test“).[88] Der Endzweck liegt in der Regel im Erzielen und Ausschütten von Gewinnen.[89] Weil von der Erfüllung des konkreten Tests die Vertretungsmacht der Organe abhängt, müsste der Vertragspartner die Konsequenzen einer Nichterfüllung vollumfänglich tragen, ohne dass er zur Beurteilung, ob der konkrete Test erfüllt wird, in der Lage wäre oder sich auf seinen guten Glauben berufen könnte. Deshalb gehen das Bundesgericht und die wohl h.L. zu Recht davon aus, dass die Zweckkonformität nur anhand des statutarischen Zwecks zu prüfen ist.[90] Sollte der konkrete Test dennoch auch massgebend sein, so dürfte dieser selbst dann erfüllt werden, wenn die finanzielle Leistung nicht zu Drittbedingungen gewährt wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts genügt nämlich für die Aufrechterhaltung der Gewinnstrebigkeit, dass die Gesellschaft langfristig eine gewinnbringende Tätigkeit verfolgt, selbst wenn sie vorübergehend keinen Gewinn erwirtschaftet.[91] Durch die Gewährung eines Darlehens oder Einräumung einer Drittsicherheit dürfte aber kaum je die Gewinnstrebigkeit in diesem Sinne aufgegeben werden.[92]

Aufgrund der obenstehenden Ausführungen sind finanzielle Leistungen zu Gunsten einer anderen Konzerngesellschaft zweckkonform, solange die Statuten solche Leistungen nicht geradezu ausschliessen.[93] Dennoch ist es in der Praxis nicht unüblich, den statutarischen Zweck dahingehend anzupassen, dass dieser solche Leistungen ausdrücklich vorsieht:

„Die Gesellschaft kann an Konzernfinanzierungen teilnehmen, insbesondere indem sie ihren direkten oder indirekten Gesellschaftern oder anderen Konzerngesellschaften Kredite gewährt oder für deren Verbindlichkeiten gegenüber Dritten Sicherheiten aller Art gewährt, auch wenn diese Kredite oder Sicherheiten im ausschliesslichen Interesse ihrer direkten oder indirekten Gesellschafter oder anderen Konzerngesellschaften liegen und unentgeltlich gewährt werden.“

Weil im Teilsatz „…auch wenn diese Kredite oder Sicherheiten […] unentgeltlich gewährt werden“ eine partielle Aufgabe der Gewinnstrebigkeit gesehen werden kann, bedürfen solche Statutenänderungen der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter.[94]

Interessenkonflikte

Die Vertretungsfähigkeit der Organe ist nicht nur bei fehlender Vertretungsmacht, sondern auch bei mangelnder Vertretungsbefugnis beschränkt. Anders als bei fehlender Vertretungsmacht wird der gute Glaube des Dritten bei mangelnder Vertretungsbefugnis geschützt.[95] Gegenüber diesem ist die vertretene Gesellschaft an den Vertrag gebunden, auch wenn die Organe keine Befugnis hatten, die Gesellschaft zu vertreten. Bei Bösgläubigkeit des Dritten treten hingegen bezüglich der die Vertretungsbefugnis missachtenden Handlungen die gleichen Rechtsfolgen ein, wie bei einer Überschreitung der Vertretungsmacht.[96]

Die Vertretungsbefugnis kann insbesondere beim Vorliegen eines Interessenkonflikts beschränkt sein.[97] Ein typischer Fall eines Geschäfts mit einem Interessenkonflikt ist das Insichgeschäft. Dieses liegt vor, wenn ein Organ mit sich selber („Selbstkontrahieren“) oder zwischen zwei Gesellschaften, die es beide vertritt („Doppelvertretung“), einen Vertrag abschliesst.[98] Doch selbst wenn die an einer Finanzierung beteiligten Konzerngesellschaften nicht von den gleichen Organen vertreten werden, befinden sich deren Organe oft in einem Interessenkonflikt: Sie müssen einerseits die Weisungen der Konzernobergesellschaft beachten (sei dies aus rein faktischen Zwängen oder weil sie z.B. bei dieser angestellt sind) und anderseits als Organ der Gesellschaft gleichzeitig in deren Interesse handeln. Damit ist die Interessenlage dieselbe wie bei einem Insichgeschäft, weshalb das Bundesgericht die beiden Fälle gleich behandelt.[99]

Insichgeschäfte sind gemäss konstanter Rechtsprechung wegen der Gefahr von Interessenkollisionen grundsätzlich unzulässig.[100] Rechtswirksam sind diese Geschäfte nur, wenn die Gefahr einer Benachteiligung der Gesellschaft nach der Natur des Geschäfts ausgeschlossen ist oder die Gesellschaft den Vertreter zum Geschäftsabschluss ermächtigt hat.[101] Die Ermächtigung kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen.[102] Eine stillschweigende Ermächtigung ist insbesondere bei einer konzernmässigen Verflechtung der beteiligten Gesellschaften zu vermuten.[103] Ferner ist auch eine nachträgliche Genehmigung möglich. Diese kann entweder durch unabhängige Verwaltungsratsmitglieder[104] oder durch die Gesellschafter vorgenommen werden. Eine Genehmigung durch die Gesellschafter kann mittels eines anfechtbaren Beschlusses oder durch Zustimmung aller Gesellschafter erteilt werden.[105] Zudem ist sie immer dann zu vermuten, wenn die Handlungen des Vertreters dem Alleingesellschafter zugerechnet werden können; die Frage, ob eine Handlung im Gesellschaftsinteresse liegt, muss nämlich gemäss Bundesgericht allein aus Sicht des Gesellschafters, nicht jedoch aus Sicht der Gläubiger beantwortet werden.[106] Die Interessen der Gläubiger sind unter dem Gesichtpunkt des Gesellschaftsinteresses nicht relevant, weil ihnen mit der paulianischen Anfechtungsklage und der Verantwortlichkeitsklage andere Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen.[107]