Allein, alleiner, alleinerziehend - Christine Finke - E-Book

Allein, alleiner, alleinerziehend E-Book

Christine Finke

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Beschreibung

Das Geld ist immer knapp, der Alltag hektisch und für die Kinder bleibt wenig Zeit. Alleinerziehende befinden sich nicht nur am Rande der Belastbarkeit, auch von Gesellschaft und Politik werden sie benachteiligt: besteuert nahezu wie Singles, auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert und von der Gesellschaft missachtet - obwohl ihre Kinder unsere Zukunft sichern. Christine Finke ist alleinerziehende Mutter von drei Kindern und weiß genau, wovon sie spricht. Sie benennt Schwachstellen und Ungerechtigkeiten und sagt, was sich dringend ändern muss, damit die Alltagshelden unserer Gesellschaft nicht länger alleine dastehen.

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Inhalt

CoverInhaltÜber das BuchÜber die AutorinTitelImpressumKapitel 1 - Dumm, dümmer, Reaktionen: Nachbarn, Kollegen, Kita und Co.Kapitel 2 - Aus und vorbei. Welches Modell hätten Sie denn gerne?Kapitel 3 - Vorteile des AlleinerziehensKapitel 4 - Am Ende des Gelds ist noch so viel Monat übrig. Und am Ende des Lebens die AltersarmutKapitel 5 - Wie soll ich das alles schaffen? Vom Aufgaben-Marathon und ständiger RufbereitschaftKapitel 6 - »Ich will bei Papa wohnen!« Bettnässen, Schreianfälle, Albträume und andere hässliche Nebenwirkungen bei KindernKapitel 7 - Von wegen »Ich bin unter der Woche auch alleinerziehend«Kapitel 8 - Na, habt ihr euch schön erholt? Das Kreuz mit den FerienKapitel 9 - Mama ist krank und andere KatastrophenKapitel 10 - Hier müsste mal jemand putzen. Oder: Haushaltshilfe statt Mutter-Kind-Kuren!Kapitel 11 - Unter der Woche: alleinerziehend. Samstags: am alleinerziehendstenKapitel 12 - Termine, Termine, Termine. Von Elternabenden, Ergotherapie und KlassenausflügenKapitel 13 - Kunst, Sport, Kultur, Biergarten – geht mal ohne michKapitel 14 - Erste Hilfe: Atmen. Und Blogtipps, gute Bücher, AdressenQuellenverzeichnisDankeschön!

Über das Buch

Das Geld ist immer knapp, der Alltag hektisch und für die Kinder bleibt wenig Zeit. Alleinerziehende befinden sich nicht nur am Rande der Belastbarkeit, auch von Gesellschaft und Politik werden sie benachteiligt: besteuert nahezu wie Singles, auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert und von der Gesellschaft missachtet – obwohl ihre Kinder unsere Zukunft sichern. Christine Finke ist alleinerziehende Mutter von drei Kindern und weiß genau, wovon sie spricht. Sie  benennt Schwachstellen und Ungerechtigkeiten und sagt, was sich dringend ändern muss, damit die Alltagshelden unserer Gesellschaft nicht länger alleine dastehen.

Über die Autorin

Christine Finke, Jahrgang 1966, bloggt seit 2011 unter dem Namen »Mama arbeitet« über ihr Leben als Alleinerziehende mit drei Kindern. Die promovierte Anglistin, freie Journalistin und Kinderbuchtexterin lebt in Konstanz am Bodensee, wo sie sich im Stadtrat für Kinder und Familienfreundlichkeit einsetzt. Mit ihrem Blog erreicht sie täglich mehre tausend Leser und ist deutschlandweit bekannt.

Christine Finke

Allein,alleiner,allein-erziehend

Wie die Gesellschaft unsverrät und unsere Kinder imStich lässt

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Dr. Ulrike Strerath-Bolz, Friedberg

Umschlaggestaltung: FAVORITBUERO, München

Umschlagmotiv: © Shutterstock/Christin Lola

Datenkonvertierung E-Book:

hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7325-2319-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Kapitel 1

Dumm, dümmer, Reaktionen: Nachbarn, Kollegen, Kita und Co.

Ich muss etwas beichten: Erst seitdem ich selbst alleinerziehend bin, fällt mir auf, dass ich früher nie einen Gedanken an Alleinerziehende verschwendet habe. Weder als junge, kinderlose Frau noch als verheiratete Frau und Mutter, was ich beides immerhin gut zehn Jahre lang war, hatte ich ein Bewusstsein dafür, dass manche Frauen alles rund ums Kind alleine rocken. Und genau das ist bezeichnend – Alleinerziehende sind irgendwie nicht sichtbar, sie werden ausgeblendet. Nicht wenige Menschen mit einem sehr konservativen Weltbild schauen gar auf Alleinerziehende herab – für sie sind wir ein Abfallprodukt der Emanzipation, die dafür sorgt, dass Frauen sich trauen, ohne Mann zu leben.

Seit sechs Jahren bin ich eine dieser Frauen, die ich früher nicht wahrnahm: Ich lebe mit meinen drei Kindern alleine, was mir völlig neue Erfahrungshorizonte eröffnet, um das mal positiv auszudrücken. Und so kommt es, dass ich hin und wieder wütend bin. Und mich auch ohnmächtig fühle angesichts der vielen Vorurteile, der dummen Sprüche und der schiefen Blicke, die meine bloße Existenz als alleinerziehende Frau provoziert.

Es ist nämlich so: Wenn du alleinerziehend bist, hast du etwas falsch gemacht. Entweder hast du den falschen Mann geheiratet, oder du hast dir in der Ehe nicht genügend Mühe gegeben und der Mann hat dich wegen einer Jüngeren verlassen. Oder du hast ihn verlassen, was an und für sich schon ein Skandal ist, denn das tut frau doch nicht, wenn gemeinsame Kinder da sind.

Der einzig akzeptable Grund dafür, eine alleinerziehende Frau zu sein, ist, durch einen tragischen Schicksalsschlag zur Witwe geworden zu sein. Leider – oder zum Glück – trifft das nur auf sechs Prozent der Alleinerziehenden in Deutschland zu. Ich bin eine von denen, die sich erdreistet haben, den Mann zu verlassen. Obendrein gehöre ich zu den gut zehn Prozent der alleinerziehenden Frauen mit mindestens drei Kindern.1 »Das ist ja noch schlimmer, erst hält die Frau es so lange mit dem falschen Mann aus, und dann setzt sie auch noch drei Kinder in die Welt! Hätte eins denn nicht gereicht?«, tuscheln die Leute hinter deinem Rücken oder sagen dir das auch direkt ins Gesicht.

Aber auch Frauen, die sich schon während der Schwangerschaft trennen, weil sie merken, dass mit dem Vater des Kindes kein Familienleben möglich ist, werden schief angeguckt: Sie hätten es doch wenigstens versuchen müssen, dem armen Mann werde das Kind vorenthalten, es sei egoistisch, ein Kind alleine großzuziehen. Wie Frau es macht, macht sie es verkehrt.

Dass es sich kaum jemand aussucht, alleinerziehend zu sein, und dass diese Familienform nicht nur ein enormes Arbeitspensum im Alltag, ein stark erhöhtes Armutsrisiko und gesellschaftliche Ausgrenzung bedeutet, daran denkt kaum jemand. Wir Alleinerziehenden können ein Lied davon singen. Von Vätern, die sich nicht kümmern, die es als Kavaliersdelikt betrachten, den Unterhalt entweder nicht oder nur teilweise zu zahlen, und von Kindern, die darunter leiden, dass eine zweite, zuverlässige Bezugsperson fehlt.

Ich bin kein Einzelfall, und es geht auch nicht nur um mich. Immer noch werden Alleinerziehende stigmatisiert. Was sich über Jahrhunderte eingebürgert hat, verschwindet nicht einfach innerhalb von ein bis zwei Generationen, erklärt der Mannheimer Soziologe Thomas Bahle: »Die Akzeptanz alleinerziehender Frauen ist inzwischen deutlich besser«, stellt er fest und erinnert daran, dass ledige Mütter als unsittlich und »gefallene Frauen« galten. Aber die Stigmatisierung finde weiterhin auf der beruflichen und finanziellen Ebene statt.2 Irgendwie gehört das aber alles zusammen. Denn hätten die Alleinerziehenden nicht so einen schlechten Ruf und kaum eine Lobby, dann stünden sie auch finanziell, rechtlich und politisch besser da.

Wir haben ein Imageproblem. Und dieses Buch ist der Versuch, zumindest ein paar andere Facetten aus dem Leben von Alleinerziehenden zu zeigen. Eigentlich ist es ein Buch, an dem Tausende Mütter mitgewirkt haben. Durch das, was sie mir an Kommentaren im Blog und auf der Facebook-Fanseite hinterließen, durch ihre bedrückenden Mails an mich und durch die Direktnachrichten auf Twitter und Facebook, die ich täglich bekomme und beantworte. Ich habe versprochen, dass ich ihnen eine Stimme gebe. Und ich will das tun, indem ich aus meinem Leben erzähle und dies mit dem Erleben vieler anderer Alleinerziehender in einen Kontext setze.

Die Trennung

Es war schon eine ganze Weile unerträglich gewesen. Wie lange eigentlich? Bestimmt ein halbes Jahr, aber auch in den Jahren zuvor hatte ich oft an Trennung gedacht. Nach elf Jahren Beziehung und neun Jahren Ehe konnte ich mir nicht mehr einreden, dass wir nur eine schlechte Phase hatten und sich alles zum Besseren wenden würde. Im Gegenteil, zu Hause fühlte ich mich zunehmend fremd, gehetzt, belauert.

Wenn sich der Schlüssel im Schloss drehte und der Mann von der Arbeit nach Hause kam, zuckte ich zusammen. Würde er wieder so schlechte Laune haben? Auch die Kinder gingen auf Zehenspitzen oder zogen sich in ihre Zimmer zurück, wenn der Vater anwesend war. Es war nicht auszuhalten. Nein, so wollte ich nicht weiterleben. Und so sollten auch die Kinder nicht groß werden. Ich war an dem Punkt angekommen, an dem ich keinen Sinn mehr darin sah, den Schein einer heilen Familie aufrechtzuerhalten.

Gekämpft hatte ich lange genug, viel zu lange eigentlich. Drei Kinder hatten wir gemeinsam bekommen, uns über jedes einzelne sehr gefreut und auch intensive, gute Zeiten miteinander erlebt. Die waren aber immer seltener geworden, so selten, dass ich den Mann, den ich mal geheiratet hatte, gar nicht mehr wiedererkannte.

Die drei erbsengroßen Knoten in meiner linken Brust, die sich nach einem schlimmen Ehestreit im März gebildet hatten, spürte ich zwar nicht mehr, aber ich hatte den Warnschuss meines Körpers verstanden. Tumoren, auch gutartige, tragen das Risiko in sich, zu Krebs zu mutieren. Das hatte mir der Facharzt gesagt, der mich auch gefragt hatte, ob ich gerade viel Stress hätte. Ja, das konnte man so sagen. Ich war Vollzeit berufstätig, hatte mit zweiundvierzig noch ein Kind bekommen und hatte nun ein Baby, einen dreijährigen Sohn, eine neunjährige Tochter und einen Ehemann, der völlig unberechenbar und gleichzeitig voller konkreter Vorstellungen war, was eine gute Ehefrau ausmache. Vorstellungen, die sich mit meinen nicht deckten. Eigentlich, sagte er mir damals, hätte er sich eine Frau gewünscht, die ihm abends, wenn er nach Hause komme, liebevoll den Mantel abnehme, ihn frage, wie sein Tag gewesen sei, und ihn danach ausgiebig verwöhne. »Dafür hast du die falsche Frau geheiratet«, war meine Antwort darauf, und er nickte.

Am Tag der Eheschließung auf dem Standesamt hatten wir uns versprochen, dass wir uns trennen würden, wenn die Beziehung nicht mehr gut sein sollte. Wenn es danach gegangen wäre, hätten wir uns schon Jahre zuvor trennen müssen. Unsere Ehe war gescheitert, aber sich das einzugestehen, ist eins der schwierigsten Dinge, die es gibt.

Woher soll man wissen, wann der richtige Zeitpunkt ist, sich von seinem Mann zu trennen? So einen Zeitpunkt gibt es nicht. Aber es gab den Moment, in dem ich ganz klar erkannte, dass ich gehen musste. Und der kam für mich im Dezember 2009, eine Woche vor Weihnachten.

Egal, von welcher Seite aus man sich der Trennung nähert, als verlassene Frau und Mutter oder als der sich trennende Partner, es fühlt sich immer erst mal an wie eine Niederlage. Man hat es nicht geschafft, allen guten Vorsätzen zum Trotz. Aus Liebe und Respekt sind im besten Fall Gleichgültigkeit und Desinteresse geworden, schlimmstenfalls Hass und der Wunsch, den anderen zu vernichten. Gemeinsam alt zu werden war der Plan. Am Ende bleibt nur noch das kurzfristige Ziel, heil aus der Sache rauszukommen. Und mittelfristig wieder in Ruhe und Frieden zu leben.

Weit über 100 000 Paare mit Kindern trennen sich jedes Jahr in Deutschland, die Zahl stagniert seit Jahren auf hohem Niveau. Nicht alle werden von der offiziellen Statistik erfasst, denn mittlerweile leben acht Prozent der Familien mit Kindern ohne Trauschein zusammen.3 Im Jahr 2013, als ich geschieden wurde, waren meine drei Kinder ebenso wie 136 061 andere minderjährige Kinder einst verheirateter Eltern auf einmal Scheidungskinder.4

Bei jeder zweiten Ehe, die vor dem Scheidungsrichter endet, sind Kinder betroffen – diese Zahlen sind ebenfalls seit Jahren stabil. Laut Destatis, dem Statistischen Bundesamt, leben in Deutschland 1,6 Millionen Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern (neueste Zahlen von 2013). Zum Vergleich: Ehepaare mit minderjährigen Kindern gab es 5,6 Millionen, und in festen Lebenspartnerschaften mit Kindern unter achtzehn Jahren lebten 0,8 Millionen Eltern.5 Jede vierte bis fünfte Familie in Deutschland ist eine Einelternfamilie, und es werden immer mehr.

Eigentlich also nichts Besonderes, so eine Trennung. Selbst mit Kindern nicht. Aber wenn sie einen selbst betrifft, sieht die Sache schon anders aus. Bei der Verkündung der »schlimmen Botschaft« fängt es schon an: Wie sage ich es meinen Kindern, meinen Nachbarn, den Kollegen, Bekannten, Verwandten? Und wie reagieren die Freunde der Kinder oder die Kita?

Aber zuerst einmal musste ich es meinem Mann sagen. Dass es mir diesmal ernst war, dass es kein Zurück mehr für mich gab. Ich nahm all meinen Mut zusammen, als wir abends alleine im Wohnzimmer saßen. Die Kinder waren in ihren Zimmern, unser Au-pair ebenfalls, es schien mir ein guter Augenblick zu sein, mit ihm in Ruhe zu besprechen, wie es nun weitergehen sollte.

Leider hatte ich die Situation falsch eingeschätzt: Mein Mann reagierte extrem schlecht. Aber so fürchterlich das in jenem Moment war, so gut war es für die Endgültigkeit meiner Entscheidung. Um 20:30 Uhr hatte ich das Gespräch auf die von mir geplante Trennung gelenkt, um 21 Uhr war ich sehr sicher, dass ich mit diesem Mann weder verheiratet noch befreundet bleiben konnte.

Reaktionen: die Kinder

Am nächsten Morgen leitete ich die Trennung auch offiziell in die Wege – ein riesiger Berg an Anwalts-, Behörden- und Ämtergängen stand an. Und natürlich die Aufgabe, »es« den Kindern zu sagen. Da der Mann fand, er sei nicht getrennt, auch wenn ich die Beziehung für beendet erklärt hatte, fiel mir die undankbare Aufgabe zu, der Neunjährigen und dem drei Jahre und neun Monate alten Sohn zu erklären, dass sich ihre Lebensumstände ändern würden. Bei der großen Tochter gelang mir das ganz gut, wir setzten uns in Ruhe nachmittags auf Sofa, als sie aus dem Hort kam. Besonders schockiert über die Nachricht, dass ihre Eltern sich trennen würden, war sie nicht. Zu oft waren zu Hause die Fetzen geflogen, sie wusste, dass ich mir gut überlegt hatte, ob ich diesen Schritt gehe.

Mit dem Sohn war es schon schwieriger – wie erklärt man einem fast Vierjährigen, dass Mama den Papa nicht mehr lieb hat, ohne dass er denkt, so ein »Liebesaus« könne ihm auch passieren? Beim Sohn setzte ich auf Taten: Ich erklärte ihm, dass ich von nun an bei ihm unten im Hochbett schlafen würde, weil ich das Bett mit Papa nicht mehr teilen wolle. Das fand der Junge einleuchtend, auch wenn er sich Sorgen machte, ob er nun noch mit mir streiten dürfe und ob er im Kindergarten komisch angeguckt würde, weil in seiner Weltsicht niemand sonst getrennte Eltern hatte. Dass dem nicht so war, merkte er erst sehr langsam und über Monate und Jahre hinweg, weil sich Kinder in diesem Alter vorrangig über Autos und Fußball unterhalten und nicht über Eltern im Trennungsjahr.

Au-pair und Erzieher

Die Erzieher und unser Au-pair informierte ich gleich, denn die hatten schließlich mit den beiden jüngeren Kindern direkt zu tun. Ich ging davon aus, dass die Kinder Gesprächsbedarf haben würden und sich vielleicht auch auffällig verhalten würden. Es fiel mir schwer, den Erziehern von der Trennung zu erzählen, ohne in Tränen auszubrechen.

Zum Glück reagierten diese ausgesprochen professionell: »Gut, dass Sie uns das sagen, Frau Finke. So können wir besser auf Ihren Sohn eingehen und Ihnen auch Rückmeldung geben, wenn uns hier etwas an seinem Verhalten auffällt«, war der Tenor. Ich war so dankbar für diese Einstellung, dass ich der Erzieherin, mit der ich sprach, fast um den Hals gefallen wäre. Stattdessen bat ich sie, die Information auch ihren Kolleginnen weiterzugeben, damit auch diese Bescheid wüssten. Es solle kein Geheimnis um unsere Situation gemacht werden, fand ich, damit nicht noch eine zusätzliche Last auf den Sohn zukäme. Das fanden die Erzieherinnen vorbildlich, und ich fühlte mich halbwegs gestärkt und auf dem richtigen Weg.

Auch das Au-pair blieb gefasst und war eher hilfreich – natürlich wollte sie wissen, welche Konsequenzen das für sie haben würde. »Keine«, sagte ich wahrheitsgemäß, und dass ich sie bis zum Ende des Vertrages gerne bei uns behalten würde, genau wie geplant, weil ich sie auch dringend brauchte, um meinen Beruf mit der Zweiundvierzig-Stunden-Woche auszuüben. Mein Au-pair nickte und war beruhigt. Sie war erst drei Monate bei uns, und wir hatten uns gerade aneinander gewöhnt. Ich war froh, dass sie nicht versuchte, in eine andere Familie zu wechseln. In diesem Zusammenhang erwies es sich als praktisch, dass ich mich darum gekümmert hatte, das Au-pair zu finden, und meine Unterschrift unter sämtlichen Verträgen und Versicherungen stand. So gab es auch keine rechtlichen Fallstricke oder Unklarheiten über das Arbeitsverhältnis.

Abgesehen davon entwickelte sich das Verhältnis zwischen dem Au-pair und mir noch während des Trennungsjahres sehr positiv: Sie packte nun freiwillig mit an, zeigte Engagement und Frauensolidarität. Das tat mir gut.

Die Verwandtschaft

Weihnachten wollte ich zwar nicht mehr mit dem Mann verbringen, es aber den Kindern nicht antun, von zu Hause fortzufahren, wo der Sohn doch fest davon ausging, dass der Weihnachtsmann ihn nur dort finden würde und er ansonsten keine Geschenke bekäme. Aber dass ich den Jahreswechsel nicht mit meinem zukünftigen Exmann verbringen würde, der hartnäckig so tat, als würde ich das mit der Trennung nicht ernst meinen, stand für mich fest.

Also rief ich meine Eltern an und fragte, ob ich mit den Kindern zu Silvester ein paar Tage bei ihnen sein dürfe. Dass ich mich getrennt hatte und warum meine Entscheidung unumstößlich feststand, sagte ich ihnen auch. Obwohl meine Eltern meinen Mann nie besonders geliebt hatten, waren sie doch erschüttert. »Hast du dir das auch gut überlegt?«, wollte mein Vater wissen. Auch der Satz »Du bist aber auch nicht immer einfach« fiel, ob von meiner Mutter oder meinem Vater, weiß ich nicht mehr. Aber natürlich nahmen sie mich auf – ihr Haus stand und steht mir immer offen, das wusste ich.

Zur Verwandtschaft des zukünftigen Exmannes bestand zu dem Zeitpunkt kein Kontakt, das hatte er so gewollt. Was die gesagt hätten, wäre wohl eher in Richtung »Wir haben versucht, dich zu warnen!« oder »Hat er wieder Mist gebaut?« gegangen. Aber das kam erst später, gut ein Jahr nach der Trennung, als ich behutsam wieder Familienbande in die andere Richtung knüpfte.

Meine Tante, die Schwester meiner Mutter, nahm mich an diesem Silvester in den Arm und sagte: »So ein Mistkerl!«, während meine Eltern noch immer versuchten zu beschwichtigen. Ich war sehr froh über diese stärkende Reaktion der Tante, die selbst im Leben schon einiges erlebt hatte, anders als meine Eltern, die schon über fünfzig Jahre glücklich verheiratet sind.

Die Kollegen

Da ich nach der Trennung ein paar Tage Urlaub hatte und die Besetzung im Büro je nach Wochentag stark wechselte, erzählte ich dort nach und nach von der Trennung. Den Kolleginnen, die ich am meisten mochte, schüttete ich mein Herz zuerst aus – da alle im Büro meinen Mann in den vier Jahren, die ich dort arbeitete, nur ein Mal gesehen hatten, war das keine große Sache. Mein Chef schluckte zwar, als ich ihm davon erzählte, war aber solidarisch. Er wusste, auf meine Arbeit würde sich die Trennung nicht auswirken. Der Rest kümmerte ihn nicht.

Das war’s dann aber auch schon mit den halbwegs neutralen Reaktionen. Ich hatte die ablehnendsten und schärfsten Kommentare aus dem direkten Umfeld vermutet. Da lag ich falsch. Denn die echten Knüllerreaktionen kamen aus einer völlig unerwarteten Ecke: von Bekannten, Kindergarteneltern, aus dem weiteren Umfeld. Und nein, es ist einem zum Trennungszeitpunkt nicht egal, was diese Leute so von sich geben, das kann richtig wehtun. Beispiele gefällig?

Bekannte

Mit einem voll beladenen Einkaufswagen im Drogeriemarkt um die Regale kurvend, traf ich einige Monate nach der Trennung meine alte Bekannte Marie* im Drogeriemarkt. Unsere Töchter waren im Kindergarten gut befreundet gewesen, und wenn wir uns in der Stadt zufällig über den Weg liefen, waren wir immer noch stets für ein Schwätzchen stehen geblieben. Ich wusste, dass sie es nicht leicht hatte: Sie war selbst alleinerziehend mit drei Kindern, hatte ihren im Ausland lebenden Exmann aus guten Gründen Hals über Kopf verlassen und arbeitete hart im Einzelhandel. Eigentlich fand ich sie ganz patent.

Also antwortete ich auf die Frage »Und, wie geht’s, Christine?« wahrheitsgemäß mit: »Na ja, geht schon wieder. Aber ich hatte eine harte Zeit.« Ohne auf die Trennungsgründe einzugehen (in den vergangenen Wochen hatte ich mir allmählich angewöhnt, dem Rechtfertigungsdruck zu widerstehen), berichtete ich in zwei, drei Sätzen, dass ich seit Dezember getrennt war und nun gerade dabei war, mich neu zu sortieren.

Was Marie, die offenbar gar nicht richtig zugehört hatte, daraufhin vom Stapel ließ, machte mich sprachlos. »Du hast deinen Mann aber auch zu oft alleine gelassen«, schleuderte sie mir entgegen und sah mich missbilligend an.

Der Drogeriemarkt begann, sich um mich zu drehen. Wie jetzt, zu oft alleine gelassen? Von all den Gründen, warum meine Ehe gescheitert war, erschien mir dieser am absurdesten.

»Wie meinst du das, Marie? Der war doch nicht viel alleine!«, stammelte ich nach einer kurzen Schrecksekunde. Denn wenn es nach meinem Mann gegangen wäre, hätten wir alles zusammen gemacht, von morgens bis abends. Trotzdem hatte ich mir gelegentlich Freiräume schaffen können und mich beruflich sehr engagiert. Aber viel alleine war der Mann nun wirklich nicht, schließlich war ich so gut wie jeden Abend und jedes Wochenende mit ihm zusammen gewesen. Und während ich nicht fest angestellt war, war ich auch werktags zu Hause.

»Na, du warst doch damals, als du mit dem Sohn schwanger warst, unter der Woche in Freiburg zum Arbeiten. Und dein Mann musste ganz alleine auf deine große Tochter aufpassen!«, erklärte Marie mir, als sei ich ein bisschen schwer von Begriff.

Himmel, das war nun über vier Jahre her, und zu jener Zeit hatten der Mann und ich uns sehr gut verstanden. Wie kam sie bloß auf so eine abenteuerliche Idee? Und wieso dachte sie, unser Problem sei Fremdgehen seitens des Mannes gewesen und ignorierte obendrein die Information, dass diese Trennung von mir ausgegangen war?

Das war zu viel unerwartetes Feedback für mich. Ich murmelte ein paar hilflose Abschiedsformeln, hielt mich am Einkaufswagen fest und peilte den Ausgang des Drogeriemarktes an.

Zu Hause, später, wurde mir dann klar, dass sie ihre eigene Geschichte auf mich übertragen hatte. Das ist wohl menschlich. Und es sollte mir noch öfter passieren.

Kindergarteneltern

Auch in Gesprächen mit den Eltern der Kindergartenfreunde des Sohnes gab es überraschende Wendungen, wenn ich die Nachricht von der Trennung bestätigte. So fiel ich aus allen Wolken, als die befreundete Mutter Janine*, mit deren Sohn mein Sohn gerne Lego und Fußball spielte, mich durchdringend ansah und inquisitorisch »Aber sind denn die Kinder alle drei von demselben Mann?« fragte.

»Äh, ja, natürlich!«, entgegnete ich irritiert. Dachte diese Frau, ich sei fremdgegangen, hätte ein »Kuckuckskind« bekommen und sei damit aufgeflogen? Etwas anderes konnte ja wohl kaum der Hintergrund ihrer Frage sein, oder?

Wir standen an meiner Haustür, ich hatte die jüngste Tochter, die gerade ein Jahr alt war, auf dem Arm, und hatte die Kindergartenmutter gerade reinbitten wollen. Diesmal war es auch nicht so gewesen, dass ich das Gespräch über meine gerade erfolgte Trennung gesucht hatte, nein, es war Janine gewesen, der zu Ohren gekommen war, dass sich bei uns etwas tat. Sie hatte mich direkt angesprochen, ob denn das wirklich stimme mit der Trennung.

Das fand ich eigentlich erfrischend. Aber die Art und Weise, wie sie sich die Trennung erklärte, stieß mich wirklich vor den Kopf. Denn selbst wenn nicht alle drei Kinder von einem Mann gewesen wären, müsste das ja noch lange kein Trennungsgrund sein. Vor lauter Erschütterung über die Frage beendete ich das Gespräch relativ schnell und zog mich ins Haus zurück.

Einige Monate nach dieser Begegnung ging mir auf, dass Janine einen unehelichen Bruder hat und ihre Eltern sich getrennt hatten, als sie noch ganz klein war. Es guckt halt jeder mit seiner Brille.

Nachbarn

Bis sie über die Kinder gehört hatte, dass mein Mann und ich getrennt waren, hatte die Nachbarin aus der Querstraße ein paar Häuser weiter stets den Kontakt gesucht. Ein paar Mal hatte sie sogar angerufen, als es gar nichts über die Kinder zu besprechen gab, ohne Spielverabredungen, einfach so. Sie bat mich immer ins Haus und in den Garten, wenn ich meinen Sohn vom gemeinsamen Spielen bei ihr abholte, und kam auch im Gegenzug gerne auf ein Schwätzchen zu mir. Auch ihr Mann unterhielt sich gerne mit mir, ein netter Kerl und freundlicher Familienvater.

Dann aber war plötzlich Funkstille. Anfangs gab es noch vereinzelte Spielverabredungen der beiden über den Kindergarten befreundeten Jungs, die das selbst miteinander ausmachten, aber zum Abholen schickte sie nun nicht mehr ihren Mann, sondern kam immer selbst. Huschig und auf dem Sprung war sie, schaute mich nicht mehr an, und von weiteren Verabredungen war auch nicht mehr die Rede.

Bald fiel mir auf, dass die Nachbarin nicht mehr freundlich zu mir herüberwinkte, wenn sie mich auf der Straße sah, sondern in die andere Richtung schaute. Dass sie sogar die Straßenseite wechselte, um mir nicht zu begegnen, fand ich am Ende nur konsequent. Ein starkes Stück war es trotzdem. Ich überlegte, was mit der Frau nicht stimmte. Und kam darauf, dass manche Leute Angst haben, Trennungen seien ansteckend. Nicht ganz unbegründet übrigens: Die Forschung zeigt, dass ein vermehrtes Auftreten von Trennungen zu weiteren Trennungen im Freundes- und Bekanntenkreis führt, weil es auf einmal Vorbilder für die Auflösung von Beziehungen gibt.6 Das Risiko steigt sogar um 75 Prozent, wenn es sich um gute Freunde handelt – bei Bekannten »nur« um 33 Prozent. Aber davon wusste diese Nachbarin ziemlich sicher nichts, sie folgte einfach ihrem Bauchgefühl. Schön fand ich das nicht.

»Ich war ja jaaaahrelang alleine nach der Trennung«, seufzte eine andere Nachbarin, die nun mit ihrem Freund in einer Fernbeziehung lebte, als sie mitbekam, dass sich bei uns die Familienverhältnisse änderten. Besonders innigen Kontakt hatten wir beide nie gehabt, und ich muss gestehen, dass ich gehässig dachte: »Kein Wunder, dass du so lange keinen Neuen gefunden hast.« Denn diese Nachbarin war weder besonders liebreizend noch liebenswert.

Aber was wollte sie mir mit diesem Satz mitteilen? Dass ich mich auf eine lange einsame Phase einstellen müsste? Die Aussicht, längere Zeit alleine zu sein, fand ich eigentlich angenehm. Nun gut, die Geschmäcker sind verschieden. Ich zuckte innerlich mit den Schultern und versuchte, sie verständnisvoll anzugucken. Wir sprachen dann nicht wieder über Beziehungen.

Was Alleinerziehende sich nach der Trennung so anhören müssen – ein repräsentatives Potpourri

Je mehr Menschen aus meinem Umfeld von der Trennung Wind bekamen, desto vielfältiger und auch durch ihre Gedankenlosigkeit erschreckend waren die Reaktionen. Als einzige Alleinerziehende auf weiter Flur (jedenfalls hatte ich das Gefühl) sei es halt zwangsläufig so, dass die Leute komisch reagierten, so erklärte ich mir die dummen Sprüche der anderen.

Dann begann ich zu bloggen, im September 2011, knapp zwei Jahre nach der Trennung. Zuerst noch recht zurückhaltend, über Familienthemen und die Suche nach einem neuen Job. Nach und nach schrieb ich mehr über Alleinerziehende und ihren Alltag. Und siehe da, meine Erfahrungen nach der Trennung waren gar keine bedauerlichen Einzelfälle, sondern normal. Die anderen Frauen hörten dieselben oder noch schlimmere Sprüche als ich!

An dieser Stelle sei erwähnt, dass neunzig Prozent der Alleinerziehenden in Deutschland Frauen sind. Ich hege schon aus Solidarität große Sympathien für alleinerziehende Männer, aber sie sind weniger auf breitere Sichtbarkeit und Unterstützung angewiesen. Denn alleinerziehende Männer können eher damit rechnen, für ihr »Engagement« bewundert und gelobt zu werden. Sie erleben häufiger, dass tatkräftige Hilfe angeboten wird, und sie erfahren Wertschätzung für das, was sie leisten.7 Zudem betreuen alleinerziehende Männer meist ältere Kinder, während die weiblichen Alleinerziehenden sich in der anstrengenden Baby- und Kleinkindzeit um ihre Kinder kümmern, wodurch sie auch beruflich stärker eingeschränkt sind.8

Bei alleinerziehenden Müttern achtet die Gesellschaft vorzugsweise auf Defizite oder nimmt es als gegeben hin, dass Mütter sich um Kinder kümmern. Wenn es dann irgendwann doch zu viel wird, heißt es: »Du hast es doch so gewollt!« Oder einfach: »Selbst schuld.«

Bullshit-Bingo nach der Trennung

Die Sprüche, die nun folgen, haben meine Leserinnen und ich gemeinsam gesammelt. Und ab in die Tonne damit!

»Habt ihr auch wirklich alles versucht?« (Nein, die Trennung erfolgt aus einer Laune heraus. Was sonst.)

»Hoffentlich überstehen das die Kinder ohne langfristigen Schaden.« (Danke. Das macht Mut. Denn natürlich macht man sich um die Kinder Sorgen.)

»Wärst du nicht arbeiten gegangen, dann wärt ihr noch zusammen.« (Ist klar. Arbeit zerstört Ehen.)

»Ich habe mich sowieso immer gefragt, was euch beide zusammenhält.« (Aka: Ihr wart ein komisches Paar.)

»Ein Kind rettet halt keine Ehe.« (Pffft – vielleicht war gerade das Kind eine zusätzliche Belastung?)

»Meinst du, du findest noch mal jemanden? In deinem Alter?« (Als ob einem danach gerade der Sinn stünde.)

»Ich fand deinen Ex schon immer komisch.« (Aber jahrelang nix sagen!? Wäre vielleicht hilfreich gewesen …)

»Wir haben uns ja früher nicht so leicht getrennt.« (Äh, hat irgendjemand was von leicht gesagt? Und außerdem schwingt hier eine kräftige Portion von »Du hast zu früh aufgegeben« mit.)

»Du hast es ja so gewollt.« (Bullshit-Bingo-Joker. Als ob frau sich eine Trennung mit Kindern gewünscht habe.)

»Selbst schuld.« (Ergo: Jetzt nicht jammern oder die Missstände beklagen. Egal, wie mies deine Finanzen aussehen, es um deine emotionalen Ressourcen bestellt ist, deine Jobsituation ist.)

»Also, schon wegen der Kinder würde ich mich nie trennen.« (Sondern? In einer schrecklichen, nicht zukunftsfähigen Beziehung verharren, bis die Kinder ausreichend traumatisiert sind und selbst nur noch ungesunde Liebesbeziehungen eingehen können?)

»Ihr wart so ein schönes Paar!« (Ja, die Optik war vielleicht gut. Die Frage ist halt, was es einem nützt, wenn eine Beziehung nur nach außen toll aussieht.)

»Andere Frauen machen schlimmere Sachen mit ihren Männern mit – und bleiben trotzdem.« (Andere Frauen tun mir in dem Fall sehr leid. Man muss sich ja nicht am größeren Unglück orientieren. Abgesehen davon sind Schmerzgrenzen sehr subjektiv.)

»Das muss Liebe doch auch aushalten können.« (Frei nach dem Sadomaso-Prinzip, oder wie?)

»Musste das (zweite/dritte) Kind denn noch sein?« (Nein, das hätten wir besser abgetrieben. Oder was soll man auf so eine Frage antworten?)

»Ich verstehe nicht, dass du ihn nicht früher durchschaut hast, man merkte doch, dass mit dem was nicht stimmte …« (Ach. Und wieso hast du nie was gesagt?)

»Na, wenigstens sind beide Kinder vom selben Vater!« (Nun fühle ich mich gleich viel besser. Hat was von »Frauen, die sich trotz Kindern trennen, hatten auch Sex mit Hunden, jugendlichen Liebhabern und lebten polygam«.)

»Sei froh, dass du ihn los bist.« (Das mag sogar stimmen. Aber feinfühlig ist es nicht.)

»Hättest du nicht durchhalten können, bis die Kinder größer sind?« (Sicher doch. Dann wären die jungen Leben über Jahre belastet gewesen aufgrund des häuslichen Zwists und ich vor lauter Gram eingegangen.)

»Die armen Kinder.« (Ja, was soll man denn machen? Ein Spaziergang ist das nicht, logisch.)

»Dann bist du ja jetzt abends zu Hause. Kannst du auf die Kinder aufpassen, wenn mein Mann und ich im Kino sind?« (Prima. Ich habe dann ja auch Zeit, auf Online-Partnerbörsen nach seitensprungwilligen Ehemännern Ausschau zu halten. Grmpf.)

»Ich mache im Grunde auch alles alleine. Ich hätte keine Angst vor einer Trennung.« (Glaubst du. Warte mal ab, bis es so weit ist. Denn eine Trennung zieht einem echt den Boden unter den Füßen weg.)

»So einen netten Mann findest du nie wieder.« (Na, hoffentlich.)

»Das war ja nur eine Frage der Zeit.« (»And in the long run, we’re all dead«, hat Keynes gesagt.)

»Ich habe das schon vor eurer Hochzeit gewusst!« (Wundervoll. Dann wäre es besser gewesen, wir hätten dich damals nicht eingeladen. Oder du hättest abgesagt.)

Alleinerziehend zu sein ist wie ein Unfall

Von Hunderten Reaktionen gegenüber Alleinerziehenden, die von der Trennung erzählten, lautete nur eine einzige: »Sag bitte, wenn ich dir bei irgendwas helfen kann.« Dabei ist das doch eigentlich naheliegend. Und wenn man schon nichts Aufbauendes sagen kann, ist auch einfach den Mund halten eine gute Alternative. Und toll wäre echtes Verständnis anstatt dummer Sprüche. Das kommt aber so selten vor wie ein Lottogewinn.

Plötzlich alleinerziehend zu sein ist wie ein Unfall. Viele Gaffer, viele Besserwisser, die das Fahrverhalten werten und den Unfallhergang analysieren. Andere schauen weg, weil ihnen die Situation Angst macht. Aber die wenigsten denken an die Erstversorgung der Verletzten und helfen. Dabei wäre das so nötig.

Leute, seid nett zu frisch Getrennten. Bitte! Trennungen sind so belastend wie Todesfälle, gerade wenn frau noch für das Wohl von Kindern sorgen muss.

* Dieser und alle weiteren Namen von Bekannten sind zum Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte geändert.

Kapitel 2

Aus und vorbei. Welches Modell hätten Sie denn gerne?

Wir waren also getrennt, und die erste Hürde hatte ich genommen, nämlich offen damit umzugehen. Wie das mit Hürden so ist, die erste kommt einem vielleicht schon ziemlich hoch vor, aber die sich anschließenden kann man beim Überspringen der ersten Hürde noch nicht unbedingt im Blick haben. Und das ist wahrscheinlich ganz gut so, denn wenn frau wüsste, wie viele Monate und Jahre die Trennung, Scheidung und das Auflösen der Partnerschaft als Eltern sie noch beschäftigen wird und wie alleine sie mit den Kindern dasteht, wenn sie erst einmal alleinerziehend ist, dann verlöre sie vielleicht schon bei den ersten Hürden mehr Kraft, als gut für sie ist.

Als frisch getrennte Mutter stand ich nun vor der Frage, wie unser Leben neu zu organisieren sei. Eigentlich hoffte ich, der Mann würde sich darüber gemeinsam mit mir Gedanken machen, aber da er über viele Monate lang daran festhielt, dass er gar nicht getrennt sei und es überhaupt nicht einsehe, sich über unsere Wohnverhältnisse und die zukünftige Gestaltung des Umgangs und der Finanzen Gedanken zu machen, musste ich handeln.

Erschwerend kam hinzu, dass der zukünftige Ex auch den Kindern gegenüber hartnäckig äußerte, dass er ja die Mama noch lieb habe und diese Trennung nicht wolle. Das stimmte auch sicher, und mit etwas Abstand kann ich sehen, dass er nicht aus Bösartigkeit so handelte. Es machte mir die Auflösung der Partnerschaft aber extrem schwer, weil die Kinder natürlich total verunsichert waren über die widersprüchlichen Aussagen ihrer beiden wichtigsten Bezugspersonen.

Mir wurde rasch klar, dass ich rechtliche Beratung brauche. Da am Abend nach der Trennung ein erheblicher Geldbetrag von meinem Festgeldkonto aufs Konto des Exmannes gewandert war, obwohl ich meine PINs in meiner Handtasche aufbewahrte, hatte ich auch akuten Handlungsbedarf. Ich machte noch im Dezember einen Termin bei einer Anwältin aus, die mir über eine Beratungsstelle empfohlen worden war. Die sogenannte »Erstberatung« fand dann schon bald nach den Feiertagen statt.

»Diebstahl innerhalb der Ehe gibt es vor dem Gesetzgeber nicht. Ihre Erfolgsaussichten, das Geld zurückfordern zu können, sind gleich null«, erklärte mir die Anwältin (die ich als Kindergartenmutter vom Sehen kannte, wie ich feststellte), als ich ihr gegenübersaß. Na, das fing ja gut an.

Ich hatte mir einen Haufen Fragen notiert, die vor allem mit dem Trennungsunterhalt, dem Sorgerecht und dem Auszug zu tun hatten, denn ich wollte rechtlich auf der sicheren Seite sein. Dass meine Vorstellung, der Gesetzgeber habe klare Regeln geschaffen, wie Trennungen mit Kindern anzugehen seien, total naiv war, merkte ich dann bald. Auf viele meiner Fragen lautete die Antwort: »Sie müssen sich darüber einigen. Oder ein Gericht entscheiden lassen.«

Weder hatte ich die Handhabe, den Mann zum Auszug zu zwingen, noch durfte ich selbst mit den Kindern ausziehen, wenn der sorgeberechtigte Ehemann nicht damit einverstanden war. »Es gibt nur die Möglichkeit, sich das Aufenthaltsbestimmungsrecht zusprechen zu lassen, aber das geht weder schnell noch einfach und muss über ein Gericht erfolgen«, musste ich lernen.

Alternativ, erfuhr ich, könne ich das Trennungsjahr offiziell einleiten (per Einschreiben an den eigenen Mann im eigenen Haus), um nach einem Jahr dann die Scheidung beantragen zu können, woraufhin ein Gericht urteilen werde, wer mit den Kindern wo wohne, wie es um den Unterhalt bestellt sei und was ansonsten noch zu regeln sei.

So lange dauert es, bis man sich aus einer Ehe befreien kann? Ja, die Gesetze sind so. Wenn ich das gewusst hätte, ich hätte nie geheiratet. Auch die Frage, wer denn das »Auseinanderleben« oder die »unüberbrückbaren Differenzen« verursacht habe, spielt keine Rolle vor dem Gesetzgeber. Die Schuldfrage wurde 1976 zugunsten des »Zerrüttungsprinzips« abgeschafft. Schuld hatten ab diesem Zeitpunkt immer beide Ehepartner, selbst wenn einer den anderen krankenhausreif geschlagen, mehrfach betrogen oder bestohlen hat, drogenabhängig oder Alkoholiker ist (man kann unter Umständen die Scheidung im Härtefallverfahren beantragen. Aber ob das bewilligt wird und wie schnell die Scheidung dann durch ist, steht in den Sternen). Schlechte Aussichten für mich, rasch zur Alleinerziehenden zu werden.

Nach dem Beratungsgespräch war mir ziemlich flau. Aber ich ging mit der Zusage nach Hause, dass die Anwältin den von mir geforderten Trennungsunterhalt berechnen und in einem Brief an den Mann formulieren würde. Ein Anfang war gemacht.

Dass ein – noch – gemeinsam unter einem Dach lebendes Expaar während der Trennungszeit an »Wohlverhalten« gebunden ist, also zum Beispiel Kinder nicht instrumentalisiert werden dürfen (Wer will das überprüfen?), und dass die zukünftige Gestaltung des Umgangs spätestens bis zum Auszug des Vaters geregelt sein sollte, schrieb die Anwältin auch in den Brief. Es würde schwierig werden, aber es war machbar, sich auch räumlich zu trennen. Und irgendwann, als fernes Ziel, würde der Mann kaum noch eine Rolle in meinem Leben spielen. Das war der Plan.

In der Folgezeit lernte ich eine Vielzahl von Szenarien und Möglichkeiten kennen, wie getrennte Eltern sich arrangieren können.

Während meine ebenfalls frisch getrennten Freundinnen in Skandinavien (Norwegen, Schweden und Finnland, wir kannten uns über den Job) schon nach neuen Wohnungen suchten, weil dort eine Scheidung nach sechs Monaten über die Bühne ist und es kein einzuhaltendes Trennungsjahr gibt, versuchte ich noch, über den Mieterverein zu klären, welche Rechte ich als Mutter beim Wohnen mit gemeinsamem Mietvertrag und gemeinsamem Sorgerecht habe. Wieder hieß es: »Der Gesetzgeber sagt, Sie müssen sich mit dem ehemaligen Partner einigen.« Ich schluckte. Wie soll man sich denn mit jemandem einigen, der überhaupt nicht willens ist, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen?

Wenn jemand, der einen gemeinsamen Mietvertrag mit einem unterzeichnet hat, nicht ausziehen will, dann muss er nicht ausziehen. So einfach sieht das Gesetz das. Einzige Alternative wäre die sogenannte »Wohnungszuweisung«, die per Gericht beschlossen werden muss – und weder schnell noch einfach zu erreichen ist. Meine Anwältin riet mir wegen der unsicheren Erfolgschancen und der langen Verfahrensdauer davon ab, das zu probieren. Obendrein sagt das Mietrecht auch, dass, wenn ein Partner den Mietvertrag kündigt, der Vermieter auch dem anderen Partner kündigen kann, er hat dann nämlich ein Sonderkündigungsrecht. Zumindest wird ein Zusatz zum Mietvertrag oder ein neuer Mietvertrag fällig. Das bedeutet, wer sich trennt, muss fürchten, gemeinsam mit den Kindern den Wohnsitz zu verlieren, selbst wenn der andere auszieht.