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Rainer Karlsch

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Beschreibung

Nicht das erste Mal in diesem Jahrhundert ist die ostdeutsche Industrie in ihrer Existenz bedroht. Der gegenwärtige Verlust von mindestens zwei Dritteln der Kapazitäten ruft - bei aller politischer Unterschiedlichkeit - Erinnerungen an die Demontagen der Nachkriegszeit wach. Doch Geschichte wiederholt sich nicht. Für eine sachliche aktuelle Debatte sind genaue Daten über die damaligen Lasten erforderlich Rainer Karlsch hat sie auf Grundlage größtenteils erstmalig erschlossener Quellen zusammen getragen uns systematisch aufbereitet. Dabei ergibt sich ein deutlicher Unterschied zwischen den Besatzungszonen: Während im Osten etwa ein Drittel der industriellen Kapazitäten demontiert wurde, waren es im Westen lediglich drei bis fünf Prozent, die zudem durch die Marshall-Plan-Hilfe mehr als ausgeglichen werden konnten. Karlsch berichtet zugleich vn den Entnahmen aus der laufenden Produktion für die Sowjetunion und Polen, die bis 1953 von der SBZ/DDR allein verkraftet werden mussten, sowie von geheimen Transferaktionen und Verbringung deutscher Spezialisten in die UdSSR.

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Rainer Karlsch

Allein bezahlt?

Die Reparationsleistungen

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

1. Auflage, Dezember 2013 (entspricht der 1. Druck-Auflage von September 1993) © Christoph Links Verlag GmbH Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin, Tel.: (030) 44 02 32-0www.christoph-links-verlag.de, [email protected]

Lektorat: Anette Kühnel Reihenentwurf: TriDesign, Berlin

Inhalt

Einleitung

Streitfall Reparationen

Politische Kontroversen

Das Quellenproblem

Vom Konsens zum Dissens Der Streit der Alliierten um die deutschen Reparationsleistungen

Ein „Karthago-Frieden“ ist geplant

Das Protokoll von Jalta

Der Kompromiß von Potsdam

Alliierte Planwirtschaft

Eine Rumpfwirtschaft Die Ausgangslage der SBZ

Strukturveränderungen in der Zeit der Aufrüstungs- und Kriegswirtschaft

Demographische Probleme

Wirtschaftsverflechtung und Außenhandel

Kriegsschäden

Die neuen Akteure

Das Verhältnis der KPD/SED zur Besatzungsmacht

„Alles auf die Räder!“ Die Demontagen

Sowjetische Trophäenaktionen

Entnahmen der Westalliierten

Die ersten Demontagewellen (1945/46)

Interne sowjetische Auseinandersetzungen um die Reparationspolitik (1945/46)

Versuche zur Begrenzung der Demontagen

Demontagen und Remontagen (1946–1948)

Weitere Demontagen (1946/47)

Die letzten Demontagen (1947/48)

Umfang und Folgen der Demontagen

„Was soll aus der Zone werden?“ Besatzungspolitik im Zwiespalt zwischen Ausbeutung und Wiederaufbau

Der Kalte Krieg beginnt

Modifikation der Besatzungspolitik ab Frühjahr 1946

Beratungen bei Stalin im Januar 1947

Das Selbmann-Memorandum

Auf dem Weg zur Planwirtschaft

Die „Sowjettrusts“ Eine flexible Variante der Reparationspolitik

Hintergründe der Bildung sowjetischer Aktiengesellschaften

Organisationsstruktur und Sonderstellung der SAG

Die Produktionsstrukturen der SAG

Direkte und verdeckte Reparationen

„Schulen des Sozialismus“?

Schrittweise Rückgabe der SAG-Betriebe

Wirkungen des SAG-Systems

„Ein Staat im Staate“ Die Wismut AG

Die Gründung der Wismut AG

Schnelle Ausweitung des Uranbergbaus

Rasantes Wachstum der Beschäftigtenzahlen

Soziale Probleme

Sonderrechte

Reparationsproduktion

Umwandlung in eine sowjetisch-deutsche Aktiengesellschaft

Das Ende der SDAG Wismut

Wissenschaftler als Kriegsbeute Deutsche Spezialisten in der Sowjetunion

Exkurs: „Overcast“ und „Paperclip“

Geheimoperation „Ossawakim“

Arbeitsgebiete und Projekte der Spezialisten

Lebensumstände der Spezialisten in der Sowjetunion

Die Rückkehr

Resümee

„Weniger reden, mehr liefern!“ Die Entnahmen aus der laufenden Produktion

Die Anfänge der Reparationsproduktion

Die Lage spitzt sich zu (1946/47)

Struktur der Reparationsproduktion bis 1949

Die Bildung des Amtes für Reparationen und allgemeine Probleme der Reparationsproduktion

Die Reparationspläne 1949–1953 und ihre Erfüllung

Wieviel wurde geliefert?

Das Ende der Reparationsleistungen

Offene und verdeckte Finanztransfers Besatzungskosten, Transportleistungen, Handelsgeschäfte

Außenhandelsverluste

Woher nahm die Besatzungsmacht das Geld?

Eine Bank im Hintergrund – Die Garantie- und Kreditbank AG

Der Transport der Reparationsgüter

Die Besatzungskosten

Bilanz und Vergleich

Wieviel wurde insgesamt geleistet?

Vergleich der Reparationsleistungen beider deutschen Teile

Resümee

Anhang

Anmerkungen

Dokumente

Tabellen und Diagramme

Einleitung

Streitfall Reparationen

Der publizistische und wissenschaftliche Meinungsstreit um die Reparationsleistungen der sowjetisch besetzten Zone (SBZ)/DDR ist so alt wie das Problem selbst. Schon kurz nach Beginn der deutschen Wiedergutmachungsleistungen wurde intensiv versucht, den Werte- und Warentransfer zu erfassen. Die Untersuchungen wurden in starkem Maße von der jeweiligen politischen und wirtschaftlichen Interessenlage beeinflußt.

Jede Seite war bestrebt, die „Ausplünderung der Sowjetzone durch die Sowjets“1 bzw. „die ungeheuren Leistungen…, die von den imperialistischen Besatzungsmächten aus Westdeutschland herausgepreßt wurden“2 in den Vordergrund zu stellen.

Auf östlicher Seite wurden die Reparationen als Staatsgeheimnis behandelt. Die wenigen offiziell veröffentlichten Angaben trugen propagandistischen Charakter. Das Bündnis mit der UdSSR sollte unter keinen Umständen diskreditiert werden.

An eine wissenschaftliche Analyse der deutschen Reparationsleistungen war in der DDR nicht zu denken. Ohne seriöse wissenschaftliche Untersuchungen wurde ein Bild der totalen Zerstörung und des Chaos gezeichnet. In den Standardwerken zur DDR-Geschichte war von einer zu 40 Prozent kriegszerstörten Industrie im Osten Deutschlands die Rede, in Westdeutschland dagegen hätten die Zerstörungen bei 20 Prozent gelegen. Ernsthaft überprüft werden konnten diese Angaben nicht.

Die in den heutigen Bundesarchiven Potsdam und Coswig/Anhalt sowie in den Landesarchiven endgelagerten Materialien des Amtes für Reparationen und anderer mit den Nachkriegslasten befaßter Behörden schienen den Verantwortlichen in der Sowjetunion und der DDR so brisant, daß eine Freigabe für Forschungszwecke überhaupt nicht in Frage kam. Als Mitte der sechziger Jahre der Wirtschaftshistoriker Horst Barthel von der Humboldt-Universität zu Berlin eine Habilitationsschrift zu den ökonomischen Ausgangsbedingungen des östlichen Teils Deutschlands verfassen wollte, stach er bei seinen Recherchen offenbar in ein Wespennest, und Dr. Erich Apel, Vorsitzender der Staatlichen Plankommission und einer der wichtigsten Befürworter von Wirtschaftsreformen in der DDR, nahm sich der Sache an. Erst auf höchster Ebene fiel die Entscheidung. Mit zwei unwirschen Sätzen verweigerte Apel dann dem Wirtschaftshistoriker Akteneinsicht in das Heiligtum der staatlichen Planwirtschaft.

So weit, so schlecht. Wer läßt sich schon gern in die Karten schauen. Außerdem waren im Wirtschaftssystem der DDR bereits weitaus harmlosere Themen zu Staatsgeheimnissen hochstilisiert worden. Überdies gebot die Staatsräson Rücksichtnahme gegenüber den sowjetischen Interessen. Was hätte wohl Pjotr Abrassimow, seinerzeit sowjetischer Botschafter in Ostberlin, von einer Veröffentlichung über die keineswegs ruhmreiche Reparationspolitik seines Landes gehalten?

An sensiblen Themen aus der ökonomischen Geschichte der DDR sollte nicht mehr gearbeitet werden. Punktum. So blieb das Geheimnis der Reparationsakten bis zum Ende der DDR gewahrt.

Auf westlicher Seite wurde hauptsächlich in den fünfziger Jahren der Versuch unternommen, die Reparationsleistungen der SBZ/DDR abzuschätzen. Infolge der eingeschränkten Quellenlage kam es dabei zu beträchtlich divergierenden Angaben. In der Öffentlichkeit der früheren Bundesrepublik ist die sowjetische Besatzungs- und Reparationspolitik sehr nachhaltig als besonders hart und ungerecht empfunden worden. Die deutsche Schuld an Krieg und Holocaust und die Rechtmäßigkeit der Entschädigungsansprüche der Kriegsgegner, insbesondere der Sowjetunion und Polens, wurden zumeist nur zögernd akzeptiert. Einzelne positive Aspekte der sowjetischen Reparationspolitik fanden kaum Anerkennung. Umgekehrt hat die Hilfe der USA beim wirtschaftlichen Wiederaufbau der Bundesrepublik ein so hohes Maß an Publizität erfahren, daß darüber die zeitweilige Härte der amerikanischen Demontagepolitik des Morgenthau-Plans fast ganz in Vergessenheit geraten ist.

Vor allem das Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen (BMfGF) und der SPD-Vorstand widmeten den Reparationen eine Reihe von Studien.3 In der Tagespresse machten abenteuerliche Berechnungen über die sowjetischen Reparationsentnahmen Schlagzeilen. Die FAZ vermeldete am 25.8.1953 sowjetische Reparationsentnahmen bis Ende 1951 in Höhe von 60 Milliarden Dollar! Der Telegraf vom 28. November 1951 berichtete sogar von Reparationen von 240 Milliarden DM. Beispiele derartiger Zeitungsmeldungen ließen sich beliebig fortsetzen.

Mit den Grundlagen für solche Rechenexempel nahm man es nicht so genau. So wurden für die SBZ auch die Verluste aus den Gebietsabtretungen an Polen und die UdSSR sowie die Umsiedlungen in Rechnung gestellt. Das waren jedoch Verluste, die das deutsche Volk insgesamt erlitten hatte. Wenn das menschliche Leid der Zwangsumsiedlungen überhaupt in Zahlen ausgedrückt werden soll, so hätte eine prozentuale Aufteilung dieser Verluste auf West- und Ostdeutschland vorgenommen werden müssen. Doch darum ging es in den Zeitungsmeldungen nicht. Die sowjetische Reparationspolitik sollte gebrandmarkt werden. Intern wurde die Solidität einzelner Berechnungen der Reparationslasten der SBZ/DDR durchaus in Frage gestellt. Insbesondere die vom SPD-Vorstand herausgegebenen Denkschriften des Sopade-Informationsdienstes galten unter Fachleuten als „dubios“.4

Allerdings erschienen in Westeuropa nicht nur tagespolitische Publikationen zur Reparationsfrage. Von Anfang an gab es an diesem Thema ein reges wissenschaftliches Interesse. Vor allem in den USA, Großbritannien und der Bundesrepublik erschienen eine Reihe von Publikationen zum Reparationsthema, in denen die meisten der damals zugänglichen Quellen ausgewertet wurden. Dadurch konnte insgesamt ein wesentlich realistischeres Bild von den Reparationsleistungen beider deutscher Staaten gewonnen werden, als es auf östlicher Seite möglich war.

Politische Kontroversen

Wiederholt lösten die Vergleiche der Reparationsbelastungen beider deutscher Staaten scharfe politische Kontroversen aus.

Im Juli 1964 veröffentlichte beispielsweise der Bremer Historiker Arno Peters einen „Reparationsausgleichsplan“. Danach schuldete die Bundesrepublik der DDR ungefähr 88 Milliarden DM.5

Auf dem 9. Plenum des ZK der SED im April 1965 forderte Walter Ulbricht von der Bundesregierung die Wiedergutmachung von Verlusten durch einseitige Reparationslasten und Wirtschaftskrieg in Höhe von 120 Milliarden Mark. Ein eifriger Bezirkssekretär der SED errechnete daraufhin flugs eine Pro-Kopf-Summe für jeden DDR-Bürger von 7 000 Mark. „Für diese Summe hätten wir jedem Einwohner einen Trabant anschaffen können.“6

Bei aller Fragwürdigkeit der Rechnung Ulbrichts, der auch die Ausbildungskosten von mehr als zwei Millionen geflüchteten DDR-Bürgern in Anschlag bringen wollte, war eine Tatsache kaum zu bestreiten: Die SBZ/DDR hat bis 1953 den Löwenanteil der Reparationslasten getragen. Auch in der Öffentlichkeit der alten Bundesrepublik mehrten sich daher Stimmen, die zumindest die Anerkennung dieser Tatsache anmahnten. So heißt es in einem in Die Zeit vom 3. Juni 1966 veröffentlichten Leserbrief: „Ich frage, was uns veranlassen kann, mit der Beteiligung an den von der Bevölkerung der DDR geleisteten Reparationen bis zur (unwahrscheinlichen) Wiedervereinigung abzuwarten? Vielleicht gerade die stille und insgeheime Hoffnung, daß diese Vereinigung nicht kommen wird? Manchmal gewinne ich diesen Eindruck.“

Für ein großes Echo sorgte das 1966 publizierte Buch „Wehen und Wunder der Zonenwirtschaft“ von Hans Apel. Neben den Kapitalverlusten durch Reparationslasten hat Apel vor allem mit den enormen Verlusten der DDR durch die Abwanderung von mehr als zwei Millionen Bürgern argumentiert. Er führte die Abwanderungsverluste ausschließlich auf die hohen Nachkriegslasten und damit ungünstigeren Lebensbedingungen zurück. Daß für viele Flüchtlinge das in der DDR eingeführte Wirtschafts- und Gesellschaftssystem ein entscheidendes Fluchtmotiv war, ließ er außer acht.

Im Vorfeld des Treffens von Willy Brandt und Willi Stoph in Erfurt im Jahr 1970 lebte die Debatte um die einseitigen Nachkriegslasten nochmals auf. Aus der Umgebung des Bundeskanzlers verlautete, daß die Bundesrepublik die besondere Höhe der Kriegsfolgelasten der DDR anzuerkennen bereit sei. Brandt schlug Stoph eine gemeinsame Prüfung der Höhe der Nachkriegsbelastungen beider Teile Deutschlands vor.7 Eine Mitverantwortung für die Ergebnisse der Gesellschaftspolitik der SED lehnte er jedoch entschieden ab. Die DDR-Seite befand sich in einer Zwickmühle: Die tatsächlichen Belastungen infolge der sowjetischen Reparationspolitik sollten und konnten nie ermittelt worden. Aus Botmäßigkeit gegenüber der Sowjetunion konnte nur auf deren offizielle, zu niedrig angesetzte Abrechnung der Reparationsleistungen zurückgegriffen werden. Andererseits wurden die der DDR entstandenen Verluste aus dem Kalten Krieg und der massenhaften Abwanderung von Bürgern der Politik der Bundesregierung angelastet, was diese zurückwies. Eine völkerrechtlich verbindliche Festlegung der Höhe der Reparationen hatte es nicht gegeben. Insofern konnten von seiten der DDR lediglich moralische Ansprüche geltend gemacht werden.

Dennoch erschienen Verhandlungen über einen Reparationsausgleich im Rahmen der Gespräche Brandt-Stoph nicht völlig aussichtslos. An einer zu weitgehenden deutsch-deutschen Annäherung hatte jedoch die Sowjetunion kein Interesse. Ihr Botschafter in der DDR intervenierte gegen die Weiterführung der „Reparationsgespräche“.8 Eine deutsch-deutsche Arbeitsgruppe „Nachkriegslasten“ kam nicht zustande.

Je stärker die Wiedervereinigung in scheinbar unerreichbare Ferne rückte, desto mehr ließ das öffentliche Interesse am Reparationsthema nach.

Fast zwangsläufig lebte die Diskussion um die deutschen Wiedergutmachungsleistungen im Vorfeld der Wiedervereinigung 1989/90 nochmals auf. Erneut veröffentlichte Arno Peters einen „Aufruf an die Regierung der Bundesrepublik Deutschland zur Zahlung ihrer Reparationsausgleichsschuld an die Deutsche Demokratische Republik“. Er rechnete – allerdings mit fragwürdigen Methoden – vor, daß die Bundesrepublik bis 1953 Reparationen in Höhe von 2,1 Milliarden DM und die DDR Reparationen in Höhe von 99,1 Milliarden DM geleistet habe. Indem er die Einwohnerzahlen beider deutscher Staaten zugrunde legte und eine Zinseszinsrechnung aufstellte, errechnete Peters sodann eine fiktive Reparationsausgleichssumme von 727,1 Milliarden DM, die die Bundesrepublik angeblich der DDR schuldete. In Anspielung auf solche Rechnungen forderte auch die Modrow-Regierung 1990 von der Bundesregierung Ausgleichszahlungen in Höhe von 15 Milliarden DM.

Selbst mit kurzfristig zur Verfügung gestellten 15 Milliarden DM wäre die DDR-Wirtschaft nicht mehr zu stabilisieren, geschweige denn zu sanieren gewesen.

Nicht vergessen werden dürfen die 1990 plötzlich wieder neubelebten außenpolitischen Dimensionen des Reparationsproblems, waren doch dem Londoner Schuldenabkommen von 1953 zufolge nach der Wiedervereinigung neuerliche Reparationsforderungen denkbar.9 Die endgültige Regelung dieser Forderungen wurde im Artikel 5 des Abkommens ausdrücklich bis zu einem künftigen Friedensvertrag vertagt. Es ist zweifellos den Zwei-plus-Vier-Gesprächen zu verdanken, daß diesbezüglich unter den Zweiten Weltkrieg ein Schlußstrich gezogen werden konnte und trotz deutscher Befürchtungen keine neuen Reparationsansprüche geltend gemacht wurden.

Mit der Wiedervereinigung ist das Reparationsthema jedoch keinesfalls erledigt. Heute steht die gesamte deutsche Nachkriegsgeschichte bis zum Jahr 1990 auf dem Prüfstand. Da es größtenteils erst jetzt möglich geworden ist, Quellen aus den Archiven der ehemaligen DDR und UdSSR einzusehen, können bisherige Aussagen nun einer kritischen Prüfung unterzogen und neue Fragestellungen diskutiert werden.

Nur eine quellenorientierte Analyse kann letztlich zu einer ausgewogenen Sicht auf die Anfangsjahre der SBZ/DDR beitragen.

Das Quellenproblem

Bei der Untersuchung der Reparationsleistungen der SBZ/DDR ist die Quellenlage ein besonderes Problem. Alle wesentlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit den Reparationen wurden von sowjetischen Stellen getroffen. Die deutschen Verwaltungen waren bis zum Abbruch der Reparationsleistungen lediglich Hilfsorgane, deren Aufgaben allerdings im Reparationszeitraum, insbesondere nach Bildung der Verwaltung bzw. des Amtes für Reparationen Mitte 1948, stark anwuchsen.

Die von den sowjetischen und deutschen Stellen befolgte strikte Geheimhaltung in allen Reparationsangelegenheiten steht in auffallendem Widerspruch zu der Selbstsicherheit der sowjetischen Vertreter, die von der Rechtmäßigkeit des sowjetischen Reparationsanspruchs überzeugt waren. Sicher spielten dabei die Erfahrungen der Zwischenkriegszeit, in der der offene Widerstand gegen die Reparationen Ursache des deutschen Revanchestrebens geworden war, eine wesentliche Rolle. Auch die Tatsache, daß die Reparationen sehr schnell zum Anlaß von Auseinandersetzungen mit den Westmächten geworden waren, dürfte die sowjetischen Stellen zu strikter Geheimhaltung veranlaßt haben.

Die mit der Absicherung von Reparationslieferungen befaßten deutschen Stellen wurden zum Stillschweigen verpflichtet und ihre Beschäftigten wiederholt Sicherheitsüberprüfungen unterworfen. Charakteristisch für die Atmosphäre jener Zeit mag auch der Sitz des Amtes für Reparationen in Berlin im Haus der Ministerien in der Leipziger Straße, das zur Zeit Sitz der Treuhandanstalt ist, gewesen sein. Das Amt für Reparationen befand sich in der obersten Etage hinter schweren Eisentüren, also streng von anderen Büros der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK)/Staatlichen Plankommission (SPK) getrennt. Der Erfolg der verschärften Sicherheitsbestimmungen hielt sich dennoch in Grenzen. Mehrfach gelangten interessante Einzelanalysen aus den Verwaltungen der SBZ in die Westzonen.10

Trotz der Vernichtung bzw. der Unzugänglichkeit einiger Archivalien steht für die Forschung zu den Reparationen eine erstaunliche Vielfalt an Quellen zur Verfügung.11 Dies trifft insbesondere auf die Archive der ehemaligen DDR und UdSSR zu. Doch auch die Archive der alten Bundesrepublik bergen, nachdem die Sperrfrist für relevante Bestände abgelaufen ist, viele interessante Detailinformationen.

Vom Konsens zum Dissens

Der Streit der Alliierten um die deutschen Reparationen

Ein „Karthago-Frieden“ ist geplant

Die Planungen der Alliierten für die Nachkriegszeit begannen Ende 1941, das heißt zu einen Zeitpunkt, zu dem deutsche Truppen noch große Teile Europas besetzt hielten und Hitler im Zenit seiner Macht stand.

Am 28. September 1941 fragte Stalin den US-Botschafter William A. Harriman in Moskau und den britischen Minister für Luftwaffen- bzw. Materialbeschaffung William M. Beaverbrook, wie es nach dem Sieg über Deutschland mit Reparationen stehe. Er erhielt ausweichende Antworten. Im Dezember 1941, auf dem Höhepunkt der Schlacht vor Moskau, warf Stalin gegenüber dem britischen Außenminister Anthony Eden erneut das Reparationsproblem auf. Immerhin herrschte in groben Zügen Einigkeit, daß Deutschland Reparationen zu leisten habe und daß Demontagen erfolgen sollten. Bei diesen Aussagen beließ man es zunächst. Für detaillierte Reparationsplanungen war es noch zu früh. Dennoch rechneten sowohl die Amerikaner und Briten als auch die Sowjets nach den Entscheidungsschlachten an der Wolga und in Afrika mit Vorstößen der anderen Verbündeten in der Reparationsfrage.

Die Briten setzten deshalb im November 1942 einen Ausschuß unter Leitung von Sir William Malkin ein. Am 31. 8. 1943 legte der Malkin-Ausschuß ein Strategiepapier zur Reparationsfrage vor. Das Dokument basierte in seinen wesentlichen Teilen auf den Gedanken des britischen Nationalökonomen John Maynard Keynes. Die Eckpunkte des moderaten Malkin-Berichts1 waren:

1) Deutschland erbringt über drei Jahre Reparationen in Form von Arbeitsleistungen.

2) Ein Teil der rüstungswichtigen Industrie wird demontiert.

3) Deutschland wird über einen Zeitraum von fünf Jahren zu Lieferungen aus der laufenden Produktion verpflichtet.

4) Eine feste Gesamtsumme für die deutschen Reparationsleistungen wurde nicht genannt. Intern hielten die Gutachter eine Summe von vier Milliarden US-Dollar für realistisch.

Vor allem über den letzten Punkt entbrannten in der Folgezeit permanent Streitigkeiten mit der UdSSR.

Was hielt die Briten von der Fixierung einer festen Reparationssumme ab? Zum einen erinnerte man sich an die fatalen Folgen der alliierten Reparationsregelungen nach dem Ersten Weltkrieg. Zum anderen wollte sich die britische Außenpolitik Optionen gegenüber der Sowjetunion offenhalten, deren vorrangiges Interesse an Reparationen bekannt war.

Interessanterweise schlug Keynes auch vor, von den herkömmlichen, nach dem Kriegsschädenprinzip berechneten Bestimmungen der Reparationen abzuweichen. Nach Beendigung der Demontagen sollten Deutschland und Japan zwischen 10 und 25 Prozent ihrer Exporteinnahmen als „Beitrag zur Friedenssicherung“ abliefern. Die Verteilung der Reparationen wäre nach diesem Modell von der Höhe der Militärausgaben der Siegermächte abhängig gewesen, eine Regelung, die den Briten mehr genutzt hätte als den anderen Alliierten.

Die politische Spitze der Vereinigten Staaten stand dem Reparationsproblem zunächst gleichgültig bis ablehnend gegenüber. Ein amerikanischer Vorschlag wurde erstmals auf der Moskauer Außenministerkonferenz vom Oktober 1943 präsentiert. Darin waren als Leitlinien folgende Punkte enthalten:

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