Alpengold 170 - Rosi Wallner - E-Book

Alpengold 170 E-Book

Rosi Wallner

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Beschreibung

Sie lebten in Wohlstand und Harmonie, bis das Schicksal ihnen alles nahm. Der tragische Tod des Hoferben Sebastian zerstört das Glück der wohlhabenden Familie Pranner jäh, und auch Sina, Sebis schöne Verlobte, droht zu verzweifeln. Sie schwört, niemals einen anderen Mann als ihn zu lieben - schon gar nicht Markus, Sebis jüngeren Bruder, der scheu um sie zu werben beginnt ... Doch darf es wirklich nie mehr Frohsinn und Lachen auf dem Pranner-Hof geben?

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Seitenzahl: 139

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Inhalt

Cover

Impressum

Das verlorene Glück der Pranners

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf / Bastei Verlag

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-8387-5914-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Das verlorene Glück der Pranners

Sie lebten in Wohlstand und Harmonie, bis das Schicksal ihnen alles nahm

Von Rosi Wallner

Bei einer waghalsigen Klettertour an der Kreuzwand stürzt der junge Pranner-Sebastian in den Tod – und mit ihm verlassen Freude und Lachen den einstmals so reichen Pranner-Hof. Vor allem Sebis Mutter Ruth kann den Verlust nicht verwinden und vergräbt sich in ihrem Leid. Einzig Sebis Verlobter Sina gelingt es noch, zu ihr vorzudringen, und so kümmert sich das Madel aufopferungsvoll um die verzweifelte Nachbarin.

Doch als dann Sebis jüngerer Bruder Markus heimkehrt, um die Hofführung zu übernehmen, flammen Hass und Eifersucht in Sina auf! Obwohl aus Markus ein fescher Bursch geworden ist, kann sie ihn nur verachten: Schließlich ist er nun der Nutznießer von Sebis Tod!

Und Markus? Gegen jede Vernunft verliebt er sich unsterblich in die schöne Verlobte seines toten Bruders! Doch können sich seine Hoffnungen auf ein Glück mit Sina je erfüllen?

»Komm ins Haus, Ruth, es ist doch schon viel zu kühl!«, sagte Anton Pranner zu seiner Frau und half ihr behutsam von der Gartenbank hoch, auf der sie, in sich zusammengesunken, gesessen hatte.

Pranners sonst immer befehlsgewohnte Stimme klang sanft und zärtlich, wenn er mit seiner Frau sprach. Obwohl sie schon Silberhochzeit gefeiert hatten, liebte er sie noch genauso wie am ersten Tag der Ehe, sogar fast noch mehr.

Es erfüllte ihn mit tiefer Sorge, dass Ruth immer wieder diesen Platz aufsuchte und dort stundenlang verharrte. Es war nicht die wunderbare Aussicht auf das gewaltige Gebirgsmassiv, die das Hochtal umgab, von der sich Ruth Pranner nicht losreißen konnte, sondern vor allem die Steilwand, die nur von hier aus zu sehen war.

Die Kreuzwand, von der ihr Sohn Sebastian abgestürzt war.

Sein Tod hatte das Glück der Pranners jäh zerstört. Anton Pranner wusste nur zu gut, dass er nicht nur wegen seines Wohlstands und weitreichenden Einflusses beneidet worden war, sondern vor allem wegen seiner glücklichen Ehe und der zwei wohlgeratenen Söhne.

Pranner hatte sich in sehr jungen Jahren in Ruth Weiland, die Tochter des Bürgermeisters, verliebt, und sie hatte seine Gefühle von ganzem Herzen erwidert. Sie war gerade achtzehn und er Anfang zwanzig gewesen, als sie heirateten, eine große Hochzeit mit einem schönen und glücklichen Paar. Aber dennoch gab es viele, die unkten, dass dieses Glück nicht von Dauer sein würde, weil beide viel zu jung seien und bald die frühe Bindung bereuen würden.

Doch darin sahen sich alle getäuscht, die glaubten, dass die Liebe des jungen Paares nur von kurzer Dauer sei und bald Zank und Hader auf dem Pranner-Hof einziehen würden. Es gelang den Pranners, die Schwierigkeiten, die sich in jeder Ehe ergeben, durch die Kraft ihrer Liebe zu umschiffen. Die Geburt der beiden Söhne steigerte ihr Eheglück nur noch, und sie hatten viel Freude mit den beiden lebhaften Kindern.

Sebastian, von allen »Sebi« genannt, der älteste Sohn und zukünftige Hoferbe, war über die Grenzen des Tals hinaus bekannt geworden. Er war ein waghalsiger Bergsteiger und Kletterer, dessen Weg ihn bis nach Nepal führte. Vor keiner Gefahr schreckte er zurück, und die Vorhaltungen seiner besorgten Mutter lachte er einfach hinweg.

»Mach dir keine Gedanken, Mutterl! Ich bin an einem Sonntag geboren, also ein Glückskind«, versuchte er immer, sie zu beruhigen, und sie hatte diesem Lebensmut nichts entgegenzusetzen.

Sebastian Pranner war ein Mensch gewesen, dessen Ausstrahlung so überwältigend war, dass ihm alle Herzen zugeflogen waren. Selbst seine Neider konnten sich seiner Anziehungskraft nicht entziehen, und ihn umgab immer ein Schwarm von Spezis und jungen Frauen, die in ihn verliebt waren.

Dazu kam noch ein bestechendes Äußeres – hochgewachsen, mit dunkelblondem, dichtem Haar und schönen, ebenmäßigen Zügen. Ja, der Pranner-Sebi war »ein Bild von einem Mann«. Doch er stand nicht im Ruf eines Schürzenjägers, denn er war mit Sina Inthaler, der Nachbarstochter und Kindheitsfreundin, verlobt. Bald sollte geheiratet werden, und dann würde es auch ruhiger um ihn werden, das hatte er ihr versprochen.

Doch es kam ganz anders.

Sebi hatte die Kreuzwand immer als »Tummelplatz vor dem Haus« bezeichnet und hatte sie oft erklettert, ohne ausreichend abgesichert zu sein. Viele Mutmaßungen gab es später über das Unglück; ob er durch irgendetwas abgelenkt worden sei oder dass ein Felsenteil, an dem er sonst Halt gefunden hätte, möglicherweise durch Wettereinwirkungen gelockert gewesen sei.

Niemand konnte sich erklären, warum er plötzlich abgestürzt war, denn trotz seines Wagemutes war er doch erfahren und neigte nicht zum Leichtsinn.

Als die Suchmannschaft ihn schließlich fand, war sein schönes Gesicht bis zur Unkenntlichkeit entstellt und sein starker Körper zerschmettert. Es hieß, dass einige der abgehärteten Männer bei seinem Anblick in Tränen ausgebrochen seien.

Die Schreie seiner Mutter, als sie die Botschaft überbringen mussten, gellten noch lange in ihren Ohren. Und dann klagte sie in einem fort, dass sie nicht Abschied nehmen durfte von ihrem geliebten Sebi, ihm noch nicht einmal die Augen schließen.

Allen, die bei der Beerdigung am Grab von Sebastian Pranner standen, war klar, dass mit seinem Tod das Familienglück der Pranners zerbrochen war. Die schöne, lebensfrohe Ruth Pranner war kaum noch bei Sinnen und musste von ihrem Mann, dessen Gesicht aschfahl war, gehalten werden. Auf der anderen Seite wurde sie von ihrem jüngeren Sohn Markus gestützt, der einen völlig verstörten Eindruck machte.

Markus, der in Passau Jura studierte, hatte die Todesnachricht kurz nach einer Prüfung ereilt, und er war sofort, ohne auf das Ergebnis zu warten, nach Hause gefahren. Die beiden Brüder hatten sich trotz aller Wesensunterschiede immer sehr nah gestanden. Es war unfassbar für ihn.

Als der Sarg mit Erde bedeckt wurde, wurde es schwarz vor Ruths Augen, dann aber fasste sie sich wieder mit äußerster Anstrengung. Doch es schien, als würde damit die letzte Lebenskraft aus ihr weichen.

Sina Inthaler verharrte still neben ihrem Vater. Ihre Züge zeigten keine Regung, aber ihre Augen waren wie erloschen.

Ruth Pranner verfiel nach der Beerdigung in ein heftiges Nervenfieber, sodass Zweifel bestanden, ob sie sich überhaupt jemals davon erholen würde. Anton pflegte sie aufopfernd, auch Sina kam jeden Tag auf den Hof, und langsam wichen die dunklen Schatten. Doch Ruth war danach gebrochen, ihre Seele hatte sich verdüstert.

Und so war ihr Mann, der ihr Weggefährte und ihr Geliebter gewesen war, zu ihrem Hüter geworden, der darauf achtete, dass sie sich nicht völlig ihrem Schmerz überließ und sich vom Leben abkehrte.

»Komm, Ruth!«, wiederholte er, als sie sich noch einmal umwandte und zu der Gebirgswand hochsah.

Nun ließ sie sich widerstandslos in das Wohnhaus führen und stieg die Treppe hinauf, die zur Schlafkammer führte. Während sie sich auskleidete, ging er noch einmal in die Küche hinunter und holte einen Schlaftrunk, denn Ruth war ihm schon den ganzen Tag über sehr unruhig erschienen.

Er blieb bei ihr, bis sie eingeschlafen war, dann ging er in den Nebenraum, in dem er seine Schlafstatt aufgeschlagen hatte. Denn das Unglück hatte auch ihr Eheglück zerstört, Ruth konnte niemanden mehr in ihrer Nähe ertragen.

Anton Pranner bemühte sich, die quälenden Erinnerungen, die immer wieder vor seinem geistigen Auge aufstiegen, zu verbannen, bis die Erschöpfung Oberhand gewann und er in einen bleischweren Schlaf sank.

***

Am nächsten Morgen fand Ruth Pranner wieder nicht die Kraft, aufzustehen. Sie blieb liegen, dämmerte immer wieder weg und wünschte sich, nie mehr erwachen zu müssen. Damit dieser bohrende Schmerz endlich vorbei war …

»Soll ich dir helfen?«

Sinas helle Stimme klang nach oben, doch sie fühlte sich nicht imstande zu antworten. Schließlich hörte sie die leichten Schritte des Mädchens auf der Stiege, und gleich darauf betrat Sina den abgedunkelten Raum.

»Heute geht es dir nicht gut«, stellte Sina fest.

Sie unternahm erst gar nicht den Versuch, die Bäuerin zum Aufstehen zu bewegen, denn wenn sich Ruth in diesem Zustand befand, war es am besten, sie völlig in Ruhe zu lassen.

»Setz dich ein bisserl her zu mir«, bat Ruth das junge Mädchen.

Sina gehorchte, und die Kranke ergriff ihre Hand. So saßen sie still da, vereint in der Trauer um den Menschen, den beide so innig geliebt hatten. Für Ruth war Sina die Tochter, die ihr versagt geblieben war, und auch die junge Frau hatte sich nach dem frühen Tod ihrer Mutter eng an die Pranner-Bäuerin angeschlossen.

Ruth war die einzige Tochter der Inthalers, denen der Nachbarhof gehörte, und sie und die Pranners waren eng miteinander befreundet. Auch die Kinder, die Pranner-Buben und das Mädchen, waren unzertrennlich, und es war den Eltern bald aufgefallen, dass Sebi und die kleine Sina schon früh damit anfingen, »Hochzeit« zu spielen, während Markus immer nur für den Pfarrer herhalten musste.

Und so keimte in ihnen der Gedanke, dass aus den beiden später tatsächlich ein Paar werden sollte. Denn Ruth wünschte sich nichts mehr, als dass Sina ihre Schwiegertochter wurde, und der geschäftstüchtige Anton Pranner sah einen großen Gewinn darin, wenn die beiden Höfe durch die Heirat zusammenfielen.

Sina liebte ihren Sebi von Kindheit an, und all ihr Denken und Fühlen war darauf ausgerichtet, seine Frau und damit Pranner-Bäuerin zu werden. Denn eigentlich fühlte sie sich auf dem Pranner-Hof zu Hause, nicht bei ihrem Vater, der nach dem Tod der Mutter immer verschlossener geworden war.

Genauso selbstverständlich war es für Sebi gewesen, sich mit ihr zu verloben, denn auch er konnte sich nichts anderes vorstellen, als dass Sina seine Bäuerin werden würde. Das hatte sich so ergeben, aus den kindlichen Spielen, den Reden seiner Eltern und nicht zuletzt, weil »alles passte«.

Und aus dem mageren kleinen Wesen, das am liebsten mit den zwei wilden Pranner-Buben spielte, war zu seiner Überraschung ein schönes junges Mädchen geworden, das viele Verehrer hatte. Mit ihr hatte er die passende Frau an seiner Seite gefunden.

»Denkst an den Sebi?«, klang die matte Stimme der Pranner-Bäuerin neben ihr auf, und Sina seufzte unwillkürlich.

»Immerzu«, erwiderte Sina leise.

Auch in ihrem jungen Gesicht hatte das Leid Spuren hinterlassen. Ein großer Ernst, ungewöhnlich für ihr Alter, lag auf ihren Zügen, und ihre schönen goldbraunen Augen hatten allen Glanz verloren. Die sanfte, sommerliche Bräune, die ihr so gut stand, hatte einer fahlen Blässe Platz gemacht, was durch ihre schwarzen Haare, die glatt und üppig über ihre Schultern flossen, noch verstärkt wurde.

Sinas Nähe schien Ruth gutzutun, und nach einer Weile sagte sie: »Ich will doch aufstehen. Es ist eh ein Elend, dass ich zu überhaupt nichts mehr tauge, dabei bin ich noch net mal fünfzig.«

»Red net so! Ich komm wieder hoch, wenn du so weit bist.«

Ruth neigte zu plötzlichen Schwindelanfällen, und so half ihr Sina später die Treppe hinunter und führte sie in die Küche, wo die Bäuerin sich ratlos umblickte. Dann sank sie kraftlos auf der Eckbank zusammen, unfähig, etwas in Angriff zu nehmen.

Doch Sina hatte einen großen Topf Gemüsesuppe mitgebracht, den sie jetzt aufsetzte, sodass bald ein angenehmer Duft die Küche durchzog. Auch Obstsalat hatte sie vorbereitet, den sie jetzt in kleine Schüsseln verteilte. Danach räumte sie mit flinken Bewegungen auf und deckte den Mittagstisch in der Stube.

Als Anton Pranner vom Feld nach Hause kam, war ihm beinahe so, als wäre alles so wie früher. Wohlgerüche empfingen ihn, und der Tisch in der Stube war wieder ansprechend gedeckt. Doch dann sah er seine ausgezehrte Frau, die sich erst erheben wollte, als sie ihn erblickte, es dann aber unterließ.

»Schön, dass du unten bist«, sagte er freundlich und küsste sie auf die Wange.

Sina trug die Suppenterrine herein und schnitt Brot auf, er verfolgte mit den Augen ihre anmutigen Bewegungen. Wie gern er Sina als Schwiegertochter gehabt hätte!

Und plötzlich durchfuhr ihn ein Gedanke, den er zunächst als ungeheuerlich empfand, der dann aber immer mehr Raum in ihm einnahm. War es so vermessen, auf diese Möglichkeit zurückzugreifen, um vielleicht noch weiteres Unglück abzuwehren? Denn irgendwann würde Sina ihre Trauer überwinden und sich einem anderen Mann zuwenden. Vielleicht würde sie sogar ihre Heimat verlassen, um den schmerzlichen Erinnerungen zu entfliehen.

Einen weiteren Verlust würde Ruth nicht ertragen. Sina war ihr ganzer Halt.

Anton Pranner aber fing an, zu sinnen und zu planen, und zu seiner eigenen Überraschung spürte er, dass ein wenig von seiner früheren Spannkraft in ihn zurückkehrte.

***

Markus Pranner schritt nachdenklich durch die Altstadt von Passau. Er liebte diese von Flüssen umschlossene Stadt mit der fast südlich anmutenden Uferpromenade, dem Dom und den schmalen kopfsteingepflasterten Gassen. Schließlich setzte er sich in der stillen Wallfahrtskirche, die die Gebeine der heiligen Gisela barg, auf eine Bank und ließ sich von seinen Gedanken davontragen.

Es war der Wunsch seines Vaters gewesen, dass er Jura studierte, denn der Hof stand dem Erstgeborenen zu. Obwohl Sebastian sich nur widerwillig mit der Landwirtschaft befasst hatte und von einem unbändigen Freiheitsdrang beseelt war, gab es nichts daran zu rütteln. Markus hingegen liebte das ländliche Leben – den Wechsel der Jahreszeiten, die Arbeit auf dem Feld und den Geruch der Erde.

Auch wenn er Sebastian nie das Erbe geneidet hatte, sehnte er sich nach dem bäuerlichen Leben. Doch er hatte diesen unerfüllbaren Wunsch tief in seinem Herzen verschlossen und sich dem Willen des Vaters gebeugt. Denn Markus liebte seine Eltern, auch den Vater, trotz dessen unbeugsamer Strenge.

Zunächst hatte Markus das Studium wider Erwarten große Freude bereitet, und er schnitt bei den Prüfungen ausgezeichnet ab. Doch nachdem er tieferen Einblick gewonnen hatte, stellte sich eine zunehmende Unzufriedenheit bei ihm ein, denn sein Gerechtigkeitsgefühl ließ sich oft nicht mit den bestehenden Gesetzen in Einklang bringen.

Das vergällte ihm sein Studium, und oft verlor er allen Mut, dann aber nahm er seine ganze Kraft zusammen und schalt sich einfältig. Er würde auf jeden Fall zu Ende bringen, was er angefangen hatte.

Seit Sebastians Tod fühlte er sich wie betäubt, und es fiel ihm immer schwerer, sich aus dieser Niedergeschlagenheit zu befreien. Dann wieder stürzte er sich in die Arbeit, um Vergessen zu finden und nicht mehr an seinen Bruder und das Unglück seiner Familie zu denken.

Und das beschloss er auch jetzt. Er würde zu Hause das Vorlesungsmaterial durcharbeiten und sich auf die Abschlussprüfung vorbereiten, das allein konnte ihn von seinen selbstquälerischen Grübeleien ablenken. Er stand auf, holte sich noch einen Imbiss und ließ sich in seinem kleinen Studentenzimmer am Schreibtisch nieder.

Und tatsächlich konnte er so seinen Schmerz überwinden, indem er sich in seine Aufzeichnungen vertiefte. Er vergaß Zeit und Raum, schließlich sank sein Kopf auf die Bücher und Hefte nieder, und Markus schlief ein.

Er wurde davon geweckt, als seine etwas unwirsche Wirtin heftig an die Tür hämmerte und laut rief: »Ja, Sie sind zu Haus, ich weiß es doch. Warum machen Sie denn net die Tür auf? Es ist bald Mittag!«

Verwirrt blickte er auf die Uhr, es war tatsächlich kurz vor zwölf Uhr. Er musste irgendwann in den tiefen Schlaf der Erschöpfung gefallen sein, denn in der letzten Zeit hatte er nachts oft keine Ruhe gefunden. Er stand taumelnd auf und öffnete die Tür, wo Frau Koflinger mit vorwurfsvoller Miene auf dem Flur stand.

»Ich hab die ganze Nacht durchgearbeitet«, murmelte er schlaftrunken, und ihr Gesichtsausdruck milderte sich etwas.

»Sie haben Besuch. Ihr Herr Vater.«

Anton Pranners hohe Gestalt und sein herrisches Auftreten hatten die kämpferische Wirtin sichtlich beeindruckt. Er trug ländliche Tracht, einen dunkler Anzug mit Spenzer und Hut, und alles an ihm strahlte Bodenständigkeit und Reichtum aus.

»Ist etwas zu Hause?«, fragte Markus erschrocken, denn sein Vater hatte ihn noch nie an seinem Studienort besucht. Verwirrt strich er sich das volle dunkelblonde Lockenhaar aus der Stirn und ordnete seine Kleidung. Es war ihm sehr unangenehm, dass sein Vater ihn in diesem Zustand vorgefunden hatte.

»Nein, es ist eben, wie es ist. Der Mutter geht es immer noch net besser, wer weiß, ob sie jemals drüber hinwegkommt! Die Sina kümmert sich um sie«, gab Pranner Auskunft, und Markus befreite schnell einen Stuhl von Kleidungsstücken, damit sich sein Vater darauf niederlassen konnte.

»Die Sina ist ein gutes Madel«, fügte Pranner senior hinzu.

Schweigen entstand zwischen Vater und Sohn, das schließlich von Anton Pranner gebrochen wurde.

»Du arbeitest also viel.«

»Bald sind die letzten Prüfungen, und ich hab halt einiges versäumt«, gab Markus, dem der Grund des väterlichen Besuchs nicht klar war, zurück.

Anton Pranner bewegte sich unruhig auf seinem Platz und schien sich sichtlich unbehaglich zu fühlen. Markus war davon überzeugt, dass sein Vater sich zu Hause jedes Wort zurechtgelegt hatte, und doch zögerte er. Das war ungewöhnlich, denn Anton Pranner wusste immer ganz genau, was und wann er etwas zu sagen hatte.