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Der Amlingerhof ist ein prachtvolles Anwesen - doch Freude und Glück scheinen seine Bewohner längst verlassen zu haben. Der Mann der Bäuerin verschwand spurlos, die ältere Tochter Gitte verlor ihr Herz an einen leichtfertigen Charmeur, der sie verließ, als sie ein Kind erwartete. Und Barbara, die Jüngste, hütet ein Geheimnis, das sie zwingt, jede Annäherung des einfühlsamen Tierarztes Andreas abzuweisen. Doch Andreas lässt sich nicht entmutigen. Mit Geduld und Entschlossenheit will er das verloren geglaubte Glück auf den Amlingerhof zurückbringen ...
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Seitenzahl: 100
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhalt
Verliebt, verletzt, verheimlicht
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Impressum
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
Manche Geheimnisse muss man mit dem Herzen schützen
Von Sabine Holler
Der Amlingerhof ist ein prachtvolles Anwesen – doch Freude und Glück scheinen seine Bewohner längst verlassen zu haben. Der Mann der Bäuerin verschwand eines Tages spurlos, die ältere Tochter Gitte verlor ihr Herz an einen leichtfertigen Charmeur, der sie verließ, als sie ein Kind erwartete. Und Bärbel, die Jüngste, hütet ein trauriges Geheimnis, das sie zwingt, jede Annäherung des einfühlsamen Tierarztes Andreas abzuweisen.
Doch Andreas lässt sich nicht entmutigen. Mit viel Geduld und noch mehr Entschlossenheit will er das verloren geglaubte Glück endlich auf den Amlingerhof zurückbringen ...
»Heut wird's wieder heiß«, sagte die Altmagd Hulda zu Fanny, dem jungen Madel, das die nach draußen führende Küchentür aufstieß, bis sie gegen die Hauswand schlug.
Ein Strom von frischer Luft drang in die Küche des Amlingerhofs, aber das genügte Fanny noch nicht. Sie öffnete auch das Fenster über dem Spülbecken.
»So, jetzt gibt's Durchzug«, stellte sie zufrieden fest. »Dann wird die stickige Luft von der Nacht bald verflogen sein.«
Hulda war in den Keller hinuntergestiegen und kehrte mit einer großen Kanne voll Milch zurück. Fast den ganzen Inhalt schüttete sie in den Suppentopf, warf mehrere Hände voll Haferflocken hinein und rührte um. Das sollte die Milchsuppe werden, die es jeden Morgen zum Frühstück gab.
Den Rest der Milch füllte sie in eine kleine Kanne. Sie war gedacht für den Kaffee, den es außer der Milchsuppe noch gab. Fanny hatte schon die Kaffeemaschine eingeschaltet.
Aus dem Hof kamen jetzt die Hofhündin Blanka und der schwarze Kater Kasimir herein. Sie hatten wie immer die Nacht draußen verbracht.
Den letzten Rest der Milch aus der großen Kanne füllte Hulda in das Katzenschälchen, das neben dem Herd stand, und Kasimir machte sich mit gekrümmtem Rücken darüber her, während Blanka den Kotelettknochen, den Hulda ihr gegeben hatte, nach draußen trug, um ihn dort genüsslich abzunagen.
Nebenan in der früheren Waschküche rührte Bärbel Fichtl, die jüngere der beiden Hoftöchter, noch einmal den Schweinetrank um, der in dem alten Waschkessel erwärmt wurde.
»Jetzt ist's gut«, sagte sie. »Jetzt kannst du servieren, Poldi.«
Sie lächelte dem jungen Knecht zu, und er antwortete ihr mit einem Schmunzeln. Dann füllte er mit der Schöpfkelle das Kraftfutter samt den darin herumschwimmenden Speiseresten in die beiden Eimer, mit denen der Schweinetrank zu den Koben befördert wurde.
Der Großknecht Pankraz, der schon einen fast kahlen Kopf, dafür aber einen buschigen grauen Schnauzbart hatte, kam aus dem Kuhstall, wo zurzeit nur drei Kühe standen. Alle anderen befanden sich auf der Alm. Aber diese drei mussten morgens und abends gemolken werden, damit die Bewohner des Hofs und das Vieh ihre Milch bekamen. Und diese Aufgabe fiel dem Pankraz zu.
Jetzt hatte er die drei auf die Wiese hinter dem Obstgarten getrieben und kam, um sich die Hände am Spülbecken zu waschen und am Frühstückstisch Platz zu nehmen.
Auch Gitte Fichtl, die ältere der beiden Töchter des Hauses, war inzwischen erschienen. Sie brauchte für ihre Morgentoilette immer ein wenig länger als ihre Schwester, denn sie legte stets großen Wert auf ihre Frisur und ihre Kleidung.
Alle hätten gern mit dem Frühstück angefangen, aber sie warteten noch auf die Bäuerin.
»Wo bleibt sie denn heut' nur?«, murmelte der Pankraz.
In diesem Moment öffnete sich die Küchentür, die in den Hausflur führte, und Elisabeth Fichtl, eine gut aussehende Frau von fünfundvierzig Jahren, trat ein.
Sie steuerte auf ihren Platz am Kopfende des langen Tisches zu, faltete die Hände und begann, das Tischgebet zu sprechen, wie es auf dem Amlingerhof schon seit Generationen üblich war.
Der Großknecht, der schon als Sechzehnjähriger auf den Amlingerhof gekommen war und miterlebt hatte, wie Elisabeth geboren wurde, schaute beim spröden Klang ihrer Stimme erstaunt von seinen gefalteten Händen auf.
Was ist denn heute mit ihr los?, fragte er sich selbst. Sie ist ja ganz rot im Gesicht und scheint sehr aufgeregt zu sein! Und ihre Stimme hat einen anderen Klang als sonst!
Den Töchtern war es nicht aufgefallen. Bärbel dachte an die beiden Schafe, die im Obstgarten weideten und beide tragend waren. Heute oder morgen mussten die Lämmer zur Welt kommen.
Die junge Frau stand sozusagen sprungbereit, um den vierbeinigen Müttern beim Lammen zu helfen, denn sie verstand etwas davon. Trotzdem konnte es natürlich sein, dass der Tierarzt gebraucht wurde.
Soll ich ihn noch einmal anrufen und an den Termin erinnern?, überlegte sie. Aber dann sagte sie sich, dass der Veterinär dieses Datum ja in seinem Terminkalender stehen hatte.
Bärbel hatte dunkelblondes, kinnlanges Haar und graue Augen. Sie war schlank und sportlich, eine gute Reiterin und Skiläuferin und kletterte in ihrer Freizeit gern in den Bergen herum. Mit Worten ging sie dagegen sparsam um. Sie hielt nichts von der unter Frauen üblichen Geschwätzigkeit.
Ihre Schwester Gitte war genau das Gegenteil. Ihr langes hellblondes Haar trug sie im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und die großen blauen Augen schlugen die Männer in ihren Bann. Sie wirkte absolut weiblich, war aufgeschlossen, heiter und sprach mit jedermann.
Beim Frühstück kreisten ihre Gedanken um das im Juli stattfindende Schützenfest von Hohenbeiz, für das sie unbedingt ein neues Kleid brauchte.
Um sich eine Fürsprecherin zu sichern, erzählte Gitte jetzt der Altmagd Hulda von ihrem Kleiderwunsch. Sie wusste, dass die Mutter wahrscheinlich gegen eine Anschaffung sein würde, denn sie sparte gern. Andererseits aber hörte sie auf den Rat von Hulda, die auf dem Hof die schon vor einigen Jahren verstorbene Altbäuerin ersetzte.
»Ja, schon recht, Madel, du brauchst ein neues Festgewand«, stimmte sie Gitte zu. »Bei der Hochzeit auf dem Hollerhof im vergangenen Sommer hast du das alte schon getragen und beim letztjährigen Schützenfest auch.«
Hulda und Gitte warfen forschende Blicke zur Bäuerin hinüber. Hatte sie mitbekommen, worüber sie sprachen? Konnte man aus ihrer Miene darauf schließen, wie sie sich zu der Sache stellen würde?
Nichts war zu erkennen. Die Bäuerin löffelte geistesabwesend ihre Milchsuppe. Weit weg schien sie mit ihren Gedanken zu sein, und offenbar waren es keine angenehmen Dinge, die sie beschäftigten.
Sorgen hat die Elisabeth, dachte der Großknecht. Was kann ihr denn so früh am Morgen schon die Laune verdorben haben?
Manchmal fühlte Pankraz sich, als hätte er Vaterstelle an Elisabeth Fichtl zu vertreten. Sie war es, der der Amlingerhof gehörte. Ihr Mann, Herbert Fichtl, stammte aus der Stadt. In Salzburg war er aufgewachsen als einziger Sohn eines Beamten, der an der Landwirtschaftskammer tätig war. Sein Vater hatte zu vielen Landwirten gute Beziehungen unterhalten und so dem Sohn zu der Einheirat auf dem Amlingerhof verholfen.
Aber Herbert Fichtl war niemals ein Landwirt aus Neigung gewesen, die Arbeit war ihm stets zu viel und das Leben auf dem Land zu ereignislos. Ständig beklagte er sich über sein Los und bürdete seiner tüchtigen und energischen Frau die Hauptlast auf. Oft fuhr er nach Salzburg, wo man sich gut amüsieren konnte.
Seine Mutter, Konstanze Fichtl, besaß dort eine schöne alte Villa, in der die früh verwitwete, jetzt achtzigjährige Dame mit einer Wirtschafterin und einer Hausmagd lebte und sich verwöhnen ließ. Dasselbe hatte sie auch stets mit ihrem einzigen Sohn getan. Kein Wunder also, dass Herbert Fichtl mit den Härten des Daseins nicht fertigwerden konnte!
Das alles wusste der Großknecht Pankraz. Als Herbert Fichtl ins Haus kam, hatte Pankraz gleich gesehen, dass dieser elegante Mann nicht der rechte Herr für den Hof war und dass Elisabeth es in ihrer Ehe schwer haben würde. Und der alte Getreue hatte sich geschworen, sie niemals im Stich zu lassen und ihr immer beizustehen.
Nie hatte er sie enttäuscht. Als ihr Vater und ihre Mutter starben und ihre Arbeitslast immer größer wurde, war Pankraz ihr fester Halt geworden.
Gestern nach dem Abendessen hatte sich Herbert Fichtl wieder einmal in seinen Wagen gesetzt und war nach Salzburg zu seiner Mutter gefahren. Aber das war nichts Besonderes, das tat er ja häufig! Diese Reise ihres Mannes konnte es also nicht sein, die die Bäuerin so sehr beschäftigte. Es musste sich um etwas anderes handeln.
Als das Frühstück zu Ende war und die Bäuerin das Dankgebet gesprochen hatte, stand sie auf und sagte zu ihren Töchtern: »Kommt bitte in die Wohnstube! Ich hab' mit euch zu reden. Es ist etwas Wichtiges, und es wird eine Weile dauern.«
Damit ging sie schon voraus und ließ die Tür der Küche zum Flur hinter sich offen.
Bärbel und Gitte erhoben sich von ihren Stühlen und wechselten einen verblüfften Blick. Keine Ahnung hatten sie, um was es ging. Aber rückblickend wurde ihnen jetzt klar, dass die Mutter sich von Beginn dieser gemeinsamen Morgenmahlzeit an seltsam verhalten hatte. Kein Wort war über ihre Lippen gekommen. Sie hatte ohne Appetit gegessen und nur wenig hinuntergebracht.
Die beiden Mädchen setzten sich in Bewegung und folgten ihrer Mutter. Sie machten die Küchentür hinter sich zu.
»Jessas«, murmelte die Magd Fanny, die ein loses Mundwerk hatte, »ich möcht' sagen, Leut', es ist dicke Luft.«
***
Die Wohnstube auf dem Amlingerhof war sehr geräumig, mit schönen alten Bauernmöbeln ausgestattet, und wies manche Kostbarkeit auf, zum Beispiel im Herrgottswinkel ein wertvolles altes Kruzifix, vor dreihundert Jahren von einem weltberühmten Meister geschnitzt.
Auf der Kommode stand ein wunderbar geschmiedeter silberner Leuchter, der dicke Honigkerzen trug. Und auf einem kleinen Schränkchen zog eine aus Ton gebrannte und bemalte Madonnenstatue die Blicke auf sich, die zur Zeit des Barocks in einer Schlosskapelle gestanden hatte.
Vor dem Südfenster dieses großen Raums, in dem mächtige braune Eichenbalken die hohe Decke trugen, stand ein bequemer Ohrensessel, in dem Elisabeth Fichtl, wenn sie einmal Zeit dazu hatte, am liebsten saß. Hier hatte sie jetzt Platz genommen und hielt einen Briefumschlag in der Hand.
»Setzt euch!«, sagte sie und forderte ihre Töchter mit einer Handbewegung auf, sich ihr gegenüber in zwei Sessel zu setzen, in deren Lehnen das Wappen der Familie Amlinger geschnitzt war. Die ledernen Sitz- und Rückenpolster waren schon ein wenig abgenutzt, aber das konnte gar nicht anders sein, da schon seit mehr als hundert Jahren die Amlingers in diesen Sesseln gesessen hatten.
»Ich muss euch eine Mitteilung machen«, begann die Bäuerin, »die euch gewiss tief treffen wird. Aber ich kann es euch net ersparen. Ihr müsst wissen, was in diesem Brief steht.«
Die beiden jungen Gesichter ihr gegenüber waren ernst geworden. Bärbel wartete schweigend, während ihre lebhaftere Schwester sofort fragte: »Von wem ist dieser Brief?«
»Von eurem Vater«, antwortete die Mutter. »Ich fand ihn auf dem Tisch, als ich heut' Morgen in die Wohnstube kam und die Fensterläden öffnete.«
»Wieso schreibt er dir einen Brief?«, wunderte sich Gitte. »Was er dir mitzuteilen hat, hätt' er doch gestern beim Abschied sagen können!«
»Das hat er gewiss net gewollt«, erwiderte die Mutter. »Ich denk', es war ihm peinlich, mir das alles Auge in Auge zu sagen.«
»Ist es denn so schrecklich?«, forschte Bärbel.
»Ich les' euch den Brief vor«, erklärte Elisabeth Fichtl und zog den zusammengefalteten Bogen aus dem Umschlag. Sie faltete ihn auseinander und begann dann ohne besondere Betonung:
»Liebe Elisabeth,
wenn ich mich heute von Dir verabschiede, tue ich es für immer. Ich gehe fort, um nie mehr zurückzukehren. Unsere eheliche Gemeinschaft gebe ich hiermit auf, weil sie im Grunde ja gar nicht besteht. Schon lange haben wir einander nichts mehr zu sagen. Du kannst die Scheidung einreichen, wenn Dir daran gelegen ist. Ich werde Dir keine Schwierigkeiten bereiten. Gewiss werden wir im gegenseitigen Einvernehmen bald für immer getrennt sein.
Dass ich Dir und den Kindern keinen Unterhalt bezahlen kann, weißt Du selbst. Ich habe keine Einnahmen und besitze kein Vermögen. Ich gehe nach Salzburg und werde im Haus meiner Mutter leben. Aber Du hast ja den Hof und bist eine so tüchtige Frau, dass ich mich um Dich und die Kinder nicht sorgen muss.
Ich bin jetzt fünfzig Jahre alt und möchte endlich anfangen, mein eigenes Leben zu führen. Dir und unseren beiden Töchtern wünsche ich für die Zukunft alles Gute.«
