Alzheimer und Demenz - Hans Förstl - E-Book

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Hans Förstl

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Beschreibung

Ist «Alzheimer» eigentlich eine Krankheit? Oder doch nur eine Alterserscheinung, von der jeder irgendwann betroffen wäre, würde er nur alt genug? Demenz, der Verlust vorher vorhandener geistiger Fähigkeiten mit der Folge, dass die Bewältigung des Alltags nicht mehr wie gewohnt gelingt, ist jedenfalls keineswegs gleichbedeutend mit einer irreversiblen Alzheimer-Erkrankung. Hans Förstl, der sich seit Jahrzehnten als Arzt und Forscher mit dem Thema beschäftäigt, stellt in diesem Band die medizinischen Grundlagen, das diagnostische Vorgehen und die therapeutischen Möglichkeiten dar. Er geht auch auf die neuen Versuche ein, nicht allein Symptome zu kurieren, sondern die Probleme von der Wurzel her ursächlich zu behandeln.

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Hans Förstl

ALZHEIMER UND DEMENZ

Grundlagen, Diagnose, Therapie

C.H.Beck

Zum Buch

Ist «Alzheimer» eigentlich eine Krankheit? Oder doch nur eine Alterserscheinung, von der jeder irgendwann betroffen wäre, würde er nur alt genug? Demenz, der Verlust vorher vorhandener geistiger Fähigkeiten mit der Folge, dass die Bewältigung des Alltags nicht mehr wie gewohnt gelingt, ist jedenfalls keineswegs gleichbedeutend mit einer irreversiblen Alzheimer-Erkrankung. Hans Förstl, der sich seit Jahrzehnten als Arzt und Forscher mit dem Thema beschäftigt, stellt in diesem Band medizinische Grundlagen, diagnostisches Vorgehen und therapeutische Möglichkeiten dar. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Demenzen befinden sich gerade in einem Umbruch. Dazu passen auch neue Versuche, die Probleme von der Wurzel her ursächlich zu behandeln und nicht allein Symptome zu kurieren. Auch wenn die Voraussetzungen nicht gleich und gerecht verteilt sind, kann jeder Einzelne die Chancen und Risiken für ein langes und gesundes Leben beeinflussen.

Über den Autor

Prof. Dr. Hans Förstl, Arzt für Neurologie und Psychiatrie/Geriatrie, Technische Universität München, ist Autor und Herausgeber zahlreicher Arbeiten und Bücher über Demenz, Frontalhirn, Neurobiologie und Theory of Mind.

Inhalt

Einleitung

1. Grundlagen

Geschichte

Alter

Alzheimer-Krankheit

Demenz

Depression

Delir

Daten

2. Untersuchung (Diagnostik)

Krankengeschichte (Anamnese)

Beginn.

Beschwerden.

Weniger häufige Frühsymptome.

Sehr seltene Beschwerden.

Beim Arzt

Gespräch.

Körperliche Untersuchung.

Gedächtnis.

Gedächtnistestung.

Beurteilung

Demenzstadium und Verlauf.

Mitteilung der Diagnose.

Autofahren.

3. Erkrankungen (Diagnosen)

Subjektive kognitive Beeinträchtigung

Leichte kognitive Beeinträchtigung

Alzheimer-Krankheit und Alzheimer-Demenz

LATE

Vaskuläre Demenzen

Diagnose.

Vorgeschichte.

Untersuchung.

Behandlung.

Besonderheiten.

Frontotemporale Erkrankungen (z.B. Pick-Krankheit)

Frontotemporale Demenz.

Primär progressive Aphasie

Demenz bei Parkinson-Krankheit

Demenz mit Lewy-Körperchen

Weitere Besonderheiten.

Atypische Parkinson-Erkrankungen

Chorea Huntington

Amnesie, Wernicke-Korsakow-Syndrom, Alkoholdemenz

Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD), Prionosen

Herpes-Enzephalitis

Autoimmunenzephalitis

Multiple Sklerose (MS)

Neurosyphilis

HIV und AIDS-Demenz-Komplex

COVID-19

Hirnverletzungen, Boxerdemenz

Subduralhämatom (SDH)

Normaldruckhydrozephalus (NDH)

Krebs und Demenz

Demenzen im Kindes- und Jugendalter

Gemischte Demenz

4. Vorbeugung (Prävention)

Voraussetzungen

Gene.

Geschlecht.

Alter.

Geistige Reserve

Intelligenz.

«Bildung».

Resilienz.

Fallbericht aus den Jahren 1796 bis 1804.

Risikoerkrankungen

Psychisch.

Zerebral.

Somatisch.

Risikoverhalten

Ernährung.

Genuss- und Nahrungsergänzungsmittel.

Bewegung.

Risikoabschätzung.

Umwelt und Soziales.

Schlaf.

Schlafstörungen.

5. Behandlung (Therapie)

Pflegende Angehörige

Alltagsbewältigung und -training

Ursachenbehandlung

Sekundärprophylaxe:

Alzheimer-Krankheit.

Symptombehandlung I: Antidementiva

Cholinesterase-Hemmer.

Memantin.

Symptombehandlung II: Störungen des Erlebens und Verhaltens

Schlussbemerkungen

Rechtliche Aspekte.

Sterben und Tod.

Demenz, kein Alleinstellungsmerkmal.

Ausblick.

Glossar medizinischer Begriffe und Abkürzungen

Weiterführende Literatur

Adressen

Register

Einleitung

Was ist eigentlich Alzheimer und was ist die Demenz? Ist das nicht das Gleiche? Das sind vermutlich die häufigsten Fragen, die Alzheimer- und Demenzexperten gestellt werden, und zwar auch nach ausführlichen Vorträgen, in denen genau erklärt werden sollte, was Alzheimer und was Demenz eigentlich bedeuten. Dieser Band versucht, einige Grundlagen wichtiger Krankheitsbilder verständlich zu erläutern. Dies ist kein wissenschaftliches Werk für Spezialisten, und auf akademische Wortwahl wird weitgehend verzichtet. Ebenso kommt sehr wenig Molekulares und Medikamentöses vor. Dafür ist das Buch angesichts unübersichtlicher Verhältnisse in der Welt der Demenzen recht ordentlich aufgebaut und enthält am Ende sogar ein Verzeichnis wichtiger Begriffe und wiederkehrender Abkürzungen. Da nicht grundsätzlich davon auszugehen ist, dass Bücher geduldig von der ersten bis zur letzten Seite studiert werden, wurden sogar Wiederholungen in Kauf genommen, damit einzelne Abschnitte für sich verständlich bleiben.

Komplizierte Zusammenhänge lassen sich oft durch eine besonders modellhafte Darstellung am leichtesten verständlich machen. Damit ist auch gleich zu begreifen, dass die Probleme in Wirklichkeit weit variabler und individueller sind als ihre schematische Vereinfachung. Besonders kompliziert und anspruchsvoll ist das Gehirn.[1] Mit einem Gewicht von knapp drei Pfund verzehrt es Tag und Nacht einen erheblichen Teil der gesamten Körperenergie, nämlich im Alter bis zu ein Drittel. Bringt der Organismus diese Leistung nicht mehr auf oder entwickelt das Gehirn selbst besondere Veränderungen, also z.B. «Alzheimer», so kann die gewohnte Leistung nicht mehr erbracht werden, und das führt schließlich zur Demenz.

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Demenzen und ihre Grundlagen befinden sich gerade in einem Umbruch. So gelingen tiefere Einblicke in die genetischen und molekularen Veränderungen, die eine neue Betrachtung und neue Gliederung der Erkrankungen nahelegen. Dazu passen auch neue Versuche, die Probleme von der Wurzel her ursächlich zu behandeln und nicht allein Symptome zu beeinflussen. Zudem gelingt es den Menschen in der westlichen Welt immer besser, immer länger gesund zu bleiben. Daher wächst die Lebenserwartung, und so gewinnt der Hauptrisikofaktor für das Nachlassen der geistigen Leistungsfähigkeit weiter an Bedeutung, nämlich das Alter. Auch wenn die Voraussetzungen nicht gleich und gerecht verteilt sind, kann jeder Einzelne die Chancen und Risiken für ein langes und gesundes Leben beeinflussen. Und diese Verantwortung kann nicht an Staat, Medizin und Pharmaindustrie abgegeben werden.

Hans Förstl

München, im Sommer 2021

Fußnoten

1 If the brain was so simple that it could understand itself – it wouldn’t.

1. Grundlagen

Geschichte

Als Alois Alzheimer anno 1901 in Frankfurt am Main einer Patientin namens Auguste Deter begegnete, konnte er nicht ahnen, welche Bedeutung ihre Erkrankung und sein eigener Name erlangen würden. Alzheimer hat die Demenz nicht erfunden und er verfolgte auch keineswegs die Absicht, der heute bekanntesten Demenzform seinen Namensstempel aufzudrücken. Als sorgfältiger, vorsichtiger und eigentlich bescheidener Arzt und Wissenschaftler war ihm eher daran gelegen, einem handverlesenen Kreis von Fachleuten im Jahr 1906 den besonderen Fall dieser Frau bekannt zu machen, die mit knapp 50 Jahren sehr rasch ihre Geisteskraft verlor, nach wenigen Jahren verstarb und deren Gehirn in ausgeprägter Form alle typischen Veränderungen aufwies, die man sonst nur bei Patienten mit dem damals so genannten Greisenblödsinn fand. Jahre vorher hatte Alzheimer schon geschrieben, wenn diese Hirnveränderung und der Greisenblödsinn überhaupt eine Erkrankung wären, dann würde es sich um die häufigste Hirnerkrankung überhaupt handeln – aber es sei ja keine Erkrankung, da alle Menschen diese Gebrechen und die Hirnveränderungen entwickelten, sie müssten nur alt genug werden.

Bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts war die spezielle Alzheimer-Demenz eine vergleichsweise seltene Erkrankung, die vor dem 65. Lebensjahr beginnen musste, sonst sprach man von seniler Demenz. Erst dann entschloss man sich, die willkürliche Altersgrenze von 65 Jahren zurückzustellen und die Gemeinsamkeiten von präseniler und seniler Demenz in den Vordergrund zu rücken: (1.) die langsame Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit, bei der zunächst die Vergesslichkeit das hauptsächliche Problem darstellt, und (2.) die typischen Eiweißablagerungen und Nervenzellverluste. Damit wurde endlich anerkannt, dass die nahezu regelhaft, wenngleich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit auftretenden Veränderungen an Gehirn und Geist zwar normal, aber keineswegs gesund sind.

Abb. 1:  Alois Alzheimer etwa 1910 mit internationalen Kollegen in seinem Labor (stehend von links): Fritz Lotmar, Karl Gruber, Stefan Rosental (Polen), Rudolf Allers (A), Max Isserlin (?), Alois Alzheimer, Nicolas Achucarro (Sp), Friedrich Heinrich Lewy; (sitzend von links) Adele Grombach, Ugo Cerletti (I), Emma Wilson Mooers (USA), Francesco Bonfiglio (I) und Gaetano Perusini (I) (Foto: akg-images)

Bereits der älteste erhaltene medizinische Papyrus von Ptahhotep beschäftigte sich mit den Gebrechen des Alters und enthält eine typische Beschreibung der Gedächtnisprobleme bei der Alzheimer-Demenz: Das Herz erinnert sich nicht mehr an gestern. Das Hauptproblem war schon vor 3500 Jahren erstmals beschrieben worden, aber ein wesentlicher wissenschaftlicher Fortschritt bestand darin, dass man im Lauf der Zeit zu der Erkenntnis gelangte, die Ursache sei eher im Gehirn als im Herzen zu suchen. Diese Einsicht mag aus heutiger Warte recht schlicht erscheinen, verfestigte sich aber erst durch den Vergleich von Symptomen und von unübersehbaren Hirnveränderungen etwa von Patienten nach Hirnverletzungen und Schlaganfällen, die ihren Erkrankungen erlagen. Erst an der Wende zum 20. Jahrhundert wurden Färbeverfahren, Hirnschnitt- und Mikroskopiertechniken entwickelt, die detaillierte Darstellungen erlaubten. Einer der Ersten, die davon Gebrauch machten, war Alois Alzheimer.

Die wichtigsten Punkte zuerst: Alter, Alzheimer, Demenz, Depression, Delir und ein paar Zahlen.

Alter

Was ist Alter? Altern und Reifung sind Merkmale jedes Lebens und beginnen nicht erst mit der Geburt. Aber zur Frage, wann ein Mensch alt ist, gibt es recht unterschiedliche Einschätzungen. Natürlich spielt die individuelle Lebenslänge im Vergleich zu anderen Artgenossen eine Rolle. Auch charakterisieren Gebrechlichkeit, die zunehmende Belastung durch Krankheiten, das Alter. Aber eine einfache Erklärung oder ein scharfer Beginn des Alters lassen sich nicht definieren. Die Auffassungen weichen in Theorie und Praxis voneinander ab, je nachdem, ob man sich bei Fachleuten für Kranken- und Rentenversicherung oder für Altersmedizin (Geriatrie) erkundigt. Der Geriater fühlt sich für Patienten zuständig, die mindestens 65 Jahre alt sind und unter zahlreichen Erkrankungen leiden (Multimorbidität). Auch wenn es viele gibt, die trotz zahlreicher körperlicher Gebrechen geistig frisch sind, wird dieser Zusammenhang zwischen Leib und Geist auf den folgenden Seiten immer wieder auftauchen.

Menschen scheinen unterschiedlich schnell zu altern – diese Individualität wird heute immer wieder betont. Für den modernen Alten müssen traditionelle Sichtweisen geradezu einen Affront darstellen. Der altersbedingte Verlust geistiger Leistungsfähigkeit war nicht nur für Ptahhotep, den Verfasser des ägyptischen Papyrus, eine Gewissheit, sondern auch für die Bibel und den Koran. In beiden Büchern wird der Verlust des Gedächtnisses im Alter als so selbstverständlich aufgefasst, dass er nur beiläufig erwähnt wird.[1] Das Dasein der Menschen in früheren Epochen und in anderen Ländern war und ist jederzeit vom Tod bedroht und gleichzeitig von der Hoffnung auf ein besseres Leben im Jenseits geleitet. Daher war der kindische Greis (senex puer), der am Ende der Lebenstreppe kauert und von einem Esel symbolisiert wird, auch keine Beleidigung, sondern eine natürliche Rückkehr auf ein Ausgangsniveau, von dem er sich nur kurz zur Lebensmitte erhoben hatte (Abb. 2).Diese nüchterne Selbstverständlichkeit stellt alle gefühligen künstlerischen und literarischen Darstellungen der Moderne in den Schatten.