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Am Stammtisch treffen sich Leute, die sich bereits gut kennen. Derartige soziale Einrichtungen verschiedensten Ursprungs sind allen Orts und bevorzugt in Wirtshäusern zu finden. Manchmal reicht ein Stichwort in dieser Runde, um in den Köpfen einen Film einzulegen. Neue Geschichten beleben die Unterhaltung.
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Seitenzahl: 65
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Max Bräutigam wurde 1939 in München geboren. Nach Volksschule, Handwerkerlehre, zweitem Bildungsweg, Maschinenbaustudium ein sehr interessantes und vielseitiges Arbeitsleben im Anlagen- und Apparatebau im In- und Ausland. Seit einigen Jahren im „Ruhestand“, lebt er abwechselnd im Chiemgau und in München. Kultur, Technik und Gesellschaft sind seine Schwerpunkte in geselliger Diskussion.
Um die Person, den Autor besser zu verstehen, wird seine Biographie mit dem Titel „Es war überwiegend heiter“ empfohlen (siehe: ISBN 978-3-8370-7911-1).
Am Stammtisch treffen sich Leute, die sich bereits gut kennen. Derartige soziale Einrichtungen verschiedensten Ursprungs sind allerorts und bevorzugt in Wirtshäusern zu finden. Manchmal reicht ein Stichwort in dieser Runde, um in den Köpfen einen Film einzulegen. Neue Geschichten beleben die Unterhaltung.
Eine Stammtischrunde (aus Süddeutscher Zeitung)
Einleitung
Der Blaumilchkanal in Bayern
Planung und Bau einer Autobahn
Ein Badeerlebnis
Einladung ins Restaurant
Reiseproviant
Kurzer Krankenhausaufenthalt in London
Kunstflug
Besuch im Botanischen Garten
Auf dem Weg nach Europa
Der Weihnachtshirsch
Fest im Glauben
Kurzer Aufenthalt in London
Kinobesuch in Paris
Eine Weggabe
Wucherer
I bin der Max und da bin i dahoam
Dahoam in Syrien
Meine neue Heimat im IS
Alles unerschöpflich
Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist schwarz
Ois Chicago
Alfred Hitchcock lebt!
Wissen wird durch Erfahrung erst brauchbar
Terror-Gefahr
Anmerkungen
An einem Stammtisch in einem Wirtshaus, in einer vertrauten Runde, so sagt man, ist ein Ort, an dem man nicht in der Enge wie zu Hause, aber auch nicht an der verordneten frischen Luft ist.1 So einmal in der Woche, an einem bestimmten Wochentag, trifft sich die Runde, einer hat bei der Anfahrt im Autoradio ein Thema aufgenommen, er serviert dieses in der Runde und anschließend entwickelt sich eine Diskussion.
1 Wirtshaus Kraimoos, nähe Chiemsee
Liebe Stammtischfreunde, vor einigen Jahrzehnten wurde ein Film mit dem Titel „Der Blaumilchkanal“ gezeigt. Autor und Regisseur war der unvergessene jüdische Bürger Ephraim Kishon.
In guter Erinnerung sind meist die Geschichten, die knapp neben der Realität beobachtet und wiedergegeben werden. Dies war auch das Erfolgskonzept von Alfred Hitchcock bei seinen Psychothrillern.
Kurze Schilderung der Handlung zu dieser Geschichte vom Blaumilchkanal in freier Wiedergabe:
Ein Geisteskranker mit dem Namen Blaumilch ist aus der Anstalt in einer Stadt in Israel ausgebrochen. Wenig später begann er mit einem Presslufthammer die Hauptstraße, die zum Strand führt, aufzugraben. Die Polizei wurde wegen des Lärms gerufen. Die Straße wurde gesperrt. Die Behörde begann nach einen Auftrag hierfür zu suchen – erfolglos.
Die Zuständigkeit für diese Aktion war unklar und es entwickelte sich ein Schwarzer-Peter-Spiel zwischen der Stadtverwaltung und dem Bauministerium. Eine Untersuchungskommission wurde eingesetzt. Um diese Peinlichkeit schnell zum Abschluss zu bringen, wurden alle verfügbaren Arbeiter zu der Baustelle abgestellt. Blaumilch war mit seiner Grabung mittlerweile an der Corniche – der Uferpromenade – angekommen. Die Bürger der Stadt, besonders die Anrainer, verfolgten aufmerksam den Fortschritt des Bauvorhabens. Dann, das Meer schwappte über den Kai in den Graben, der Kanal wurde auf natürliche Art geflutet. Die Stimmung in der Stadt wechselte ins Positive. Der Bürgermeister betrat das Podest und eröffnete mit geschwellter Brust den Kanal, übergab ihn der Öffentlichkeit und lobte dieses Bauwerk und vermerkte, dass nun ein Venedig des Orients gestaltet wurde. Nur einer durchschaute den absurden Hintergrund, ein Bauarbeiter – er wurde gefasst und in die Psychiatrie eingeliefert.
Es muss nicht erst einer aus der Psychiatrie ausbrechen, um einen deutlich sichtbaren Unsinn zu veranstalten. Vielmehr ist anzunehmen, dass die falschen Personen einsitzen und die zutreffenden in den kommunalen und staatlichen Bauämtern sitzen.
Das Wichtigste bei einem öffentlichen Bauprojekt ist die Zeremonie der Baustelleneröffnung. Rednerpult, Fahnen, Blasmusik, Presse und Freibier – dann Spatenstich und nachfolgend die Bagger. Wie kann es geschehen, dass noch nach der feierlichen Baustelleneröfnung, nach diesem Event, noch zwei Generationen danach über die Trasse dieser Autobahn gestritten wird? Viele aufwendige Bauwerke, Brücken etc. stehen ohne jeglichen Bezug seit Jahrzehnten in der Landschaft. Wie viele Unterschriften sind auf deren Plänen, wie viele Sitzungen auch mit Bürgeranhörung wurden abgehalten? Ein Denkmal wurde geschaffen! Auch mehrspurige Ausfahrtsstraßen der Großstädte enden im Acker. Blaumilchkanäle allerorts!
Autobahnen sind die höchste Kategorie der Verkehrswege, die Lebensadern der Wirtschaft. Wenn das Wirtschaftsvolumen in einem Land wächst, so werden diese entsprechend höher belastet und neue Wege für den Personen- und Güterverkehr sind erforderlich. Nun, diese Veränderung geht relativ sanft und kontinuierlich, aber doch ausreichend berechenbar vor sich. Im Freistaat Bayern, im Alpha-Staat der Bundesrepublik Deutschland, dem Vorbild für politisches Handeln und dessen Handlungsfähigkeit. Nachdem die CSU seit etwa 50 Jahren durchgehend fast alleine regiert, ist die Umsetzung von Ideen in Projekte schon zum Beginn geregelt – so scheint es.
Doch auch hier finden sich Beamte in den Amtsstuben, bei denen Kompetenz und Können sowie Zuständigkeit und Ausführung in gestörtem Verhältnis sind. Die Geschichte vom „Bau des Blaumilchkanals“ (Kishon) kommt mir in den Sinn. Ein Vergleich hinkt bekanntlich, beim Blaumilchkanal war es ein entlaufener Patient aus der Psychiatrie, der das Projekt startete, bei dem Bau einer Autobahn oder Ähnlichem ist es der Staatsminister, der den ersten Spatenstich tätigt. Auch er beginnt mit dem Graben, ohne sich vorher zu erkundigen, ob das Projekt zu Ende gedacht ist, Pläne und Genehmigungen vorliegen, Kosten und Termine aktualisiert sind.
Jetzt fangen wir an – mit großer Beteiligung der Bevölkerung und der Presse – die Hauptsache, wir kommen in die Zeitung.
Der vorgenannte Kreis, die Vertreter unserer Gesellschaft, haben bald erkannt, dass so ein Event für alle Beteiligten, die ihren Stellenwert bei der Auszählung der Stimmzettel feststellen können, in der Öffentlichkeit Vorteile bringt. Zwei etwa gleichwertige dieser Bauvorhaben will ich beispielhaft für die Stammtischrunde schildern – die Autobahn von München nach Westen, nach Lindau und nach Osten von München nach Passau, beide etwa 200 km lang, durch sanftes Hügelland, überwiegend idealer Kiesuntergrund, mit nur geringen Höhenunterschieden, bereits mit Bundesstraßen erschlossen, also gut kalkulier- und schnell realisierbar.
Die Strecke nach Lindau kenne ich. Das erste Mal bin ich auf dieser Strecke 1953 geradelt – München – Zürich über Lindau, dann 1957 zum Montblanc, ebenfalls mit dem Fahrrad. Ab 1977, dem 20-jährigen Jubiläum der Montblanc-Besteigung, jedes Jahr aber mit dem Auto auf dem gleichen Weg in die Westalpen. In dieser Zeit war dann schon die Autobahn Nr. 96 im Bau. Jedes Jahr wurde von uns mit großer Aufmerksamkeit der Zuwachs registriert – hier eine Ortsumgehung, da ein freies Feld bebaut, ein andermal ein Anschluss zur Nord-Süd-Schnellstraße. Jedes Jahr ein Festakt für die Öffentlichkeit. Fertiggestellt wurde dieses technisch harmloses Bauwerk nach etwa 40 Jahren im Jahre 2015.
Sehr ähnlich ist die Situation auf der Strecke von München nach Osten. Mit großem Aufgebot an Politikern und Presse wurde das Projekt, die Autobahn von München an die Donau nach Passau eröfnet. Es war Mitte der 70er Jahre. Gegen Ende der Veranstaltung fragte eine der leitenden Personen aus dem Kreis der Großchemie mit ihrem Standort in Burghausen, welcher Name für die Autobahn bestimmt ist, und die ministerielle Antwort, spontan, ohne Zögern und deutlich: „A 94“. Eine ebenso kurze Anmerkung des Fragenden war: „Hoffentlich ist dies kein schlechtes Omen, dass diese erst im Jahr 1994 fertig wird.“ Wir schreiben jetzt das Jahr 2014 und die Baustelle ist noch nicht abgeschlossen.
Auf etwa der halben Strecke befindet sich das bereits vorhin erwähnte bayerische Chemiedreieck bei Burghausen an der Salzach. Die Großchemie und Feinchemie haben dort viele Milliarden Euro investiert und stehen in weltweiter Konkurrenz. Viele Arbeitsplätze in der Hochtechnologie wurden geschaffen. Vor jeder Investition wurde die Verkehrsanbindung des Standorts diskutiert, die Logistik für die Zulieferung und den Produkttransport bewertet. Es waren deren einige Minister, die in diesen Jahrzehnten vor der TV-Kamera ihre Zusicherung für den schnellen Ausbau dieser wichtigen Anbindung gegeben haben.