Am Tropf von Big Food - Thomas Kruchem - E-Book

Am Tropf von Big Food E-Book

Thomas Kruchem

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Beschreibung

Die Weltgesundheitsorganisation schlägt Alarm: Big Food, die multinationale Nahrungsmittelindustrie, ist noch gefährlicher als die Tabak- und Alkoholindustrie. Aggressiv erobern die Konzerne jetzt arme Länder und drängen mangelernährten Müttern und ihren Kindern krankmachendes Junkfood auf - Instantnudeln, Kekse, Chips, überzuckerte Drinks. Die Folge: eine Pandemie der Fettleibigkeit - allein in China starben 2016 1,3 Millionen Menschen an Diabetes. Kein Zweifel: Big Food macht Riesen-Profite auf dem Rücken der Ärmsten. Das muss bekämpft werden - aber wie? Thomas Kruchem deckt auf, wie Big Food Nothilfe vor seinen Karren spannt und Kritiker mundtot macht; wie die Konzerne UN-Organisationen, Hilfswerke wie Oxfam sowie Wissenschaftler mit Millionen finanzieren. Gegen diese Praktiken von Big Food schlägt er schließlich zehn konkrete politische Maßnahmen vor.

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Seitenzahl: 215

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THOMAS KRUCHEM

Am Tropf von Big Food

Wie die Lebensmittelkonzerne den Süden erobern und arme Menschen krank machen

[transcript]

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar.

© 2017 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen.

Covergestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Lektorat: Cornelia Wilß, buch+kultur Print-ISBN 978-3-8376-3965-0 PDF-ISBN 978-3-8394-3965-4 EPUB-ISBN 978-3-7328-3965-0

Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de

»Das öffentliche Gesundheitswesen muss gegen Big Food, Big Soda und Big Alcohol kämpfen. All diese Industrien fürchten Regulierung und schützen sich mit den gleichen Taktiken. (…) Dazu zählen Frontorganisationen und Lobbying; Versprechungen, sich selbst zu regulieren; Gerichtsprozesse sowie von der Industrie finanzierte Forschung, die wissenschaftliches Beweismaterial verdreht und in der Öffentlichkeit Zweifel sät.

Die Taktiken der Industrie beinhalten überdies Geschenke, Stipendien und Beiträge zu ehrenwerten Anliegen – was die Unternehmen als respektable Unternehmensbürger erscheinen lässt. Außerden versucht die Industrie, die Verantwortung für gesundheitliche Schäden dem Einzelnen aufzubürden und staatliche Regulierung als Einschränkung persönlicher Freiheit zu porträtieren.

Hier haben wir es mit fürwahr furchterregenden Gegnern zu tun, die Marktmacht problemlos in politische Macht verwandeln.«

Margaret Chan, Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation, am 10. Oktober 2013 in Helsinki

»Nach Feststellungen der Weltgesundheitsorganisation könnte die Reduzierung von vier Risikofaktoren – ungesunde Nahrungsmittel, körperliche Inaktivität, Tabak- und Alkoholkonsum – 80 Prozent der Herz-Kreislauf-Erkrankungen und des Typ-2-Diabetes verhindern; dazu mindestens ein Drittel aller Krebserkrankungen. Diese nicht ansteckenden Erkrankungen werden die globale Wirtschaft in den nächsten 20 Jahren rund 47.000 Milliarden US-Dollar kosten, wobei ungesunde Nahrung das Rauchen als wichtigsten Risikofaktor weltweit abgelöst hat.«

The Lancet am 11. Juni 2016

Inhalt

Geleitwort

Vorwort

Einleitung

1.   Der stille Hunger

1.1   Stiller Hunger in Bangladesch

1.2   Das Phänomen chronischer Mangelernährung

1.3   Ursachen von Mangelernährung

1.4   Mangelernährung in Guatemala, Indien und Südafrika

1.5   Wachsendes Engagement gegen Mangelernährung

2.   Neue Märkte für Junkfood

Die Konzerne erobern arme Länder

2.1   Big Food und Big Fast Food

2.2   Big Food braucht neue Märkte

2.3   Basis der Pyramide – Die Erschließung der Armen als Konsumenten

2.4   Big Food verdrängt traditionelle Ernährungssysteme

3.   Junkfood tötet

Die Pandemie von Übergewicht und Diabetes

4.   Pulverallianz

Big Food und der Kampf gegen Mangelernährung

4.1   Pulvertherapie oder Ursachenbekämpfung

4.2   Nutrazeutika als Türöffner für Junkfood

4.3   Zweischneidig: Nutzen und Gefahren von Nutrazeutika

4.3.2   Gefahren künstlich zugeführter Nährstoffe

4.4   Nutritionismus: Ernährung als bloße Nährstoffzufuhr

5.   Mütter unter Druck

Nährpulver und Kindergesundheit

5.1   Konzerne halten weiterhin Mütter vom Stillen ab

5.2   Schwieriger Weg vom Stillen zur Familienkost

5.3   Zuckerpulver für Kleinkinder von Nestlé und Danone

6.   Manipulation

Wie Big Food seine Interessen durchsetzt

6.1   Versprechen: »Wir verbessern unsere Produkte und die Welt«

6.2   Partnerschaften mit Regierungen und UN-Organisationen

6.3   Big Food finanziert NGOs der Entwicklungszusammenarbeit

6.3.1   Interessen und Interessenskonflikte

6.3.2   Die Beispiele Save the Children und Oxfam

6.4   Big Foods Einfluss auf Wissenschaft und Gesundheitswesen

7.   Selbstverteidigung

Strategien für den angemessenen Umgang mit Junkfood-Konzernen

1.   Kein Vertrauen auf freiwilliges Handeln der Industrie

2.   Steuern auf Junkfood und Subventionen für gesunde Nahrung

3.   Regeln für den Zucker-, Salz- und Fettgehalt von Nahrungsmitteln

4.   Vermarktungsbeschränkungen

5.   Einführung und Nutzung von Nährwertprofilen

6.   Gesunde Ernährung und Ernährungsaufklärung an Schulen

7.   Förderung des Stillens und gesunde Ernährung für Kleinkinder

8.   Transparenter Umgang mit Interessenskonflikten

9.   Investment in Nahrungsmittelkonzerne auch nach ethischen Kriterien

10.   Nachhaltige Bekämpfung der Ursachen von Mangelernährung

Abkürzungsverzeichnis/Kurzglossar

Literaturverzeichnis

Geleitwort

Thomas Kruchems Buch zur Industrialisierung unserer Ernährung lenkt den Blick auf lange unterschätzte Gefahren, die von Big Food ausgehen – von multinationalen Junkfood- und Soda-Konzernen.

Weltweit bedroht heute eine Pandemie der Fettleibigkeit und ihrer Folgeerkrankungen Industrie- wie Entwicklungsländer. Und dieser Pandemie zu begegnen ist schwer: Den Kampf gegen Hunger und Unterernährung haben Regierungen, soziale Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen geführt, indem sie gemeinsam die öffentliche Versorgung mit Nahrungsmitteln verbesserten. Im Kampf gegen krank machende Fettleibigkeit aber müssen sich nun Bürger und Regierungen mächtigen Konzernen entgegenstellen, die ihr Geld mit dem Verkauf ungesunder Nahrungsmittel verdienen.

Eine gesetzliche Regulierung solcher Konzerne gibt es bis heute erst in wenigen Ländern Europas und Amerikas – mit begrenztem Erfolg. Den weiteren Kampf mit den Konzernen müssen nun wir in den Schwellen- und Entwicklungsländern führen. Und um zumindest die eine oder andere Schlacht gewinnen zu können, brauchen wir eine informiert hinter uns stehende Öffentlichkeit; wir brauchen Aufklärung.

Thomas Kruchem leistet dazu einen wertvollen Beitrag. Er legt den Finger, ohne falsche Rücksichtnahme, in offene Wunden: Er hat in den Regionen recherchiert, wo die neuen Fronten zwischen Konzernen und Bürgern verlaufen; er hat aufmerksam den Aktivisten zugehört, die sich im Kampf gegen die Konzerne engagieren.

Eine englische Version dieses wegweisenden Buchs würde das Werk einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Es könnte dann Regierungen, Entscheidungsträgern, Politikern, sozialen Bewegungen und NGOs weltweit helfen, einer verheerenden Pandemie Herr zu werden.

Biraj Patnaik, Neu-Delhi, im Mai 2017

(Biraj Patnaik, prominentester Vertreter der indischen Right to Food Campaign, ist seit mehr als zehn Jahren Chefberater der beiden mit der Umsetzung des Rechts auf Nahrung beauftragten Commissioners des Obersten Gerichtshofs Indiens. Seit kurzem ist Patnaik auch Regionaldirektor Südasien von Amnesty International. Dieses Geleitwort gibt ausschließlich seine persönlichen Ansichten wieder.)

Vorwort

Es ist das Versprechen, das mich provozierte; jenes Versprechen einer heilen Welt ohne Sorgen; voller Sonne, Wohlstand, Gesundheit und Spaß auf zahllosen Fernsehschirmen in armseligen Hütten, die ich besucht habe. Mit diesem betrügerischen Versprechen erschleicht Big Food sich und seinem krank machenden Junkfood Zugang zu den Hütten.

Das ist ethisch verwerflich. Deshalb habe ich dieses Buch geschrieben und penibel gefragt: Welchen Schaden richten die Täter an? Wie täuschen sie die Menschen? Wen spannen sie vor ihren Karren?

Betroffene und Experten in aller Welt haben mir geholfen, das Handeln von Big Food in Entwicklungs- und Schwellenländern zu verstehen. Ich danke ihnen von Herzen. Ich danke dem evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt für die Unterstützung meiner Recherchen. Ich danke dem transcript Verlag, der sich offenen Auges dem Zorn von Big Food aussetzt; desgleichen meiner so kompetenten wie engagierten Agentin und Lektorin Cornelia Wilß.

Und ich danke meiner lieben Frau Cäcilia. Sie hält mir seit über 30 Jahren den Rücken frei; sie hat unsere vier Kinder zu anständigen Menschen erzogen und sorgt mit dem Rotstift dafür, dass ich ordentliche Texte abliefere. Mögliche Fehler in Darstellung und Übersetzungen gehen gleichwohl allein auf meine Kappe.

Ich widme dieses Buch unserem ersten Enkelkind, das, mit Gottes Hilfe, Ende Juni 2017 zur Welt kommt. Möge seine Generation die Kraft haben, all das aufzuräumen, was wir an Durcheinander angerichtet haben.

Thomas Kruchem, Mauer, im Mai 2017

Viele Kleinkinder in Entwicklungsländern sind unter- und mangelernährt.

Einleitung

Ursache von Übergewicht und Diabetes seien vor allem Bewegungsmangel, Veranlagung und Stress. Das sagen zahlreiche Studien. Das Problem: Diese Studien wurden in Auftrag gegeben und finanziert von internationalen Nahrungsmittel- und Getränkekonzernen, von Big Food.

Big Food zählt zu den größten Gefahren für unser aller Gesundheit, für die Gesundheit insbesondere armer Menschen. Das sind in diesem Buch Menschen, denen zentrale Ressourcen wie Land und Geld fehlen, um sich Grundbedürfnisse wie Essen, Wohnen, Bildung und Gesundheitsversorgung zu erfüllen. Arme Menschen leben zumeist in Schwellen- und Entwicklungsländern des Südens, die wir in diesem Buch als »arme Länder« bezeichnen.

Hunger und Mangelernährung in diesen Ländern gehen nur langsam zurück. Das ist skandalös. Noch skandalöser aber ist, dass Big Food einen Ernährungswandel forciert, der Menschen krank macht, lokale Ernährungssysteme verdrängt und internationale Entwicklungshilfe in grotesker Weise konterkariert.

Big Food verkauft in armen Ländern fast nur Junkfood: hochverarbeitete Nahrungsmittel und Getränke, die haltbar, schmackhaft und billig sein müssen. Diese Instant-Nudeln, Zerealien, Süßwaren, Chips, Burger, Pizzen, zuckrigen Joghurts, Süßwässer und Softdrinks bestehen fast nur aus Zutaten wie Fett, Stärke, Zucker, Salz, Geschmacks-, Konservierungs- und Farbstoffen; aus leeren Kalorien also. Dieses Junkfood erzeugt zudem vielfach jene Mischung aus Appetit, Gier und Sucht, die die Angelsachsen cravingnennen. Der Konsum solcher Produkte heizt sich selbst an; er führt zu Übergewicht und dessen Folgeerkrankungen.

Junkfood ist Kerngeschäft und Existenzgrundlage für Big Food. Und weil der Absatz in Industrieländern stockt, vermarkten die Konzerne ihr Junkfood jetzt besonders aggressiv in Schwellen- und Entwicklungsländern. Zielgruppe dort sind vor allem Kinder und Mütter mit geringem Wissen über Ernährungsfragen. Sie sind betörend attraktiven Verpackungen, Träume weckenden Fernsehspots und Elterngefühle missbrauchenden Gesundheitsversprechen wehrlos ausgesetzt.

Die Folgen für die öffentliche Gesundheit in armen Ländern sind dramatisch: Die Zahl der Übergewichtigen, insbesondere auch Kinder, hat die zwei Milliarden überschritten; und die Zahl steigt weiter – im Gleichschritt mit der Expansion von Big Food. Der Anteil der Diabetiker an der Bevölkerung liegt, kein Wunder, in China und Indien inzwischen weit höher als hierzulande. Die Gesundheitssysteme armer Länder sind schon heute mit der Diabetes-Pandemie völlig überfordert.

Dessen ungeachtet spannt Big Food auch internationale Hilfsorganisationen vor seinen Karren: Unter dem Einfluss von Frontorganisationen der Industrie, die ihre wahren Ziele verbergen, bekämpfen viele Träger von Entwicklungshilfe immer seltener Ursachen von Mangelernährung. Stattdessen verteilen sie Kalorienträger, angereichert mit synthetischen Mineralstoffen und Vitaminen. Entwicklungshilfe degeneriert so zum Türöffner für Big Food: Die Konzerne verkaufen jetzt angereichertes Junkfood als »gesund«.

Dabei machen Nestlé und Danone auch vor den Kleinsten nicht halt: Sie verunsichern stillende Mütter und unterlaufen den Internationalen Kodex für die Vermarktung von Muttermilch-Ersatzprodukten der Weltgesundheitsorganisation WHO. Sie drücken brachial stark gezuckertes Milchpulver für Kleinkinder in die Märkte armer Länder. Normale Milch vertrügen kleine Kinder nicht, machen TV-Spots den Müttern weis.

Natürlich gibt es Widerstand gegen das de facto kriminelle Verhalten von Big Food. Der Widerstand allerdings beschränkt sich bis heute auf interessierte Kreise in Industrie- und wenigen Schwellenländern. Dies auch deshalb, weil die Konzerne jeder Kritik mit Täuschungsmanövern, Zähnen und Klauen begegnen:

Da verspricht zum Beispiel Danone, seine Joghurts etwas weniger zu zuckern. Zugleich aber stellt der Konzern seine Wassermarken wie Volvic und Bonafont auf gezuckerte und aromatisierte »Aquadrinks« um – auf Bonafont Kids, zum Beispiel, für mexikanische Kinder, die ohnehin zu den dicksten weltweit gehören.

In den USA korrumpiert die Getränkeindustrie derweil Kommunen, die Sondersteuern auf zuckrige Softdrinks erheben wollen, mit Millionenspenden für Kinderkrankenhäuser. Und wenn das nicht hilft, wird prozessiert.

Auch gegenüber nationalen Regierungen, UN-Institutionen und Organisationen der Zivilgesellschaft pflegt Big Food eine finanzintensive Umarmungsstrategie: Zahlreiche Konzerne unterhalten Partnerschaften mit dem Welternährungsprogramm WFP und dem Kinderhilfswerk UNICEF. Systematisch erobert Big Food Sitze in Gremien der WHO und der Welternährungsorganisation FAO. Das verschafft den Konzernen Einfluss auf global wirksame Gesundheits- und Ernährungspolitik.

Zu den Aufgaben internationaler Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zählt es, als watchdogs Missstände anzuprangern. Tatsächlich kassieren viele NGOs Millionen von der Nahrungsmittelindustrie: Oxfam publiziert mäßig kritische Berichte über das soziale Gebaren von Unilever, Coca-Cola und dem Bierkonzern SABMiller – mit Vorworten der Konzernchefs. Das Kerngeschäft von Big Food, den Vertrieb krank machenden Junkfoods, kritisiert Oxfam überhaupt nicht. Das Kinderhilfswerk Save the Children engagierte sich eine Zeitlang für Sondersteuern auf gezuckerte Softdrinks. Das aber hörte schlagartig auf, als die Organisation eine Millionenspende von PepsiCo erhielt und über eine ähnlich hohe Spende mit Coca-Cola verhandelte.

Offensichtliche Interessenskonflikte ignorieren nicht zuletzt viele öffentliche Hochschulinstitute, Berufsverbände von Ernährungsexperten und Gesundheitsorganisationen weltweit. Auch sie lassen sich von Big Food finanzieren.

Die Existenzgrundlage von Big Food ist, wie erwähnt, Junkfood. Gesunde Nahrungsmittel wären nicht nur in Produktion und Vertrieb zu teuer. Nein, es gibt schlicht und einfach keine gesunden Industrienahrungsmittel, die die Konzerne unter den Bedingungen in Entwicklungs- und Schwellenländern in größerem Stil vermarkten könnten. Die Konzerne müssten, um ihr Portfolio auf vorwiegend gesunde Nahrungsmittel umzustellen, ihre Identität ändern; sie müssten zu drastisch verkleinerten und dezentral operierenden Unternehmen mutieren. Sie müssten auf gewaltige Märkte verzichten und Milliarden an Shareholder-Kapital vernichten. Das aber werden die Unternehmen niemals freiwillig tun.

Die logische Konsequenz: Um Milliarden Menschen vor krank machendem Junkfood zu schützen, hilft es wenig, mit Big Food partnerschaftlich zu verhandeln. Im Gegenteil: Die internationale Gemeinschaft, also wir alle, muss kategorisch gegen die schädlichen und ethisch verwerflichen Geschäfte der Konzerne vorgehen. Dagegen (und natürlich auch gegen Alkoholmissbrauch) müssen wir ähnlich konsequent vorgehen wie gegen Big Tobacco; viel entschlossener allerdings und viel schneller.

Und wenn Big Food mal wieder scheinheilig das Blaue vom Himmel verspricht, wenn die Konzerne lautstark gegen »Pauschalisierung« und »Verschwörungstheorien« protestieren oder die krank machende Wirkung von Junkfood scheinwissenschaftlich relativieren, wenn sie einmal mehr von mündigen Konsumenten in freien Ländern schwadronieren, denen der Staat nicht auf den Teller zu schauen habe – dann sollte das erst recht zu kühler Analyse und entschlossenem Handeln motivieren.

Auch im ländlichen Guatemala essen viele Kinder und Jugendliche täglich Junkfood.

Kindern, die infolge chronischer Mangelernährung körperlich und geistig beeinträchtigt sind, fehlt der Glanz der Neugier in den Augen.

1. Der stille Hunger

1.1 STILLER HUNGER IN BANGLADESCH

In der Grundschule des Dorfes Badatoli im Süden von Bangladesch deutet Lehrerin Sumea Nasrin auf vier still in der Bank sitzende Kinder – Kinder mit leerem Blick, denen der Glanz der Neugier in den Augen fehlt; viel zu klein für ihr Alter. »Ich mache mir große Sorgen um sie. Ständig sind sie müde. Sie können sich nicht konzentrieren und verstehen fast nichts von dem, was ich ihnen erkläre. Mindestens 20 unserer 200 Kinder sind betroffen.« Die Kinder bekämen außer Reis nichts Richtiges zu essen, sagt Sumea mit resigniertem Achselzucken.

Eine Ursache der in Bangladesch verbreiteten chronischen Mangelernährung springt dem Besucher sofort ins Auge. Auf fast allen bebaubaren Flächen steht nichts als Reis. Gemüsefelder, Obstbäume, Rinder, Ziegen und Hühner sind nur vereinzelt zu sehen. Für diese Konzentration der Landwirtschaft auf den Reisanbau gibt es gute Gründe: Bis vor 30 Jahren erlebte Bangladesch immer wieder Hungersnöte; heute kann das kleine Land mit einer Fläche von gerade zweimal Bayern seine 160 Millionen Menschen selbst mit Reis versorgen; viele Bauern ernten dreimal im Jahr.

»Reissicherheit jedoch ist keine Ernährungssicherheit«, sagt Sukanta Sen, Leiter der lokalen Hilfsorganisation BARCIK. »Der bei uns ausschließlich gegessene polierte Reis enthält fast nichts außer Kohlenhydraten.«

Andere Nahrung ist oft außer Reichweite für die meisten Bangladescher: Milch, zum Beispiel, ist extrem teuer. Denn immer weniger Bauern halten Kühe, weil es ihnen an Futter fehlt. Freie Weideflächen gibt es kaum mehr. Und weil der heute angebaute Hochertragsreis kürzere Halme hat als traditionelle Reissorten, gibt es weniger Stroh. Auch Hühnerfleisch ist knapp: Seit die Bauern zur Zeit der Vogelgrippe vor einigen Jahren ihre Hühner töten mussten, scheuen sie das Federvieh wie der Teufel das Weihwasser.

Schließlich: Immer weniger Fische, die gern gegessen werden, tummeln sich in Bangladeschs Flüssen, Teichen und Reisfeldern – weil die Flüsse zusehends versanden, weil zum Schutz des Reisanbaus vor Fluten Tausende Dämme und Deiche das Land durchziehen; weil zahlreiche zuvor öffentliche Teiche privatisiert wurden. Dort betreiben jetzt kommerzielle Unternehmen Aquakultur für den Konsum der Wohlhabenden und für den Export.

Die Privatisierung, klagt Sukanta Sen, habe auch öffentliche Landflächen erfasst, wo sich früher Millionen Menschen mit wild wachsendem Obst und Gemüse versorgten. »Heute sind fast alle Brachflächen verpachtet.« Auch Obst und Gemüse werden deshalb immer teurer. Äpfel, Mandarinen und Trauben, die aus Indien und China importiert werden, können sich ohnehin nur wenige leisten.

Bittere Armut großer Teile der Bevölkerung ist denn auch eine weitere Ursache der Mangelernährung in Bangladesch – Armut insbesondere auch alleinstehender Mütter wie Rumela Katun, die außerhalb der Stadt Mymensingh im Straßenbau arbeitet – für 2.000 Taka, umgerechnet 23 Euro, im Monat. »Ich habe drei Söhne von zehn, acht und fünf Jahren«, erzählt die ausgezehrt wirkende Frau. »Mein Mann ist vor zwei Jahren gestorben. Das Geld, das ich verdiene, reicht gerade so für Reis, Chili und ein paar Kartoffeln. Manchmal muss ich meine Kinder mit leerem Magen zur Schule schicken.«

Frauen wie Rumela Katun können keine Vorräte anlegen; sie müssen kleinste Portionen Reis und Dal, Linsen, teuer auf dem Markt kaufen. Und viele erliegen der Versuchung, billiges Kesari Dal zu essen. Kesari Dal – die Saat-Platterbse, wissenschaftlich Lathyrus sativus – ist eiweißreich, braucht zum Gedeihen wenig Wasser und zum Garen wenig Brennholz. Häufiges Essen dieser Hülsenfrucht jedoch führt zur chronischen Nervenkrankheit Lathyrismus, die früher auch in Europa verbreitet war. Zu den Symptomen zählen Lähmungen, Krämpfe und Tremor.

Im Süden des 17-Millionen-Molochs Dhaka taucht der Besucher in ein Labyrinth aus schmalen, von Fahrradrikschas und Ochsenkarren befahrenen Wegen ein. Zwischen Hütten und Kiosken aus Bambus, Wellblech und Plastikplane steht ein etwas größeres Betonhäuschen. Hier betreut die lokale Hilfsorganisation BRAC Frauen im letzten Trimester ihrer Schwangerschaft.

»Ich arbeite in einer Textilfabrik«, erzählt die hochschwangere und kaum einen Meter 45 große Afsana Begum, »von morgens um acht bis abends um acht. Zum Essen komme ich nur zwischendurch.« »Afsana hat zu wenig zugenommen und wirkt anämisch«, kommentiert die Ärztin Nauruj Jahan. »Fast alle Frauen, die unser Zentrum besuchen, haben mit kaum 16 Jahren geheiratet und wurden schwanger, bevor sie ausgewachsen waren. Fast alle essen zuhause nur, was die Männer übrig lassen; sie essen bei Schwangerschaftsübelkeit sogar weniger als sonst; fast alle arbeiten bis kurz vor der Geburt. Eine regelmäßige Folge: schwere Anämie, die das Kind schädigt und das Leben der Mutter gefährdet.«

Die Hebammen des BRAC-Zentrums können die Auswirkungen nur mildern: Sie beraten und betreuen die Frauen; sie geben ihnen Tabletten mit Eisen und Folsäure sowie nach der Geburt eine Vitamin-A-Kapsel. Die versorgt das Baby mit dem lebenswichtigen Vitamin – wenn es denn, wie empfohlen, sechs Monate lang von der Mutter gestillt wird – und zwar exklusiv, ohne jede Zufütterung.

Aber nur 55 Prozent der Mütter in Bangladesch halten sich an diese Empfehlung. »Ein miserabler Wert, aber besser als in vielen anderen armen Ländern«, sagt UNICEF-Mitarbeiterin Noreen Prendiville und kritisiert zugleich unzureichende Hygiene. »Gerade zwei Prozent der Mütter waschen sich die Hände, bevor sie ihr Baby stillen. Die Babys werden deshalb öfter krank.«

Außerdem gehen Millionen arme Frauen spätestens sechs Monate nach der Geburt wieder arbeiten. Mittelschichtsfrauen überlassen ihr Baby dann einem oft überforderten Hausmädchen, Frauen in Armenvierteln der acht- oder zehnjährigen Schwester des Babys. »In der Folge bekommt das Kleinstkind, wenn es Glück hat, Reisbrei mit Zucker zu essen«, klagt Erica Roy Khetran von der US-Hilfsorganisation Helen Keller International. »Allzu oft aber bekommt das Kind Schokolade, Chips und aufgeweichte Kekse vom nächsten Kiosk.«

1.2 DAS PHÄNOMEN CHRONISCHER MANGELERNÄHRUNG

Die Ernährungssituation in fast allen Entwicklungs- und Schwellenländern ist bis heute schlecht – vielfach ähnlich schlecht wie in Bangladesch: Nach Schätzungen des UN-Kinderhilfswerks UNICEF sind Hunger und Mangelernährung in all ihren Formen verantwortlich für den Tod von 3,1 Millionen Kindern jährlich oder 45 Prozent aller Todesfälle bei Kindern (Black et al. 2013).

Fast 800 Millionen Menschen können noch immer nicht ihren täglichen Kalorienbedarf decken. 50 Millionen von 670 Millionen Kindern unter fünf Jahren sind wasted: Sie sind akut unterernährt bzw. untergewichtig – vor allem wegen eines dramatischen Mangels an Energie und Proteinen.

Zugleich leiden zwei von sieben Milliarden Menschen an einem nagenden Hunger, der weniger sichtbar ist und deshalb »stiller Hunger« genannt wird: chronische Mangelernährung. Die Betroffenen mögen genug Energie aufnehmen; doch es fehlt ihnen an Proteinen und Mikronährstoffen wie Vitamin A, Eisen, Vitamin D, Kalzium, Jod oder Zink. Erst seit wenigen Jahren nehmen Regierungen und Entwicklungshilfe die Folgen dieser chronischen Mangelernährung wirklich zur Kenntnis. Die vielleicht schlimmste Folge nennen Experten stunting – womit die englische Sprache unverblümt Verkrüpplung und irreversible Entwicklungsstörungen bezeichnet. Fast jedes vierte von 670 Millionen Kindern unter fünf Jahren weltweit ist in diesem Sinne verkrüppelt infolge chronischer Mangelernährung: stunted.

Die Kinder sind im Wachstum zurückgeblieben und werden lebenslang ihr körperliches und geistiges Entwicklungspotential nicht ausschöpfen. Sie bleiben zu klein und leiden unter kognitiven Einschränkungen; ihr Stoffwechsel funktioniert nicht richtig; sie sind besonders anfällig für Infektionskrankheiten und im Erwachsenenalter für Fettleibigkeit sowie Diabetes.

Stunting entsteht vor allem in den ersten tausend Lebenstagen eines Kindes – in der Zeit von der Empfängnis bis zum zweiten Geburtstag. In dieser Zeit erlittene Entwicklungsschäden infolge von Mangel- oder Unterernährung sind kaum mehr rückgängig zu machen.

Infolge des starken Mangels an spezifischen Nährstoffen leiden mehrere hundert Millionen Kinder, unterschiedlich ausgeprägt, an Mangelkrankheiten:

Der Eiweißmangelkrankheit Kwashiorkor, deren Ursachen allerdings nicht nur in zu geringem Proteinkonsum zu suchen sind (vgl. Kismul et al. 2014), ist besonders im südlichen Afrika verbreitet. Wassereinlagerungen und eine vergrößerte Leber führen zum typischen Symptom des Hungerbauchs.

Vitamin-A-Mangel, an dem weltweit 200 Millionen Kinder leiden (Hodge 2014), führt zu Sehbeeinträchtigungen oder gar Blindheit sowie zu einem erhöhten Sterberisiko.

Jodmangel führt zum Struma (Kropf) und, in schweren Fällen, zu geistiger Behinderung.

Niacinmangel führt zu Pellagra, einer Erkrankung, die Darm- und Hautprobleme, Tremor sowie psychische Störungen mit sich bringt.

Eisenmangel führt zu Anämie, von der weltweit 300 Millionen Kinder betroffen sind (Hodge 2014).

Von chronischer Mangelernährung und stunting betroffene Menschen hat der Autor in nahezu jedem afrikanischen oder südasiatischen Dorf gesehen, das er besucht hat. Viele Menschen dort essen von frühester Kindheit an fast nur polierten Reis oder Mais; viele Kinder wirken antriebsschwach; sie leiden oft an chronischen Atemwegsinfektionen oder Durchfall. Und besonders schlimm betroffene Erwachsene führen eine randständige Existenz im Dorf: Sie finden keine Ehepartner und sterben früh.

1.3 URSACHEN VON MANGELERNÄHRUNG

Armut und Ungleichheit

Zu den zentralen Ursachen von Mangelernährung zählt verbreitete Armut in betroffenen Gesellschaften: Die Menschen haben nicht genug Land bzw. Geld, sich Nahrungsmittel für eine gute Ernährung zu beschaffen und diese gesundheitsfördernd zuzubereiten. Diese Not wird vielerorts durch zu kurz aufeinanderfolgende Schwangerschaften verschärft.

Die WHO schätzt, dass 56 Prozent der mangelernährten Kinder in afrikanischen und 36 Prozent in asiatischen Entwicklungsländern leben – in wirtschaftlich sehr unterschiedlich strukturierten Ländern: Im armen Äthiopien etwa sind zwei Drittel der heute erwachsenen Bevölkerung Opfer von stunting (Thurow 2014); in den Schwellenländern Indien und Südafrika gibt es genug Geld und Nahrung, diese sind jedoch extrem ungleich verteilt.

Da die meisten Menschen weltweit heute in Städten leben, sind in etlichen Ländern inzwischen mehr Stadtbewohner mangelernährt als Bewohner des ländlichen Raums: 62 Prozent der Stadtbewohner im Afrika südlich der Sahara und 35 Prozent der Stadtbewohner Südasiens leben in Slums. Sie haben zwar meist besseren Zugang zu Gesundheitseinrichtungen, Wasser und sanitären Anlagen als Bewohner des ländlichen Raums; aber sie sind Preiserhöhungen bei Lebensmitteln deutlich schutzloser ausgesetzt als Dorfbewohner, die selbst Lebensmittel anbauen.

Die Benachteiligung von Frauen

Eine wichtige Rolle als Ursache von Mangelernährung spielen auch sozioökonomische und -kulturelle Faktoren. Sie betreffen vor allem Frauen und Mädchen in armen Gesellschaften: Zahllose Frauen arbeiten körperlich hart für das Überleben der Familie; sie sind von häuslicher und anderer Gewalt betroffen und leiden in der Folge an chronischem Stress. Besonders in Südasien sind unter armen Frauen Depressionen verbreitet.

Frauen essen auch häufig als Letzte in der Familie und bekommen dann nur Überbleibsel. Und wenn die Familie am Essen sparen muss, sind in der Regel zuerst Frauen und Mädchen betroffen.

Frauen, die so leben, sind in hohem Maße mangelernährt, insbesondere anämisch. Sie bringen deshalb häufig untergewichtige und bei der Geburt bereits mangelernährte Kinder zur Welt. Sie stillen oft nicht oder nicht regelmäßig; der Milch dieser Frauen mangelt es nicht selten an Nährstoffen, weil sie selbst nicht ausreichend versorgt sind.

Später bekommen die Kinder nicht die richtige bzw. richtig zubereitete Beikost: Statt Milchprodukten, Eiern, Gemüse, Obst, Fleisch oder anfangs auch Komplementärnahrung in Pulverform wird stärkereicher, aber protein- und mikronährstoffarmer Reis-, Mais- oder Maniokbrei zugefüttert. Die Beikost wird zudem oft unhygienisch zubereitet, weil es den Frauen an sauberem Wasser und gut nutzbaren Kochstellen fehlt. Die Kinder bekommen dann häufig Durchfall und parasitäre Erkrankungen (Würmer, Bilharziose) – was ihre Ernährungssituation weiter verschlechtert.

Fehlendes Wissen

Mit traditionellen Einstellungen verbundenes Unwissen führt oft dazu, dass die Bevölkerung ganzer Regionen sich einseitig oder mit giftbelasteten Lebensmitteln ernährt. Viele Menschen im südlichen Afrika essen fast ausschließlich Mais oder Maniok, ohne die nährstoffreichen Blätter zu verzehren. Viele Menschen in Südasien essen fast nur polierten Reis, weil der länger haltbar ist als ungeschälter Reis. Viele Bauern in armen Ländern pflanzen, auch wenn sie genug Land und Wasser haben, kaum Obst und Gemüse an.

Nicht sachgerechte Praktiken bei Ernte, Verarbeitung und Aufbewahrung von Nahrungsmitteln führen überdies dazu, dass wertvolle Nahrungsmittel verderben oder mit Pilzgiften belastet werden.

Nachernteverluste

Nach Angaben der FAO geht weltweit ein Drittel der für Menschen produzierten Nahrungsmittel nach der Ernte verloren: 30 Prozent des Getreides, 40 Prozent an Wurzel- und Knollenfrüchten sowie Obst und Gemüse; 20 Prozent der Ölsaaten, Fleisch- und Milchprodukte, 35 Prozent der Fischprodukte. Den pro Kopf größten Teil ihrer Lebensmittel werfen Konsumenten in Europa und Nordamerika weg – weil sie zu viel eingekauft haben; weil ihnen die Nahrungsmittel unansehnlich erscheinen; weil das Datum der Mindesthaltbarkeit abgelaufen ist. Weniger bekannt ist, dass auch in Ländern mit viel Hunger und Mangelernährung ein Drittel der produzierten Nahrungsmittel nie auf den Teller der Konsumenten gelangt. Bis zu 40 Prozent sind es in Schwarzafrika, wo ohnedies die Produktivität der Landwirtschaft niedrig ist. Eine »Grüne Revolution« wie die (heute vielfach umstrittene) in Asien gab es in Afrika nie.

Aflatoxine

Nach Schätzungen der FAO ist ein Viertel der Nahrungspflanzen weltweit mit Aflatoxinen (Giften des Schimmelpilzes Apergillus flavus) belastet. Die für Bauern, Händler und Konsumenten unsichtbaren Pilzgifte befallen bevorzugt Mais und Erdnüsse, aber auch Getreide wie Hirse und Sorghum – und dazu Milch, Eier und Fleisch von Tieren, die belastete Pflanzen fressen.

Aflatoxine reichern sich im menschlichen Körper an; sie bauen sich nur langsam ab und reagieren nicht auf Medikamente. Die Pilzgifte gelten, nach den Kriterien der WHO, als Karzinogene der Klasse 1. Experten machen sie für ein Drittel aller Leberkrebsfälle weltweit verantwortlich, in Afrika für 40 Prozent. Die Gifte schwächen chronisch das Immunsystem und begünstigen so Infektionen mit HIV, Malaria und Durchfallerregern; sie verändern Körperzellen und das Erbgut; schädigen Nieren, Darm und vor allem die Leber. Nach neuesten Forschungsergebnissen sind Aflatoxine überdies eine wichtige Ursache von chronischer Mangelernährung und stunting (Kasten 1).

Verhängnisvoller Umgang mit Mais

Hauptursache der Massenvergiftung mit Aflatoxinen in Afrika, Asien und Teilen Mittelamerikas ist, dass viele Bauern nicht sachgerecht mit ihren Feldfrüchten umgehen – insbesondere mit Mais. Das illustrieren zwei Beispiele: