Amira — Im Brautzelt - Salim Alafenisch - E-Book

Amira — Im Brautzelt E-Book

Salim Alafenisch

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Beschreibung

Amira, das schönste Mädchen der Wüste, einzige Tochter von Omar und Fatima, konnte sich vor Ehebewerbern kann retten. Nach gründlicher Prüfung blieben von den vierzig heiratswilligen Männern noch drei übrig. Nun kann sie sich nicht entscheiden. Die Großmutter weiß zu helfen. Amira bittet Khalil, Nabil und Talal um eine weitere Kostprobe ihrer Erzählkünste. Natürlich hatte jeder gehofft, schon nach der ersten Geschichte Amira für sich gewonnen zu haben. Doch für das schöne Mädchen sind sie bereit, der Bitte nachzukommen. Mit den Tagen werden sie jedoch immer besorgter: Es will ihnen einfach nichts einfallen. Hilfesuchend wenden sich die drei Heiratswilligen an ihre Mütter.

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Seitenzahl: 163

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Über dieses Buch

Amira, das schönste Mädchen der Wüste, konnte sich vor Ehebewerbern kaum retten. Nach gründlicher Prüfung blieben von den vierzig heiratswilligen Männern noch drei übrig. Nun kann sie sich nicht entscheiden. Die Großmutter weiß zu helfen: Sie soll ihr Herz demjenigen schenken, der sich als der beste Geschichtenerzähler erweist.

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Salim Alafenisch (*1948) hütete als Kind die Kamele seines Vaters in der Negev-Wüste. Nach dem Gymnasium in Nazareth und einem einjährigen Aufenthalt in London studierte er Ethnologie, Soziologie und Psychologie in Heidelberg. Seit Langem beschäftigt er sich mit der orientalischen Erzählkunst.

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Salim Alafenisch

Amira — Im Brautzelt

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

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Impressum

Dieses E-Book enthält als Bonusmaterial im Anhang 2 Dokumente

Die Originalausgabe erschien 1998 im Ravensburger Buchverlag, Ravensburg.

© by Salim Alafenisch 1998, 2011

© by Unionsverlag, Zürich 2024

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Andrey Kudinov

Umschlaggestaltung: Martina Heuer

ISBN 978-3-293-30693-6

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Version vom 28.05.2024, 12:27h

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Über dieses Buch

Titelseite

Impressum

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Inhaltsverzeichnis

AMIRA — IM BRAUTZELT

PrologDie Zeit des WartensNabil – Freund der BrüsteDas WolfsfellTalal – Kind der TrageDie MutprobeKhalil – Kind der WiegeDer Meineid

Mehr über dieses Buch

Über Salim Alafenisch

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Für Hussein und Fatima

Prolog

Amira, das Beduinenmädchen vom Stamm der Löwen, war das schönste Mädchen des Zeltlagers. Zu Recht trug sie den Namen Amira, Prinzessin der Wüste.

Junge Männer von nah und fern träumten davon, sich mit ihr zu vermählen. Vierzig Männer warben um sie. Doch sie zögerte. Da Amira nicht nur schön, sondern auch klug war, suchte sie Rat bei ihrer Großmutter.

»Du tust gut daran, wählerisch zu sein«, ermunterte sie die Alte, als Amira ihr eines Tages ihr Herz ausschüttete. »Ein Mann ist nicht wie ein Kleid, das man beliebig austauschen kann. Mit ihm verbringst du ein ganzes Leben, das will gut überlegt sein. Nicht alles, was glänzt, ist Gold. Sieh, diese Kette hat vierzig Perlen, aber nicht alle sind gleich. Erst wenn man sie gegen die Sonne hält, kann man die Edelsteine von den Glasperlen unterscheiden. Und genauso verhält es sich mit den jungen Männern: Die einen taugen, die anderen nicht. Du musst sie prüfen, Amira. Beim nächsten Vollmond sagst du mir, wie viele Perlen übrig geblieben sind!«

Oft saß Amira abends vor dem Zelteingang und betrachtete den Sternenhimmel: »Wer die Wahl hat, hat die Qual«, dachte sie bei sich. »Wie soll ich unter vierzig Bewerbern den richtigen finden?« Sie dachte angestrengt nach.

Nach dem ersten Vollmond erkundigte sich die Großmutter nach dem Stand der Dinge.

»Du kannst zehn Perlen aus deiner Halskette ausfädeln«, erwiderte Amira und nannte die Gründe, weshalb diese Bewerber nicht infrage kamen. Einer hatte sich als Schwätzer herausgestellt, ein anderer konnte kein Geheimnis für sich behalten und ein dritter hatte eine schrille Stimme.

Im Laufe der Monate schrumpfte die Zahl der Heiratsbewerber weiter, und als im Herbst die Frauen die Zeltbahnen zu weben begannen, waren noch drei Perlen auf der Kette.

»Zwischen den letzten drei jungen Männern kann ich mich nicht entscheiden«, erklärte Amira.

Auf den Rat der Großmutter hin sollte jeder Bewerber Amira eine Geschichte erzählen.

»Du bist das begehrteste Mädchen der Wüste«, sagte die Großmutter. »Deine Brautgabe muss angemessen sein. Kamele, Gold- und Silbermünzen haben ihren Wert, doch sie sind vergänglich. Geschichten hingegen bleiben. Sie werden von Generation zu Generation weitergetragen. Ein Ehemann, der gut Geschichten erzählen kann, wird dir die Langeweile vertreiben.«

Amira fand Gefallen am Vorschlag der Großmutter und ließ die drei Bewerber wissen, jeder solle für sie eine Geschichte erfinden. Danach wolle sie sich entscheiden.

Die drei Heiratsbewerber erfüllten Amiras Wunsch.

Talal erzählte der Angebeteten seine Geschichte am Fuß der Palme, Khalil trug die Seine in einem kleinen Zelt vor und Nabil verzauberte Amira mit seiner Erzählung am Brunnenrand.

Während die drei voller Hoffnung auf eine Antwort warteten, zerbrach sich Amira den Kopf. Die Großmutter, die die Unruhe des Mädchens spürte, sie aber auch nicht bedrängen wollte, ließ einige Tage verstreichen. Immer wieder streifte sie ihre Enkelin mit einem Seitenblick.

Eines Abends, als die Zeltarbeit getan war, ließ sie sich neben Amira auf dem Teppich nieder. »Amira, höre! Seit die Wasserfluten deine Mutter – gesegnet sei ihre Seele – fortgerissen haben, habe ich dich wie eine Tochter aufgezogen. Hab Vertrauen. Öffne mir dein Herz!«

»Talal, Khalil und Nabil haben mir ihre Geschichten erzählt«, berichtete das Mädchen.

»Und weiter?«

»Ich finde alle drei Geschichten gut.«

Die Großmutter nickte nachdenklich mit dem Kopf. Unter dem Kopfkissen, auf das sie ihren Arm gestützt hatte, kramte sie ihre Pfeife hervor. Sie war länger als die Feuerzange. Unter dem Brustteil ihres Kleides zog sie ihren Tabakbeutel hervor, den sie vor vielen Jahren selbst bestickt hatte. Während sie ihre Pfeife stopfte, ließ sie Amira nicht aus den Augen.

»Für jedes Problem gibt es eine Lösung. Das Leben hat mir reiche Erfahrung beschert. Lass mich nachdenken.« Mit der Feuerzange legte sie ein glühendes Kamelbällchen auf den Pfeifenkopf und nahm einen tiefen Zug.

Amira hustete, als der erste Rauchschwaden sie erreichte.

Die Alte lächelte. »In meinem Alter gönnt man sich ab und zu ein Pfeifchen. Du bist noch jung, auf dich warten andere Vergnügungen.«

Das Mädchen war verlegen.

Die Großmutter räusperte sich. »Höre, mit einer Zeltstange lässt sich kein Zelt bauen. Und wer eine Geschichte erzählt, kann sich noch nicht als Geschichtenerzähler rühmen.«

Amira schaute die Großmutter fragend an.

»Lass deine Heiratsbewerber noch eine Geschichte erzählen. Dann fällt dir vielleicht die Entscheidung leichter.«

»Du könntest recht haben«, murmelte das Mädchen. Amira ließ den drei jungen Männern ihren Wunsch übermitteln. Die drei nahmen die Nachricht mit gemischten Gefühlen entgegen.

Missmutig kommentierte Nabil: »Gibt es keine anderen Aufgaben im Leben, als Geschichten zu erfinden?« Talal erinnerte sich an die Mühe, die ihn die Geschichte gekostet hatte, und hoffte, dass dies die letzte Aufgabe sein würde.

Khalil schließlich war überzeugt, dass dieses Mädchen jede Anstrengung wert sei, und hoffte, aus diesem Wettbewerb als Sieger hervorzugehen.

Die Zeit des Wartens

In der folgenden Nacht lag Amira auf ihrer Matratze und konnte keinen Schlaf finden. Unruhig wälzte sie sich hin und her. Das Meckern der Ziegen und das Bellen des Wachhundes ließen sie immer wieder aufschrecken. Mehrmals erhob sie sich und nahm einen Schluck aus dem Wasserkrug. Erst in den frühen Morgenstunden fielen ihr vor Müdigkeit die Augen zu.

Sie begann zu träumen. Wasserfluten, so hoch wie Zeltstangen, kamen auf das Stammeslager zu. Die Menschen flüchteten auf die umliegenden Hügel. Alle konnten sich retten. Nur ihre Mutter, die dem Esel zu Hilfe eilte, wurde von den Wogen fortgerissen. Der Schrei des Esels riss Amira aus dem Albtraum.

Als das Mädchen die Augen öffnete, stand die Großmutter neben ihrem Schlaflager. »Amira, das Frühstück steht bereit.«

Schlaftrunken erhob sich das Mädchen, trat vor das Zelt und wusch sich Hände und Gesicht. Nachdem sie ihr Schlaflager beiseite geräumt hatte, setzte sie sich an die Feuerstelle. Die Großmutter reichte ihr eine Schale Milch und ein Fladenbrot.

Kurz danach gesellte sich der Vater zu den beiden. Er trank ein Glas Tee, winkte jedoch ab, als die Großmutter ihm ein Fladenbrot und eine Schale mit Ziegenkäse reichen wollte.

»Omar, mein Sohn, warum willst du nicht frühstücken?«

»Ich habe keinen Appetit, Mutter«, gab er zur Antwort. »Das Kamel macht mir Sorgen, es ist krank.« – »Für jede Krankheit gibt es ein Heilmittel, nur gegen das Alter ist kein Kraut gewachsen«, munterte die Großmutter ihren Sohn auf.

Omar erhob sich. »Ich will den Kamelrichter aufsuchen. Er kennt sich am besten mit den Tieren aus.«

Omar kletterte den steinigen Weg zum Hügel hinauf.

»Dein Morgen sei gesegnet«, empfing ihn der Kamelrichter im Scheichzelt. »Setz dich zu uns.«

Der Scheich reichte dem Ankömmling ein Schälchen Kaffee.

»Du bist mir zuvorgekommen, nach dem Morgenkaffee wollte ich dich in deinem Zelt aufsuchen«, wandte sich der Kamelrichter an Omar. »Ich habe gehört, dein Kamel ist krank.«

»Ja, es frisst kaum etwas und leidet an Durchfall«, klagte Omar.

Der Kamelrichter machte ein besorgtes Gesicht. »Gestern Abend war ich bei Ali, seinem Kamel geht es ähnlich wie dem deinen.«

»Gestern habe ich meinen alten Freund, Scheich Zayed, besucht«, schaltete sich der Scheich ein. »Unterwegs kam ich am Weideplatz vorbei. Dort wuchert das verfluchte Kraut, das unseren Tieren Bauchschmerzen bereitet.«

»Bevor die Krankheit um sich greift, müssen wir handeln«, beschied der Kamelrichter. »Die Kamele waren lange nicht auf der Salzweide.«

Der Stammesälteste pflichtete ihm bei: »Die Kräuter auf der Salzweide reinigen die Bäuche der Kamele.« – »Je früher wir handeln, umso besser«, meinte der Karawanenführer. »Morgen brechen wir mit unseren Kamelen zum Toten Meer auf.«

Die Nachricht von der bevorstehenden Wanderschaft verbreitete sich im Zeltlager wie ein Lauffeuer. Das Morgenfeuer war noch nicht gelöscht, da eilte eine Frau mit ihrem schreienden Kind an der Hand zum Zelt des Karawanenführers. »Mein Sohn leidet an einem juckenden Hautausschlag«, redete sie auf den Mann ein und hob das Gewand des Kindes hoch. »Ich habe gehört, dass die Karawane morgen zum Toten Meer aufbricht. Die Hebamme riet mir, das Kind dort baden zu lassen.«

Die Frau war ganz außer Atem.

»Meinetwegen«, brummte der Karawanenführer.

Kaum hatte die Frau das Zelt verlassen, kam die nächste Frau angelaufen. »Mein Kind hat einen feuerroten Hintern, es kratzt sich unaufhörlich und lässt uns in der Nacht nicht schlafen. Ich habe gehört ...«

Der Karawanenführer schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als eine dritte Frau auf das Zelt zueilte und schon von Weitem rief: »Oh, Helfer in der Not! Meine Zwillinge haben starken Husten, sie bellen wie die Hunde. Du musst sie mitnehmen.«

Bis zum Abend hatte sich ein gutes Dutzend besorgter Mütter gemeldet, die ihren Nachwuchs zum Toten Meer schicken wollten.

Am Abend saß der Karawanenführer im Scheichzelt und zog aufgeregt an seiner Pfeife. Der Scheich goss ihm ein Schälchen Kaffee ein.

»Morgen wird Hamid, unser Karawanenführer, zum Toten Meer aufbrechen.«

»Das ist keine Neuigkeit«, entgegnete Hamid verstimmt. »Die Nachricht hat sich schneller verbreitet, als mir lieb ist.« Er stützte seinen Kopf in die Hand und schaute auffordernd in die Runde. »Ich habe mehr Kinder als Kamele in meiner Karawane. Sagt mir, bin ich Karawanenführer oder Amme?«

Einige der Anwesenden suchten ihr Lachen zu unterdrücken.

»Habe ich nicht genug mit den Kamelen zu tun?«, ereiferte sich der Karawanenführer. »Die Hebamme soll mit den Kleinen eine eigene Karawane ausrichten.« Der Scheich reichte Hamid eine Hand voll Feigen und klopfte ihm auf die Schulter. »Beruhige dich, Bruder. Wir wissen, dass du ein berühmter Karawanenführer bist, doch du hast auch ein großes Herz.« Der Scheich hielt kurz inne. »Sind die Kamele wichtiger als unsere Kinder?«

Der Karawanenführer rutschte unruhig hin und her.

Der Stammesälteste mischte sich ein: »Die Kinder sind unsere Zukunft, heute tragen wir sie, und morgen werden sie uns tragen.«

»Du hast gut reden«, erwiderte der Angesprochene.

»Du als Stammesältester hockst im Scheichzelt und lässt dich bedienen. Ich als Karawanenführer dagegen trage die Verantwortung für die Karawane.«

»Ich weiß, ich weiß«, sagte der Scheich. »Doch gib deinem Herzen einen Stoß. Ein paar Mädchen und Frauen werden die Kinder begleiten. Du wirst keine Arbeit mit ihnen haben.«

»Also gut«, brummte der Karawanenführer.

Um sich die Zeit des Wartens zu verkürzen, nahm Amira die Gelegenheit wahr, die Karawane zu begleiten. Noch nie hatte sie das Tote Meer gesehen. Voller Spannung sah sie dem Aufbruch entgegen. Am Abend packte sie die Satteltaschen, verstaute ihr Stickzeug und vergaß auch nicht, einen Beutel Rosinen mitzunehmen.

»Bring Salz mit vom Toten Meer!«, rief die Großmutter Amira nach, als das Mädchen am nächsten Morgen mit ihrem Kamel um das Zelt bog.

Am Rande des Zeltlagers zügelte der Karawanenführer sein Kamel und blickte zurück. Er zählte siebenunddreißig Kamele, einen Esel, drei Hirten, vier Frauen, drei Mädchen und ein Dutzend Kinder. Die Zwillinge steckten in den Satteltaschen des Esels, während ihre Mutter auf dem Rücken des Tieres thronte. Die älteren Kinder saßen auf den Reitkörben der Kamele und winkten dem Karawanenführer zu.

»So eine seltsame Karawane habe ich in meinem ganzen Leben noch nie angeführt«, sprach der Alte bei sich und schüttelte den Kopf.

Die Karawane kam nur schleppend voran, da einige Kamele angeschlagen waren. Immer wieder musste Hamid die jungen Kamele zügeln, die allzu forsch vorausliefen.

Vor der großen Mittagshitze erreichten sie eine kleine Oase, die sich zur Rast anbot. Im Schatten der Palmen ließ der Karawanenführer die Tiere niederknien. Die Hirten luden die Satteltaschen ab und tränkten die Tiere. Die Kinder spielten ausgelassen zwischen den Palmenstämmen Fangen. Der junge Said, der wie eine Katze einen Palmenstamm erklommen hatte, bewarf die anderen Kinder mit vertrockneten Datteln.

Während einer der Kamelhirten die Ledersäcke mit Wasser füllte, fachte ein anderer Feuer an. Die Frauen packten ihren Proviant aus, und als der Tee in der Kanne brodelte, fanden sich die Kinder an der Feuerstelle ein. »Ihr seid tapfer«, lobte sie der Karawanenführer. »Bestimmt seid ihr hungrig von der langen Reise.«

Nachdem sich alle gestärkt hatten, bekam jeder noch eine Schale Tee.

Ein neugieriger Knirps wandte sich an Hamid: »Hast du das Tote Meer schon einmal gesehen?«

Der Alte lachte. »Ich war öfter dort, als es mir lieb ist. Unzählige Male habe ich die Salzkarawane dorthin begleitet.«

»Warum heißt das Meer das Tote Meer?«, wollte der Kleine wissen.

»Das Tote Meer ist ein besonderes Meer«, entgegnete Hamid. »Sein Wasser ist so salzig, dass kein Fisch und auch kein anderes Lebewesen darin existieren kann.«

»Ein Meer ohne Fische?«

Der Karawanenführer nickte. »Das Tote Meer liegt tief im Bauch der Erde. Wenn wir in zwei Tagen die Berge hinabklettern, werdet ihr den Druck auf den Ohren spüren! Einmal, als ich vor langer Zeit eine Karawane anführte, stolperte ein Kamel beim Abstieg. Nur mit Mühe konnten wir es vor dem Absturz retten. Und das Salz! In manchen Jahren haben wir mehr als hundert Säcke davon mitgenommen.«

»Was habt ihr mit so viel Salz gemacht?«, schaltete sich ein Mädchen ein.

»Wir haben Salzhandel getrieben. In den Jahren, in denen der Regen ausblieb, konnten wir für Salz Getreide eintauschen. Doch das ist lange her.«

Der Alte blickte versonnen in die Ferne.

»Unser Handel auf den Märkten der Städte florierte, bis eines Tages die Engländer unser Land eroberten. Sie verboten uns, mit dem Salz Handel zu treiben. Schwere Zeiten brachen für uns an. Erwischten die Soldaten einen Salzhändler, so beschlagnahmten sie das Kamel samt der Ladung und steckten den Händler ins Gefängnis.«

Der Karawanenführer gähnte. »Bevor wir aufbrechen, möchte ich mich noch ein wenig ausruhen. Der Weg ist weit und steinig.« Er streckte sich aus, und kurze Zeit später schlief er auch schon.

»Der Alte würde auch im Stehen schlafen«, flüsterte Nura, die Mutter der Zwillinge, Amira ins Ohr. »Er ist an Entbehrungen gewöhnt.«

Am späten Nachmittag zog die Karawane weiter. Der Weg war zwar steinig, doch sie kamen gut voran. Noch vor Einbruch der Dämmerung hielt der Karawanenführer Ausschau nach einem geeigneten Rastplatz. »Dort hinten, unter dem Felsvorsprung, werden wir unser Schlaflager aufbauen«, sagte er und deutete auf eine Schlucht. Er stieg von seinem Kamel ab und steuerte auf sie zu. Am Eingang zur Schlucht deutete er auf ein Aschehäufchen. »Das ist eine gute Feuerstelle«, sagte er. »Unter diesem Felsvorsprung findet jeder einen windgeschützten Platz zum Schlafen.«

Nura, die zwischen zwei großen Steinbrocken ein Plätzchen für sich und ihre Kinder gefunden hatte, winkte Amira zu sich. »Neben uns ist noch ein Platz für dich.« Sie ließ den Sand durch ihre Finger gleiten. »Der Sand ist hier feinkörniger als bei uns.«

Amira entlud ihr Kamel, und nachdem sie ein paar Steine zur Seite geräumt hatte, breitete sie ihr Schaffell aus und legte eine gewobene Decke darauf. Dann begab sie sich zur Feuerstelle.

»Setz dich«, sagte eine Frau, die mit dem Löffel im Topf rührte. »Die Weizensuppe ist gleich fertig.«

»Die Suppe duftet herrlich«, lobte der Karawanenführer, der hinzutrat.

»Ich hatte in meinem Beutel noch eine Handvoll getrockneter Tomaten«, lachte die Frau. »Das gibt der Suppe die richtige Würze. Was noch fehlt ist Salz.« Hamid griff in seine Gewandtasche und zog einen Beutel heraus. »Salz darf nicht fehlen.«

Als die Bäuche satt waren, kauerten sich alle um die Feuerstelle, zogen ihre Umhänge und Mäntel enger um sich und genossen den süßen Tee. Alles war still ringsum, nur das leise Knistern des Feuers war zu vernehmen. Mittlerweile war die Dunkelheit hereingebrochen. »Hörst du den Hund bellen?«, unterbrach Said die Stille.

Der alte Hamid lachte: »Hier leben weit und breit keine Menschen. Es ist kein Hund, sondern ein Fuchs. Vielleicht haben wir ihn von seinem Schlafplatz vertrieben.«

Die Kinder machten große Augen.

»Ihr braucht keine Angst zu haben«, sagte der älteste Hirte, »wir halten Wache.«

»Gibt es hier Räuber?«, wollte Aziza wissen.

»Wenn sich einer hierher verirrt, werden wir ihn gebührend empfangen«, beruhigte sie der Hirte und deutete auf seinen Dolch. »Und eine Feuerwaffe haben wir auch noch!« Er wechselte einen bedeutungsvollen Blick mit dem Karawanenführer. »Du solltest uns etwas erzählen.«

»Du hast recht«, erwiderte dieser. »Erzählen verkürzt die Nacht.« Der Karawanenführer schaute versonnen auf die züngelnden Flammen.