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»Amira« bedeutet Prinzessin, und Amira ist schön wie eine Prinzessin. Vierzig junge Männer möchten sie heiraten. Das sind so viele, wie die Halskette ihrer Großmutter Perlen hat. Aber nicht alle Perlen sind gleich, man muss schon genau hinsehen, um die Edelsteine von den unechten zu unterscheiden, sagt ihre Großmutter. Und genau so verhält es sich auch mit den jungen Männern. Amira entdeckt bei beinahe jedem etwas, was ihr nicht gefällt. Als schließlich nur noch drei übrig bleiben, gibt ihr die Großmutter noch einen Rat: »Kamele, Silber- und Goldmünzen sind nicht von Dauer. Wähle den, der dir die schönste Geschichte erzählt.«
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Seitenzahl: 154
Veröffentlichungsjahr: 2015
Vierzig junge Männer möchten die schöne Amira heiraten. Das sind so viele, wie die Halskette ihrer Großmutter Perlen hat. Aber nicht alle Perlen sind gleich, man muss schon genau hinsehen, um die Edelsteine von den unechten zu unterscheiden, sagt die Großmutter – und gibt Amira den Rat: »Wähle den, der dir die schönste Geschichte erzählt.«
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Salim Alafenisch (*1948) hütete als Kind die Kamele seines Vaters in der Negev-Wüste. Nach dem Gymnasium in Nazareth und einem einjährigen Aufenthalt in London studierte er Ethnologie, Soziologie und Psychologie in Heidelberg. Seit Langem beschäftigt er sich mit der orientalischen Erzählkunst.
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Salim Alafenisch
Amira — Prinzessin der Wüste
Erzählung
E-Book-Ausgabe
Unionsverlag
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Die Erstausgabe erschien 1994 im Ravensburger Buchverlag
© by Salim Alafenisch 1994, 2010
© by Unionsverlag, Zürich 2024
Alle Rechte vorbehalten
Umschlag: Andrey Kudinov
Umschlaggestaltung: Martina Heuer
ISBN 978-3-293-30694-3
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Cover
Über dieses Buch
Titelseite
Impressum
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Inhaltsverzeichnis
AMIRA — PRINZESSIN DER WÜSTE
VorgeschichteDie MeeresameisenDie Ziegen des glücklichen ArabienDer UnglücksrabeMehr über dieses Buch
Über Salim Alafenisch
Ein Film über und mit Familie Alafenisch im Negev
Salim Alafenisch: »Kleine Kerzen in der Dunkelheit zünden«
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Meiner Tochter Sarah Raiqa gewidmet
Vor langer Zeit lebten Omar und Fatima. Sie waren Vetter und Kusine und gehörten zum Stamm der Banu-Asad, dem Stamm des Löwen. Ihr Stammesgebiet lag im großen und breiten Arabien.
Omar und Fatima kannten einander von Kindesbeinen an. Beide wurden im selben Frühling geboren. Omar kam zur Welt, als die ersten Frühlingskräuter sprossen, und Fatima wurde am Ende der Weidezeit geboren, als die Weidepflanzen schon hochgeschossen und die Samen fast reif waren. Beide wuchsen im selben Zeltlager auf. Als kleine Kinder spielten sie miteinander neben den schwarzen Zelten des Stammes. Da Omars Vater und Fatimas Vater Brüder waren, hatten sie ihre Zelte nebeneinander aufgeschlagen. So lebten die Familien beisammen, und die Herden lagerten vor den Zelten. Mal hielt der eine Bruder Nachtwache, mal der andere, um die Tiere vor Wölfen und Dieben zu schützen.
Als Omar und Fatima in ihrem siebten Frühling waren, wurden sie mit der Aufgabe betraut, die Zicklein unweit des Zeltlagers zur Weide zu führen. Drei Frühlinge lang weideten sie ihre kleinen Herden. Die Zicklein wuchsen von Tag zu Tag, und auch Omar und Fatima wurden größer. Bald reichten ihnen ihre Gewänder nur noch bis zu den Knien, und ihre Zehen ragten aus den Sandalen.
Eines Morgens, als Omar seine kleine Herde um sich sammelte, sprach ihn der Vater an: »Omar, mein Sohn. Du brauchst jetzt breite Sandalen und ein langes Gewand. Ab heute wirst du die Ziegen zur Weide führen.«
»Und wer kümmert sich um die Zicklein?«, fragte Omar.
»Deine jüngere Schwester löst dich ab«, lächelte der Vater und strich mit einer Hand über den Haarzopf des Jungen.
Doch Omar schien von der Idee nicht begeistert. Der Vater spürte sein Zögern. »Omar, was bedrückt dich?«
Der Sohn schwieg und wandte seinen Blick zu den Zicklein, die ungeduldig vor den Zelten hin und her sprangen.
Während der Vater ins Scheichzelt ging und sich zu den Männern gesellte, um gewürzten Kaffee zu trinken, schossen zahllose Gedanken durch Omars Kopf. Er dachte an seine Kusine Fatima: Es macht wenig Spaß, die Ziegen allein zu weiden, während Fatima neben den Zelten die Zicklein hütet.
Unwillig führte der junge Hirte die große Herde zur Weide. Sehnsüchtig blickte er von ferne auf das Zeltlager, das ihm wie eine rastende Ziegenherde erschien. Ungeduldig erwartete er den Abend. Als die glutrote Sonne sich dem Horizont zuneigte, trieb er seine Herde zur Eile an.
Im Zeltlager herrschte buntes Treiben. Die Zicklein sprangen hin und her vor Freude, als sie die Ziegen mit den prallen Eutern sahen. Jedes Zicklein hängte sich an seine Mutter und sog gierig die Milch. Zwillinge balgten sich um die Euter, bis jedes eine Zitze gefunden hatte. Der Duft von frisch gebackenem Fladenbrot erfüllte das Zeltlager.
Allmählich wurde es ruhiger in den Zelten. Die Zicklein lagen eng an ihre Mütter geschmiegt, nur ab und an vernahm man ein verhaltenes Meckern.
Omar stand versunken vor dem Zelt und betrachtete die funkelnden Sterne. Seine Mutter rollte einen bunt gewobenen Teppich vor dem Zelt aus, und die Familie scharte sich um die Schüsseln und Schalen. Als die Mutter Omar die Suppe und ein Fladenbrot anbot, schob dieser das Essen zurück.
»Mein Augenschein«, sagte sie. »Willst du die leckere Weizensuppe nicht essen?«
»Ich habe keinen Hunger«, gab Omar zur Antwort.
»Du hast dir doch gestern diese Suppe gewünscht«, schaltete sich der Vater ein.
Der Junge schwieg.
Die Mutter wandte sich ihrem Mann zu. »Hast du Streit mit Omar?«
»Ich habe ihn heute mit der großen Ziegenherde zur Weide geschickt, doch anscheinend behagt ihm das nicht«, erwiderte der Vater.
»Mein Sohn, du bist doch kein Kind mehr«, sagte die Mutter. »Deine kleine Schwester kann sich um die Zicklein kümmern.«
Der Vater und die Mutter schauten sich an und beendeten das Gespräch über das Thema.
Omar erhob sich und legte sich auf das Schlaflager. »Ich gehe in das Scheichzelt. Der Stamm erwartet heute Gäste«, bemerkte der Vater und machte sich auf den Weg.
Nachdem die Mutter dem Ziegenbock sein Futter gegeben hatte, schüttete sie Asche über die Glut. Dann legte sie sich zu ihren Kindern auf das Schlaflager. Diese erwarteten die Mutter voll Ungeduld, denn sie wollten die Geschichte von dem Brautkamel zu Ende hören. Die Erzählerin hatte schon seit Tagen ihre jungen Zuhörer auf den Ausgang der Geschichte neugierig gemacht. Sie löste ihren Kleidergürtel und streckte sich auf der Matratze aus. Neben ihr lagen die Kinder in einer Reihe. Die Mutter zählte die Köpfe unter den Wolldecken. Es waren sieben. Nur Omars Kopf lag verkehrt herum.
»Omar, willst du unsere Füße riechen?«, scherzte sie. »So kannst du mich schlecht hören.«
Der Junge blieb still. Es dauerte eine Weile, bis er nachgab und sich umdrehte, doch ließ er seinen Kopf gleich unter der Decke verschwinden.
Die Mutter war eine begabte Erzählerin. Sie entstammte einer Sippe, in der es eine Reihe von hervorragenden Erzählern gab. Selbst Omar ließ sich von der Stimme der Mutter beruhigen und schlummerte ein.
Die Mutter betrachtete die Reihe der Schlafenden. »Alle sind zugedeckt. Allah möge uns eine friedliche und glückliche Nacht bescheren«, murmelte sie und gähnte. Sie schob das Kopfkissen unter ihren Kopf, und bald hatte auch sie der Schlaf überwältigt. Alle schliefen so tief, dass keiner den Vater bemerkte, als er spät in der Nacht aus dem Scheichzelt eintraf und sich neben seiner Frau niederließ. Er lauschte den regelmäßigen Atemzügen der Schlafenden.
Als die ersten Lichtstrahlen und das Meckern der Zicklein die Familie am nächsten Morgen weckten, sagte der Vater schalkhaft: »Ihr alle habt ruhig und tief geschlafen. Ein Dieb hätte euch in der Nacht unbemerkt auf dem Kamelrücken davontragen können.«
»Ich habe den Kindern eine Gutenachtgeschichte erzählt«, antwortete die Frau.
»Ich weiß, deine Geschichten haben magische Kräfte«, lachte der Mann und griff nach dem Wassersack, um sein Gesicht zu waschen.
An diesem Morgen wirkte Omar entspannter. Beim Frühstück griff er nach der Milchschale und verzehrte eine Handvoll Datteln. Während die Kinder frühstückten, molk die Mutter die Ziegen.
»Heute wird Omar wieder die Ziegenherde zur Weide führen«, kündigte der Vater an und fügte hinzu: »Fatima wird ab heute auch die große Ziegenherde führen. Ihr kleiner Bruder löst sie mit den Zicklein ab. So könnt ihr euch zusammen die Langeweile vertreiben.«
Omar sprang bei diesen Worten vor Freude in die Luft und schwenkte seinen Stock. Die Eltern schauten sich viel sagend an und lächelten.
Von diesem Tag an verlagerten Omar und Fatima ihren Spielplatz vom Zeltlager auf die ferne Weide. Während die Tiere sich an den Gräsern und Kräutern gütlich taten, vertrieben sich Hirte und Hirtin die Zeit mit Sandspielen. Sand gab es in Hülle und Fülle, und es mangelte auch nicht an Spielfiguren: Kameläpfel, Ziegenperlen, Schneckenhäuser und Steine. Omar markierte mit seinem Finger im Sand die Spielfläche, während Fatima Spielfiguren sammelte. Und weil jeder beim Spielen einmal gewann und dann wieder verlor, gerieten sie nicht miteinander in Streit. Und für Langeweile war auch kein Platz.
Mit der Zeit wurden die Herden größer, denn bei der reichen Weide vermehrten sich die Tiere schnell. Auch Omar und Fatima schossen in die Höhe.
»Lass uns heute Puppen machen!«, schlug Omar eines Tages vor. »Diese Sandspiele langweilen mich allmählich.«
»Einverstanden«, erwiderte Fatima. »Ich habe Stoff, Faden und Nadel in meiner Tasche. Meine Mutter meint, ich solle das Sticken erlernen.«
»Willst du ein Hochzeitskleid sticken?«, scherzte Omar. Fatima senkte ihre Blicke.
Omar erhob sich, brach von einem Strauch zwei Zweige und entfernte mit seinem kleinen Messer die Blätter.
»Aus diesem Zweig machen wir eine Braut und aus dem anderen einen Bräutigam«, rief er.
Fatima betrachtete beide Zweige. Sie lachte.
»Was gibt es da zu lachen?«, wollte Omar wissen.
»Der Bräutigam ist kleiner als die Braut«, gab sie zur Antwort.
Omar errötete. »Dann tauschen wir die Zweige.«
»Nein«, widersprach Fatima. »Die Zweige sollen gleich groß sein, sonst haben die beiden Schwierigkeiten beim Küssen.«
Der junge Hirte schnitt einen weiteren Zweig ab.
Drei Tage lang arbeiteten Omar und Fatima, bis die Braut und der Bräutigam fertig waren. Sie legten die Puppen nebeneinander.
»Beide sind gleich groß«, sagte Omar zufrieden.
»Ich finde, die Braut ist schöner als der Bräutigam«, stichelte Fatima.
Omar betrachtete den Bräutigam lange. »Ich weiß, was ihm fehlt. Er hat noch keinen Schnurrbart.«
»Du hast recht«, bestätigte Fatima.
Omar schaute sich suchend nach dem Ziegenbock um. Als er nach dem Bart des Bocks greifen wollte, wehrte sich das Tier. Es schlug mit seinen Hufen aus und meckerte, so laut es konnte.
»Fatima, halt den Bock fest!«, rief Omar. Mit vereinten Kräften gelang es den beiden, dem Bock den Bart abzuschneiden. Fatima nähte ihn unter die Nase des Bräutigams.
»Der Schnurrbart des Bräutigams ist zu lang«, stellte Omar fest.
»Ja, das stimmt«, bekräftigte Fatima. »So erschrickt sich die Braut vor dem Bräutigam.«
Omar begann, mit dem Messer den Schnurrbart zu kürzen. Er begutachtete sein Werk. »Jetzt hat der Schnurrbart die richtige Länge. Er ist kürzer als ein Mäuseschwanz! Und nun legen wir Braut und Bräutigam nebeneinander.«
Fatima sammelte Palmwedel und bereitete das Hochzeitslager. Als Omar das Brautpaar mit seinem Kopftuch zudecken wollte, streifte seine Hand Fatimas Brust. Behutsam ließ er seine Hand nach unten gleiten und spürte eine kleine Erhebung.
»Was ist das?«, fragte Omar.
»Das ist eine Rosine«, erwiderte Fatima. Der Junge hielt die kleine Rosine zwischen Daumen und Zeigefinger fest.
»Das kitzelt!«, sagte das Mädchen. Es sprang hoch und versteckte sich hinter einer Palme. Omar folgte ihm. Doch Fatima war geschickter beim Rennen. Und als Omar über einen Stein stolperte, kletterte Fatima behände auf eine Palme. Während Omar sich noch bemühte, den Stamm zu erklimmen, saß Fatima bereits in der Krone, aß die süßen Datteln und ließ die Kerne auf Omars Kopf fallen.
Es dauerte eine Weile, bis Omar die Krone der Palme erklommen hatte. Er war außer Atem.
»Du brauchst mehr Kraft«, scherzte Fatima und fügte hinzu: »Ich habe gehört, dass du die leckere Weizensuppe nicht gegessen hast.«
»Woher weißt du das?«, fragte Omar und wischte sich die Schweißperlen von der Stirn.
»Es gibt keine Geheimnisse im Zeltlager«, erwiderte Fatima.
»Wer hat dir das erzählt?«, hakte der Junge nach.
»Die laue Abendbrise!« Das Mädchen lachte.
»Diese verdammte Palme!«, schimpfte Omar. Gierig stopfte er Datteln in sich hinein.
Nachdem sich beide satt gegessen hatten, betrachteten sie von der Krone der Palme aus die weidenden Herden. In der Ferne sahen sie eine Eselkarawane, die zum Brunnen zog. Ein leichter Wind kam auf und schaukelte die Krone.
»Mir wird schwindelig«, rief Fatima. »Ich bin nicht gewohnt, von einer Palme geschaukelt zu werden. Es ist anders als die Wiege im Zelt.«
Omar aber meinte: »Wenn die Palme uns weiter schaukelt, schlafe ich ein.« Der Wind wurde stärker und strich durch die Krone der Palme. »Halt dich fest!«, rief Omar. »Klammere dich an mich!«
Fatima schlug ihre Arme um Omars Hals, und er umschlang die Palme mit seinen Beinen, so fest er konnte. Mit einem Arm drückte Omar das Mädchen an sich.
»Nicht so fest!«, rief Fatima. »Ich bekomme keine Luft mehr!«
»Hier oben gibt es genug Luft«, scherzte der junge Hirte.
Als sich nach einer Weile der Wind gelegt hatte, löste sich Fatima aus Omars Armen, und sie setzten sich einander gegenüber. Der Junge strich über Fatimas Brust und entdeckte eine weitere Rosine.
»Auf der Krone der Palme kannst du mir nicht wegrennen«, triumphierte Omar und fragte sie: »Wie viele Rosinen hast du?«
»Zwei. Eine auf der rechten Seite und eine auf der linken«, erwiderte Fatima. »Hast du auch Früchte auf der Brust?«
»Meine Früchte sind kleiner als deine«, gab Omar zur Antwort.
»Zeig mir deine Früchte«, forderte das Mädchen.
Omar öffnete bereitwillig sein Gewand.
Fatima strich mit dem Mittelfinger über Omars Brust. »Du hast keine Rosinen, du hast Linsen!«, kommentierte sie. So vergnügten sich die beiden auf der Krone der Palme. Während Fatima Omars Linsen berührte, liebkoste Omar Fatimas Rosinen. Die beiden vergaßen alles um sich herum.
Erst als die Abendsonne die Palme in ein rötliches Licht tauchte, kamen sie zu sich.
»Die Sonne steht nicht mehr am Himmel«, rief Fatima erschrocken. »Wir müssen zurück ins Zeltlager.« Eilig kletterten sie den Stamm hinab. Sie schauten sich um, doch weit und breit waren keine Ziegen zu sehen. Omar und Fatima standen da wie angepflockt.
»Was machen wir jetzt?«, jammerte Fatima. »Was werden die Eltern sagen, wenn wir die Tiere nicht finden?« In Omars Kopf kreisten die Gedanken. Vielleicht haben Diebe die Herden gestohlen? Oder vielleicht sind sie Wölfen und Schakalen zum Opfer gefallen! »Fatima!«, rief er. »Du läufst in Richtung des Brunnens, vielleicht haben die Tiere Durst gehabt und sind bei der Wasserstelle. Und ich laufe zu den Getreidefeldern des benachbarten Stammes. Der verdammte Bock mag die Weizenähren! Wir treffen uns in der Schlucht vor unserem Zeltlager wieder.«
Während Omar wie ein Pfeil in Richtung der Getreidefelder losschoss, lief Fatima schnell wie eine Gazelle zum Brunnen.
Mittlerweile waren alle Herden in das Zeltlager zurückgekehrt, nur die Ziegen von Omar und Fatima waren weit und breit nicht zu sehen. Vergeblich wartete Omars Mutter mit der Schale in der Hand, um die Tiere zu melken. Die Zicklein meckerten und liefen ungeduldig hin und her, denn sie waren sehr hungrig.
»Wo mag Omar bloß stecken?«, rätselte die Mutter. »Er hat sich doch noch nie verspätet.«
»Vielleicht ist ihm etwas zugestoßen?«, mutmaßte der Vater.
»Aber er ist nicht allein«, wandte die Frau ein. »Seine Kusine ist mit ihm.«
»Fatimas Herde ist auch noch nicht im Zeltlager eingetroffen«, stellte der Vater fest und fragte einen Hirten, der gerade seine Tiere zusammentrieb: »Bist du heute Omar auf der Weide begegnet?«
»Nein, dein Sohn weidet seine Herde immer in einer anderen Ecke als ich«, gab der Hirte zur Antwort.
Auch Fatimas Eltern machten sich Gedanken um ihre Tochter. »Ich bin weniger besorgt um die Ziegen, ich sorge mich um meine Tochter«, sagte die Mutter und schaute ratlos in Richtung der Weidestelle.
Langsam legte sich Dunkelheit über das Zeltlager. Bellend liefen die Hunde einer läufigen Hündin nach. »Ihr steht tatenlos da und macht ein sorgenvolles Gesicht«, wandte sich Fatimas Mutter an die Männer. »Reitet los und sucht die Herden!«
Die Männer griffen nach den Sätteln, sattelten die Pferde, hängten sich ihre Schwerter um die Schultern und ritten los. Ein paar Augenblicke danach waren die Reiter in der Dunkelheit verschwunden, nur die Hufe der Pferde hörte man widerhallen.