Amish Vineyard - Pfadfinder - Norma Banzi - E-Book

Amish Vineyard - Pfadfinder E-Book

Norma Banzi

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Beschreibung

Leroy reist nach Malibu, um sich das Weingut anzusehen, das er ursprünglich als Spekulationsobjekt für den schnellen Weiterverkauf erworben hatte. Obwohl das Haupthaus und die Winzerei von den schweren Bränden verschont blieben, gibt es nicht mehr viele Weinstöcke, die abgeerntet werden könnten. Lohnt es sich, das Weingut trotz Wasserknappheit in Kalifornien wieder aufzubauen?

Zu seiner Sorge, bald von seiner amishen Gemeinde ausgeschlossen zu werden, weil er sich zu der Liebe zu einem Mann bekannte, gesellt sich die Furcht, dass Manuel ihm entgleitet, der in New York City von einem Arztkollegen umgarnt wird. So stolz Leroy auch auf Manuel ist, in eine renommierte Forschungsklinik berufen worden zu sein, hätte er ihn lieber ganz nah bei sich.

Als heimlicher Wanderer zwischen der amishen und der englischen Welt glaubte Leroy, auf die Umwälzungen in seinem Leben gut vorbereitet zu sein. Bei dem Projekt Pfadfinder stößt er allerdings an seine persönlichen und finanziellen Grenzen. Doch er darf nicht scheitern. Seine Verwandten verlassen sich darauf, dass er für sie eine neue Heimat findet.

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Norma Banzi

Amish Vineyard - Pfadfinder

Inhaltsverzeichnis

Was bisher geschah

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechzehn

Siebzehn

Achtzehn

Neunzehn

Zwanzig

Einundzwanzig

Zweiundzwanzig

Dreiundzwanzig

Vierundzwanzig

Ausblick:

Social Media:

AMISH VINEYARD Pfadfinder © Norma Banzi Erscheinungsdatum: 16.06.2023 Bildquelle: Depositphotos Gestaltung des Covers: Norma Banzi Edition Banzini Kurvenstraße 25 22043 Hamburgwww.banzini.de

Was bisher geschah

In Der Kostja-Clan Teil 4: Amish Connection freundet sich der Amish Leroy mit einem Gast seiner Familie namens Pjotr an. Leroy führt ein heimliches Doppelleben und kann nahtlos in die Rolle eines Engländers schlüpfen. Aber erst, als Leroy den Arzt Manuel in Amish Vineyard – Spaltung kennen- und liebenlernt, wird seine Sehnsucht nach Freiheit übermächtig. Mit seinen fünf Kindern und einer jungen Cousine als Nanny im Schlepptau, besteigt Leroy ein Wohnmobil in Richtung Malibu, wo er ein abgebranntes Weingut ersteigert hat. Als Pfadfinder soll er erkunden, ob sich dieser Besitz für die Besiedelung durch seine Großfamilie eignet.

(Dieses Buch ist keine Dokumentation über die Amish, sondern ein belletristischer Roman, in der sich die Autorin der Imagination bedient. Die Realität kann sich von den im Buch dargestellten Traditionen und Verhaltensweisen der Amish unterscheiden.)

Eins

„Da haben Sie sich aber etwas vorgenommen, Leroy“, meinte Ronda, die Fahrerin des Tourbusses und neigte den Kopf in Richtung Windschutzscheibe. Mit gerunzelter Stirn betrachtete Leroy die verbrannten und schwarz verkohlten Baumskelette, die die Straße säumten, auf der der Bus bei langsamer Geschwindigkeit entlangruckelte. Die Hitze der verheerenden Brände in diesem Teil von Malibu hatte den Asphalt aufgerissen. Schlaglöcher waren nur notdürftig geflickt worden, einige gar nicht. Diese Allee hatte im Katalog so gepflegt ausgesehen. Natürlich hatte Leroy beim Kauf des Weinguts gewusst, dass es vom Feuer erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden war. Aber etwas zu wissen und jetzt mit eigenen Augen zu sehen, waren zwei verschiedene Dinge.

„Ich plante ursprünglich, den Besitz mit Gewinn weiterzuverkaufen, als ich ihn bei einer Zwangsversteigerung günstig erwarb“, murmelte Leroy. Er schaute nach hinten, wo seine Kinder unbehelligt von den Sorgen, die ihn gerade plagten, ihre Hausaufgaben erledigten – oder so taten, als ob. Seine Tochter Mirjam spielte mit ihrer geliebten Katze Mina, Tobias und Phillip betrachteten sich die Sammelkarten, die sie an den vielen Tankstellen auf der gemütlichen Reise von New York nach Malibu erworben hatten. Nur Leroys Ältester Abel schien wirklich seine Nase in das Lehrbuch zu stecken.

Das Homeschooling seiner Sprösslinge forderte Leroy heraus, der selbst nur acht Jahre zur Schule gegangen war. Die Amish gestanden ihren Kindern nur eine Grundbildung zu. Das gehörte zu ihrer Lebensart und es gab kaum Ausnahmen. Wer studieren wollte, musste die Gemeinschaft verlassen. Im Laufe der Zeit hatte sich Leroy heimlich in seiner wenigen Freizeit so viel Wissen wie möglich angeeignet. Dennoch kam er mit der Methodik einiger Schulbücher nicht wirklich zurecht. Zum Glück unterstützte ihn sein Kindermädchen Bettina tatkräftig. Ihre Schulzeit lag noch nicht lange zurück und sie half ihm diskret aus, wenn er auf eine Frage seines Ältesten Abel keine Antwort wusste. So manches Mal hatte er innerlich schon geflucht, nicht einfach die Schulbücher und Lernhefte der Amish mit auf die Reise genommen zu haben.

Nein! Er wollte seiner Brut eine bessere Bildung ermöglichen, als ihm selbst zuteilgeworden war. Deshalb hatten er und seine Frau Mareshah sich nach Alternativen umgesehen und die Bücher eines renommierten Homeschoolingsystems gekauft.

Mareshah befand sich mit einer Freundin auf einer anderen Route ebenfalls auf Reisebus-Tour und würde noch einige Wochen unterwegs sein. Nachdem ihre langjährige, heimliche Lebensgefährtin Harriet sich von ihr getrennt hatte, benötigte sie dringend Abstand und Leroy gönnte ihr die Auszeit von ganzem Herzen. Andere amishe Männer hätten es vielleicht als Zumutung empfunden, für eine Weile die Hauptverantwortung für die Kinder zu übernehmen. Er dagegen verstand die Rolle eines Vaters nicht nur als Ernährer, der sich am Ende eines langen Arbeitstages in den Schaukelstuhl setzte und die Frauen den Haushalt machen ließ. Leroy hatte sich von Anfang an mit um die Kinder gekümmert. Außerdem unterstützte ihn auf der Reise, die sich nun dem Ende neigte, seine junge Cousine Bettina.

Diese lächelte Leroy aufmunternd zu. Auf ihrem Schoß saß das Nesthäkchen Janet und spielte mit den Bändern des Häubchens, das Bettina auf dem Kopf trug. Sehr experimentierfreudig war Bettina nicht mit ihrer Kleidung. Leroy hatte ihr zu verstehen gegeben, dass sie sich während ihres Rumspringas nicht an die Tracht der Amish zu halten brauchte. Aber sie fühlte sich einfach wohl, behauptete sie. Manchmal trug sie jetzt die Jeans, die Leroy ihr in einer Mall gekauft hatte, sowie ein altes Hemd von ihm. Praktisch nie sah man sie ohne Kopfbedeckung.

Auf dem Beifahrersitz neben der Fahrerin drehte sich Leroy zurück in Richtung Windschutzscheibe. Der Bus fuhr jetzt durch ein offen stehendes, vergittertes Tor, das vom Brand unbehelligt geblieben war. Das Haupthaus des Weinguts kam in Sicht und Leroy wunderte sich noch mehr. Wer, zum Teufel, hatte hellen Sand in die Mittelinsel des Vorhofs gestreut und nach Art des Zens geharkt?

„Nett“, kommentierte die Fahrerin, als sie den Bus daran entlangsteuerte.

Einmal tief ein und aus atmete Leroy.

„Kein Fan von Zen?“, fragte sie und kicherte dann über den Reim.

„Ich kenne die asiatische Kultur ein wenig und weiß sie durchaus zu schätzen. Aber da hat jemand seine Kompetenz überschritten“, grummelte Leroy.

„Ach, sieht doch besser aus als verdorrte Zierblumen.“

„Das stimmt natürlich“, gab Leroy zu.

Trockene Hitze schlug Leroy entgegen, als er aus dem Bus ausstieg und in Richtung der Glasfassade des halbrunden Entrees des Haupthauses schritt, das früher als Hotel gedient hatte. Glücklicherweise war es vom Brand verschont geblieben. Allerdings waren zahlreiche Fensterscheiben aus unterschiedlichen Gründen zerborsten und notdürftig mit Sperrholzplatten geflickt worden. Von den Fotos wusste Leroy, dass auch die repräsentative Vorderfront des Gebäudes einige Glasschäden davongetragen hatte. Nur sah er dort keinerlei Sperrholz. Jemand hatte das Glas fachgerecht ersetzen lassen – ohne seine Zustimmung. Leroy sah eine Flut von Rechnungen auf sich zukommen. Hatte sein Verwalter seine Kompetenzen überschritten oder vielleicht sein Kamerad Ning aus seiner Zeit als MMA Kämpfer, der hier ein vorübergehendes Zuhause gefunden hatte?

Da eilte Ning auch schon aus dem Gebäude und bei Leroy angekommen, umarmte er ihn wie einen lange vermissten Bruder.

„Willkommen im Ryokan der Heilung“, sagte Ning und sein breites Lächeln ließ Leroy die Stirn runzeln.

„Das ist natürlich nur eine Idee von mir. Ich habe mir erlaubt, da und dort etwas vorzubereiten, damit du einen Eindruck davon bekommst. Die Hazelnut-Ranch ist und bleibt natürlich dein Eigentum.“

„Fein, dass du dich daran erinnerst“, frotzelte Leroy. „Nachdem du ohne mich zu fragen die Glasfassade hast sanieren lassen.“

„Ach das! Mein Anwalt riet mir, mein Geld so schnell wie möglich in Geschäfte zu investieren. Umso weniger muss ich meiner zukünftigen Ex bei der Scheidung bezahlen. Mein Ehevertrag erlaubt mir, privates Geld für wohltätige Zwecke zu nutzen.“

„Und da hast du dir gedacht, dass du bei meinem Weingut anfängst?“, grummelte Leroy.

„Na ja, so ungefähr. In letzter Zeit sind mehrere Kämpfer an mich herangetreten und haben mich gefragt, wie ich es schaffte, so lange im Geschäft zu bleiben. Einige von ihnen fühlten sich ausgebrannt, andere wollten eine ruhige Trainingsstätte finden.“

Mit einer weit ausholenden Bewegung des Arms zeigte Ning auf das Gebäude. „Dein Hotel dort brachte mich auf die Idee der Herberge. Derzeit wohnen ein halbes Dutzend ruhebedürftige Männer und Frauen, alles Kollegen, in den Zimmern und helfen bei den Aufräumarbeiten.“

Leroy presste die Lippen aufeinander und betete um Geduld. „Ich habe keine Lizenz für einen Hotelbetrieb.“

„Sie zahlen mit ihrer Arbeitskraft – und das machen sie sehr gerne. Sie hatten noch nie so viel Spaß. Und natürlich legen wir alle für die Lebensmittel zusammen.“

„Hm!“, brummte Leroy und beobachtete Bettina dabei, wie sie Janet in den Sand der Mittelinsel setzte, damit diese darin buddeln konnte. Vielleicht sollte er ihr sagen, dass es sich nicht um einen Spielplatz handelte, sondern um einen Zen-Garten.

Ning störte sich jedenfalls nicht daran. Er lächelte und neigte den Kopf in Richtung Janet. „Deine Jüngste?“

„Ja!“

„Niedlich!“

Tobias und Phillip liefen im Hof um die Wette, Mirjam führte ihre Katze an der Leine über die halb vertrockneten Grasflächen.

„Dad! Bist du nicht neugierig, wie es im Haus aussieht?“, fragte Abel, der neben Leroy getreten war.

„Doch! Ich bin schon sehr gespannt, welche Überraschungen Ning noch für uns auf Lager hat.“ Freundlich war es nicht gemeint, doch Ning ließ sich davon nicht irritieren, lächelte strahlend und mit einer einladenden Handbewegung sagte er: „Ihr werdet begeistert sein.“

Das bezweifelte Leroy, aber er verbat es sich, ein vorschnelles Urteil zu fällen. Zunächst wollte er mit dem Flow gehen.

Im Eingangsbereich, dem früheren Empfang des Hotels, hingen über dem Tresen zwei Bilder mit asiatischen Motiven. Sie ersetzten die bisherigen Plakate, Hochglanzfotos von den Weinbergen.

„Wo sind die Poster hin?“, wollte Leroy wissen.

„Wenn du sie unbedingt zurückhaben möchtest, dann dreh die Bilder einfach um. Diese Motive hier malte Anderson. Ich habe ihn ermuntert, sein Talent zu pflegen, und kaufte ihm Farben, Leinwand und Pinsel. Die Bilder sind sein Gastgeschenk an dich.“

„Aha!“

„Anderson putzte auch den Kronleuchter.“ Mit dem Daumen zeigte Ning an die Decke. Hunderte geschliffene Glaskristalle geformt wie Weintrauben strahlten im hereinfallenden Tageslicht.

„Das war sicher eine Geduldsaufgabe.“

„Man kann den Kronleuchter elektrisch absenken. Aber ja, Anderson polierte zwei Tage an den kleinen Scheißerchen.“

„Dad? Weshalb riecht es nicht nach Rauch? Du hast gesagt, dass es hier vielleicht ein bisschen stinken wird.“ Abel kräuselte die Nase.

„Hier noch nicht“, meinte Ning. „Aber in den Räumen im hinteren Gebäudeteil.“

xxx

Die privaten Räumlichkeiten des Hotels befanden sich unter dem Dach. Überall standen Gefäße mit duftenden Blüten herum, die den Rauchgeruch kaschierten. Es gab sogar eine kleine Küche und der Kühlschrank war bis zum Rand gefüllt. Hier ließ es sich mit den Kindern gut leben, bis Leroy entschieden hatte, wie es mit dem Weingut weiterging. Ja, das Haupthaus und die Weinkellerei hatten das Feuer bis auf ein paar Blessuren wie zerborstene Fenster, Wasserschäden vom Löschwasser und dem Gestank nach Rauch gut überstanden. Das Land jedoch sah verkohlt und traurig aus, wohin auch immer Leroy seinen Blick aus dem Balkonfenster richtete. Natürlich hatte er bereits Fotos gesehen. So richtig hatten diese ihn aber nicht auf die Realität vorbereitet.

Leroy hörte Bettina in der Küche mit den Schüsseln klappern, die ein Gast des Ryokans vorbeigebracht hatte – asiatisches Essen wie Reis, Lachssushi, Misosuppe und Tonkatsu. Also für die knusprig gebratenen, panierten Hühnerschnitzel würden sich die Kinder bestimmt begeistern. Ob sie auch den Reis und die Soße auf Sojabasis mochten, stand auf einem anderen Blatt. Und rohen Fisch hatten sie noch nie probiert.

„Darf ich einen von den Reisbällchen mit Fisch probieren?“, rief Bettina in Richtung Balkon.

„Natürlich!“ Leroy versagte es sich, sie daran zu erinnern, dass sie nun erwachsen war und nicht für alles und jedes seine Erlaubnis benötigte. Sie würde es nicht verstehen, denn die amishe Gesellschaft war streng patriarchalisch aufgebaut. Unverheiratete junge Frauen wie Bettina standen unter der Fuchtel ihrer Väter oder älteren Brüder, denen sie zu gehorchen hatten. Bettina betrachtete Leroy, ihren älteren Cousin, als Respektsperson, dessen Führung sie sich zu unterwerfen hatte. Ihr Rumspringa änderte nichts daran. Erst als Alleinreisende hätte sie die Freiheit, für sich selbst zu entscheiden. Leroy hörte sie sagen: „Schmeckt gar nicht roh, irgendwie blumig. Wenn die Kinder das Rundliche nicht mögen, dann esse ich es.“

„Sushi!“, verbesserte Leroy sie und bewegte sich in Richtung Küche. Das Fenster ließ er zur Belüftung offen, schob aber das Fliegengitter davor. Er half Bettina, das Essen auf die Teller der Kinder zu verteilen, die es sich bereits an dem großen Tisch im Speisebereich des Wohnzimmers gemütlich gemacht hatten.

Hinweis:

Wer E-Books stiehlt, wird im nächsten Leben als Wurm wiedergeboren. Bei der Beurteilung durch das Schicksal wird nämlich nicht nur der Akt des Diebstahls an sich in die Waagschale geworfen, sondern auch der mit der Handlung verbundene abstoßende Geiz, die paar Kröten für ein E-Book nicht zahlen zu wollen. Die innere Hässlichkeit eines solchen Langfingers zeigt sich mit jedem Diebstahl eines E-Books, eines Songs oder eines Films mehr und mehr an seinem äußeren Erscheinungsbild. Mit anderen Worten: E-Book Diebstahl macht hässlich. Außerdem kann E-Bookklau schmerzhaftes Sodbrennen verursachen. Das sogenannte schlechte Gewissen sorgt nämlich für eine erhöhte Magensäureproduktion.

Zwei

Janet schlief unruhig und immer wieder musste Leroy sie trösten. Gegen drei Uhr nachts löste Bettina den total erschöpften Vater ab und nahm sie zu sich in ihr Zimmer. Leroy, der das Aufstehen um fünf Uhr morgens gewohnt war, erwachte erst um sechs mit müde verquollenen Augen. Froh, dass seine Kinder noch keinen Mucks von sich gaben, schlich er sich in das Bad eines der leer stehenden Hotelzimmer und überprüfte, ob dort das Wasser lief, was zum Glück der Fall war. Er duschte sich die Müdigkeit aus den Knochen.

In Little Hazelnut hätte Harriet die Kinder längst aus ihren Betten geworfen. Das Leben hatte sich jedoch von grundauf verändert. Den Kindern feste Regeln vorzugeben, war wichtig, wenn man so viele davon großzog. Sie dazu zu zwingen, mit ihm aufzustehen, das brachte Leroy nicht über das Herz. In seiner Kindheit hatte er seinen Großvater oft schimpfen hören, dass Faulheit ins Verderben führte und dem Teufel diente. Als ob Gott sich darum scherte, ob ein amisher Junge ausnahmsweise noch eine halbe Stunde länger im Bett blieb, weil ihm die Knochen wegen der schweren Erntearbeit vom Morgengrauen bis spät in die Nacht weh taten. Gott und den Teufel ins Spiel zu bringen, um seinen Kindern Disziplin beizubringen, das hatte Leroy nicht nötig und er ließ die Schreckgespenster dort, wo sie hingehörten – in der Vergangenheit seiner eigenen Kindheit. Solche Erziehungsmaßnahmen waren nach und nach mit dem Tod seiner Großeltern weniger geworden und schließlich ganz verschwunden. Freilich hatten auch Mutter und Vater gelegentlich die Bibel herangezogen und aus ihr vorgelesen, um eines ihrer Kinder zu disziplinieren. Aber sie hatten nicht suggeriert, dass jede noch so kleine Verfehlung gleich eine Verführung des Teufels sei.

Der Aufenthalt auf der Hazelnut-Ranch fühlte sich für Leroy nicht an wie das Ende einer Reise, eher wie ein Zwischenstopp. Sollten sich die Kinder also ruhig eine Weile an ihren Ferien erfreuen. Der Alltag mit all seinen Pflichten kam früh genug zurück. Außerdem genoss Leroy die Stille.

Auf dem Weg ins Erdgeschoss erhielt er eine SMS von Mareshah. Den zweiten Tag in Folge teilte sie ihm mit, dass sie wegen Problemen mit dem Handyempfang nicht zu erreichen sei. Leroy runzelte die Stirn und wunderte sich darüber. Erst einmal akzeptierte er die Information, wenn auch mit einem unbehaglichen Gefühl in der Magengegend. Morgen würde er nachforschen, sollte sie dann immer noch in einem ominösen Funkloch stecken.

Leroy seufzte. Auch der Kontakt zu seinem Lover Manuel verlief eher schleppend, hatte aber andere Ursachen. Derzeit befand sich Manuel in New York City und assistierte in der modernen Forschungsklinik Hope bei den Vorbereitungen zur Trennung von siamesischen Zwillingen, die sich ein Herz teilten. Wer einen genialen Arzt liebte, der musste eben auch Funkstille in Kauf nehmen, weil der Liebste gerade im Team mit anderen brillanten Medizinern zwei Leben rettete.

Im Erdgeschoss suchte Leroy den Speiseraum in der Hoffnung auf, die Kaffeemaschine zu finden. An einem Büffet stand ein Mann mit weißer Schürze und lächelte ihn an. „Misosuppe?“

„Kaffee?“, gab Leroy zurück und erntete ein bedauerndes Lächeln.

„Ning meint, Tee sei besser für eine gesunde Lebensweise.“

„Mit dem werde ich ein Wörtchen reden“, grummelte Leroy und nahm die Schale mit Misosuppe, die ihm demonstrativ hingehalten wurde. Er setzte sich an einen der Tische, auf denen zur Dekoration kleine, gefaltete Papiertiere standen, und schlürfte die Suppe. Ob Ning oder einer seiner Gäste das Origami gebastelt hatte, überlegte Leroy müde. Ihm gefielen die zarten Papierkonstruktionen und ihr Anblick wirkte sich positiv auf seine Stimmung aus.

Er winkte der Fahrerin, die gerade den Raum betrat. Sie grüßte zurück, ließ sich ebenfalls Suppe und eine Schale Eierreis geben, und setzte sich zu Leroy an den Tisch.

„Ich werde nach dem Frühstück aufbrechen. Es war mir eine Freude, Sie und Ihre Familie von New York nach Malibu zu fahren, Leroy.“

„Wir haben zu danken. Ich hoffe, die Kinder waren nicht zu unbequem und laut.“

„Ach nein, überhaupt nicht.“ Ehrlich lächelte Ronda ihn an.

Leroy kramte aus der Hosentasche seiner Jeans einen gefalteten Scheck heraus und schob ihn über den Tisch. Er hoffte, dass er die Höhe des Trinkgelds richtig einschätzte. Sie runzelte die Stirn.

„Sie dürfen doch Trinkgeld annehmen?“, fragte Leroy.

„Nun, verboten ist es nicht. Ich werde von der Matunus sehr gut bezahlt und die Fahrt mit Ihnen und Ihrer Familie machte mir wirklich Spaß. Mir ein Extra zukommen zu lassen, ist wirklich nicht nötig.“

„Ich bestehe darauf.“ Leroy schob den Scheck noch näher zu ihr hin. Sie zögerte einen weiteren Moment und steckte ihn dann ein, ohne auf die Summe zu schauen. Gut gelaunt tauschten sie einige Anekdoten aus, die sich auf der Reise zugetragen hatten, bis Ronda sich verabschiedete. Leroy übernahm es, die nun leeren Schüsseln auf den Geschirrwagen zu stellen.

„Gerade findet das Thai Chi im Trainingsraum statt, falls Sie daran teilnehmen möchten“, meinte der Koch.

„Ich überlege es mir. Danke für die Info!“

Der Koch lächelte. Seine mehrmals gebrochene Nase signalisierte Leroy, dass er wahrscheinlich ein MMA-Kämpfer war. Der nun die Höflichkeit praktisch aufsaugte, die Leroy ihm gegenüber gezeigt hatte. Leroy nickte ihm zu und schlenderte in Richtung Trainingsraum. Dort zog er vor der Tür die Schuhe aus und gesellte sich zu den derzeitigen Bewohnern der Herberge. Ning gab den Trainer und Leroy hatte nichts dagegen, seinen Bewegungen zu folgen, eine Frage der Etikette. Wollte er seine eigenen Bewegungsabläufe trainieren, dann konnte er sich als Trainer für den nächsten freien Spot eintragen.

Die Übungen empfand Leroy als beruhigend und friedlich. Danach sprach ihn Ning an. „Im Nebenraum findest du lockere Kleidung.“

„Meine Jeans sind locker“, beschied ihm Leroy.

Ning bewegte den Kopf hin und her, ließ es aber dabei bewenden.

„Kaffee!“, erklärte Leroy.

„Hm?“

„Gibt es hier Kaffee? Wenn nicht, dann bestell welchen auf meine Rechnung.“

„Wir haben genug Kaffee, aber ...“

„Mir ist schon klar, dass du hier versuchst, verschiedene Einflüsse eines asiatischen Klosters zu etablieren – einfaches Leben, schlichtes Essen und Kräutertee statt Kaffee. Nur sind die Gäste keine Mönche. Eine größere Auswahl von Getränken wird dein Konzept nicht gleich vereiteln.“

Nachdenklich neigte Ning den Kopf. „Vielleicht hast du recht. Ich werde die große Kaffeemaschine wieder in Betrieb nehmen. Das dauert aber ungefähr eine Stunde.“

„In Ordnung!“ Leroy sah sich noch eine Weile im Erdgeschoss um und setzte sich dann auf die Terrasse, die er entdeckte. Auf dem Handy las er die übliche Online-Zeitung, die er abonniert hatte. Sein Magen knurrte. Lange hatte die Misosuppe nicht vorgehalten. Gerade wollte er sich erheben, als der Koch mit einem Tablett ankam. Es duftete nach Rührei, frisch gebackenem Brot und Kräutern. Außerdem nach Kaffee. Innerlich jubelte Leroy.

„Ning meinte, Sie bräuchten ein herzhaftes Frühstück. Im Ei sind Zwiebeln und Kräuter. Allerdings gibt es hier keinen Bacon. Ning hält den Genuss von Schweine- und Rindfleisch für ungesund. Stattdessen brachte ich Ihnen einen Streifen Räucherlachs.“

„Das ist sehr aufmerksam von Ihnen. Danke!“

Der Koch stellte das Tablett auf den Tisch und nach einem „guten Appetit!“, entfernte er sich. Leroy ließ sich das Frühstück schmecken und vermisste den Bacon nur ein bisschen. Danach blickte er auf den Vorhof mit dem Zen-Garten, dessen Sand nun wieder sorgfältig gepflegt war. Er überlegte, wie sehr Ning sein Herz in das Projekt der klösterlichen Herberge gesteckt hatte. Vielleicht hatte er Interesse daran, das Hotel zu kaufen. Dann konnte Ning hier agieren, wie er wollte.

Absurd erschien Leroy die Idee nicht, eine amishe Siedlung in der Nähe eines Ryokans zu bauen. Amish lebten oft in unmittelbarer Nachbarschaft mit Engländern. Ob das Land hier sich für die Zukunftspläne der Großfamilie Hochleitner eignete, würde sich bald zeigen. Optimistisch fühlte Leroy sich nicht. Der Anblick der verbrannten Bäume gestern hatte seinen Plänen einen Dämpfer auferlegt.

Leroy sah auf das halb vertrocknete Gras des Vorhofs herab. Da und dort erblickte er grüne Büschel. Das Gras ließ sich nicht von der Trockenheit unterkriegen.

Im Bundesstaat New York waren die Winter kalt und die Sommer keine große Freude. Hier gab es bestimmt viele heiße Sonnentage. In der Hitze zu arbeiten, war sicherlich beschwerlich. Leroy würde das Wetter auf sich wirken lassen müssen. Fühlte es sich besser an als zuhause?

xxx

Der Verwalter Paolo Brasso fand sich gegen neun bei Leroy ein, der noch immer auf der Terrasse saß und nun seinen Kindern beim Toben zusah. Um die quengelige Janet kümmerte sich Bettina, die es besser schaffte, das kleine Mädchen zu füttern und ihr gelegentlich ein Lächeln zu entlocken. Man brauchte kein Genie zu sein, um zu erkennen, wie sehr Janet ihre Mutter vermisste.

„Gehen wir ein Stück“, meinte Leroy zu seinem Angestellten. Und zu den Kindern gewandt ermahnte er sie: „Seid bitte nicht allzu laut und achtet aufeinander.“

Er blickte jedem von ihnen in die Augen und erntete ein Nicken. „Hört auf Bettina!“

Der Verwalter lenkte seine Schritte in Richtung Weinkellerei, die über einen Fußweg vom Hotel aus erreichbar war. „Im Prinzip wäre hier alles bereit für das Keltern des Weins. Nur gibt es keine Trauben, die wir ernten könnten“, erklärte er.

„Befindet sich noch Wein in den Stahltanks?“, wollte Leroy wissen.

„Leider nein. Die vorherige Eigentümerin verkaufte ihn für einen kläglichen Betrag an einen Großhändler. Ich glaube, der noch zu junge Wein landete schließlich bei einem Essigproduzenten.“

„Traurig.“

„Der überstürzte Verkauf stopfte die finanziellen Löcher leider nicht genug und infolgedessen besitzen jetzt Sie die Ranch. Was haben Sie damit vor?“ Interessiert musterte Paolo Leroy.

„Das habe ich noch nicht endgültig entschieden. Sie sagten, es gibt Probleme mit dem Grundwasser?“

Die Großwinzer pumpen zu viel davon ab und die wenigen, übrig gebliebenen kleinen Familienbetriebe haben das Nachsehen. Die frühere Besitzerin wollte ihre Ranch keinesfalls an den Großwinzer Mandoni verkaufen. Daher fädelte der Auktionator die Versteigerung so ein, dass Mandoni davon nichts mitbekam.“

„Ach, das ist möglich?“, wunderte sich Leroy.

„Der Chef des Auktionshauses ist ihr Neffe“, erklärte Paolo und blickte dann Leroy vorsichtig an, als hätte er zu viel verraten. „Ich kann ihnen versichern, dass die Auktion ordnungsgemäß und seriös abgewickelt wurde.“

Leroy zuckte mit den Schultern. Er fühlte sich nicht über den Tisch gezogen.

„Vielleicht verkaufe ich an einen der Großwinzer. Ist das ein Problem für Sie?“

„Nein, keineswegs. Der Chefin war klar, dass unter den potentiellen Käufern wahrscheinlich Investoren sind, die die Ranch als Spekulationsobjekt betrachten. Ihr war es nur wichtig, nicht an Mandoni direkt zu verkaufen. Was danach passiert, liegt nicht mehr in ihrem Einflussbereich. Sie arbeitet jetzt im Nappa Valley als Somelier.“

Leroy nickte. Was sollte er auch sagen. Er kannte die frühere Besitzerin seines Weinguts nicht persönlich.

„Soll ich Sie jetzt über das Land fahren, damit Sie die Weinfelder begutachten können – oder das, was davon übrig ist.“

Erneut nickte Leroy und Paolo führte ihn zur Garage.

Drei

Endlich traf eine Nachricht von Manuel ein, leider nur eine aufgezeichnete. Leroys Herz hüpfte vor Freude darüber und er unterbrach sofort seine Arbeit an der Sicherheitsabsperrung des leeren Pools im Innenhof des Hotels. Aus dem Speiseraum holte er sich eine Tasse Kaffee und setzte sich dann auf eine Bank unter den Haselnussbaum in dem Teil des Gartens, der seltsamerweise vom Feuer verschont geblieben war. Als hätte eine höhere Macht diesen Baum während der verheerenden Stunden geschützt. Da und dort sah Leroy um sich herum Büschel von Gras auf der einstmals gepflegten Wiese nachwachsen. Dennoch hegte er keine Illusionen über den Zustand seines Besitzes. Die Besichtigungstour hatte ihm die Augen geöffnet. So symbolträchtig er das Überleben des Hasels auch fand, durfte sich Leroy nicht davon beeindrucken lassen. Seine Entscheidungen sollten besser auf logischen Schlussfolgerungen basieren und nicht darauf, wie oft Vater erzählt hatte, dass er Mutter zum ersten Mal unter einem Haselnussbaum in Frankreich geküsst hatte.

Leroy trank noch einen Schluck Kaffee, stellte die Tasse neben sich auf die Bank und angelte das Handy aus der Hosentasche seiner Jeans.

In dem kurzen Video zeigte Manuel ihm ein paar Gewebeproben, die in einem Labor aufbewahrt wurden. Was auch immer Leroy da präsentiert wurde, sah für ihn ein bisschen ekelig aus, aber Manuel erzählte so stolz und eifrig davon, dass sich Leroy mächtig für ihn freute. Bis einer von Manuels Kollegen ins Bild trat, ihm einen Arm um die Schultern legte und ihn zur Eile anhielt.

Was, zum Teufel?

„Oh, ich habe vergessen, dass Edwin und ich zum Essen verabredet sind. Hörst du meinen Magen knurren? Regelmäßige Mahlzeiten sind wichtig, ermahnt uns die Projektleiterin Dr. Weber immer wieder. Einmal am Tag lässt sie allen Teammitgliedern sogar Sandwiches liefern – mit unseren Namen darauf. Und wehe, die Sandwiches liegen am Abend noch im Kühlschrank oder in einem der Mülleimer. Ist das zu fassen? Sie lässt vom Hausmeister die Mülleimer auf verschwendetes Essen durchsuchen.“

„Na ich hoffe, du isst dein Sandwich auch“, murmelte Leroy und gleich darauf lieferte ihm die Aufzeichnung die Antwort. „Die Sandwiches sind richtig, richtig lecker und ich verstehe nicht, wie Dr. Weber es schafft, aus unserem knappen Budget die Kosten dafür zu finden. Ich glaube, ihr Ehemann ist reich und sie bezahlt die Sandwiches aus eigener Tasche. Vielleicht sollte ich ihr anbieten, das Geld für meine Brote zu erstatten. Was meinst du, Leroy?“ Manuel drehte sich um und winkte seinem Kollegen zu, der ungeduldig an der Tür wartete. „Ich muss los! Grüß Mareshah und die Kinder von mir.“ Manuel lächelte noch in die Kamera und danach endete das Video.

Eifersüchtig sah Leroy es sich ein zweites Mal an. Dieser Kollege verhielt sich zu besitzergreifend für Leroys Geschmack und sah auch noch unverschämt gut aus. Was, wenn Manuel für dessen Avancen empfänglich war? Leroy litt nicht an mangelndem Selbstbewusstsein und zweifelte nicht an seiner eigenen Attraktivität. Er wusste, dass Manuel ihn sexy fand. Aber vielleicht entschied Manuel in New York City, dass ihm Leroy zu ungebildet war und als verheirateter Familienvater zu viele Probleme mitbrachte. Ein attraktiver Single wie dieser Kollege, mit dem er sich auch fachlich austauschen konnte, brachte ihn bestimmt in Versuchung.

Verdammt, noch mal! Die Eifersucht seiner Schwester Harriet hatte Leroys Alltag die letzten Jahre erschwert und seine Ehe mit Mareshah sehr belastet. Er wusste also um die Giftigkeit dieses Gefühls und wollte es nicht mehr in seinem Leben haben. Zwischen ihm und Manuel gab es keine Vereinbarung, sich treu zu sein, und der Status ihrer Beziehung stand in der Schwebe. Manuel hatte also alles Recht der Welt, in New York mit einer anderen Person zu schlafen, wann immer er Lust hatte. Dieser Gedanke schmerzte Leroy, aber er schob ihn weg und distanzierte sich davon. Manuel blieb nicht ewig in New York und kehrte in einigen Wochen nach Kalifornien zurück. Dann bekam Leroy seine Chance, ihn erneut zu umwerben und das Band zu ihm enger zu knüpfen. Bis dahin musste Leroy geduldig sein und durfte die Hoffnung nicht verlieren. Er zerbrach sich den Kopf, was er Manuel kurzfristig als kleine Aufmerksamkeit bestellen und nach New York schicken lassen konnte. Vielleicht beriet er sich zu diesem Thema mit Mareshah, seiner Ehefrau und besten Freundin. Ihr würde etwas einfallen. Er wählte ihre Nummer, doch leider lief sein Anruf wie so oft in letzter Zeit auf die Sprachbox. Verflixt!

xxx

Am Nachmittag besichtigte Leroy die ungenutzten Büros des Hotels und okkupierte eines für sich. Er setzte sich an den Schreibtisch, legte seinen Laptop darauf und hoffte, dass er seinen Vater um diese Zeit erreichte. Es dauerte eine gefühlte halbe Ewigkeit, bis Johann sich meldete. „Diese modernen Geräte sind mir ein Graus“, murmelte er und schaute stirnrunzelnd in die Kamera.

„Aber du hast es hinbekommen, meinen Videoanruf entgegenzunehmen“, sagte Leroy und lächelte.

„Auch ein alter, vertrockneter Knochen wie ich kann noch etwas dazulernen, Sohn. Was gibt es denn so Wichtiges, dass du mich bei meinem Nachmittagsschlaf störst?“

Leroy war sich sicher, dass er seinen Vater nicht aus dem Schlaf gerissen hatte. Johann hatte sich sein Leben lang nur dann nachmittags aufs Ohr gelegt, wenn er Mutter hatte überreden können, sich ebenfalls Ruhe zu gönnen. Und die beiden hatten zu diesen Gelegenheiten wahrscheinlich nicht geschlafen.

Silvergirl, die eigentlich Manuels Hündin war, aber die derzeit Vater tröstliche Gesellschaft leistete, schaute neugierig über die Tischkante. Johann streichelte sie und drückte sie sanft davon weg. Bestimmt legte das Tier jetzt den Kopf auf dessen Oberschenkel. Ganz genau musterte Leroy seinen Vater. Die Trauer um Mutters Tod hatte tiefe Falten in seine Züge gegraben und er wirkte um zehn Jahre gealtert. Aber er hielt sich straff und blieb weiter am Leben seiner Kinder und Kindeskinder interessiert, ja er plante sogar, mit ihnen zu ziehen, sobald ein neues Siedlungsgebiet gefunden worden war.

Erwartungsvoll blickte Johann und hob eine Braue. Leroy schluckte und sagte:

„Es geht um das Weingut. Ich denke, es ist nicht für unsere Zwecke geeignet. Das Feuer hat praktisch alle Felder zerstört. Von den Weinstöcken ist nicht viel übrig geblieben und es gibt erhebliche Probleme mit der Wasserversorgung.“

„Aus Asche kann neues Leben entstehen“, wandte Johann ein.

„Sofern genug Wasser vorhanden ist.“

„Worin genau liegt das Problem?“

„Zu wenig Niederschläge und die Großwinzer ziehen zu viel Grundwasser aus dem Boden. Daher haben die kleineren das Nachsehen.“

„Also willst du dieses Objekt aufgeben, vielleicht an einen Großwinzer verkaufen und weitersuchen?“

Leroy rieb mit der Faust an seiner Brust.

---ENDE DER LESEPROBE---