Andernorts - Doron Rabinovici - E-Book

Andernorts E-Book

Doron Rabinovici

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Beschreibung

Weshalb polemisiert der israelische Kulturwissenschaftler Ethan Rosen gegen einen Artikel, den er selbst verfaßt hat? Erkennt er seinen eigenen Text nicht wieder? Oder ist er seinem Kollegen Klausinger in die Falle gegangen, mit dem er um eine Professur an der Wiener Universität konkurriert? Ethan Rosen und Rudi Klausinger: Beide sind sie Koryphäen auf demselben Forschungsgebiet, und doch könnten sie unterschiedlicher nicht sein: Rosen ist überall zu Hause und nirgends daheim. Selbst der Frau, die er liebt, stellt er sich unter falschem Namen vor. Klausinger wiederum ist Liebkind und Bastard zugleich. Er weiß sich jedem Ort anzupassen und ist trotzdem ruhelos: Was ihn treibt, ist die Suche nach seinem leiblichen Vater; sie führt ihn schließlich nach Israel und zu Ethan Rosen. Dessen Vater, ein alter Wiener Jude, der Auschwitz überlebte, braucht dringend eine neue Niere. Bald wird die Suche nach einem geeigneten Spenderorgan für die Angehörigen zur Obsession. Und selbst der obskure Rabbiner Berkowitsch hat plötzliches Interesse an den Rosens. Herkunft, Identität, Zugehörigkeit – um und um wirbelt Doron Rabinovici in seinem neuen Roman "Andernorts" die Verhältnisse in einer jüdischen Familie, deckt ihre alten Geheimnisse auf und beobachtet sie bei neuen Heimlichkeiten. Am Ende dieser packend erzählten Geschichte sind alle Gewißheiten beseitigt. Nur eines scheint sicher: Heimat ist jener Ort, wo einem am fremdesten zumute ist.

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Seitenzahl: 312

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Doron RabinoviciAndernorts

Roman

Suhrkamp Verlag

ebook Suhrkamp Verlag Berlin 2010 © Suhrkamp Verlag Berlin 2010 Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Von Luise Söhle sind 2007 unter dem Titel andernorts Gedichte bei TRIGA – Der Verlag Gerlinde Heß erschienen.www.suhrkamp.de eISBN 978-3-518-74370-6

Für Schoschana und David Rabinovici In Erinnerung an Joseph Ortner

1956-2009

ojfn vejg stejt a bojm, stejt er ajngebojgn ale fegel fun dem bojm senen sich farflojgn tswej kajn misrach, draj kajn marev und der rest kajn dorem und der bojm gelost alejn hefker far dem storem sog ich tsu majn mamen harz: solst mir nor nit steren wel ich, mame, ajns und tswej, mir a foigl wern ich wel sitsn ojfn bojm und wel im farvign ibern winter ihm a trest mit a schejnem nign

Itzig Manger, 1901 (Czernowitz, Österreich-Ungarn) bis 1969 (Gedera, Israel)

1

Sie hoben ab. Er wurde in den Sitz gepreßt. Die Maschine stieg steil empor und zog eine Kurve. Er blickte hinaus über den Nachbarn hinweg. In der Tiefe tauchte die Stadt auf und die Flachdächer, kalkweiß oder pechschwarz, darauf Wassertonnen mit Sonnenspiegeln, ein Funkeln im Gegenlicht. Das Gestrüpp aus Antennen und Stromleitungen. Die Silhouette der Hochhäuser, die Diamantenbörse, die griechische Synagoge in Muschelform, der Platz vor dem Rathaus, Kikar Jizchak Rabin, die Alleen voller Bäume und Bauhaus und dann mittendrin ein Rumpf aus Altstadt samt Minarett und Uhrturm, jener Keil aus Vergangenheit, der ins Meer ragt. Tel Aviv und Jaffa, der Strand und danach nichts als Wasser, und das Kind, das er gewesen war, streckte mit ihm den Hals nach dem Land, auf das damals Vater und Mutter hinuntergezeigt hatten, als er, vier Jahre alt, zum ersten Mal abgeflogen war von hier.

Heimweh oder Reisefieber, was war es, das ihn überfiel? Er war im Höhenrausch, und zwischen Mutter und Vater sitzt der Bub, der er war, hockt in Ethan Rosen, Dozent am Wiener Institut für Sozialforschung, und Ethanusch, Tuschtusch, Ethanni, wie ihn seine Mutter rief, der kleine Etepetete, wie sein Vater scherzte, sieht die Pantomimen der Stewardessen. Ein Ballett für den Ernstfall. Die kurzen Röcke, die Häubchen im aufgesteckten Haar, ihre dunklen Strumpfhosen, und der kleine Ethanni in Knisterhöhe der Nylonbeine starrt auf den exotischen Tempeltanz, der von der samtenen Monotonie einer weiblichen Stimme begleitet wird. Abgehoben.

Nichts erinnerte jetzt noch an das Zeremoniell jener Hohepriesterinnen aus seiner Kindheit, nichts an die fein abgestimmten Bewegungen, die aus einer fernen Welt über den Wolken kommen mußten. Ein Kurzfilm mit Sicherheitsanweisungen, abgespielt auf heruntergeklappten Monitoren. Aus den Düsen der Klimaanlage strömte es trockenkalt. Er wußte, der Teint der letzten Tage, mehr lachsrot als goldbraun, würde in Schuppen abblättern. Er würde wieder als Bläßling ankommen. Seine Augen juckten. Die Lippen brannten. Nichts half gegen die Migräne des Soziologen Ethan Rosen, der Schmerz nahm zu, der Schädel wurde ihm eng. Bis drei Uhr früh war er an seiner Arbeit gesessen, hatte auf deutsch einen Aufsatz über Transkulturalität in der hebräischen Literatur geschrieben und danach in Ivrit einen Kommentar für eine israelische Zeitschrift, eine Polemik gegen jegliche Legitimierung von Folter. Solche journalistischen Artikel verfaßte Rosen in kaltem Zorn. Er sonderte diese Texte wie kleine Pakete voll Sprengstoff ab oder wie eine Batterie von Knallfröschen. Fünfzehn Minuten für fünftausend Zeichen. Während er die wissenschaftlichen Studien trocken anging, schäumte er in seinen Glossen auf, pulverte dort an Emotionen hinein, was er sich als Forscher versagte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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