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Wovor haben Sie Angst? Entsetzt schreit einer auf, als ihm eine Spinne über den Handrücken krabbelt. Ein anderer hat Angst vor dem Fliegen. Und wieder ein anderer bekommt fast Panikanfälle, wenn er sich in einem geschlossenen Raum befindet. Ist es vorstellbar, dass es Menschen gibt, die sogar Angst vor Clowns haben, vor Mundgeruch oder davor, ohne Mobiltelefonkontakt zu sein? Die Beispiele zeigen selbstverständlich Extremsituationen. Glücklich können sich jene schätzen, die über diese Ängste nur lachen können. Den Betroffenen selbst ist bei weitem nicht zum Lachen zumute. Ängste gehören zum Leben. Aber Angst ist nicht nur etwas Negatives. Deshalb ist es sinnvoll, das Thema Angst von verschiedenen Seiten zu betrachten. In manchen Fällen hilft Angst sogar Menschen, Besonderes zu erleben. Hier lässt sich von einem Kick oder einem Thrill sprechen. Wer erkennt, was ihm Furcht macht hat eine größere Chance, mit der Angst umzugehen. Er kann Angst in positive Energie umwandeln und mit der gewonnenen Energie Ängste überwinden. Im Sinne des angstfreien Lebens ist eine optimistische Lebensstrategie vorzuziehen. Im letzten Kapitel werden verschiedene Maßnahmen gezeigt, die helfen sollen, den Weg zum Optimismus zu ebnen oder zu stärken. Angst und Optimismus - spannende Themen. Stärken Sie Ihren Optimismus, stellen Sie sich der Angst und stärken dadurch Ihre Kräfte!
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Seitenzahl: 159
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Die Grundlage des Optimismus ist blanke Angst (Oscar Wilde)
INHALTSVERZEICHNIS
PROLOG
VON ANGSTHASEN UND FURCHTLOSEN
Angst, Furcht und Phobien begleiten das Leben
TEIL 1 – ANGST UND FURCHT
EIN LEBEN VOLLER ANGST?
ERSCHEINUNGSFORMEN DER ANGST
Angst-Spektrum
ANGOR UND TIMOR
Was ist Angst?
Was ist Furcht?
WAS MACHT ANGST MIT DEM MENSCHEN?
Beeinflusst Angst die Intelligenz und die Fantasie?
ANGST BESTIMMT DAS LEBEN?
Wer hat Angst vorm bösen Wolf?
Lust auf Angst
EINGEBILDETE ODER TATSÄCHLICHE ANGST?
Reale Angst
Irrationale Angst
Existenzangst
Lebensangst
Soziale Angst
Bindungsangst
Verlustangst
Kollektive Angst
Gold schürfen und Angst schüren
German Angst
TODESANGST AUSSTEHEN
Angst vor dem Tod
Tödliche Angst
Hypochondrie
Angst vor Kontrollverlust
Hyperventilation
ANGST VOR DER ANGST
Der Teufelskreis der Phobophobie
EIN LEBEN MIT PANIK UND FURCHT?
PANIK
Angstattacke
Traumatische Erfahrungen
Albtraum
FURCHT
Das ist fürchterlich
TEIL 2 – PHOBIE
PHOBIE – DIE ZWANGHAFTE ANGST
GRENZWERTIGE ÄNGSTE?
Was ist Phobie?..........
Angst, die übertrieben wirkt
Anthropophobie – der Mensch
Autophobie – Das eigene Ich....
Agoraphobie – Der Weg zur Arbeit und das soziale Umfeld
Triskaidekaphobie – Die Unglückszahlen
Nosophobie – Krankheiten und das medizinische Umfeld
Zoophobie – Tierisches
Sitiophobie – Umwelt und Natur
Coitophobie – Sex und Sexualität
Nekrophobie – Rund um den Tod
Keine Phobie, sondern Feindlichkeit
Phobien behandeln
TEIL 3 – WESHALB MUSS SICH DER MENSCH FÜRCHTEN?
DIE ÄNGSTLICHKEIT
WESHALB VERSPÜRT DER MENSCH ANGST?
Ursachen der Angst
Angst als Warnsignal
Angst ist übertragbar
ÄNGSTLICHKEIT ALS CHARAKTEREIGENSCHAFT?
Vorsichtig oder ängstlich?
Introvertiertes Verhalten
Ängstlichkeit – Genetisch oder antrainiert?
Vom unbedarften Kind zum überlegt vorgehenden Erwachsenen
Angsthase
Ängstlich – mutig – feige?
Angstzustände
TEIL 4 – DIE EIGENE ANGST BEHERRSCHEN
DIE ANGST BEHERRSCHEN
UMGANG MIT DER FURCHT UND DER ANGST
Die Angst beherrscht nicht den Menschen – der Mensch beherrscht die Angst
Vermeiden von Blackouts
KAMPF ODER FLUCHT
Wie geht der Körper mit der Angst um?
Angstverhalten
Schreck
Lampenfieber
Totstellreflex
Absichtlicher Angstaufbau
Vom Glauben über Angst zur Sicherheit
Das 4-Schritte-Modell als Strategie zum Angst- und Furchtabbau
Ängste helfen zu überleben
ÄNGSTE MINIMIEREN
„Ich stelle mich der Angst“.....
Furchteinflößende Situationen vermeiden
Ängste bagatellisieren
Angst kleinreden
Furcht verdrängen und leugnen
Übertriebenes Absichern
ZWÄNGE
„Ich muss alles kontrollieren!“
DER ANGST STELLEN
Gefahrensituationen verallgemeinern
Sich heldenhaft der Angst stellen
Furchtbewältigung
POSITIVE ANGST
DIE FURCHT, DIE KRAFT VERLEIHT
Unsicherheit abbauen –Sicherheit aufbauen
Der positive Thrill – Lust an der Angst
Kick – Der lustvolle Rausch
Über sich hinauswachsen
TEIL 5 –OPTIMISMUS AUSBAUEN..
DER POSITIV DENKENDE OPTIMIST
DAS LEBEN LIEBEN
Der lebensbejahende Mensch
Optimist versus Pessimist
Optimismus ist lernbar
OPTIMIST WERDEN
Lieben und leben lassen
Kontrolle – Vertrauen
Positiv denken
Positiv sprechen
Gewissheit schaffen und Ziele setzen
Realist bleiben
Verrückt sein
Neugierig und offen sein
Besser verstehen – mit Nachbarn reden
Ansprüche überdenken
Sich akzeptieren – Selbstakzeptanz
EPILOG
EPILOG – ZUM AUSKLANG
LEBEN OHNE ANGST …
… und optimistisch bleiben
STICHWORTVERZEICHNIS
KNIGGE ALS SYNONYM UND ALS NAMENSGEBER
UMGANG MIT MENSCHEN
Adolph Freiherr Knigge
„Besser ist es, an eines einzigen freien Menschen Seite zu leben und furchtlos und frei zu sein, als mit vielen andern sklavisch zu leben.“
Epiktet, gr. Philosoph (um 50 - 138)
Liebe Leserin, lieber Leser,
es darf zweifellos davon ausgegangen werden, dass fast jeder Mensch bereits mehrfach Angst verspürt hat. Angst gehört zum Leben dazu. Immer wieder gibt es Situationen, die Angst auslösen. Eine Person kann Angst oder Furcht vor Situationen oder vor Menschen haben.
„Welches Ergebnis mag die ärztliche Untersuchung bringen?“
„Werde ich unterwegs von blöden Gestalten bedroht?“
Manche fühlen sich genötigt zu bestätigen:
„Mir sitzt die Angst im Nacken.“
Sie drückt ihn sozusagen auf die Schultern und drückt seine Stimmung. Es ist ein quälender Zustand, vor allem wenn er über längere Zeit anhält. Das ist nicht gut.
Neben vielfältigen Ängsten gibt es die klassische Angst.
„Ich habe Angst vor Zahnarztbesuchen“ und der Furcht „Ich fürchte mich vor der morgigen Prüfung“.
Nicht vergessen werden soll aber auch, dass Angst eine wichtige Schutzfunktion ausübt. Sie signalisiert dem Menschen, dass ‚irgendetwas‘ nicht stimmt oder Gefahr droht.
Durch diese Warnung kann der Körper in Alarmbereitschaft versetzt werden und entsprechend reagieren.
Charakteristisch für die Angst ist, dass sie diffus ist, sich auf unbestimmte Konstellationen bezieht und damit kaum oder schwer zu greifen ist. Im Gegensatz zur Furcht, die konkret geäußert wird, an der gearbeitet werden kann.
Es lässt sich ein Unterschied zwischen Angst und Furcht erkennen. Die Angst ist schwammig, nicht greifbar, wohingegen die Furcht konkret und damit greifbar wird. So kann sie behandelt und gelöst werden.
Wer eine ‚nebelhafte‘ Angst verspürt, leidet unter Umständen sehr, weil er diese nicht bewältigen kann.
Kann er die Angst genauer beschreiben, wird sie zur Furcht. Dadurch kann an ihr gearbeitet werden.
Also: Nicht ängstlich sein, sich der Furcht zu stellen und sie zu bekämpfen.
Entsetzt schreit einer auf, wenn ihm eine Spinne über den Handrücken krabbelt (Arachnophobie).
Ein anderer ist nicht zu überzeugen, eine Urlaubsreise mit dem Flugzeug anzutreten (Aviophobie).
Und wieder ein anderer bekommt fast Panikanfälle, wenn er sich in einem verschlossenen Raum (Cleisiophobie) eingesperrt fühlt; nicht zu verwechseln mit der Klaustrophobie (Raumangst), der Angst vor dem Aufenthalt in engen Räumen (zum Beispiel im Aufzug) und schließlich mit der Agoraphobie, die die Angst auf weiten Plätzen beschreibt, die sogenannte Platzangst.
„Da stehen einem die Haare vor Schreck zu Berge!“
Ist es vorstellbar, dass es Menschen gibt, die tatsächlich Angst vor Clowns (Coulrophobie) haben, vor Mundgeruch (Halitophobie) oder davor, ohne Mobiltelefonkontakt (Nomophobie) zu sein?
Glücklich können sich jene schätzen, die über diese Ängste nur lachen können. Den Betroffenen selbst ist bei weitem nicht zum Lachen zumute.
Die Beispiele zeigen selbstverständlich Extremsituationen. Denn viele Menschen haben Angst oder Furcht vor neuen Situationen oder Herausforderungen.
Diese steigert sich manchmal bis zur Phobie.
Angst hat auch etwas Gutes, wird dadurch die Aufmerksamkeit gesteigert. Der Körper ist vorbereitet auf das, was folgt und hat damit die Chance, sich dagegen wehren zu können.
In manchen Fällen hilft Angst sogar Menschen, etwas Besonderes zu erleben. Hier lässt sich von einem Kick oder einem Thrill sprechen.
Ängstlich zu sein oder Angst zu haben scheint demnach nichts Ungewöhnliches im Leben zu sein. Unangenehm wird es erst dann, wenn Angst auf Dauer das Leben negativ beeinflusst oder zur Lebensstrategie wird. Deshalb ist es sinnvoll, das Thema Angst von verschiedenen Seiten zu betrachten.
Wer erkennt, was ihm Furcht einflößt, hat eine größere Chance, diese auf Dauer besser bewältigen zu können. Möglicherweise verliert er sogar total die Angst vor einem Angstauslöser. Er kann dann in Zukunft angstfrei mit dieser Situation umgehen.
Die gewonnene Energie kann in anderes investiert werden. Dadurch eröffnen sich neue Optionen durch das Leben zu schreiten. Mutiger, aufgeschlossener, optimistischer.
Angst kann sogar dazu beitragen, fast übernatürliche Kräfte zu entwickeln. Das hört sich ermutigend an.
Nach all den furchteinflößenden Themen wird im letzten Kapitel dieses Buches auf das Thema Optimismus eingegangen.
Obwohl nicht alles rosig auf dieser Welt sein kann, lässt sich hier gut von zwei Lebensstrategien reden, die eingeschlagen werden können: der pessimistische Weg oder der optimistische Weg.
Im Sinne des angstfreien Lebens ist der Optimismus vorzuziehen, da er das Leben angenehmer gestaltet, den Menschen glücklicher werden lässt und vielfältigere Erfahrungen zulässt.
Der Mensch wird im Laufe seines Lebens in diese oder jene Richtung geprägt.
Wenn er erkennt, dass er zu den Pessimisten gehört, kann er sich in dieser virtuellen Gruppe selbst bemitleiden und bemitleiden lassen.
Alternativ kann er entscheiden, Optimismus zu lernen. Ja, tatsächlich scheint es möglich, optimistisches Denken zu erlernen und nach und nach eine positive Lebenseinstellung zu ermöglichen.
In diesem Kapitel werden Verhaltensmuster des Pessimisten und des Optimisten gegenübergestellt und die jeweiligen Vorteile beleuchtet.
Im nächsten Schritt werden verschiedene Maßnahmen gezeigt, die helfen sollen, den Weg zum Optimismus zu ebnen oder zu stärken.
Ich wünsche den Leserinnen und Lesern dieses Ratgebers, dass sie es schaffen, mit Ängsten leichter umzugehen, mehr die guten Dinge im Leben zu sehen und der Zukunft optimistischer ins Gesicht zu schauen.
Viel Erfolg
Horst Hanisch
„Täglich wird bestraft, wer immer Angst hat.“ Publilius Syrus, röm. Moralist (geschätzt ca. 90 - 40 v. Chr.)
Der deutsche Germanist und Sportpsychologe Siegbert Arno Warwitz (*1937) unterscheidet verschiedene Erscheinungsformen von Angst. Er erstellte ein Angst-Spektrum mit folgenden Stufen.
Unsicherheiten. Wie es das Wort schon ausdrückt, wird hier ein Mangel an Sicherheit erkannt und möglicherweise als Gefahr bezeichnet.Hierunter versteht er beispielsweise Beklommenheit, Scheu, aber auch Zaghaftigkeit und generelles Vermeidungsverhalten unbekannter Situationen.
Zwänge, auch Zwangsstörung oder Zwangserkrankungen.Hierzu gehören beispielsweise der Kontrollzwang, Reinigungszwang, Zählzwang, Esszwang, Berührzwang.
Furchtformen. Die Furcht vor Berührungen, vor Verletzung, vor Versagen.Hier handelt es sich um eine konkret fassbare Gefahr.
Phobien. Das sind krankhafte Angstzustände, wie zum Beispiel die Phobie vor Spinnen.
Paniken. Wer unter einer Panik leidet, gerät in einen Zustand sehr intensiven Angstgefühls. Er fühlt sich bedroht. Die Bedrohung kann tatsächlich vorliegen oder nur angenommen sein.Hierzu gehören der Angstanfall (Panikattacke), die Schockstarre, die Katastrophenlähmung und andere.
Psychosen. Hier liegen deutlich schwere psychische Störungen vor. Der Betroffene verliert den tatsächlichen Bezug zur Realität.
In dieser Kategorie kommen neurotische Ängste vor, wie Verfolgungswahn bis hin zur Lebensangst.
Der Begriff Psychose taucht erstmalig im Jahr 1845 auf.Er wurde vom österreichischen Arzt Ernst Maria Johann Karl Freiherr von Feuchtersleben (1806 – 1849) verwendet.
Die Schwerpunkte im vorliegenden Text befassen sich mit der Ängstlichkeit und der Furcht sowie der Angst, der Panik und mit den Phobien.
„Die Phantasie der Angst ist jener böse, äffische Kobold, der dem Menschen gerade dann noch auf den Rücken springt, wenn er schon am schwersten zu tragen hat.“
Friedrich Wilhelm Nietzsche, dt. Philologe (1844 - 1900)
Die Begriffe Angst, Furcht und Phobie treten auch im täglichen Sprachgebrauch häufiger auf.
Manchmal werden die Begriffe im Alltag gleichbedeutend verwendet, weshalb auf sie zuerst eingegangen wird. Sie sollen voneinander abgegrenzt werden.
So soll klarer werden, was Furcht oder Angst konkret bedeuten und wie die Phobie hierbei zuzuordnen ist.
Was ist Angst? Lassen Sie es so erklären: Angst ist das Gefühl einer bedrohlich empfundenen Situation.
Monika ängstigt sich vor ‚Unwesen‘, die nachts durchs Haus schleichen. Besondere Furcht löst ein Gespenst mit einem Schlagstock bei ihr aus.
In der lateinischen Sprache gibt es den Begriff ‚angustus‘ beziehungsweise ‚angustia‘, was für Enge oder Beengung oder Bedrängnis steht.
Das lateinische Wort ‚angor‘ steht für ‚würgen‘. Vor dem unangenehmen Würgen lässt sich auch tatsächlich Angst haben.
Ist der Begriff ‚Angina Pectoris‘ bekannt? Eine Brustenge, oder Herzenge, die einen Schmerz in der Brust bezeichnet und sehr große Angst auslösen kann.
Einen vergleichbaren Begriff gibt es im Althochdeutschen ‚angust‘, der dem aktuellen Wort Angst schon ganz nahekommt. Auch er steht für beengend.
Angst beengt die freie Entfaltung. Sie lässt den Betroffenen zurückziehen, sich schützend ‚klein machen‘ oder gar verstecken.
Die ‚alten‘ Römer unterschieden zwischen Angst (angor) und Furcht (timor). Der erste Begriff bedeutet eine objektunbestimmte Angst.
Bei Furcht jedoch wird von einer objektbezogenen Situation ausgegangen.
Das Wort Furcht wurde im Althochdeutschen ‚for(a)hta‘ und im Gotischen ‚faurhtei‘ genannt.
Von Furcht wird dann gesprochen, wenn das Gefühl einer konkreten Bedrohung oder Gefahr besteht, die plötzlich wahrgenommen wird. Die Gefahr kann tatsächlich oder sie kann eingebildet sein.
Vor wenigen Jahren litten viele Menschen unter der Furcht vor dem Corona-Virus.
Da die Furcht rational begründbar ist, wird von einer realen Furcht beziehungsweise auch von einer konkreten Angst gesprochen.
Angst ist also eher etwas Diffuses, Furcht eher etwas Konkretes. Angstauslösendes kann geschehen im Gegensatz zum Furchtauslösenden, was aller Wahrscheinlichkeit nach geschehen wird.
Konkrete Furcht „Ich fürchte mich vor einem Wesen, das mir Böses tut.“
Es wäre wirklich zu schön, gäbe es einen eindeutigen Übergang zwischen Angst und Furcht.
Der Übergang kann leicht fließend sein. Deswegen ist es auch nicht ganz so schlimm, wenn die beiden Wörter im täglichen Sprachgebrauch miteinander verwechselt werden.
Zwei zehnjährige Jungen streichen neugierig und immer auf der Suche nach Unerwartetem durch ein Waldstück. Plötzlich stehen sie vor einem Höhleneingang.
Überrascht und auch etwas erschrocken bleiben sie stehen, da sie auf ihren bisherigen Streifzügen diesen Eingang nie gesehen haben.
Tom, der schon immer etwas mutiger ist als Nico, fordert seinen Freund auf:
„Lass uns in die Höhle gehen.“
Nico windet sich etwas. Er traut sich nicht. Er ist ängstlich.
Tom schaut ihn an und fragt:
„Bist du etwa ein Angsthase?“
Nico: „Nein, aber müssen wir unbedingt da reingehen? Hier draußen ist es doch viel schöner.“
Tom: „Du hast wohl Angst!“
Nico: „Ich habe keine Angst … nur etwas.“
„Wovor hast du denn Angst?“
„Na, wer weiß, was uns dort erwartet.“
Daraufhin Tom: „Genau das wollen wir herausfinden. Was sollte denn in der Höhle sein?“
Zögerlich antwortet Nico: „Vielleicht ein furchtbares Ungeheuer?“
„Nico du weißt, dass es keine Ungeheuer mehr gibt. Die sind nur in Märchen. Also jetzt komm schon!“
Nico überwindet seine Furcht und folgt Tom zögernd in die Höhle.
Anfangs wurde von der diffusen Angst gesprochen. Zu Ende des Dialogs wird die Furcht vor einem Ungeheuer ausgesprochen.
Dadurch wird die Furcht greifbar, weshalb mit ihr umgegangen werden kann.
„Wenn einer keine Angst hat, hat er keine Fantasie.“
Emil Erich Kästner, dt. Schriftsteller
(1899 - 1974)
Da hat der deutsche Schriftsteller Emil Erich Kästner (1899 – 1974) mit seiner Behauptung „Wenn einer keine Angst hat, hat er keine Fantasie“ gut reden.
Denn das bedeutet ja wohl, dass ein Mensch ohne Angst fantasielos ist. Wie kann das sein? Hilft Angst, fantasievoll zu sein?
Fantasie hilft auf jeden Fall, sich zu entwickeln. Sie bestärkt die Neugierde und den Handlungsdrang. Damit unterstützt sie auch die Bereitschaft, ein Risiko einzugehen.
Wer ein Risiko eingeht, betritt in der Regel unbekanntes Terrain. Er kann sich im Folgenden nicht mehr ganz sicher sein, dass alles so klappt, wie er es sich wünscht.
Gegebenenfalls trifft er auf unerwartete oder sogar gefährliche Situationen. Diese können wiederum Angst auslösen.
Nach dieser Überlegung könnte derjenige, der sich selbst eher als fantasielos bezeichnet, viele angstauslösende Situationen vermeiden, da er sich ja immer nur in den Bereichen bewegt, die ihm sowieso bekannt sind.
Hier kennt er sich aus und weiß mit allem umzugehen. Angst kann dann nicht ausgelöst werden. So könnte gesagt werden: Wenig Fantasie bedeutet wenig Angst.
Nicht umsonst wird der Mensch als Gewohnheitsstier bezeichnet. Wurde ihm im Urlaub zur Halbpension am Abend ein Tisch im Restaurant zugewiesen, ist dieser Platz für die nächsten Tage ‚sein Tisch‘.
Die Liege am Strand vom ersten Tag wird höchstwahrscheinlich ‚seine Liege‘ für die nächsten Tage darstellen. Hoffentlich wird sie nicht von anderen Touristen belegt. Oh, oh. Lieber die Liege mit einem Handtuch reservieren …
Es ist bequem und verleiht Sicherheit, sich an Gewohntem zu orientieren. Neues wird argwöhnisch beäugt.
„Was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht“, sagt der Volksmund.
Neues, Unbekanntes, plötzlich neue Vorschriften – all das kann Unbehagen beziehungsweise Angst auslösen. Es muss schließlich gelernt werden, mit der neuen Situation umzugehen.
Vom bequem Eingerichteten muss Abschied genommen werden.
Kein Wunder, dass sich häufig Beschäftigte vehement (heftig) gegen Neuerungen wehren.
In der Gesellschaft tut sich manchmal eine neue Erfindung schwer, akzeptiert zu werden.
„Das hatten wir früher auch nicht. Ging doch alles wunderbar (ohne das neumodische Zeug).“
Der dänische Philosoph Søren Aabye Kierkegaard (1813 – 1855) machte eine Aussage, die aufhören lässt. Er behauptete:
„Je weniger Geist, desto weniger Angst.“
Heißt das, dass Menschen, die eine lebhafte Gedächtnisleistung hervorbringen, mehr Angst verspüren können, als der ‚einfach‘ Denkende?
Wer seinen Geist aktiv benutzt, kann immens viele mentale Konstrukte durchdenken. Vielleicht können dann Gedanken aufkommen wie:
„Was geschieht mit mir, wenn dies und das passiert?“ „Welche Nachteile oder Risiken brächte das für mich?“
Werden Vor- und vor allem Nachteile durchdacht, werden die möglichen Gefahren und Risiken bewusst. Dieses Bewusstwerden kann infolge Angst auslösen.
Wer hingegen ‚einfach‘ denkt, mag komplexe Gedanken-Konstrukte gegebenenfalls gar nicht (durch-)denken. Er nimmt alles eher ‚gelassener‘.
„Et kütt wie et kütt“, ist sich der Kölner sicher. Etwa:
„Es kommt, wie es kommt.“
Weshalb sich Sorgen machen? Es bedarf keiner Aufregung – und damit keiner Angst.
Erkenntnis: Wer geistig fit ist, entwickelt unter Umständen mehr Angst als der, der sich nicht zu viel Gedanken macht.
Zumindest ist diese Erkenntnis auf Kierkegaards Aussage ausgerichtet.
Kierkegaard nahm weiter an, dass Tiere ohne Angst leben.
Er sieht bei einem Tier keinen Geist, weshalb dieses keine Angst haben kann. Furcht sehr wohl.
Doch zurück zur ursprünglichen Idee. Lässt sich Kierkegaards Spruch umdrehen? Wer wenig Angst hat, hat auch wenig Geist? In seiner Annahme das Tier betreffend vielleicht. Bei Menschen?
Wird Kierkegaards Meinung wörtlich genommen, muss festgehalten werden, dass Menschen mit wenig Geist, allgemein eher die, die als weniger intelligent bezeichnet werden, auch weniger Angst haben.
Obwohl diese Überlegung im ersten Moment kontraproduktiv scheint, wurde eben festgehalten, dass sich der Spruch nicht drehen lässt.
Wer es schafft, seine Angst zu kontrollieren oder gar abzubauen, dürfte sehr wohl ein gewisses intelligentes Verhalten gezeigt haben.
Der deutsche Philosoph Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 – 1900) äußerte sich ähnlich wie Kierkegaard. Er war überzeugt:
„Der Grad der Furchtsamkeit ist ein Gradmesser der Intelligenz.“
Nietzsche bewegte sich mit dieser Aussage in seinen Büchern auf einem aus heutiger Sicht überhaupt nicht mehr akzeptierten Gedankenweg.
Er meinte nämlich, dass sich intelligente Wesen über die Jahrtausende durch häufiges Erschrecken und damit Bleichwerden zu dem heutigen hellhäutigen Menschen entwickelten, wohingegen das Wesen, das unkontrolliert wütend agiert und damit den Kopf nur blutrot anschwellen lässt, eher das Verhalten des Tieres zeigt.
Furcht vor etwas zu haben zeigt seiner Meinung nach intelligentes Verhalten.
Also: Angst hilft dem Menschen sich zu entwickeln. Das heißt demnach, dass Angst zum Leben gehört. Nun gut. Der Punkt ist eher der, dass einem Betroffenen die Angst nicht das Zepter aus der Hand nimmt und über ihn herrscht.
Oder anders ausgedrückt: Die Angst darf nicht den Menschen beherrschen, sondern der Mensch beherrscht die Angst. Er darf sich nicht von ihr regieren lassen.
Gut, es wird sich der Angst gestellt, um diese aus dem täglichen Leben zu verbannen oder zumindest ihr Auftreten zu reduzieren.