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Ein unscheinbares Schild an einer ebenso unscheinbaren Tür erregte Anitas Neugier. Ohne zu ahnen, worauf sie sich einlassen würde, klopfte sie an und wurde eingelassen. Eine unbekannte Variation des Spiels - getrieben von den Nöten der Menschen. Oder auch nur von ihren Gelüsten. Und die Einsätze konnte Alles oder Nichts sein. Anita spielte mit. An diesem Abend erfuhr sie Dinge über sich selbst, die ihr nicht einmal in Ihren Träumen eingefallen wären. Aber was haben Kleinwüchsige damit zu tun?
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Veröffentlichungsjahr: 2015
Das Casino in der Altstadt war ein Geheimtipp. Nicht viele Leute wussten, dass es existierte. Es war Anlaufstelle für die Ausgestoßenen der Gesellschaft, die Freaks und jene, die einfach anders waren. Die allgemein gültigen Konventionen galten hier nicht. Nur weil jemand aussah wie eine Frau, hieß das nicht, dass diese Person auch eine Frau war. Ebenso wenig war jeder, der so aussah, ein Mann. Egal ob klein oder groß – wer nicht offen und tolerant war, gehörte hier nicht hin. Aber jeder, der was Neues ausprobieren wollte, war hier gern gesehen.
Die Spiele, die hier gespielt wurden, gab es in ihrer Grundform in jedem anderen Casino. Doch hier wurden die Regeln gebogen, wo es nur ging – ohne sie jedoch zu brechen. Der Grundgedanke blieb. Die Grundregeln galten auch hier. Aber jeder musste sich darüber klar sein, das Geld hier keine Einsatzmöglichkeit war. Wer nicht bereit war, alles zu geben – oder auch nichts – der sollte nicht durch diese Tür gehen.
Wenn sich die Kugeln im Kreis drehten und sich die richtige Kerbe suchten, in die sie fallen wollten, hielten die Spieler den Atem an. Bei diesem Roulette ging es nicht nur um schwarz oder rot. Hier ging es um ein Päckchen Zigaretten für den Mann mit dem Lungenkrebs. Oder um eine Blutkonserve für die Frau mit der Anämie. Vielleicht brauchte aber das Kind auch einfach eine unbenutzte Windel.
Die Einsätze am Black-Jack-Tisch waren nicht weniger interessant. Hier saß eine vom Feuer entstellte Frau, die mit dem Schönheits-Chirurgen um eine OP zockte. Welchen Einsatz sie dagegen stellte? Wir wissen es nicht. Aber er wird es wert gewesen sein, dass der Arzt seine Approbation aufs Spiel setzte. Direkt daneben stand der Transvestit, der bereit war einen Teil seiner Leber gegen eine heiße Nacht mit dem Zwitter gegenüber einzutauschen.
Die Hinterzimmer waren voll von besonderen Gruppen, die gemeinsam ihren Fetischismus auslebten. Immer die Karten in der Hand. Immer den Einsatz im Auge. Immer das Besondere erwartend. Was auch immer sich bot, um den geliebten Reiz zu erleben. Das Grundmotto lautete: Alles kann – nichts muss.
Und dabei war die einzig, absolut bindende Regel des Casinos zu beachten. Wer gegen sie verstieß, würde die Hölle auf Erden erleben. Nichts, aber absolut gar nichts, erlaubte den Einsatz von Kindern oder Toten! Pädophilie oder Nekrophilie war ein absolutes No-Go! Selbst Vampirismus und Lykanthropie hatten sich in diesem Rahmen zu bewegen.
Das harmloseste Spiel, das hier geboten wurde, waren die diversen Strip-Poker in den gesonderten Spielzimmern. Nicht, dass es hier nur um verlorene Kleidung ging. Gierige Zungen leckten die Lippen – nicht immer die Eigenen – wenn ein Flush eine Straße übertrumpfte. Manche Zähne knabberten an fremden Hälsen, wenn der Vierling das Full House brach.
Manchmal – selten, aber es kam vor – verirrte sich ein „normaler“ Mensch hierher. Fühlte sich eingeladen von dem verheißungsvollen Schild neben der Eingangstür:
Machen Sie Ihr Spiel! Sie bestimmen den Einsatz! Alles kann – nichts muss!
Eine unscheinbare Tür, ohne Schnickschnack, ohne besondere Zeichen. In einer ebenso unscheinbaren, grauen Fassade. Nur ein kleines grünes Licht, das das Schild beleuchtete. Und das in einer Nebenstraße, in die sich sowieso nur selten einer verirrte.