Ans Glück könnte ich mich gewöhnen - Ingrid Schilling-Frey - E-Book

Ans Glück könnte ich mich gewöhnen E-Book

Ingrid Schilling-Frey

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Beschreibung

Warum wir unser Glück selbst in der Hand haben

Gewohnheit und Übung bestimmen unser Leben – und überraschenderweise auch unser Glück. Ingrid Schilling-Frey zeigt unterhaltsam und verständlich, was schon die alten Philosophen wussten und die moderne Wissenschaft bestätigt: Ein gutes Leben kann man sich angewöhnen.

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Titel

INGRID SCHILLING-FREY

Ans Glückkönnte ich michgewöhnen

Philosophie des guten Lebens

Impressum

Bildnachweis:

Kapitel I: © INTERFOTO/Sammlung RauchKapitel II: © INTERFOTO/Writer Pictures Ltd.Kapitel III: © Bettmann/CORBIS

Lektorat: Melanie SchwarzCopyright © 2012 by Ludwig Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbHhttp://www.ludwig-verlag.deUmschlaggestaltung: Eisele Grafik-Design, MünchenUmschlagfoto: © Siegfried Layda/Photographer’s Choice/Getty ImagesSatz: C. Schaber Datentechnik, WelsISBN: 978-3-641-28031-4

Widmung

Für Alina

Inhalt

Inhalt

Vorwort

I. Aristoteles heute:Philosoph, Soziologe und Psychologe?

Die Frage aller Fragen:Was ist Glück?

Ohne Fleiß kein PreisWarum aus einer Raupe nicht einfach ein Schmetterling wird

Ein Freund, ein guter FreundSelbst die Einsamkeit lässt sich nur unter Freunden ertragen

Die Einheit von Tugend und GlückEin guter Charakter hat noch keinem geschadet

II. Jean-Jacques Rousseau oder:Was Philosophie, Evolution, Kultur, Verhaltensforschung und Casting-Shows miteinander zu tun haben

»Amour de soi«Selbstliebe: Segen oder Fluch?

Authentizität: Habe Mut, du selbst zu seinWas ist so schlecht daran, sich zu vergleichen?

Von Menschenhand gemacht: Die KulturFühren die Errungenschaften der Menschheit zu Freiheit und Glück?

Glück ist eine Sache des GefühlsGefühl oder Vernunft, Romantik oder Aufklärung

III. Friedrich Nietzsche im Lichte moderner Wissenschaften

Augenblick, verweile doch, du bist so schön!Wer sich nicht auf der Schwelle des Augenblicks niederlassen kann, wird nie wissen, was Glück ist

Sitte und MoralZerstören sie Freiheit und Glück?

Mut tut gut!Der mutige freie Geist folgt seinem »eigenen, unabhängigen, langen Willen«

Sinnlosigkeit des LeidensWarum ohne Sinn das Glück auf sich warten lässt

Nachgedanken oder Gedanken zum Nachdenken

Dank

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

Vorwort

Glück ist Talent für das Schicksal

Novalis

Vorwort

Sind Sie glücklich? Vermutlich nicht oder jedenfalls nicht zu 100 Prozent, sonst hätten Sie nicht nach diesem Buch gegriffen. Die wenigsten Menschen werden diese Frage mit »Ja« beantworten. Weil uns allen immer irgendetwas einfällt, womit wir unzufrieden sind, was noch nicht so ganz passt in unserem Leben, was noch besser laufen könnte. Und manche Menschen hadern nicht nur mit lästigen Kleinigkeiten, sondern müssen mit echten Problemen, mit tatsächlichen Schicksalsschlägen fertigwerden: dem Verlust des Arbeitsplatzes, einer schweren Krankheit, dem Tod eines geliebten Menschen zum Beispiel. Wie sieht es da aus mit der Glückserwartung?

Als »Talent für das Schicksal«, bezeichnet der Dichter und Philosoph Novalis das Glück. Ziemlich überraschend – vielleicht bedeutet Glück gar nicht die generelle Abwesenheit von Leid und Problemen. Unserem Schicksal oder gar einem Schicksalsschlag können wir nicht ausweichen. Vielleicht ist für unser Leben und unser Lebensglück vielmehr entscheidend, wie wir damit umgehen. Für mein eigenes Leben jedenfalls hat sich diese Definition als sehr treffend erwiesen.

Bis zum Alter von 30 Jahren verlief bei mir eigentlich alles ziemlich reibungslos. Ich war verheiratet, war Bekleidungs- und Wirtschaftsingenieurin und arbeitete als Unternehmensberaterin. Am 16. Mai 1996 kam mein Wunschkind Alina auf die Welt. Plötzlich war nichts mehr so wie vorher. Es folgten nicht wie bei vielen Eltern schlaflose Nächte und Babygeschrei, sondern Krankheit, Angst und Verzweiflung. Alina kam schwer herzkrank auf die Welt und musste im Babyalter mehrmals am offenen Herzen operiert werden. Nachdem ich zwei Jahre im Krankenhaus verbracht und »funktioniert« hatte, so gut es ging, beschloss ich, mich mit Arbeit zurück ins Leben zu holen. Aber auch sieben Jahre Arbeit waren nicht genug.

Zufall oder Schicksal: Als ich im Oktober 2005 eine Buchhandlung betrat, lief ich auf ein Regal zu, in dem Philosophiebücher standen. Ich dachte mir, eine kleine Geschichte der Philosophie kann ich mir zumuten. Am folgenden Tag fing ich an zu lesen und konnte nicht mehr aufhören. Erstmals, im Alter von 40 Jahren, erfuhr ich ganz grob, um was es in der Philosophie überhaupt ging. Und es war von Anfang an die Suche nach dem guten Leben, die mich faszinierte und leidenschaftlich bewegte.

Verblüfft von meiner eigenen Courage, kündigte ich kurzerhand meine sichere Stelle als Controllerin eines großen Maschinenbau-Unternehmens und fing an, Philosophie zu studieren. Seitdem veränderte sich mein Leben und damit auch das Leben meiner Familie. Philosophie wurde für mich zum Lebenselixier. Denn seit Jahrhunderten beschäftigen sich Philosophen mit den Problemen der Menschen, und es hat sich immer wieder gezeigt, dass es uns Menschen ganz zentral um das Glück geht. Mehrere Jahre beschäftigte ich mich daraufhin natur- und geisteswissenschaftlich mit der Frage, was es in der heutigen Zeit heißt, gut zu leben. Ich lernte mich selbst besser verstehen, akzeptierte mich mit meinen Stärken und meinen Schwächen, arbeitete an mir selbst und konnte aus der Krise heraus mein Glück finden. Obwohl mich das Schicksal meiner behinderten Tochter oft an meine Grenzen führte, habe ich es geschafft, mein seelisches Gleichgewicht wiederzugewinnen. Mein ausgeglichener Gemütszustand hilft mir heute, mit den Herausforderungen fertigzuwerden. Was ich vor ein paar Jahren noch nicht für möglich hielt, ist passiert: Mithilfe der Philosophie habe ich »Talent für das Schicksal« entwickelt.

In diesem Buch möchte ich meine Begeisterung für die Philosophie und ihre vielfältigen Zugänge zu einem besseren Leben weitergeben. Die Zugänge der Philosophen und Wissenschaftler zum Glück sind sehr unterschiedlich. Lassen Sie sich dazu inspirieren, Ihren persönlichen Weg zu finden. Glück hat viele Facetten. Deshalb geht es in diesem Buch um Themen wie aktives Leben, Freundschaft, Tugend, Moral, Liebe, Authentizität, Zeit, Mut und Sinn.

Im Laufe meines Philosophiestudiums machte ich Bekanntschaft mit sehr unterschiedlichen Philosophen und faszinierenden Menschen wie René Descartes, Jean-Jacques Rousseau, Friedrich Nietzsche oder Ernst Bloch. Es waren eher die ungewöhnlichen Denker mit kühnen Visionen, die mich interessierten. Aber auch die antiken griechischen Denker wie Sokrates, Platon oder Aristoteles hatten mich in ihren Bann gezogen. Sie alle haben sich mit praktischer Philosophie, mit dem guten Leben beschäftigt. Meine persönlichen Erlebnisse spiegelten sich in den Erkenntnissen großer Denker wider. Denn nicht selten ist das, was wir für ein ganz individuelles Phänomen halten, ein allgemeines Phänomen.

Doch gibt es heute auch andere Wissenschaften, die mit ihren aktuellen Erkenntnissen viel zu einem gelungenen Leben beitragen können. Deshalb beschäftigte ich mich nach meinem Studium nicht nur mit Philosophie, sondern auch mit Psychologie, Neurobiologie, Soziologie, Evolutionsbiologie und Verhaltensforschung sowie mit der Frage, wie deren Erkenntnisse über Glück zusammenpassen.

Lernen Sie durch dieses Buch unterschiedliche Perspektiven kennen. Wagen wir gemeinsam den Blick in verschiedene aktuelle oder auch vergangene Theorien. Worin sind sich diese einig? Wie unterscheiden sie sich? Eine zentrale Gemeinsamkeit kann ich schon vorwegnehmen: Wir stellen fest, dass das Leben, das jeder Einzelne von uns lebt, viel mit Gewohnheit, mit Übung, mit Alltäglichkeit zu tun hat. Das gilt auch für das Glück. Körperliches Training steht ganz hoch im Kurs. Es wäre schade, es bei den Muskeln zu belassen. Lassen Sie uns gemeinsam ein gutes Leben trainieren. Wie das geht? Folgen Sie mir ins Trainingslager.

Auch wenn in diesem Buch viele Philosophen und Wissenschaftler zu Wort kommen, waren meine wichtigsten Trainer Aristoteles, Jean-Jacques Rousseau und Friedrich Nietzsche. Nach ihnen habe ich dieses Buch in drei große Abschnitte gegliedert.

Wenn wir über Glück philosophieren, ist Aristoteles einfach unverzichtbar. Denn in seiner Ethik übernimmt das Glück die Rolle des höchsten Zieles, das man anstreben kann. Niemals streben wir nach Glück, um etwas anderes zu erreichen. Niemals ist Glück lediglich Mittel zum Zweck.

Jean-Jacques Rousseau und Friedrich Nietzsche gehören zu meinen persönlichen Glücksphilosophen. Von ihnen habe ich am meisten über mich und mein Schicksal gelernt, und darüber, was mir dabei hilft, adäquat damit umzugehen.

Der Aufklärungsphilosoph Rousseau hat mich über wichtige Facetten des Glücks zum Nachdenken angeregt, wie zum Beispiel Selbstliebe, Authentizität und Emotionalität. Er ist ein Philosoph, der radikal denkt und uns Leser auch daran beteiligt. Rousseau geht davon aus, dass wir Menschen in der Lage sind, unser Dasein sinnvoll zu gestalten und dabei glücklich zu werden, ohne anderen zu schaden, sofern wir authentisch bleiben und uns selbst nicht fremd werden.

Friedrich Nietzsche als wahrscheinlich erster postmoderner Denker befreit uns Menschen von Moral und allgemein von Gebundenheit. Diese Befreiung führt uns jedoch notwendig dazu, unser Leben selbst in die Hand zu nehmen. Und dazu gehört Mut. Das nietzscheanische Projekt besteht nun darin, unser Freisein dafür zu nutzen, unserem Leben die Form zu verleihen, die wir selbst gewählt haben. Das Glückskonzept und dessen Umsetzung beinhaltet dabei immer auch die Frage nach dem Sinn des Lebens. Nach einem Sinn, nach einem Glück, das eng gebunden ist an unser Schicksal. Amor fati, die Liebe zum Schicksal, ist damit unser einzig möglicher, glücklicher Weg.

Auch wenn Aristoteles, Rousseau und Nietzsche nicht mehr ganz »frisch« sind – ihre Gedanken sind umso lebendiger und hochaktuell: keine trockene Theorie, sondern Training für ein besseres Leben.

I. Aristoteles heute: Philosoph, Soziologe und Psychologe

I.

ARISTOTELES heute:

Philosoph, Soziologe und Psychologe

Die Frage aller Fragen

Die Frage aller Fragen:

Was ist Glück?

Vögel fliegen ohne Koffer

Hans hatte sieben Jahre schwer gearbeitet und wollte nun wieder nach Hause zu seiner Mutter. Da er gut gedient hatte, belohnte ihn sein Meister fürstlich mit einem Klumpen Gold. Das Gold in ein Tuch gewickelt und über die Schulter geworfen, macht Hans sich frisch und fröhlich auf den Weg.

Doch mit jedem seiner Schritte werden seine Beine und der Klumpen Gold auf seiner Schulter schwerer. Voller Bewunderung sieht er einen Reiter auf einem Pferd entgegenkommen. Sich einfach nur tragen lassen und keine Last auf den Schultern spüren zu müssen – das muss Glück sein! Kurzerhand tauscht Hans sein Gold gegen das Pferd. Das Pferd jedoch wirft ihn ab, und die Geschichte nimmt ihren Lauf.

Vermutlich kennen wir alle das Märchen von Hans im Glück. Hans tauscht Gold gegen Pferd, Pferd gegen Kuh, Kuh gegen Ferkel. Materiell verschlechtert er sich von Tausch zu Tausch. Am Ende stößt er versehentlich seine eingetauschten Steine in einen Brunnen und hat dann gar nichts mehr. Jeder denkt: »Oh, nein! So ein Tölpel!« Aber Hans springt vor Freude in die Luft, dankt von Herzen seinem Herrgott und jauchzt mit Tränen in den Augen: »Kein Mensch unter der Sonne ist so glücklich wie ich!«

Dieses Bild aus dem Märchenbuch ist mir im Gedächtnis geblieben: Der glückliche Hans, mittellos und doch unendlich froh. Zwar dachte ich als Kind: »Oh, nein! Jetzt hat er das schöne Gold nicht mehr.« Dennoch hatte ich keinen Zweifel daran, dass dieser Mensch im siebten Himmel schwebt. Aber warum denn nur? Er hat doch alles verloren. Das, wofür er jahrelang hart gearbeitet hatte, war kurzerhand einfach weg. Und schon als Kind wusste ich, dass das allem widersprach, was ich bisher so gelernt hatte. Hans macht die Erfahrung: Geld und Besitz machen nicht glücklich! Das hat jeder von uns schon gehört. Denn Glück können wir nicht besitzen wie einen Klumpen Gold oder Schleifsteine.

Oder vielleicht doch? War Hans denn nicht auch glücklich, als er von seinem Meister mit einem Klumpen Gold belohnt wurde? Lassen Sie uns die Geschichte einmal übertragen, von Grimms Märchen bis ins 21. Jahrhundert. Ist ein 18-Jähriger nicht glücklich, wenn er sich nach jahrelangem Sparen endlich hinters Steuer seines ersten eigenen Autos setzen kann, um die erste Spritztour zu machen? Ja doch! Und wenn Autos glücklich machen können, dann können das doch auch schöne Schuhe, schicke Klamotten, Häuser und so weiter. Also macht Besitz doch glücklich? Wäre es so einfach, müssten wir uns nicht seit Menschengedenken immer dieselbe Frage stellen: Was ist Glück?

In jeder Zeit und in jeder Kultur haben wir bestimmte, charakteristische Vorstellungen von Glück. Dennoch verführt uns, egal in welcher Zeit und in welcher Kultur wir leben, der Gedanke, dass Geld vielleicht doch glücklich machen könnte. Gleichzeitig haben Werner T. Küstenmacher und Lothar Seiwert einen Bestseller geschrieben mit dem Titel Simplify your life: Einfacher und glücklicher leben. Ballast abwerfen, loslassen, vereinfachen, gelassener werden, um vom Äußeren zum Inneren, zum Selbst, zum Wesentlichen zu kommen, um das eigene Lebensziel zu finden und zu verwirklichen. Und somit glücklicher zu werden.

Unser Hans im Glück macht es uns ganz radikal vor. Denn am Ende ist er ohne jede sichtbare Ursache glücklich. Aber auch ganz ohne äußeren Grund glücklich sein zu können, verweist auf etwas ganz Entscheidendes: Das Glück liegt in uns!

Jahrhundertelanges Philosophieren und Nachdenken über das Glück führten bis heute zu keiner allgemeinverbindlichen Definition darüber, was Glück ist. Glück ist vielleicht am ehesten eine subjektive Vorstellung, geprägt durch Kultur und Zeit. Wenn wir darüber nachdenken, fällt jedem von uns etwas dazu ein: Wir erinnern uns an glückliche Momente, als wir als Kinder in Sommern, die noch richtig heiß waren, barfuß über den Asphalt gesprungen sind. So eine Art Erinnerung hat wahrscheinlich jeder von uns. Ist unsere Vorstellung von Glück also doch nicht rein subjektiv? Wenn wir uns an glückliche Kindertage erinnern, sehen die Bilder zwar immer etwas anders aus – die Glücksvorstellungen an sich sind jedoch verblüffend ähnlich.

Wir könnten sagen, dass es Glücksvorstellungen gibt, die allgemein und nicht individuell verschieden sind. Dieser Überzeugung war jedenfalls der griechische Philosoph Aristoteles. Auch wenn Aristoteles uns nicht sagen kann, worin das subjektive, individuelle und spezifische Glück eines jeden Einzelnen liegt, kann er uns Wege aufzeigen, unserem eigenen Glück auf die Sprünge zu helfen.

Für Aristoteles galt das Motto: Das Glück liegt in dir! Nur leider liegt es brach, solange du nichts dafür tust. Etwas dafür tun, heißt für mich, etwas einzuüben. Sich an etwas zu gewöhnen. Positive Gewohnheiten, Tugenden zu entwickeln. Somit ist Glück Übungssache: Immer wieder die »richtigen« Dinge tun.

Aristoteles war einer, der den Dingen auf den Grund ging. Zum ersten Mal in der Philosophiegeschichte verfasste er systematische Abhandlungen und gilt auch heute noch als erster großer Denker der Wissenschaft und Begründer der abendländischen Philosophie. Als Universalgelehrter hat er eine unglaubliche Anzahl von Schriften verfasst: über Mathematik, Logik und Naturforschung über Handwerk, Dichtung und Medizin bis hin zur Politik, Rhetorik, dem guten Leben und natürlich Glück.

In diesem Buch geht es aber nicht um das gesamte Wissensspektrum eines Aristoteles. Hier geht es um den, ich möchte sogar sagen, wichtigsten Teil: das Glück. Bevor wir uns nun dem Glück eines Aristoteles zuwenden, schauen wir uns einmal an, in welchem Zusammenhang das Glück eine Rolle spielt. Denn schon für Aristoteles ist Glück das Ziel des guten Lebens. Aber was macht ein gutes Leben aus?

Lebe gut!

Dieter Halbach befindet sich in seiner Wohnung, in einem der lehmverputzten Häuser des Ökodorfes »Sieben Linden«. Es ist angenehm geheizt, auch wenn sich die Dorfbewohner Sorgen um den Energieverbrauch und den ökologischen Fußabdruck machen. Auf dem Gasherd faucht der Wasserkessel, Dieter Halbach sitzt im Schneidersitz auf seinem Sofa und beschreibt sich selbst als Musiker, Intellektueller und Autor. Er lebe nach dem Motto: »Musiker müssen Musik machen, Künstler malen, Dichter schreiben, wenn sie sich in Frieden mit sich selbst befinden wollen. Was ein Mensch sein kann, muss er sein«, so, nach Halbach, der Psychologe Abraham Maslow1. Halbach macht es sich immer gemütlicher auf seinem Sofa, befindet sich jetzt eher in der Horizontalen als in der Vertikalen und verkündet selbstkritisch: »Wir sind keine Insel der Glücksseligen. Auch hier gibt es Probleme mit der Work-Life-Balance. Aber im Dorf können wir selbst die Strukturen ändern.« Er erklärt weiter: »Wir wollen mehr Zeit zum Leben, zum Feiern, zum spontanen Zusammenkommen unter Freunden, zum Hinausfahren in die Welt.« Ja, wer will das nicht?

In der Nähe des altmärkischen Dörfchens Poppau schließen sich 1997 eine Handvoll Idealisten zusammen, unter ihnen Dieter Halbach, und gründen das Ökodorf »Sieben Linden«. Die Überschrift ihrer Homepage: »Das Leben findet wieder im Dorf statt.« Offensichtlich ist das in den Dörfern, die wir kennen, nicht der Fall. Die Ökodorf-Bewohner träumen von einer sozial-ökologischen Modellsiedlung. Eine Gemeinschaft, die eine Lebensform anstrebt, die Lebensqualität und Nachhaltigkeit miteinander verbindet. Mittlerweile untergliedert sich »Sieben Linden« jedoch in sogenannte Nachbarschaften mit jeweils eigenständigen Konzepten und Lebensentwürfen. Eine der Nachbarschaften nennt sich beispielsweise »Nord- und Südhaus«. Sie besteht aus Familien mit Kindern, die unkompliziert »Nebeneinander-Wohnen« wollen. Hier stellt sich die Frage: Warum nebeneinander und nicht miteinander? Es gibt auch die Nachbarschaft »Brunnenwiese«, die sich ein Haus gebaut hat, das aussieht wie eine Spirale. Zu den wichtigsten Themen zählen hier Spiritualität und Heilung.

Wenn man sich schon in einem Ökodorf nicht auf eine gemeinsame Lebensform einigen kann, können wir uns vorstellen, dass dies in der heutigen Zeit, global gesehen, eigentlich eine Utopie ist. Aber wie war das damals, in der griechischen Antike? Zuzeiten eines Aristoteles?

Ganz wie es sich für einen Philosophen gehört, war für Aristoteles die theoretische Lebensform, die Lebensform, die Menschen glückselig macht. Denn nur das Denken und damit die theoria ist beständig und hat ein Leben lang Gültigkeit. Der, der sich ausdauernd um seine philosophische Bildung bemüht, selbst intensiv nachdenkt und sich von der Erwerbsarbeit fernhält, kommt ganz nah ran an ein gutes Leben. Denn es gehört für Aristoteles zur Natur des Menschen, und es ist uns Menschen damit angeboren, dass wir nach Wissen und Weisheit streben. Da zu der Zeit Philosophen meist genug Geld und Sklaven hatten, war das kein Problem.

Nichtsdestotrotz war Aristoteles der festen Überzeugung, dass ein gutes Leben nur in einer guten Gemeinschaft stattfinden kann. Ausgangspunkt ist immer die Polis, die Gemeinschaft, der es darum geht, Bestehendes zu optimieren. Denn ob das, was Menschen tun, gut oder schlecht ist, wird daran gemessen, ob es für die Gemeinschaft gut oder schlecht ist. Es sind die anderen Menschen, die dem Einzelnen dabei helfen, zu sich selbst zu kommen. Deshalb geht es in der aristotelischen Polis nicht um Moral, Gesetz oder Prinzip, sondern um Sitte, Brauchtum und Gewohnheit. Außerdem kann Bestehendes in einer Gemeinschaft nur dann optimiert werden, wenn die Mitglieder nicht im Denken stehen bleiben, sondern aktiv werden und sich für die Gemeinschaft und damit für sich selbst, einsetzen. Eine gute Sitte, ein guter Brauch, eine gute Gewohnheit. Fertig ist das gute Leben! Die Krönung eines guten Lebens ist die Glückseligkeit.

Für den antiken Gelehrten spielt die Gemeinschaft also eine sehr zentrale Rolle. Auch die Geschichte von Menschen wie Dieter Halbach deutet darauf hin, dass unser Umfeld ganz entscheidenden Einfluss auf unser Leben, auf unsere Suche nach dem Glück, hat. Welche Rolle spielt also die Gemeinschaft, die Gesellschaft? Und sind wir uns dessen bewusst, dass wir selbst ein Teil dieser Gesellschaft und der Gemeinschaft sind, in der wir uns entschieden haben zu leben?

Ein gutes Leben kann nur der haben, der in einer guten Gemeinschaft lebt. Was eine gute Gemeinschaft ist, darüber gibt es sehr unterschiedliche Vorstellungen. Eines steht jedoch fest: Um in einer guten Gemeinschaft zu leben, müssen wir unseren Teil dazu beitragen. Als Teil des Ganzen hat jeder Mensch die Verantwortung, zum gemeinschaftlichen und damit gleichzeitig zum eigenen Glück beizutragen. Glück, Eudaimonía, wie es im Griechischen so schön heißt, ist demnach bedingt durch die Gemeinschaft, aber auch durch das eigene, aktive Handeln: Es hängt ab von der bewussten Entscheidung, etwas für sich selbst, für andere, für die Gemeinschaft und letztendlich für die Gesellschaft zu tun. Es wird bedingt durch die Erkenntnis, dass eine Gemeinschaft, ein damit verbundenes gutes Leben keine Selbstverständlichkeit ist, sondern etwas, wofür jeder Einzelne kämpfen und wonach jeder Einzelne streben muss.

Sigmund Freud vermutete zwar, dass das Glück der Menschen im Plan der Schöpfung nicht vorgesehen war.2 Aristoteles jedoch war der Überzeugung, dass jeder Mensch dazu veranlagt ist, auch ein glücklicher Mensch zu sein.

Doch genau so, wie eine Raupe erst durch einen langen und schwierigen Prozess, durch Häuten und Verpuppen, zum Schmetterling wird, wird auch der Mensch erst dann zum glücklichen Menschen, wenn er etwas dafür tut. Der Raupe ist es offensichtlich nicht vergönnt, auf der faulen Haut zu liegen. Ich vermute, bei uns ist es noch viel anstrengender. In unseren Gedanken sieht der Traum vom Glück vielleicht so aus, dass wir am Strand einer Südseeinsel in der Sonne liegen, das Meeresrauschen uns bezirzt und wir in Gesellschaft schöner Menschen Cocktails schlürfen. Könnten wir dann aber in die Köpfe der Menschen hineinschauen, dann sähen wir vielleicht, wie die Gedanken kreisen und sich die Menschen auf ihren Liegestühlen nichts als Sorgen machen. Was also könnte die Alternative sein? Nicht das passive, sondern vielleicht doch das aktive Leben?

Ohne Fleiß kein Preis

Ohne Fleiß kein Preis

Warum aus einer Raupe nicht einfach ein Schmetterling wird

Werken und Wirken

Es ist also doch eher die Aktivität, die

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