Anwalts- und Steuerberaterhaftung - Markus Gehrlein - E-Book

Anwalts- und Steuerberaterhaftung E-Book

Markus Gehrlein

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Beschreibung

Die Anwalts- und Steuerberaterhaftung bildet eine unwegsame Rechtsmaterie, die in hohem Maße richterrechtlich geprägt ist. Das vorliegende Buch vermittelt knapp und gut verständlich die Grundlagen der Berufshaftung und erleichtert gerade auch den Steuerberater*innen den Einstieg in deren zivilrechtliche Grundlagen. Gegenstand der Darstellung sind der Vertragsschluss inklusive der Einbeziehung Dritter, mögliche Vertragsmängel etwa wegen der Vertretung widerstreitender Interessen, die Beratungspflichten von Rechtsanwält*innen und Steuerberater*innen, Probleme des Zurechnungszusammenhangs, Verjährung, Haftung der Sozietät und der ihr angehörenden Berufsträger*innen sowie der Umfang der Schadensersatzpflicht. Die Neuauflage berücksichtigt neben der neuen BGH-Rechtsprechung insbesondere die vielfältigen Rechte und Pflichten der Rechtsschutzversicherung, die einen Anwalt wegen fehlerhafter Rechtsberatung ihres Versicherungsnehmers belangt.

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Anwalts- und Steuerberaterhaftung

von

Professor Dr. Markus Gehrlein

Richter am Bundesgerichtshof a.D., Karlsruhe Honorarprofessor der Universität Mannheim

6., neu bearbeitete Auflage 2023

Fachmedien Recht und Wirtschaft | dfv Mediengruppe | Frankfurt am Main

Alle im Buch verwendeten Begriffe verstehen sich geschlechterneutral. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung verzichtet – entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat lediglich redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-8005-1842-5

© 2023 Deutscher Fachverlag GmbH, Fachmedien Recht und Wirtschaft, Frankfurt am Mainwww.ruw.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Satzkonvertierung: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, 69502 Hemsbach

Druck und Verarbeitung: WIRmachenDRUCK GmbH, 71522 Backnang

Vorwort

Gegenstand des vorliegenden Praxisbuches bildet die Anwalts- und Steuerberaterhaftung. Im Blick auf Zweck und Ziel der Erläuterungen darf auf das Vorwort der 1. Auflage verwiesen werden. Seit der fünften im Jahre 2019 erschienenen Auflage ist das Werk in allen Bereichen kritisch durchgesehen und überarbeitet worden. Dabei werden bekannte Probleme anhand der neuesten richterlichen Erkenntnisse dargestellt. Daneben werden selbstverständlich neue Entwicklungen, etwa zum elektronischen Rechtsverkehr, zu den Beratungspflichten gegenüber rechtsschutzversicherten Mandanten und den insoweit für den Zurechnungszusammenhang zu beachtenden Besonderheiten, zur Schadensberechnung, zu deliktischen Schadensersatzansprüchen im Zusammenhang mit der Erstellung von Bilanzen wie auch zur Verjährung, vertieft behandelt. Die maßgebliche höchstrichterliche Rechtsprechung wurde bis März des Jahres 2023 einbezogen.

Landau, März 2023

Markus Gehrlein

Vorwort zur 1. Auflage

Die Anwalts- und Steuerberaterhaftung bildet eine unwegsame, beinahe sperrige Rechtsmaterie, mit der Berater – und sei es auch nur als Klagevertreter – ungern in Berührung kommen. Wer aber – sei es als Klägervertreter oder Beklagter – mit einem Regressverfahren zu tun hat, wird rasch erkennen, dass er die ihm obliegenden Interessen nur sachgerecht wahrnehmen kann, wenn er mit den Grundlagen der Berufshaftung der Rechtsberater vertraut ist. Den insoweit erforderlichen Wissensstand will das vorliegende Buch vermitteln.

Die Anwalts- und Steuerberaterhaftung ist mangels einschlägiger spezieller Gesetzesgrundlagen in besonderem Maße richterrechtlich geprägt. Da sich lediglich die Beratungspflichten, aber nicht die weiteren Haftungsgrundlagen unterscheiden, kann die Anwalts- und Steuerberaterhaftung einheitlich dargestellt werden. Durch eine einfach nachvollziehbare Anleitung soll gerade auch dem Steuerberater der Einstieg in die ihm fremden zivilrechtlichen Grundlagen seiner Berufshaftung erleichtert werden.

Der Beratungsvertrag, sein Zustandekommen einschließlich der Einbeziehung Dritter in seinen Schutzbereich, bildet nebst etwaigen Ansprüchen aus cic den Ausgangspunkt der Darstellung. Breiten Raum nehmen selbstverständlich die aus dem Beratungsvertrag fließenden umfassenden Beratungspflichten des Rechtsanwalts und des Steuerberaters ein. Ihrer hohen praktischen Bedeutung gemäß werden die vielfältigen Probleme des Zurechnungszusammenhangs eingehend erörtert. Gleiches gilt für die Verjährung, zumal hier zwischen dem früheren und dem – die Rechtsprechung bislang kaum tangierenden – Rechtszustand seit Dezember 2004 zu unterscheiden ist. Schließlich wird der Umfang der Schadenser-satzpflicht behandelt. Ferner wird die Haftung der Sozietät und der ihr angehörenden Berufsträger in den Blick genommen. Abrundend widmet sich der Leitfaden bestimmten gebührenrechtlichen Fragestellungen; dabei wird die neue Grundsatzentscheidung des BGH zur Vereinbarung von Stundensätzen für Beratungsleistungen berücksichtigt.

Landau, März 2010

Markus Gehrlein

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Vorwort zur 1. Auflage

A. Beratungsvertrag

I. Rechtsnatur des Vertrages: Dienstvertrag

1. Vertragsart für Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung ausschlaggebend

2. Rechtsanwaltsvertrag

3. Steuerberatervertrag

4. Gegenstand des Vertrages: Rechtliche Beratung

5. Vertrag über Prüfung des Jahresabschlusses

6. Mediationsvertrag

a) Zulässigkeit der Tätigkeit als Mediator durch Anwalt

b) Pflichtverletzung

II. Vertragsschluss

1. Konkludentes Verhalten

2. Abgrenzung eines Beratungsvertrages von bloßer Gefälligkeit

3. Sittenwidrigkeit einer im Gebühreninteresse angedrohten Mandatskündigung

4. Anfechtung einer Haftungsübernahme

a) Anspruch aus cic

b) Ankündigung der Mandatsniederlegung

aa) Mittel-Zweck-Relation

bb) Besondere Prozesssituation

cc) Kündigung zur Unzeit

dd) Androhung zur Unzeit

5. Mehrere Auftraggeber

6. Abwickler

III. Rechtsgrundlagen der Beraterhaftung

1. Positive Vertragsverletzung

2. Verschulden

3. Anwaltsvertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

a) Grundlagen

aa) Rechtlicher Ausgangspunkt

bb) Voraussetzungen einer Einbeziehung

cc) Betroffene Fallkonstellationen

b) Einbezogene Dritte

aa) Erben

bb) Nahe Angehörige

cc) Gesellschafter

dd) Geschäftsführer

ee) Gegner

ff) Gesetzlicher Vertreter des Auftraggebers

gg) Erfüllungsgehilfe des Vertragspartners

c) Begrenzung der Haftung

d) Gesamtschuld

4. Kein Anspruch aus PVV bei fehlerhafter Vertragsgrundlage

a) Gesetzliche Verbote

b) Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen

5. Anspruch aus cic

6. Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB, § 5 StBerG

7. Treuhänderische Pflichten eines Anwalts gegenüber Prozessgegner

8. Treuhänderische Pflichten eines Anwalts gegenüber Dritten

9. Prozessführung durch anwaltlichen Insolvenzverwalter

10. Haftungsfreizeichnung

11. Handakte

a) Inhalt

b) Herausgabepflicht

c) Entgegenstehende Belange

aa) Persönliche Eindrücke

bb) Geheimhaltungsinteressen sonstiger Mandanten

cc) Darlegungspflichten

d) Verjährung des Herausgabeanspruchs

e) Eigentum

aa) Grundsatz

bb) Übertragung

12. Anspruch auf Erstattung nicht verbrauchter Gebühren

a) Vertraglicher Anspruch

b) Aufschiebend bedingter Anspruch

c) Übergang auf Versicherer

IV. Übergang des Anspruchs auf Rechtsschutzversicherung

B. Belehrungspflichten des Anwalts

I. Grundsatz

1. Erschöpfende Belehrung

2. Einschränkungen

3. Handlungsalternativen

4. Bewahrung des Mandanten vor Gefahren und Nachteilen

a) Sicherster Weg

b) Hinweis auf fehlende Erfolgsaussichten

aa) Grundsatz

bb) Keine geringeren Pflichten gegenüber rechtsschutzversichertem Mandant

5. Steuerliche Beratung

6. Sachverhaltsaufklärung

7. Handeln innerhalb der Rechtsordnung

II. Umfang der Belehrungspflicht

1. Umfassendes Mandat

2. Beschränktes Mandat

3. Tätigkeit als Anwalt und Steuerberater

4. Hinweis auf Zuziehung eines Steuerberaters

5. Wirtschaftliche Interessenwahrnehmung

III. Rechtsprüfung

1. Schlüssigkeit

2. Rechtsmittelchancen

3. Hinweispflichten vor Vergleichsschluss

4. Hinweis auf Bindungen zu Gegner

5. Rechtsgutachten

6. Auftragsrechtliche Nebenpflichten

IV. Weisungen

V. Vertragsmängel

1. Gesetzes- und Sittenverstoß

2. Fernabsatz

3. Unwirksamkeit der Vollmacht bei Ausübung verbotener Rechtsberatung

4. Wirksamkeit der Prozessvollmacht trotz Interessenwiderstreit

C. Belehrungspflichten des Steuerberaters

I. Beratung über steuerliche Vor- und Nachteile

II. Dauermandat

III. Beschränktes Mandat

1. Grundlagen

2. Pflichten im Falle der Begleitung eines anderen steuerlichen Beraters

3. Makler

IV. Hinweispflicht auf neue rechtliche Entwicklungen

1. Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung

2. Hinweispflicht auf mögliche Rechtsprechungsänderung

3. Hinweispflicht auf mögliche Verfassungs- oder Gemeinschaftswidrigkeit der Besteuerungsgrundlage

4. Hinweis auf Notwendigkeit der Zuziehung eines anderen Beraters

5. Einholung einer Auskunft der Finanzverwaltung

6. Bewahrung vor strafrechtlicher Verfolgung

7. Hinweispflichten nach Mandatsende

V. Weisungen

VI. Verzug

VII. Anlageberatung

1. Eigener Rat

2. Hinweis auf Provisionsvereinbarung mit Drittem

VIII. Rückgabe von Akten

1. Umfang

2. Zurückbehaltungsrecht

IX. Haftung wegen Bilanzierungsfehlern

1. Vertragsinhalt

2. Bilanzierung nach Fortführungs- oder Liquidationswerten

3. Pflichtverletzung des Steuerberaters

4. Warn- und Hinweispflicht im Blick auf Insolvenzreife

D. Ursachenzusammenhang von Pflichtverletzung und Schaden

I. Haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität

II. Kausalität im natürlichen Sinne

III. Kausalität beim Tätigwerden mehrerer Anwälte

1. Gesamtkausalität

2. Doppelkausalität

IV. Vermutung beratungsgerechten Verhaltens

1. Keine Beweislastumkehr zulasten des Beraters

2. Voraussetzungen des Anscheinsbeweises

3. Beispiele für Vermutung

4. Beispiele fehlender Vermutung

5. Keine Vermutung bei höchstpersönlicher Entscheidung

6. Entkräftung der Vermutung

V. Maßgeblichkeit der Beurteilung des Regressgerichts für

1. Früheres gerichtliches Verfahren

2. Entscheidung anderer Gerichtsbarkeit

3. Früheres Verwaltungsverfahren

4. Tatsächliche Grundlagen

VI. Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs zwischen

1. Maßnahmen des Mandanten

2. Fehler eines später betrauten Anwalts

3. Fehler des mit der Sache befassten Gerichts

a) Ausnahmsweise fehlender Zusammenhang

b) Fehlerberichtigung durch Anwalt

c) Ganz überwiegender Schadensbeitrag von Drittseite

d) Anwaltsfehler als Schadensursache schlechthin ungeeignet

e) Verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der Rechtsprechung

4. Kriminelles Vorgehen des Gegners

VII. Hypothetische Kausalität

VIII. Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens

E. Schaden

I. Differenzhypothese

1. Gesamtvermögensvergleich

a) Kausalität

b) Adäquanz

c) Vergleichende Betrachtung

d) Herstellungsanspruch oder Schadensersatzanspruch

2. Inanspruchnahme durch Dritten

3. Steuerschaden

4. Schaden bei verdeckter Sacheinlage

5. Konsolidierte Schadensberechnung

6. Vergleich

7. Rechtsverfolgungskosten

8. Zuerkennung eines Mindestschadens

a) Konkrete Schadensberechnung

b) Abstrakte Schadensberechnung

9. Ausgang des Vorverfahrens

a) Früherer Prozess

b) Früheres Verwaltungsverfahren

10. Verlust einer Schmerzensgeldforderung

11. Verlust des Versorgungsausgleichs

12. Verlust einer Versicherungsforderung

13. Nutzlos gezahlte Anwaltsgebühren

14. Belastung mit Gebührenforderung des Anwalts

a) Fälligkeit

b) Keine Hinweispflicht über konkrete Höhe der anfallenden Gebühren

c) Hinweispflicht auf Berechnung der Gebühr nach Gegenstandswert

aa) Berechnungsgrundlage Gegenstandswert

bb) Rechtsfolge Schadensersatz

cc) Kausalität

dd) Beweislast

15. Eigene Aufwendungen des Mandanten

16. Forderungsverzicht des Mandanten im Rahmen eines Vergleichs mit dem Gegner

17. Insolvenzverschleppungsschaden einer Gesellschaft

a) Ursachenzusammenhang, Zurechnung

b) Schutzzweck der Norm

18. Verlust einer nicht wirksam erworbenen Forderung

19. Verlust einer nicht anerkennenswerten Forderung gegen Gegner

20. Ansprüche gegen früheren Berater

21. Wegfall des Vergütungsanspruchs

22. Nachteile dritter Personen

II. Normativer Schadensbegriff

1. Grundsatz

2. Umfassende rechtliche Prüfung

3. Einzelfälle

4. Folgeschäden

III. Schutzzweck der Norm

IV. Vorteilsausgleich

V. Schmerzensgeld

VI. Übergang des Schadensersatzanspruchs auf Erben

VII. Mitverschulden des Mandanten

1. Grundsatz

2. Berechnung

3. Versäumung eines Rechtsbehelfs

4. Einschaltung eines weiteren Beraters

5. Keine Pflicht zur Überkompensation

6. Abwägung der Mitverschuldensbeiträge

VIII. Nichterkennen der Insolvenz

1. Ansprüche der GmbH gegen den Abschlussprüfer

2. Ansprüche des Gesellschafters und Geschäftsführers gegen einen Prüfer

3. Ansprüche Dritter wegen fehlerhafter Abschlussprüfung

a) Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB, § 322 Abs. 1 HGB nur bei Vornahme einer Pflichtprüfung

b) Anspruch aus § 826 BGB

aa) Inhalt des Lageberichts

bb) Bewertung von Forderungen

cc) Fehlerhafte Testate

dd) Sittenwidrigkeit

ee) Zurechnungszusammenhang, Schaden

IX. Anspruch des Beraters auf Abtretung von Ansprüchen des Mandanten gegen Dritte

X. Gesamtschuldnerausgleich zwischen mehreren Beratern

F. Haftung der Sozietät und der Sozien

I. Einstandspflicht der Sozietät

1. Echte Sozietät

a) Vertragsschluss

b) Gemischte Sozietät

c) Haftung

2. Scheinsozietät

II. Einstandspflicht der Sozien

1. Echte Sozien

2. Scheinsozien

3. Einstandspflicht von Sozien einer gemischten Sozietät

a) Frühere Rechtsprechung

b) Neuere Rechtsprechung

c) Folgemandat

aa) Erstmandat Rechtsanwalt der gemischten Sozietät erteilt

bb) Erstmandat gemischter Sozietät erteilt

III. Einstandspflicht ein- und ausgetretener Sozien

1. Eintritt nach Haftungsfall

2. Austritt vor Haftungsfall

3. Nachhaftung

a) Nachhaftungsfrist von fünf Jahren

b) Verjährung der Gesellschaftsschuld

IV. Einstandspflicht der Partner einer Partnerschaftsgesellschaft

G. Verjährung

I. Verjährung nach altem Recht

1. Dauer der Verjährung

2. Übergangsrecht

a) Verjährungsbeginn

b) Verjährungsdauer

3. Verjährungsbeginn – Entstehen des Anspruchs: Risiko-Schaden-Formel

a) Beratung bei Vertragsschluss

b) Unklare Vertragslage

c) Schuldhafte Fristverstreichung

d) Anlageberatung

e) Steuerschaden

aa) Bekanntgabe des Bescheids

bb) Kenntnisnahme durch einen Feststellungsbeteiligten

cc) Andere Schadenspositionen

dd) Sonderfälle

(1) Umsatzsteuer

(2) Versäumung einer Ausschlussfrist

(3) Beratungsfehler nach Bekanntgabe des Steuerbescheids

f) Irrige Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen

g) Verjährung von Ersatzansprüchen gegen Steuerberater ohne steuerliche Fehlberatung

h) Verjährung bei Verknüpfung zivilrechtlicher Gestaltung mit Besteuerungsverfahren

i) Schaden durch Gerichtsentscheidung

j) Reichweite der Verjährung: Grundsatz der Schadenseinheit

4. Sekundärverjährung

a) Grundlagen

b) Anlass

c) Entstehung und Dauer des Anspruchs wegen Sekundärhaftung

d) Wegfall der Sekundärhaftung

e) Kanzleiwechsel des sachbearbeitenden Anwalts

5. Arglisteinwand

a) Voraussetzungen

b) Geltendmachung der Forderung

II. Verjährung nach neuem Recht

1. Verjährungsdauer

2. Abgrenzung Alt- und Neurecht

3. Verjährungsbeginn

a) Entstehen des Schadens

b) Kenntnis des Schädigers und der anspruchsbegründenden Umstände

aa) Person des Schuldners

bb) Anspruchsbegründende Umstände

cc) Zurechnung der Kenntnis Dritter

c) Grob fahrlässige Unkenntnis

4. Weitere Verjährungsfristen

5. Verjährungsverzicht

6. Missbrauch der Verjährungseinrede

III. Verjährungshemmende Maßnahmen

1. Verhandlungen

a) Begriff der Verhandlungen

b) Ende der Verhandlungen

c) Dauer der Verjährungshemmung

2. Klage

3. Mahnbescheid

a) Rechtzeitige Einreichung

b) Individualisierung der Forderung

4. Streitverkündung

a) Zulässigkeit

b) Streitverkündung im Rechtsmittelzug

c) Zeitpunkt der Streitverkündung

d) Dauer der Hemmung

H. Prozessuale Durchsetzung

I. Streitgegenstand

1. Gegenstand des Vorprozesses

2. Hinweispflichten

a) Regressprozess

b) Vorprozess

3. Streitgegenstand des Regressprozesses

4. Notwendigkeit der Einreichung von Schriftsätzen in elektronischer Form

a) Grundsatz

b) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

II. Beweislast

1. Umfang des Mandats

2. Pflichtwidrigkeit

3. Ausgang des Vorprozesses

4. Beweislastverteilung in Vorprozess

5. Schaden

6. Verjährung

7. Beweisvereitelung

III. Erhebung einer Feststellungsklage

1. Zulässigkeit

2. Begründetheit

IV. Sachverhaltsermittlung

1. Rechtliches Gehör

a) Grundsatz

b) Verbotene Beweisantizipation

c) Anforderungen an Beweisantritt

d) Widersprüchlicher Vortrag

2. Keine Bindungen an Feststellungen des Vorprozesses

3. Parteivernehmung

V. Richterliche Vorbefassung

1. Kein Ausschlussgrund

2. Kein Ablehnungsgrund

VI. Grundurteil

1. Voraussetzungen

2. Bindungswirkung

VII. Berufungsrechtszug

1. Zulässigkeit der Berufung

a) Statthaftigkeit der Berufung gegen zweites Versäumnisurteil

b) Beseitigung erstinstanzlicher Beschwer

c) Begründungsanforderungen

2. Notwendigkeit einer Beweiserhebung

3. Erhebung der Verjährungseinrede im Berufungsrechtszug

4. Aufhebung und Zurückverweisung

a) Grundlagen

b) Folgerungen

VIII. Revisionsverfahren

IX. Verfahrenskosten

X. Urteilstenor

I. Allgemeine Honorarfragen

I. Formerfordernisse einer Honorarvereinbarung

II. Erfolgshonorar

III. Stundenhonorar

1. Anfechtung der Vereinbarung

2. Höhe

a) Sittenwidrigkeit

b) Angemessenheit

3. Nachweis der abgerechneten Stunden

IV. Kündigung des Vertrages

1. Dienste höherer Art

a) Beratervertrag

b) Buchführung

2. Kündigung

a) Grundsatz

b) Kündigung bei alleiniger Vornahme von Buchführungsleistungen

c) Kein dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen

3. Vergütungsfolgen

4. Schadensersatz wegen vertragswidrigen Verhaltens

a) Schweregrad der Pflichtverletzung

b) Kündigungsfrist

V. Honorarverlust bei Kündigung wegen vertragswidrigen Verhaltens

VI. Vertragskündigung und Pauschalhonorar

VII. Vergütungsanspruch trotz Interessenwiderstreit

1. Nichtigkeit des Vertrages

2. Kein Vergütungsanspruch aus sonstigen Rechtgründen

3. Kein Anspruchsverlust wegen Illoyalität

VIII. Verfügung über die Gebührenforderung des Beraters

1. Abtretbarkeit

a) Abtretung durch Anwalt

b) Abtretung durch Steuerberater

2. Aufrechnung mit Gebührenforderung durch Anwalt

3. Zurückbehaltungsrecht des Anwalts

IX. Forderungssperre nach PKH-Bewilligung

1. Beiordnung eines Einzelanwalts

2. Beiordnung eines Anwalts einer Sozietät

Sachregister

A. Beratungsvertrag

I. Rechtsnatur des Vertrages: Dienstvertrag

1.Vertragsart für Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung ausschlaggebend

1

Im Unterschied zum Dienstverpflichteten schuldet beim Werkvertrag der Unternehmer einen bestimmten Erfolg (§ 631 BGB). Er hat deswegen nach Maßgabe der §§ 633ff. BGB auch für die Mangelfreiheit seines Werks einzustehen, ohne dass es – mit Ausnahme der in § 636 BGB a.F. geregelten Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz – darauf ankommt, ob er die Schlechtleistung zu vertreten hat. Demgegenüber enthalten die Vorschriften über den Dienstvertrag (§§ 611ff. BGB) – abgesehen von einem nach Lage des Einzelfalls gegebenen Recht des Dienstherrn zur außerordentlichen Kündigung gem. § 626 BGB – keine Bestimmungen über die Rechtsfolgen mangelhafter Leistungen des Dienstverpflichteten. Diese Lücke ist dadurch zu schließen, dass der Dienstverpflichtete, soweit nicht Haftungsbeschränkungen eingreifen, bei Vertretenmüssen Schadensersatz nach den Grundsätzen über die positive Vertragsverletzung schuldet. Eine Minderung der vereinbarten Vergütung wie im Fall des § 634 BGB ist hingegen beim Dienstvertrag ausgeschlossen.1

2.Rechtsanwaltsvertrag

2

Beim Dienstvertrag wird eine Tätigkeit als solche geschuldet, beim Werkvertrag dagegen der Erfolg. Demgemäß trägt bei Letzterem der Unternehmer die Gefahr und hat in der Regel einen Vergütungsanspruch nur bei Ablieferung des Arbeitsergebnisses, während beim Dienstvertrag bereits das Tätigwerden den Leistungsinhalt darstellt.2 Das Vertragsverhältnis zwischen einem Rechtsanwalt und seinem „Auftraggeber“ stellt regelmäßig einen Dienstvertrag dar, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (§§ 611, 675 BGB). Dies gilt für die typischen Anwaltsverträge, welche die Beratung des Mandanten oder dessen Rechtsbeistand zum Gegenstand haben. Nur ausnahmsweise kann der Anwaltsvertrag als Werkvertrag einzuordnen sein, wenn nämlich ein durch anwaltliche Arbeit herbeizuführender Erfolg den Gegenstand der Verpflichtung des Rechtsanwalts bildet. Dies ist gewöhnlich dann der Fall, wenn der Anwalt es übernimmt, Rechtsauskunft über eine konkrete Frage zu erteilen oder ein schriftliches Rechtsgutachten anzufertigen. Der Anwalt schuldet – auch soweit er sich verpflichtet, Vertragsentwürfe zu fertigen – nicht einen objektivierbaren Erfolg, sondern nur eine sach- und interessengerechte Bearbeitung. Er schuldet – neben den Vertragsentwürfen – darüber hinaus und in erster Linie die Beratung der Mandanten in den Angelegenheiten der geplanten Verträge, die etwa Grundstücksübertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge betreffen. Damit stellt die Dienstleistung in Form der Beratung das prägende Hauptmerkmal des Anwaltsvertrages dar.3 Ausnahmsweise kann es sich um einen Werkvertrag handeln, wenn nicht anwaltlicher Beistand, sondern vielmehr ein durch anwaltliche Arbeit herbeizuführender Erfolg den Gegenstand der Verpflichtung des Rechtsanwalts bildet. Dies ist gewöhnlich dann der Fall, wenn der Anwalt es übernimmt, Rechtsauskunft über eine konkrete Frage zu erteilen oder ein schriftliches Rechtsgutachten anzufertigen.4

3.Steuerberatervertrag

3

Ein Vertrag, durch den einem steuerlichen Berater, wie hier, allgemein die Wahrnehmung aller steuerlichen Interessen des Auftraggebers übertragen wird, ist regelmäßig ein Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat. Lediglich bei Einzelaufträgen, die auf eine einmalige, in sich abgeschlossene Leistung gerichtet sind, wird der Steuerberater das Risiko im Allgemeinen hinreichend abschätzen können, um für einen bestimmten Erfolg seiner Tätigkeit als Werkleistung im Sinne von § 631 BGB einzustehen. Im Übrigen ist der Umstand, dass der steuerliche Berater bei ordnungsmäßiger Verrichtung der von ihm geschuldeten Dienste des Öfteren auch greifbare Ergebnisse zustande zu bringen hat, entgegen einer teilweise vertretenen Ansicht mit der Annahme eines Dienstvertrags allgemein vereinbar.5 Ein Werkvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter ist ausnahmsweise bei Einzelaufträgen anzunehmen, die auf eine einmalige, in sich abgeschlossene Leistung gerichtet sind, etwa die Anfertigung bestimmter Bilanzen, ein Gutachten oder die eine Rechtsauskunft zum Gegenstand haben; denn in derartigen Fällen wird der Steuerberater das Risiko im Allgemeinen hinreichend abschätzen können, um für einen bestimmten Erfolg seiner Tätigkeit als Werkleistung im Sinne von § 631 BGB einzustehen.6 Bei dem Steuerberatervertrag kann es sich um eine werkvertragliche Verpflichtung mit Geschäftsbesorgungscharakter handeln, die nicht auf eine dauernde Beratung der GmbH gerichtet ist, sondern die eingeschränkte Aufgabe enthält, einen Weg aufzuzeigen, auf dem der Gewinn einer GmbH auf einen Dritten übertragen werden kann, ohne damit die steuerlichen Folgen einer Gewinnausschüttung an den Gesellschafter auszulösen. Dieser Auftrag ist auf die Entwicklung eines entsprechenden Konzeptes beschränkt.7

4.Gegenstand des Vertrages: Rechtliche Beratung

4

Ob im Einzelfall ein Anwaltsvertrag vorliegt mit der Verpflichtung, dem Auftraggeber rechtlichen Beistand zu leisten, hängt vom Inhalt der Aufgabe ab, die dem Rechtsanwalt übertragen und von diesem durchgeführt wurde. Die Rechtsberatung und -vertretung muss nicht der Schwerpunkt der anwaltlichen Tätigkeit sein. Ein Anwaltsvertrag kann auch anwaltsfremde Maßnahmen umfassen, falls diese in einem engen inneren Zusammenhang mit der rechtlichen Beistandspflicht stehen und auch Rechtsfragen aufwerfen können. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Rechtsberatung und -vertretung völlig in den Hintergrund tritt und deswegen als unwesentlich erscheint. Lässt die Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls nicht die Feststellung zu, ob ein Anwaltsvertrag vorliegt oder nicht, so ist im Zweifel anzunehmen, dass derjenige, der die Dienste eines Rechtsanwalts in Anspruch nimmt, ihn auch in dieser Eigenschaft beauftragen will, weil er erwartet, dass der Rechtsanwalt bei seiner Tätigkeit auch die rechtlichen Interessen des Auftraggebers wahrnehmen werde. Darum kann der Anwalt, der als Unternehmensberater zu einem Tageshonorar im Rahmen der innerbetrieblichen Weiterbildung tätig war, für die Mitwirkung an einem Unternehmenskauf eine Vergütung nach anwaltlichen Gebührensätzen beanspruchen.8 In diesen Fällen kann der Anwalt bei der Mitwirkung an einem Unternehmensverkauf folglich nicht ohne Weiteres ein Erfolgshonorar verlangen.9 Ist der Inhalt der dem Anwalt übertragenen Aufgabe in nicht unwesentlichem Umfang rechtsberatender Natur, stellt sich der zwischen ihm und seinem Auftraggeber geschlossene Vertrag – unabhängig von den Vorstellungen, die sich die Parteien über dessen Rechtsnatur machen – in seiner Gesamtheit als Anwalts-Dienstvertrag (§§ 611, 675 BGB) dar, der die Maklertätigkeit mitumfasst. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn die rechtsberatende Tätigkeit völlig in den Hintergrund tritt und keine in Betracht kommende Rolle spielt. Besteht die dem Rechtsanwalt übertragene Aufgabe in der Vermittlung eines Kauf- oder Darlehensgeschäftes, so ist im Zweifel, sofern nicht eindeutige und zwingende Gründe entgegenstehen, davon auszugehen, dass die Partei, die anstelle eines Maklers einen Rechtsanwalt beauftragt hat, ihn in eben dieser Eigenschaft zuzieht, also von ihm erwartet, dass er bei seinem Tätigwerden insbesondere ihre rechtlichen Interessen betreut.10 Ein Rechtsbesorgungs- und kein Maklervertrag liegt vor, wenn der Anwalt einen Erwerber zu dem Zweck nachweist, Vermögen des Auftraggebers dem Vollstreckungszugriff seiner Gläubiger zu entziehen.11 Hat der Rechtsanwalt im Rahmen der erbrachten Maklerleistungen seinem Auftraggeber keinen rechtlichen Rat zu erteilen, kann er sich ein Erfolgshonorar versprechen lassen.12 Rechtsberatung hat die treuhänderische Verwaltung von Anlagebeteiligungen zum Gegenstand. Die treuhänderische Verwaltung der Beteiligung setzt nicht nur Kenntnisse des Steuerrechts,13 sondern auch zivilrechtliche Kenntnisse voraus.14 Dagegen gehören ein Vertrag über Vermögensverwaltung,15 eine kaufmännische Buchführung16 nicht zur Berufstätigkeit eines Anwalts.

5.Vertrag über Prüfung des Jahresabschlusses

5

Bei der Prüfung eines Jahresabschlusses liegt ein Werkvertrag (§ 631 BGB) vor.17 Verpflichtet sich der Steuerberater zur Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens, handelt es sich um einen Werkvertrag, der keine steuerliche Beratung zum Gegenstand hat. Der Tätigkeitsbereich des Steuerberaters geht über die eigentliche steuerliche Rechtsberatung weit hinaus. Die Hilfeleistung in Steuersachen umfasst nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 StBerG auch „die Hilfeleistung bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie bei der Aufstellung von Abschlüssen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind“ (vgl. auch § 33 Satz 2 StBerG). Darüber hinaus ist dem Steuerberater gemäß § 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG ausdrücklich „eine wirtschaftsberatende, gutachtliche oder treuhänderische Tätigkeit sowie die Erteilung von Bescheinigungen über die Beachtung steuerrechtlicher Vorschriften in Vermögensübersichten und Erfolgsrechnungen“ erlaubt. Davon wird auch verbreitet Gebrauch gemacht, und zwar vor allem bei der Erstellung oder Prüfung von Vermögensübersichten und Erfolgsrechnungen. Das Berufsbild des Steuerberaters kennt danach wenigstens zwei selbstständige Formen der Berufsausübung innerhalb des Sammelbegriffs „Hilfeleistung in Steuersachen“, einmal die eigentliche Steuerberatung in der Form echter Rechtsberatung auf dem Gebiet des Steuerrechts und zum anderen die Buchführungshilfe. Von der eigentlichen Steuerberatung als Rechtsberatung auf dem Gebiet des Steuerrechts ist also die Hilfeleistung bei der Erfüllung der Buchführungspflichten zu unterscheiden, die der Rechnungslegung zuzuordnen ist. Bereits der Gesetzgeber hat im Rahmen der Begründung der mit § 33 StBerG nahezu inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 2 StBerG a.F. in Einklang mit dem Gesetzeswortlaut darauf verwiesen, dass lediglich die Aufstellung von Steuerbilanzen und deren steuerrechtliche Beurteilung als Steuerberatung zu verstehen sind. Gesetzlich vorgeschriebene Prüfungen sind gemäß § 319 Abs. 1 HGB – abhängig von der Größe des Unternehmens – Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern vorbehalten. Dagegen können die im Streitfall den Vertragsgegenstand bildenden freiwilligen Prüfungen grundsätzlich von „jedermann“ durchgeführt werden. Demgemäß besteht der eigens nach §§ 35, 36 StGebV zu vergütende Vertrag über die Abschlussprüfung unabhängig von dem über die laufende Steuerberatertätigkeit. Vor diesem Hintergrund scheidet bei Ausübung dieser Tätigkeit eine steuerrechtliche Rechtsberatung aus.18

6.Mediationsvertrag

a)Zulässigkeit der Tätigkeit als Mediator durch Anwalt

6

Die Mediation gehört zum Berufsbild des Rechtsanwalts. Der Vertrag zwischen dem anwaltlichen Mediator und den Konfliktparteien ist regelmäßig als mehrseitiger Anwaltsdienstvertrag im Sinne von § 611 Abs. 1, § 675 Abs. 1 BGB zu verstehen. Unbedenklich ist eine anwaltliche Tätigkeit als Mediator in Ehesachen, die im Einverständnis der Ehepartner auf den Versuch einer gütlichen Einigung der Vermögensinteressen gerichtet ist. Scheitert die Mediation, darf allerdings der Anwalt keinen der Ehegatten weiter vertreten.19 Übt ein Rechtsanwalt die Tätigkeit eines Mediators aus, liegt darin kein Verstoß gegen das Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen, weil der Anwalt im Auftrag beider Konfliktparteien als Vermittler handelt, deren gemeinsames Interesse an einer einvernehmlichen Konfliktlösung verfolgt und gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1, § 3 Abs. 1 MediationsG zur unparteiischen Verhandlungsführung verpflichtet ist.20

b)Pflichtverletzung

7

Ob dem Mediator eine Pflichtverletzung vorzuwerfen ist, hängt von dem konkreten Inhalt des mit ihm geschlossenen Vertrages ab. Die Tätigkeit des Anwaltsmediators kann darauf gerichtet sein, mit den Parteien eine einvernehmliche Auseinandersetzung der vermögensrechtlichen Folgen ihrer gescheiterten Ehe zu entwickeln. Zu diesem Zweck hat der Mediator sachverhaltsaufklärend tätig zu werden, um unter Einbeziehung der von den Konfliktparteien eingebrachten rechtlichen Gesichtspunkte und Fragen eine gleichgewichtige, den Interessen beider Seiten gerecht werdende einvernehmliche Konfliktlösung zu ermöglichen. Der Anwaltsmediator hat die Belehrungen und Hinweise zu erteilen, die in der konkreten Situation einem Anwalt obliegen, und für deren Richtigkeit einzustehen. Aufklärungsfehler und unterlassene Warnungen über drohende Rechtsverluste, die den Mediator in gleichem Maße gegenüber allen Beteiligten treffen, können eine Haftung begründen.21 Ein zentraler Aspekt der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung bildet bei einer Ehescheidung in aller Regel der Versorgungsausgleich. Der Pflicht, die Grundlage für eine einvernehmliche Regelung des Versorgungsausgleichs zu schaffen, ist der Mediator nicht nachgekommen, wenn bis zu dem Zeitpunkt, als die Eheleute vor Gericht einen bindenden, wechselseitigen Verzicht auf den Versorgungsausgleich erklärten, die maßgeblichen Werte nicht erhoben worden waren.22 Es kann dahinstehen, ob der Mediator verpflichtet ist, den Verlauf des gerichtlichen Scheidungsverfahrens zu begleiten und zu überwachen. Jedenfalls hat der Mediator die von ihm für die Vertretung der Eheleute eingesetzten Rechtsanwälte vor Anrufung des Gerichts zutreffend und umfassend über den Stand des Einigungsversuchs und die für die Bemessung des Versorgungsausgleichs fehlenden tatsächlichen Grundlagen zu informieren.23 Treffen den Anwaltsmediator die Hinweispflichten eines Rechtsanwalts, muss die Belehrung an die vornehmlich betroffene Partei gerichtet werden. Dies entspricht dem in § 2 Abs. 3 MediationsG verankerten Grundsatz der Allparteilichkeit, demzufolge sämtlichen Beteiligten die gebotenen Hinweise zu geben sind. Diese Würdigung steht mit der Regelung des § 432 Abs. 1 Satz 1 BGB in Einklang, wonach bei einer Mitgläubigerschaft Auskunftsansprüche gegenüber allen Mitberechtigten zu erfüllen sind.24

2

BGH, Urt. v. 8.12.1966 – VII ZR 114/64, NJW 1967, 719, 720.

3

BGH, Urt. v. 7.3.2019 – IX ZR 221/18 Rn. 7.

4

BGH, Urt. v. 20.10.1964 – VI ZR 101/63, NJW 1965, 106.

7

BGH, Urt. v. 7.12.2017 – IX ZR 25/17, ZInsO 2018, 518 Rn. 19.

9

BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 270/02, NJW 2004, 1169, 1170.

10

BGH, Urt. v. 10.6.1985 – III ZR 73/84, NJW 1985, 2642.

17

BGH, Urt. v. 1.2.2000 – X ZR 198/97, NJW 2000, 1107.

19

BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 34/17, NJW 2017, 3442 Rn. 19.

20

BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 34/17, NJW 2017, 3442 Rn. 20.

21

BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 34/17, NJW 2017, 3442 Rn. 22.

22

BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 34/17, NJW 2017, 3442 Rn. 24.

23

BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 34/17, NJW 2017, 3442 Rn. 25.

24

BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 34/17, NJW 2017, 3442 Rn. 35.

II. Vertragsschluss

1.Konkludentes Verhalten

8

Da der Anwaltsvertrag zu seiner Wirksamkeit grundsätzlich keiner Form bedarf, kann er auch durch schlüssiges Verhalten der Vertragsparteien zustande kommen. Dies gilt auch für den Vertrag zwischen Mandant und Verkehrsanwalt. Im Interesse der Rechtssicherheit sind an die Annahme eines Vertragsschlusses durch schlüssiges Verhalten allerdings erhöhte Anforderungen zu stellen. Eine solche Annahme ist – sofern es an einem Erklärungsbewusstsein fehlt – nur gerechtfertigt, wenn das Verhalten eines Beteiligten von dem anderen bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eindeutig und zweifelsfrei als eine auf den Abschluss eines (Verkehrs-)Anwaltsvertrages gerichtete Willenserklärung aufzufassen ist. Ein Vertrag fehlt, wenn zunächst eine Deckungszusage eingeholt werden soll.25 Die entsprechende Beurteilung obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der seine Entscheidung unter Berücksichtigung der §§ 133, 157 BGB aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände zu treffen hat. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht. Zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen zählt der Grundsatz der beiderseits interessengerechten Auslegung.26

9

Diese strengen Anforderungen gelten bei der Einschaltung eines Verkehrsanwalts im Berufungsverfahren umso mehr, als die Kosten eines Verkehrsanwalts hier regelmäßig nicht erstattungsfähig sind. Die Voraussetzungen für einen Verkehrsanwaltsvertrag sind als erfüllt angesehen worden, wenn die Partei die ständige schriftliche und mündliche Information des Berufungsanwalts durch den Prozessbevollmächtigten erster Instanz hinnimmt und auch ihre eigenen Erklärungen zur Sache während des Berufungsverfahrens im Wesentlichen über den Prozessbevollmächtigten erster Instanz leitet.27 Wird der gegen den Mandanten eines Rechtsanwalts erlassene Haftbefehl unter der Voraussetzung außer Vollzug gesetzt, dass der Beschuldigte selbst eine Barkaution leistet, und ist ein Dritter bereit, ihm diesen Betrag zur Verfügung zu stellen, so werden vertragliche Beziehungen zwischen dem Dritten und dem Rechtsanwalt des Beschuldigten nicht schon dadurch begründet, dass er mit ihm die technische Abwicklung des Zahlungsvorgangs über ein Anderkonto des Rechtsanwalts vereinbart.28 Die eigenständige Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts hat zur Folge, dass eine Sozietät selbst Partnerin eines Beratungsvertrages sein kann. Dabei kann sich auch eine sogenannte gemischte Sozietät, der neben Rechtsanwälten auch Mitglieder anderer Berufsgruppen angehören, zur Erbringung anwaltlicher Beratungsleistungen verpflichten. Der einer Sozietät angehörende Anwalt schließt den Anwaltsvertrag nicht in eigenem Namen, sondern namens und im Auftrag der Sozietät.29 Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des für die Sozietät handelnden Rechtsanwalts ändert daran nichts. Die öffentlich-rechtliche Beiordnung lässt den zivilrechtlichen Mandatsvertrag unberührt, hat also auf den schon bestehenden Anwaltsvertrag – wenn nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wird – keinen Einfluss.30

2.Abgrenzung eines Beratungsvertrages von bloßer Gefälligkeit

10

Die Abgrenzung, ob den Erklärungen der Parteien ein Wille zur rechtlichen Bindung zu entnehmen ist oder die Parteien nur aufgrund einer außerrechtlichen Gefälligkeit handeln, ist anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu bewerten. Ob bei einer Partei ein Rechtsbindungswille vorhanden ist, ist danach zu beurteilen, ob die andere Partei unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen musste. Dies ist anhand objektiver Kriterien aufgrund der Erklärungen und des Verhaltens der Parteien zu ermitteln, wobei vor allem die wirtschaftliche sowie die rechtliche Bedeutung der Angelegenheit, insbesondere für den Begünstigten, und die Interessenlage der Parteien heranzuziehen sind. Dem Umstand, dass der Berater für sein Tätigwerden keine Vergütung verlangt hat, kommt kein entscheidendes Gewicht zu.31 Nach ständiger Rechtsprechung ist der stillschweigende Abschluss eines Auskunftsvertrages zwischen Geber und Empfänger der Auskunft und damit eine vertragliche Haftung des Auskunftgebers für die Richtigkeit seiner Auskunft regelmäßig dann anzunehmen, wenn die Auskunft für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung ist und er sie zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse machen will; dies gilt insbesondere in Fällen, in denen der Auskunftgeber für die Erteilung der Auskunft besonders sachkundig oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse bei ihm im Spiel ist. Dieser Rechtsprechung ist allerdings nicht zu entnehmen, dass für das Zustandekommen eines Auskunftsvertrages ohne Rücksicht auf die Besonderheiten des jeweiligen Falles allein schon die Sachkunde des Auskunftgebers und die Bedeutung der Auskunft für den Empfänger ausreichen. Diese Umstände stellen vielmehr lediglich Indizien dar, die, wenn auch mit erheblichem Gewicht, in die Würdigung der gesamten Gegebenheiten des konkreten Falles einzubeziehen sind.32

11

Für den stillschweigenden Abschluss eines Auskunftsvertrages ist entscheidend darauf abzustellen, ob die Gesamtumstände unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung und des Verkehrsbedürfnisses den Rückschluss zulassen, dass beide Teile nach dem objektiven Inhalt ihrer Erklärungen die Auskunft zum Gegenstand vertraglicher Rechte und Pflichten gemacht haben. So hat der Bundesgerichtshof bei der rechtlichen Beurteilung von Fällen, in denen der konkludente Abschluss eines Auskunftsvertrages angenommen oder in Erwägung gezogen wurde, außer der Sachkunde des Auskunftgebers und der Bedeutung seiner Auskunft für den Empfänger jeweils auch weitere Umstände mitberücksichtigt, die für einen Verpflichtungswillen des Auskunftgebers sprechen können, wie z.B. dessen eigenes wirtschaftliches Interesse an dem Geschäftsabschluss, ein persönliches Engagement in der Form von Zusicherungen nach Art einer Garantieübernahme, das Versprechen eigener Nachprüfung der Angaben des Geschäftspartners des Auskunftsempfängers, die Hinzuziehung des Auskunftgebers zu Vertragsverhandlungen auf Verlangen des Auskunftsempfängers oder die Einbeziehung in solche Verhandlungen als unabhängige neutrale Person sowie eine bereits anderweitig bestehende Vertragsbeziehung zwischen Auskunftsgeber und Auskunftsempfänger.33

12

Das Zustandekommen eines Auskunftsvertrages lässt sich nicht verneinen, wenn eine auf einen bevorstehenden Grundstücksverkauf bezogene Auskunft des Steuerberaters für den Empfänger von erkennbar erheblicher Bedeutung und zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse bestimmt ist. Gleiches gilt für den weiteren Umstand, dass der Steuerberater für die in Rede stehende steuerliche Auskunft als besonders sachkundig anzusehen war. Eine bereits anderweitig bestehende Vertragsbeziehung zwischen Auskunftsgeber und Auskunftsempfänger lag ebenfalls vor, nachdem der Berater bereits seit mehreren Jahren regelmäßig die Einkommensteuererklärungen des Mandanten erstellte. Im Rahmen dieser Umstände ist auszuschließen, dass die Auskunft nur gefälligkeitshalber erteilt wurde. Unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung und des Verkehrsbedürfnisses ist vielmehr offenkundig, dass beide Teile nach dem objektiven Inhalt ihrer Erklärungen die Auskunft zum Gegenstand vertraglicher Rechte und Pflichten gemacht haben.34

3.Sittenwidrigkeit einer im Gebühreninteresse angedrohten Mandatskündigung

13

Eine – widerrechtliche – Drohung macht ein Rechtsgeschäft lediglich nach § 123 BGB anfechtbar; nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist es nur dann, wenn besondere Umstände hinzukommen, die das Geschäft nach seinem Gesamtcharakter als sittenwidrig erscheinen lassen. Dies gilt auch für die Beurteilung einer in Aussicht gestellten Mandatskündigung durch den Rechtsanwalt. Solche besonderen Umstände konnte das Berufungsgericht im Rahmen einzelfallbezogener Erwägungen, insbesondere im Hinblick auf die Geschäftserfahrenheit der Beklagten und darauf, dass ihr der fragliche Vereinbarungstext bereits vier Wochen zuvor zugesandt wurde, verneinen. Auch die Revision wendet sich hiergegen nicht.35

4.Anfechtung einer Haftungsübernahme

14

Veranlasst der Rechtsanwalt den persönlich nicht haftenden Gesellschafter seiner Mandantin erstmals unmittelbar vor einem anberaumten Gerichtstermin mit dem Hinweis, anderenfalls das Mandat niederzulegen, zum Abschluss einer Haftungsübernahme, kann hierin eine widerrechtliche Drohung liegen.

a)Anspruch aus cic

15

Nach gefestigter Rechtsprechung begründet der Tatbestand einer rechtswidrigen Drohung oder arglistigen Täuschung außer der Anfechtungsmöglichkeit auch einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens beim Vertragsschluss (§ 311 Abs. 2 BGB), der dem Bedrohten oder Getäuschten das Recht gibt, auch ohne Ausübung eines Gestaltungsrechts Befreiung von der eingegangenen Verbindlichkeit zu verlangen, sofern dem Betroffenen durch den Vertragsschluss ein Schaden entstanden ist. Auf einen derartigen Schadensersatzanspruch findet die Jahresfrist des § 124 BGB weder direkt noch entsprechend Anwendung.36

b)Ankündigung der Mandatsniederlegung

16

In der Ankündigung eines Rechtsanwaltes, das Mandat niederzulegen, um hierdurch eine günstigere Vergütungsabrede durchzusetzen, kann ausnahmsweise eine rechtswidrige Drohung liegen. Ob eine Drohung in einem solchen Fall rechtswidrig ist, hängt von dem Verhältnis zwischen dem verfolgten Zweck und dem dazu eingesetzten Mittel ab; entscheidend ist, ob der Drohende an der Erreichung des Zwecks ein berechtigtes Interesse hat und die Drohung nach Treu und Glauben als ein angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen ist.37

aa) Mittel-Zweck-Relation

17

Aufgrund der Mittel-Zweck-Relation ist eine widerrechtliche Drohung gegeben, wenn der Verteidiger unmittelbar vor Beginn der Hauptverhandlung erstmals seinen Mandanten mit dem Hinweis, anderenfalls das Mandat niederzulegen, zur Unterzeichnung einer Gebührenvereinbarung veranlasst. Unter derartigen Gegebenheiten missbraucht der Verteidiger die Zwangslage seines Mandanten, der sich in der unmittelbar bevorstehenden Hauptverhandlung seines vertrauten Wahlverteidigers bedienen möchte, in verwerflicher Weise zur Durchsetzung von Gebühreninteressen. Unterrichtet dagegen der Anwalt längere Zeit vor Beginn der Hauptverhandlung den Mandanten über den Inhalt der von ihm gewünschten Gebührenvereinbarung als Voraussetzung für die Fortsetzung der weiteren Verteidigung, so wird dieser in der Lage sein, die ihn angesonnene Gebührenvereinbarung zurückzuweisen und rechtzeitig vor Beginn der in Rede stehenden Verhandlung auf der Grundlage einer ihm genehmen Gebührenabrede andere Wahlverteidiger einzusetzen.38

bb) Besondere Prozesssituation

18

Diese Grundsätze sind auf jede Prozessvertretung übertragbar. Wird unmittelbar vor dem anberaumten Verhandlungstermin der Mandant mit der Ankündigung des Prozessbevollmächtigten überrascht, er werde das Mandat unverzüglich niederlegen, wird der Mandant im Anwaltsprozess nur selten in der Lage sein, einen neuen Prozessanwalt für diesen Termin zu stellen. Da sich die Partei die Mandatsniederlegung selbst dann als eigenes Verschulden zurechnen lassen muss, wenn der Anwalt die Kündigung zur Unzeit ausspricht, liegt es nicht fern, dass im anberaumten Termin gegen die nicht vertretene Partei Versäumnisurteil ergehen wird. Der Grundsatz, dass der Anwalt seinen Mandanten nicht im Stich lassen darf, erfährt daher im Zivilprozess besondere Bedeutung.39

cc) Kündigung zur Unzeit

19

Gemäß § 627 Abs. 2 Satz 1 BGB ist es dem Dienstpflichtigen verwehrt, die Kündigung des Dienstvertrages zur Unzeit auszusprechen. Eine derartige Kündigung liegt bei einem Anwaltsvertrag vor, wenn sie zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem der Mandant nicht in der Lage ist, sich die notwendigen Dienste eines anderen Anwalts zu besorgen. Daher ist es dem Anwalt verwehrt, das Mandat im oder unmittelbar vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung niederzulegen. Verstößt der Anwalt gegen das Verbot zur Unzeit zu kündigen, ist zwar die Kündigung regelmäßig wirksam, der Anwalt macht sich aber schadensersatzpflichtig und handelt rechtswidrig.40 Aus dem Umstand, dass die Kündigung wirksam ist, kann nicht geschlossen werden, der Anwalt sei zur Kündigung berechtigt, ein derartiges Verhalten sei nicht rechtswidrig. Die Kompensation durch die von § 627 Abs. 2 Satz 2 BGB angeordnete Rechtsfolge der Schadensersatzpflicht zeigt bereits, dass das Verhalten des Anwalts als widerrechtlich angesehen wird. Ein derartiges Verhalten ist nur dann nicht gegeben, wenn für die unzeitgemäße Kündigung ein wichtiger Grund (§ 627 Abs. 2 BGB) vorliegt. Derartige Gründe können auf objektiv äußeren Umständen sowie dem Berufsrecht beruhen oder auch in der Beziehung zwischen Anwalt und Mandanten liegen, etwa wenn der Mandant den unaufschiebbaren Kündigungswunsch des Anwalts durch Beleidigung, tätliche Angriffe oder schwere Beanstandungen auslöst. Das alleinige Interesse an einer Erhöhung oder Sicherung der Vergütung vermag dagegen keinen wichtigen Grund im Sinne dieser Bestimmung zu bilden.41

dd) Androhung zur Unzeit

20

Ebenso, wie es dem Anwalt grundsätzlich verwehrt ist, unmittelbar vor einem Verhandlungstermin das Mandat aus Gebühreninteresse niederzulegen, darf er eine solche Maßnahme auch zur Unzeit nicht androhen. Es ist ihm daher versagt, kurz vor einem Verhandlungstermin die Fortführung des Mandats von der Zahlung eines weiteren Honorars abhängig zu machen. Auch eine derartige Drohung ist widerrechtlich, wenn der Anwalt nicht eine angemessene Zeit vor dem Termin hinreichend deutlich macht, die von ihm gewünschte Vergütungsabrede sei die Voraussetzung für die Fortsetzung der weiteren Vertretung vor dem Zivilgericht. Nur dann ist der hiervon betroffene Mandant oder im Falle der Vertretung einer juristischen Person die angesprochenen Gesellschafter in der Lage, die angesonnene Abrede zurückzuweisen und rechtzeitig vor dem in Betracht kommenden Verhandlungstermin andere Prozessbevollmächtigte zu bestellen.42

5.Mehrere Auftraggeber

21

Materiell-rechtlich steht eine Forderung wegen einer Fehlberatung mehreren Auftraggebern gemeinschaftlich zu im Sinne einer Mitgläubigerschaft nach § 432 Abs. 1 Satz 1 BGB zu. Dabei handelt es sich um einen Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung eines Beratungsvertrages. Diesen Vertrag schließen mehrere Auftraggeber gemeinsam mit einem Anwalt oder einer Sozietät. Schadensersatzansprüche aus diesem Vertrag stehen deshalb beiden Auftraggebern gemeinschaftlich zu. Für das Verhältnis der beiden Auftraggeber zu dem Anwalt ist deshalb von einer einfachen Forderungsgemeinschaft auszugehen, die zum Anwendungsbereich des § 432 BGB gehört.43

6.Abwickler

22

Die öffentliche Bestellung eines Kanzleiabwicklers erfolgt zum Schutz der Mandanten, für die im Interesse der Rechtssicherheit die reibungslose Fortführung der laufenden Angelegenheiten sichergestellt werden soll, und in diesem Zusammenhang auch zur Wahrung des Ansehens der Anwaltschaft. Zur Beendigung der schwebenden Angelegenheiten stehen dem Abwickler gemäß § 55 Abs. 2 Satz 3 BRAO die anwaltlichen Befugnisse zu, die der frühere Rechtsanwalt hatte. Der Abwickler gilt gemäß § 55 Abs. 2 Satz 4 BRAO für die schwebenden Angelegenheiten als von der Partei bevollmächtigt, sofern diese nicht für die Wahrnehmung ihrer Rechte in anderer Weise gesorgt hat. Die Partei ist weder an den Abwickler gebunden, noch muss sie ihren Auftrag von dem Abwickler fortführen lassen. Darum entscheidet der Mandant als Herr des Verfahrens darüber, ob er eine Fortsetzung der Mandatsbetreuung durch den Abwickler wünscht. Folglich sind die Mandanten berechtigt, erteilte Mandate zu kündigen. Zudem können Anwaltsverträge einvernehmlich zwischen dem Abwickler und dem Mandanten aufgehoben werden. Die Angelegenheiten der Mandanten können im Rahmen neuer Verträge von dem Abwickler selbst oder anderen Rechtsanwälten übernommen werden. Ob eine vom Abwickler veranlasste Überführung laufender Verfahren auf sich selbst oder andere Rechtsanwälte dem Sinn und Zweck der Abwicklung entspricht, bedarf keiner Entscheidung.44

25

BGH, Urt. v. 14.2.2019 – IX ZR 203/18.

28

BGH, Urt. v. 22.7.2004 – IX ZR 132/03, NJW 2004, 3630.

29

BGH, Urt. v. 10.5.2012 – IX ZR 125/10, WM 2012, 1351 Rn. 15.

43

BGH, Urt. v. 16.7.2015 – IX ZR 197/14, WM 2015, 1622 Rn. 37.

44

BGH, Urt. v. 7.2.2019 – IX ZR 5/18, WM 2019, 732 Rn. 21.

III. Rechtsgrundlagen der Beraterhaftung

1.Positive Vertragsverletzung

23

Nach herkömmlicher Bewertung bildet die positive Vertragsverletzung die Rechtsgrundlage der Beraterhaftung. Seit der Schuldrechtsreform unterscheidet § 280 Abs. 1 BGB zwischen dem Mangelfolgeschaden, der dem Mandanten an seinen sonstigen Rechtsgütern, insbesondere seinem Vermögen, entstanden ist gegenüber dem in § 280 Abs. 3 BGB behandelten Schadensersatz statt der Leistung (Mangel- oder Nichterfüllungsschaden), der in der unzureichenden Beratungsleistung selbst besteht.

24

§ 280 Abs. 1 BGB erfasst jede Vertragspflicht, gleich ob es sich um eine Haupt- oder Nebenpflicht handelt. Als Rechtsfolge kann der Gläubiger im Rahmen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz neben der geschuldeten Leistung beanspruchen; Ersatz- und Erfüllungsanspruch bestehen nebeneinander. Insoweit betrifft § 280 Abs. 1 BGB das negative Interesse des Mandanten, also insbesondere den Ersatz ihm entstandener Begleitschäden. Wird etwa die falsche Partei verklagt, sind die dadurch entstandenen Kosten von dem Anwalt nach § 280 Abs. 1 BGB zu ersetzen; daneben ist er zur Erfüllung seiner Leistung durch Klageerhebung gegen die richtige Partei verpflichtet. Neben dem eigentlichen Mandat im Blick auf weitere Rechtsangelegenheiten zu beachtende Warnpflichten sind § 280 Abs. 1 BGB zuzuordnen, ebenso allgemeine Schutzpflichten wie die Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der Kanzleiräume.

25

Von § 280 Abs. 1 BGB unterscheidet sich der in § 280 Abs. 3 BGB geregelte Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung, der an die Stelle des Anspruchs auf Leistung tritt (frühere Terminologie: Schadensersatz wegen Nichterfüllung). Hier soll ein Schadensersatzanspruch nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich erst eingreifen, nachdem dem Schuldner im Rahmen einer Fristsetzung eine Gelegenheit zur ordnungsgemäßen Nacherfüllung seiner Verpflichtung gegeben wurde (§ 281 Abs. 1 BGB). In Beratungshaftungssachen ist freilich eine Fristsetzung regelmäßig entbehrlich, weil infolge einer nicht mehr angreifbaren nachteiligen gerichtlichen Entscheidung und der dadurch bedingten Unmöglichkeit (§ 275 BGB) eine Nachholung der Leistung ausscheidet (§ 281 Abs. 2 BGB). Deswegen hat die Schuldrechtsreform die Voraussetzungen der Beraterhaftung im Grundsatz nicht umgestaltet. Der Schadensersatz statt der Leistung erfasst sämtliche Nachteile, die bei ordnungsgemäßer Beratung verhindert worden wären; deshalb ist der Mandant schadensrechtlich so zu stellen, wie wenn der Berater seine Leistungspflicht ordnungsgemäß erbracht hätte.

2.Verschulden

26

Das Verschulden wird aufgrund der Pflichtverletzung vermutet (§§ 282, 285 BGB a.F. analog). Denn das objektiv fehlerhafte Verhalten des Beraters spricht für sein Verschulden. Der Anwalt muss darlegen und beweisen, dass ihn an der objektiven Verletzung seiner Pflichten kein Verschulden trifft. Mithin gilt ein objektivierter Sorgfaltsmaßstab.45

3.Anwaltsvertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

a)Grundlagen

aa) Rechtlicher Ausgangspunkt

27

In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass auch dritte, an einem Vertrag nicht unmittelbar beteiligte Personen in den Schutzbereich eines Vertrages einbezogen werden können. Die Einbeziehung dritter Personen in vertragliche Beziehungen, an denen sie selbst nicht teilhaben, ist auf Vermögensschäden ausgedehnt worden. Diese Entwicklung wurde mit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahre 1965 eingeleitet:46 Sie betraf eine unmittelbare Haftung eines Rechtsanwalts wegen schuldhafter Säumnis gegenüber der Tochter eines Erblassers aus einer Vereinbarung, in der der Rechtsanwalt sich gegenüber dem Erblasser zur Mitwirkung bei der testamentarischen Erbeinsetzung der Tochter als Alleinerbin verpflichtet hatte. Der Bundesgerichtshof ließ sich in jener Entscheidung von der Annahme rechtsgeschäftlicher Sorgfaltspflichten des Rechtsanwalts gegenüber der Tochter aus dem Sinn und Zweck des Vertrages und den Grundsätzen von Treu und Glauben leiten. In jener Entscheidung stand noch ein Schutz- und Fürsorgeverhältnis zwischen den geschützten Dritten und dem Gläubiger im Vordergrund. Der Bundesgerichtshof hat in der Folgezeit auf dieses Erfordernis verzichtet und lediglich nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen geprüft, ob die Vertragsparteien den Willen hatten, zugunsten eines Dritten eine Schutzpflicht zu begründen. Ob ein bestimmter Dritter im Einzelfall in den Schutzbereich eines Vertrages einbezogen ist, ist zunächst eine Frage der Auslegung und insoweit vom Tatrichter zu entscheiden. Das Revisionsgericht prüft insoweit nur, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen wurde.47

bb) Voraussetzungen einer Einbeziehung

28

Auf dieser Entwicklungslinie hat sich eine Berufshaftung für Rechtsanwälte, Sachverständige, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer herausgebildet. Der Kreis der in den Schutz eines Vertrages einbezogenen Dritten ist unter Beachtung einer sachgerechten Abwägung der Interessen der Beteiligten dahin zu begrenzen, dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung in Berührung kommt. Die danach geforderte Leistungsnähe des Dritten reicht allein nicht aus. Es muss ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages hinzutreten. Den Interessen des Schuldners, also etwa des Beraters, wird dadurch Rechnung getragen, dass die Einbeziehung Dritter und die damit für ihn verbundene Haftungserweiterung erkennbar sein muss.48 Eine Einbeziehung des Dritten ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und der überwiegenden Meinung in der Literatur abzulehnen, wenn ein Schutzbedürfnis des Dritten nicht besteht. Sie ist im Allgemeinen dann zu verneinen, wenn dem Dritten eigene vertragliche Ansprüche – gleich gegen wen – zustehen, die denselben oder zumindest einen gleichwertigen Inhalt haben wie diejenigen Ansprüche, die ihm über eine Einbeziehung in den Schutzbereich eines Vertrages zukämen.49 Es ist rechtlich unerheblich, wenn ein solcher Anspruch mangels finanzieller Leistungsfähigkeit des Verpflichteten von Anfang an nicht durchsetzbar ist; denn das von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bezweckt nicht die Absicherung des Risikos, dass die vertraglich verpflichtete Person zum Ersatz des Schadens finanziell nicht in der Lage ist.50 Der in den Vertrag einbezogene Dritte erwirbt keinen primären Anspruch auf die Hauptleistung, sondern einen sekundären Schadensersatzanspruch.51

cc) Betroffene Fallkonstellationen

29

Kennzeichnend für die eine Fallgruppe ist, dass die vom Anwalt oder Steuerberater zu erbringende Leistung nach objektivem Empfängerhorizont auch dazu bestimmt ist, dass ein Dritter die Beratungsleistung als Grundlage für Dispositionen über sein eigenes Vermögen verwenden oder auf ihrer Grundlage dem Dritten ein Vermögensvorteil zugewendet werden soll.52 Demgegenüber besteht die Besonderheit der anderen Fallgruppe darin, dass die Leistung des Anwalts nach objektivem Empfängerhorizont (auch) dazu bestimmt ist, dass der Dritte konkret feststehende Handlungsgebote, die ihn persönlich – neben dem Mandanten oder allein – treffen, einhalten und so eine – regelmäßig neben die des Mandanten tretende – persönliche Haftung vermeiden kann. Daher ergibt sich bei einer steuerlichen Beratung der GmbH eine Leistungsnähe zugunsten des Geschäftsführers aus § 34 Abs. 1 AO, wonach er kraft gesetzlicher Anordnung die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen hat, und aus § 69 AO, wonach der Geschäftsführer unter bestimmten Voraussetzungen persönlich neben der Gesellschaft für deren Steuerschulden haftet.53

b)Einbezogene Dritte

aa) Erben

30

Will der Erblasser Kommanditanteile zugunsten seiner Erben insgesamt erhalten, hat der von ihm mit dem Anwalt abgeschlossene Beratungsvertrag auch Schutzwirkung für die Erben. Davon ist auszugehen, soweit nach den ausdrücklichen Erklärungen oder dem schlüssigen Verhalten der Vertragsparteien bestimmten oder wenigstens objektiv abgrenzbaren Dritten Schutzrechte aus dem Vertrage zustehen sollen (§ 328 BGB). Das gilt auch für Anwaltsverträge. Hier war gerade die Vermögensübertragung auf die Erben Gegenstand der von dem Anwalt geschuldeten Beratung. Für diesen war zudem erkennbar, dass der Erblasser die gewillkürte Erbfolge nicht nur erstrebte, um seine eigenen Vorstellungen noch über seinen Tod hinaus möglichst zu verwirklichen, sondern um seinen Sohn zu versorgen und seine pflichtteilsberechtigte Ehefrau zu berücksichtigen. Letztlich wollte der Erblasser sein Vermögen sogar möglichst als Ganzes erhalten wissen und nach dem Tode des Sohnes in eine Familienstiftung überführen. Unter diesen Umständen hatte der Anwalt keinen Anlass zur Annahme, die Ehefrau solle aus dem Schutzbereich des Vertrages ausgenommen sein, obwohl sie in dem entworfenen Testament zur hälftigen Miterbin bestimmt war.54 Die begünstigten Erben sind in den Schutzbereich eines Beratungsvertrages eingebunden, der zum Ziel hat, den Erbausschluss einer anderen Person zu verwirklichen.55

bb) Nahe Angehörige

31

Die Ehefrau ist in den Schutzbereich eines Vertrages einbezogen, der die Beratung des Mandanten beim Abschluss einer Ruhegehaltsabrede mit seinem Arbeitgeber zum Gegenstand hat.56 Wenn ein steuerlicher Berater von einem Ehemann, der zusammen mit seiner Ehefrau gemeinschaftlich veranlagt wird, mit der Anfertigung der Einkommensteuererklärung beauftragt wird, so ist es selbstverständlich, dass er nicht nur die auf die Verhältnisse des Ehemanns, sondern auch die auf die Verhältnisse der Ehefrau bezüglichen Fragen richtig beantworten, von der Ehefrau steuerliche Nachteile abwenden und ihr steuerliche Vorteile sichern muss.57 Beauftragt der Ehemann einen Anwalt mit der klageweisen Einziehung einer Forderung, ist die Ehefrau als Forderungsinhaberin in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen, wenn der Anwalt über die Forderungszuständigkeit unterrichtet ist.58 Macht die Hausbank die Gewährung eines Kredits von der Vorlage einer Unternehmensbilanz abhängig, sind in den Schutzbereich des Vertrags zwischen dem Unternehmer und dem Steuerberater auch die als Kreditgeber vorgesehenen Dritten einbezogen (hier: Ehefrau des Unternehmers).59 Soll der Anwalt Ansprüche der bei einem Verkehrsunfall verletzten Mutter verfolgen, sind deren an dem Unfall beteiligten Kinder nicht in den Schutzbereich des Vertrages eingebunden.60

cc) Gesellschafter

32

Schließen Gesellschafter im Zuge der Errichtung einer GmbH einen Beratungsvertrag mit einem Anwalt, so ist die Gesellschaft in den Schutzbereich der Abrede einbezogen. Denn gerade die Gesellschaft ist Gegenstand der Beratung, die der Anwalt den Gründungsgesellschaftern schuldete; das Ergebnis der Beratung hatte unmittelbaren Einfluss auf den Vermögensstand (Schuldenstand) der GmbH.61 Ein Vertrag, durch den ein Rechtsanwalt von einer GmbH beauftragt ist, die für eine Kapitalerhöhung erforderlichen Erklärungen und Beurkundungen vorzubereiten, kann, soweit es um die mit einer verdeckten Sacheinlage verbundenen Risiken geht, Schutzwirkung zugunsten der an der Kapitalerhöhung teilnehmenden Altgesellschafter haben. Die mit einer verdeckten Sacheinlage verbundenen Gefahren treffen, soweit es um das Risiko geht, die Einlage später nochmals aufbringen zu müssen, nicht die Gesellschaft, sondern die zur Einlagezahlung verpflichteten Gesellschafter. Das Ergebnis der zur Vermeidung dieser Gefahr geschuldeten Beratung hat unmittelbaren Einfluss auf die Vermögensinteressen der Gesellschafter. Insoweit bestehen keine gegenläufigen Interessen zwischen der GmbH und ihren Gesellschaftern. In einem solchen Fall sind die von einer Pflichtverletzung betroffenen Personen Adressaten der anwaltlichen Pflichten und bei pflichtwidriger Schadenszufügung dem Anwalt gegenüber schadensersatzberechtigt.62 Eine Einbeziehung der GmbH in den Schutzbereich des mit den Gesellschafterinnen geschlossenen Vertrages kann anzunehmen sein. Das nach der Behauptung der Gesellschafterinnen von dem Beklagten erarbeitete Konzept verfolgte die haftungsrechtliche und steuerrechtliche Optimierung der Vermögensverhältnisse der Gesellschafterinnen. Durch die Beratung und die hierauf aufbauende Vertragsgestaltung sollte bewirkt werden, dass das Haftungsrisiko der Gesellschafterinnen reduziert wurde. Ein Steuerschaden der GmbH sollte bei den hierbei erforderlichen Maßnahmen möglichst vermieden werden.63 Die klagende GmbH war in den Schutzbereich des Anwaltsvertrags einbezogen, weil gerade sie Gegenstand der Beratung war, welche der beklagte Berater dem Gründungsgesellschafter schuldete; das Ergebnis der Beratung hatte unmittelbaren Einfluss auf ihren Vermögensstand, wie der Berater wusste. Er war deshalb bei der Erfüllung seiner Beratungspflichten der Klägerin gegenüber verantwortlich. Dieser kann daher ein Anspruch auf Ersatz des Schadens, der durch eine fehlerhafte oder unzulängliche Beratung bei ihrer Gründung eingetreten ist, erwachsen sein.64 Mehrere Gesellschaften sind in den Schutzbereich eines Vertrages einbezogen, der die steuerliche Beratung einer Gesellschafterin und der von ihr beherrschten Gesellschaften zum Gegenstand hat.65 Hat ein Kapitalgeber seine Einlage entsprechend der Vereinbarung mit dem Vermittler von Börsentermingeschäften auf das Treuhandkonto eines Anwalts zu zahlen, so entfaltet der Treuhandvertrag zwischen dem Anwalt und dem Vermittler von Börsentermingeschäften hinsichtlich der Zahlungsabwicklung Schutzwirkung zugunsten des Kapitalgebers.66 Ein Wirtschaftsprüfer, der einem Kapitalanleger wegen Prüfung des Werbeprospekts als so genannter Garant aus Prospekthaftung Schadensersatz schuldet, kann, ohne auf verjährte Ansprüche aus Prospekthaftung verweisen zu können, aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter haften.67 Ein Darlehensvertrag zwischen einer Bank und einer GmbH ist in Bezug auf deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer nicht drittbezogen. Er entfaltet deshalb grundsätzlich keine Schutzwirkung zugunsten des Alleingesellschafters und Geschäftsführers. Dieser wird von der Darlehensgewährung nur mittelbar betroffen. Im Konzern steht einer solchen Wirkung das konzernrechtliche Trennungsprinzip auch dann entgegen, wenn die Konzernobergesellschaft Sicherheiten stellt. Die Stellung eines Alleingesellschafters wird durch einen Kreditvertrag mit seiner Gesellschaft lediglich mittelbar berührt.68 Der Gesellschafter kann in den zwischen der GmbH und einem Steuerberater als Abschlussprüfer geschlossenen Prüfvertrag einbezogen sein. Die Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse stellt nach dem beiderseitigen Parteiwillen über die Interessenlage der GmbH hinaus vor allem auch eine Entscheidungsgrundlage für den Gesellschafter des Unternehmens dar, entweder zur Insolvenzvermeidung zulasten eigener Vermögenswerte geeignete Vorkehrungen zu ergreifen oder – verbunden mit Nachteilen für das eigene geschäftliche Ansehen – einer Liquidation oder der Einleitung eines Insolvenzverfahrens den Vorrang zu geben. Da die Sanierung einer Gesellschaft regelmäßig ohne die Mitwirkung ihrer Gesellschafter nicht gelingen kann, sind die Interessen der GmbH und des Gesellschafters bei der Feststellung einer etwaigen Insolvenzreife gerade auch aus dem Blickwinkel eines Beraters aufs engste miteinander verwoben.69

dd) Geschäftsführer

33

Der Geschäftsführer kann als Dritter in den Schutzbereich eines Umsatzsteuermandates einbezogen sein, welches die GmbH erteilt hat. Unrichtige Steuererklärungen und unzureichende Mitwirkung für die steuerpflichtige GmbH begründen ein spezifisches steuerliches Haftungsrisiko, dem der Geschäftsführer nach §§ 69, 191, 219 AO ausgesetzt ist und welches bei entsprechender Einschaltung der Berater der GmbH auf deren Tätigkeit zurückgehen kann. Ergeht nach den §§ 34, 69 AO ein Haftungsbescheid gegen den Geschäftsführer, so kann diese Heranziehung rechtswidrig sein, weil die offene Steuerschuld von Rechts wegen nicht besteht, die subjektiven Haftungsvoraussetzungen, Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit, in Wahrheit fehlen oder das Finanzamt sein Ermessen nach den §§ 191, 219 AO fehlerhaft ausgeübt hat. Ebenso kommt der Geschäftsführer einer GmbH mit der ihr gegenüber erbrachten Leistung bestimmungsgemäß in Berührung, wenn er von den steuerlichen Beratern der GmbH durch Fehler der Buchführung, ungerechtfertigte Vorsteuerabzüge oder Fehlbeurteilung umsatzsteuerpflichtiger Tatbestände als umsatzsteuerfrei in das Haftungsrisiko der §§ 69, 191, 219 AO verstrickt wird. Zwar erleidet dann die GmbH bei normativer Betrachtung keinen Schaden; sie wird nur der gesetzmäßigen Besteuerung unterworfen. Der Geschäftsführer ist aber durch seine Haftung auch im Rechtssinne geschädigt, weil er bei Erfüllung seiner Pflichten für Steuerausfälle durch die Zahlungsunfähigkeit der GmbH nicht einzustehen gehabt hätte. Für den Fall der Unterzeichnung einer vom Steuerberater entworfenen Umsatzsteuererklärung kann eine Haftung des die Unterschrift leistenden Geschäftsführers in Frage kommen, wenn er selbst nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls Anlass und Möglichkeiten hatte, die Richtigkeit der Steuererklärung zu überprüfen. Der strengere Pflichtenmaßstab des steuerlichen Haftungsrechts im Vergleich zur bürgerlichrechtlichen Beraterhaftung schafft demnach für den Geschäftsführer einer GmbH ein spezifisches Risiko, für die Folgen einer fehlerhaften Wahrnehmung des Steuermandats der Gesellschaft in Haftung genommen zu werden, obwohl dem Haftungsschuldner weder als Organwalter noch aufgrund des Steuerberatungsvertrags obliegt, die Tätigkeit der Berater mit ähnlicher Intensität zu überwachen.70 Der Geschäftsführer kann in den zwischen der GmbH und einem Steuerberater als Abschlussprüfer geschlossenen Prüfvertrag einbezogen sein. Der Drittschutz beruht darauf, dass von dem Inhalt des Gutachtens gegenüber dem Geschäftsführer Gebrauch gemacht werden soll. Weist das Gutachten eine Insolvenzreife der GmbH aus, ist es Aufgabe und Verpflichtung des Geschäftsführers, daraus die gesetzlichen Folgerungen durch die Stellung eines Insolvenzantrages zu ziehen (§ 15 Abs. 1 Satz 1, § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO; § 64 Abs. 1 GmbHG a.F.). Mit Rücksicht auf die dem Geschäftsführer einer GmbH bei einer Missachtung der Insolvenzantragspflicht drohenden Haftungsfolgen (§ 823 Abs. 2 BGB, § 15a Abs. 1 InsO, § 64 Abs. 1 GmbHG a.F.; § 64 Satz 1 und 3 GmbHG, § 64 Abs. 2 GmbHG a.F.) schließt der Auftrag zur Feststellung der Insolvenzreife auch unter diesem Gesichtspunkt den Schutz des Geschäftsführers als Drittem ein.71

ee) Gegner

34

Ein Anwaltsvertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, bei dem der Anwalt nicht nur seinen Mandanten zu beraten hat, sondern auch drittschützende Pflichten gegenüber dem Verhandlungsgegner seines Mandanten wahrnehmen muss, ist nicht anzunehmen. Der Vertrag zwischen Rechtsanwalt und Mandant dient im Allgemeinen nicht dem Schutz des Vertragsgegners des Mandanten. Ein solcher Schutz wäre mit der Gegenläufigkeit der Interessen von Auftraggeber und anderem Teil nicht vereinbar. Der rechtliche Berater soll die Interessen seiner Partei wahrnehmen. Er kann nicht gleichzeitig die Pflicht haben, auf die Belange der Gegenseite Rücksicht zu nehmen und auch deren Interessen wahrzunehmen (§ 43a Abs. 4 BRAO). Zu diesem Zweck kann sich die Gegenseite eines eigenen rechtlichen Beraters bedienen. Deswegen werden Anleger nicht in den Schutzbereich eines Vertrages einbezogen, durch den der Prospektverantwortliche einen Anwalt mit der Prüfung eines Prospekts betraut.72 Ebenso kann nicht angenommen werden, dass ein Steuerberater gegenüber dem Vertragsgegner seines Mandanten für die Richtigkeit der von seiner Seite bei den Vertragsverhandlungen auf dem Gebiet des Steuerrechts abgegebenen Erklärungen einstehen wollte.73 Sollten wegen des fehlenden Hinweises des Beraters auf seine noch ausstehende Honorarrechnung Schadensersatzansprüche der Käuferin bestehen, kann diese sich deswegen allenfalls an die Verkäuferin, nicht aber an deren rechtlichen Berater halten. Ein Hinweis des Beraters, dass auf die Käuferin noch Anwaltskosten zukommen, hätte zum Verlangen der Herabsetzung des Kaufpreises geführt. Er hätte damit im Widerspruch zu den Interessen der eigenen Partei gestanden.74 Belehrt der Rechtsanwalt den Beschuldigten nicht über die Möglichkeit, den Anspruch auf Rückzahlung der Kaution durch Abtretung an den Geldgeber vor Pfändungen von Gläubigern des Beschuldigten zu schützen, kann dem Geldgeber daraus kein Schadensersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt aus einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte erwachsen, weil er bereits einen Ersatzanspruch gegen den Beschuldigten hat.75

ff) Gesetzlicher Vertreter des Auftraggebers

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Ist Gegenstand des mit einem Anwalt geschlossenen Beratungsvertrags die Beratung für Entscheidungen des Mandanten, hat der Anwaltsvertrag im Allgemeinen keine Schutzwirkungen zugunsten des (gesetzlichen) Vertreters des Mandanten für Vermögenseinbußen des Vertreters, die darauf zurückzuführen sind, dass dem Vertreter im Zusammenhang mit dem Gegenstand der anwaltlichen Beratung zu Recht oder zu Unrecht eigene Pflichtverletzungen vorgeworfen werden.76