Arbeit und Reichtum - Margaret Wirth - E-Book

Arbeit und Reichtum E-Book

Margaret Wirth

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Beschreibung

Alle brauchen Arbeit – viele finden keine. Man kann das für ein soziales Problem halten und sich vorstellen, „Beschäftigungsförderung“ wäre die passende Antwort, mit staatlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und einer Senkung der Lohnnebenkosten, mit der „Schaffung von neuen Arbeitsplätzen“ durch Teilzeit- und Leiharbeit, oder wie auch immer. Über eine gewisse Absurdität muss man sich dabei allerdings schon hinwegsetzen: Wenn es nicht mehr so viel zu tun gibt, das Nötige von weniger Leuten in kürzerer Zeit zu erledigen ist – warum braucht dann überhaupt jeder Arbeit und so viele vollgepackte Arbeitsstunden, um leben zu können? Dass weniger Arbeit ersparte Mühe bedeutet: Warum gilt die Gleichung nicht? Es liegt eben doch noch etwas anderes vor als eine „soziale Problemlage“, und jeder weiß auch was: Dass so viele Leute keine Arbeit finden, liegt an einem ökonomischen Problem. Arbeit unterbleibt, wenn sie nicht rentabel ist, wenn sie dem Unternehmen, in dem und für das sie stattfindet, nicht genügend Geldertrag einbringt. Wenn das so ist, dann findet Arbeit aber auch nur deswegen statt, weil und damit sie einem Unternehmen Gelderträge verschafft. Aus keinem anderen Grund unterbleibt sie dann eben auch, wenn sie nämlich nicht genügend Geld bringt. Man sollte deswegen auch nicht die Rede vom sozialen Problem „Arbeitslosigkeit“ für die Sache nehmen und mehr Anstrengungen für „Beschäftigung“ einklagen. Die Absurdität des Systems, der Grund seiner Schädlichkeit für die Masse seiner Insassen, liegt nicht darin, dass Arbeit nicht stattfindet, wenn sie nicht rentabel ist, sondern dass sie stattfindet, weil es um Rentabilität geht. Seine soziale Gemeinheit beginnt nicht damit, dass die Leute, die Arbeit brauchen, oft keine finden; sie besteht schon darin, dass sie eine bezahlte Arbeit brauchen. Dass sie dann noch nicht einmal sicher sein können, eine zu finden, folgt daraus von ganz allein.

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Margaret Wirth Wolfgang Möhl

„Beschäftigung“ – „Globalisierung“ – „Standort“

Anmerkungen zum kapitalistischen Verhältnis zwischen

Arbeit und Reichtum

© GegenStandpunkt Verlag 2014

Gegenstandpunkt Verlagsgesellschaft mbH Kirchenstr. 88 81675 München Tel (089) 272 16 04 Fax (089) 272 16 05 E-Mail: [email protected] Internet: www.gegenstandpunkt.com Alle Rechte vorbehalten

Das Buch ist in weiteren Ebook-Formaten erschienen PDF: ISBN 978-3-929211-45-0 MOBI Druckausgabe: ISBN 978-3-929 211-14-6

EPUB ISBN 978-3-929 211-46-7

Vorwort

Alle brauchen Arbeit – viele finden keine. Man kann das – und befindet sich dann in bester Gesellschaft – als soziales Problem würdigen und sich vorstellen, „Beschäftigungsförderung“ wäre die passende Antwort, mit staatlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und einer Senkung der Lohnnebenkosten sowie mehr Druck auf die Arbeitslosen mit Hartz IV und anderen Sozialstaatsregelungen, mit einer Streichung der Vermögenssteuer und einer Umverteilung des „knappen Guts“ Arbeit durch Arbeitszeitverkürzung, mit der „Schaffung von neuen Arbeitsplätzen“ durch Teilzeit- und Leiharbeit, oder wie auch immer. Über eine gewisse Absurdität muss man sich dabei allerdings schon hinwegsetzen: Wenn es nicht mehr so viel zu tun gibt, das Nötige von weniger Leuten in kürzerer Zeit zu erledigen ist – warum braucht dann überhaupt jeder Arbeit, und auch noch so viele vollgepackte Arbeitsstunden, um leben zu können? Dass weniger Arbeit ersparte Mühe bedeutet: Warum gilt die Gleichung nicht?

Dass so viele Leute Arbeit brauchen und keine Arbeit finden, liegt an einem ökonomischen Problem und jeder weiß das auch: Arbeit unterbleibt, wenn sie nicht rentabel ist, d.h. wenn sie dem Unternehmen, in dem und für das sie stattfindet, nicht genügend einbringt; nicht genug Ertrag nämlich, um in der Konkurrenz, der „globalen“, zu bestehen. Wenn das aber so ist; wenn Arbeit nur stattfindet, wenn und solange sie rentabel ist; dann findet sie auch nur deswegen statt, weil sie einem Unternehmen Gelderträge verschafft: Rentabilität ist der ökonomische Zweck, für den sie stattfindet. Es soll gearbeitet werden; aus keinem anderen Grund, als weil Arbeit sich rentiert; mit keinem anderen Ziel als dem nie abschließend zu erledigenden Auftrag, rentabel zu sein und Geld einzubringen; deswegen auch je mehr, umso besser – am liebsten möchte man die ganze Welt versorgen, den Chinesen U-Bahnen bauen und die Ölscheichtümer mit Klimaanlagen ausstatten, um mit der geleisteten Arbeit die Kaufkraft der Menschheit zu monopolisieren. Arbeit, weil sie Geld bringt: Dieser kategorische Imperativ beherrscht die herrschenden Verhältnisse so total, dass alle Zeitgenossen ihm folgen müssen, um leben zu können, und – egal welche – Arbeit brauchen. Und aus keinem anderen Grund unterbleibt sie dann eben auch, wenn sie nämlich nicht genügend Geld bringt; was offenbar gerade mit den Rentabilitätsfortschritten bei der Anwendung von Arbeit immer häufiger der Fall ist. Die ökonomische Zielsetzung, die in der sogenannten Marktwirtschaft total und exklusiv bestimmend ist, gebietet offenbar „Vollbeschäftigung“ und „strukturelle Arbeitslosigkeit“. Da kann es gar nicht genug Arbeit geben, weil Arbeit die Unternehmen bereichert; und zugleich sorgen die Unternehmen dafür, dass immer weniger Arbeit dieser Anforderung genügt.

Es mag ja sein, dass sich alle Welt an diese Verrücktheit gewöhnt hat und sie normal findet; auch die kundigsten Experten und mächtigsten Verwalter dieses Systems finden ja offenbar nichts dabei, wenn sie dazu nur widersprechende Auskünfte parat haben: Es wird zu wenig gearbeitet, wenn mehrere Millionen Arbeitslose in der Nation, einige zehn Millionen in der EU und zahllose Millionen auf dem Globus herumlungern; und es wird immer noch zu viel gearbeitet, so dass die reine „wirtschaftliche Vernunft“ die Schließung der letzten Werften an der Nordsee und am Mittelmeer gebietet, wenn die nur mit Milliardensubventionen weiterarbeiten. Tatsächlich scheint eben beides zugleich vorzuliegen: zu wenig, weil es beim Arbeiten doch um immer mehr Geld geht und dafür nie genug geschehen kann; zu viel, weil es beim Arbeiten doch um immer mehr Geldvermehrung geht und vor dieser Zwecksetzung viel Arbeit, die es gerade noch gebracht hat, versagt. Es hilft ja nichts, dass es „nun einmal“ so ist – ein wenig widersprüchlich ist es schon, dieses System der rentablen Arbeit.

Keine Frage: Staat und Unternehmen können damit prächtig leben – sie organisieren die Arbeit ja so und profitieren von ihrer Rentabilität. Den systemeigenen Widerspruch, dass erstens unbedingt gearbeitet werden muss und deswegen zweitens nur sehr bedingt, machen sie zu einem Problem derer, die als ausübendes Personal erstens unbedingt Arbeit brauchen und zweitens ganz oft keine finden; und dann definieren sie die materiellen Probleme, die die Leute haben, als soziale Problemlage, die sie mit den bedürftigen Leuten haben.

Man sollte diese praktisch wirksame Übersetzungsleistung nicht auch noch theoretisch billigend nachvollziehen und, vom Elend gerührt, die Lüge vom sozialen Problem für die Sache nehmen – und dann womöglich noch darüber jammern und nach Schuldigen dafür suchen, dass diesem „Problem“ durch all die eifrig diskutierten, probierten und wieder aufgegebenen „Bündnisse für Arbeit“ ohnehin nie beizukommen ist. Genauso wenig empfiehlt es sich, das Kriterium der Rentabilität als Inbegriff wirtschaftlicher Vernunft zu akzeptieren und mit den Bedenklichkeiten erst anzufangen, wenn die öffentliche Meinung sich entschließt, seine „Schattenseiten“ zur Kenntnis zu nehmen. Die Absurdität des Systems, der Grund seiner Schädlichkeit für die Masse seiner Insassen, liegt nicht darin, dass Arbeit nicht stattfindet, wenn sie nicht rentabel ist, sondern dass sie stattfindet, weil es um Rentabilität geht. Seine soziale Gemeinheit beginnt nicht damit, dass die Leute, die Arbeit brauchen, oft keine finden, sondern besteht schon darin, dass sie Arbeit brauchen; dass sie dann noch nicht einmal sicher sein können, eine zu finden, folgt daraus von ganz allein.

Die Bedingungen, denen die Marktwirtschaft die Arbeit unterwirft, enthalten die wesentlichen Bestimmungen dieses Produktionsverhältnisses. Sie sich klarzumachen, schafft garantiert keine Arbeitsplätze. Deswegen hier ein paar Ermunterungen dazu.

I. Der Zweck der Arbeit in der Marktwirtschaft: Geld Vom Arbeiten-Müssen und Arbeiten-Lassen

In der Marktwirtschaft wird gearbeitet, nicht um die Menschheit mit der benötigten Vielfalt von Gebrauchsgütern, mit materiellem Reichtum zu versorgen, sondern um Geld zu verdienen. In dieser ökonomischen Zielsetzung, Eigentum in Geldform zu erwerben, sind sich die Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft über alle Standesgrenzen und Klassenschranken hinweg einig. Denn für alle gilt unterschiedslos, dass die Befriedigung von Bedürfnissen nicht allein vom Vorhandensein nützlicher Dinge, sondern von einem ausschließenden Verfügungsrecht darüber abhängt – vom Eigentum. Als Eigentum nämlich: als dem materiellen Bedürfnis nach ihnen erst einmal entzogene Objekte einer privaten Verfügungsmacht, kommen die benötigten Arbeitsprodukte in die Welt.

Deswegen entscheidet sich für die Mitglieder dieser egalitären Gesellschaft des Geldverdienens ökonomisch alles daran, ob sie schon Geld haben oder erst welches verdienen müssen. Wer nämlich arbeiten muss, um ein Stück Eigentum zu erwerben, weil der materielle Reichtum der Gesellschaft schon anderen gehört, der braucht jemanden, der Geld hat und ihn für seine Arbeit bezahlt. Und der ist folgerichtig damit konfrontiert, dass seine Arbeit nur sehr bedingt sein Mittel ist, um an wohlverdientes eigenes Geld heranzukommen. Um ihm diesen Dienst zu tun, muss sich seine Arbeit unbedingt als Mittel seines Geldgebers bewähren – für dessen gleichlautenden Zweck. Wer für Geld arbeitet, dient dem Eigentum also gleich doppelt: dem eigenen und einem fremden. Umgekehrt umgekehrt: Wer in der Marktwirtschaft genügend Geld hat, der ist in der Lage, ein Geldeinkommen in fremden Händen zu stiften und zugleich durch die gekauften Dienste sein Eigentum zu vergrößern.

Beide Seiten zählt die Marktwirtschaft in ihrer unverwüstlichen Gleichmacherei zu ihren „Erwerbstätigen“. Dennoch ist sich jeder im Klaren über die unterschiedlichen Leistungen der Arbeit, die die einen „geben“ und die anderen „nehmen“. Sie schafft Eigentum, das dasjenige vermehrt, das es schon gibt; dem Arbeiter verschafft sie ein Geld, das ihn nie zum Eigentümer in dem Sinn werden lässt. Wo für Geld gearbeitet wird, da dient eben nicht das Geld der Arbeit als nützliches Hilfsmittel, sondern die Arbeit dem Geld als dessen Quelle. Was in der Marktwirtschaft aus der Arbeit wird, ist daher ausschließlich durch den Gebrauch bestimmt, den das als Kapital agierende Eigentum von ihr macht.

1. Die Ungleichung von Nutzen und Eigentum: Die Privatmacht des Geldes als Prinzip der gesellschaftlichen Arbeitsteilung

Ginge es im Wirtschaftsleben der Nationen darum, dass die Menschen sich mit minimalem Aufwand optimal versorgen, dann würde die Bedarfslage ermittelt und eine für die Bereitstellung der notwendigen und wünschbaren Güter zweckmäßige Arbeitsteilung organisiert. Alle ökonomischen Probleme wären solche der Arbeitsorganisation, der passenden Technik und des reibungslosen Güterverkehrs. Intelligente Menschen, die in der herrschenden Marktwirtschaft die absurdesten und kompliziertesten „Produktions-„ und „Absatzstrategien“ planen und durchführen müssen, hätten nur noch die vergleichsweise geringfügige Frage zu beantworten, wie ein gesellschaftlicher Reichtum menschenschonend herzustellen und allgemein verfügbar zu machen ist. Kein Mensch würde problematisieren, ob „das überhaupt geht“, weil der gesellschaftlich gesetzte Zweck die Antwort wäre.1)

In der Marktwirtschaft geht es anders zu – und übrigens fragt niemand, „ob das geht“, geschweige denn, dass ein Zweifel an der geltenden gesellschaftlichen Zwecksetzung laut würde, bloß weil das, worum es allen geht, für ganz viele Leute überhaupt nicht in Erfüllung geht. Da geht es darum, Geld zu verdienen, und zwar möglichst viel. In diesem Ziel verstehen sich alle Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft bestens; „Einkommensschwache“ und „Besserverdienende“, Mittelständler und Gewerkschafter, Kapitalisten und Beamte sind sich einig und finden es das Natürlichste der Welt, dass gearbeitet und gewirtschaftet, produziert und gedienstleistet wird, um an einen Lohn, einen Erlös, ein Honorar, ein Gehalt – kurzum: an Geld zu kommen.2) An was sie dann mit ihrem Geld kommen, das ist allein ihre Sache. Denn im Geld verfügen sie über ein Stück reale Freiheit: über das Mittel des Zugriffs auf eine unerschöpfliche Warenwelt. Das ist die gute Seite, die jeder am Gelderwerb schätzt.

Mit der Kehrseite machen die Erwerbstätigen, jedenfalls in ihrer übergroßen Mehrheit, freilich auch sehr rasch Bekanntschaft: Wenn die Geldsumme aufgebraucht ist, ist es auch mit dem freien Zugriff vorbei. Vorhanden sind die begehrten und benötigten Güter nach wie vor; nur verfügbar sind sie nicht. Die im Geld gewährte Möglichkeit der Befriedigung aller Bedürfnisse ist noch lange nicht die wirkliche auch nur eines einzigen.

Dieser Unterschied hat seinen quantitativen Aspekt und ein Prinzip. Geltend macht er sich als Begrenztheit der verfügbaren Geldsumme, sodass alle Probleme sich praktisch in das eine auflösen: mehr Geld zu verdienen. Was sich in dieser Haupt- und Generalnotwendigkeit des Daseins in der Marktwirtschaft geltend macht, ist die peinliche Eigenart dieser Wirtschaftsweise, dass alles, was der Mensch so braucht an hergestellten Gütern, zwar hergestellt, aber deshalb noch lange nicht verfügbar ist: Sie gehören jemandem. Das Eigentum scheidet die Produkte von denen, die sie benötigen. Dafür werden die Produkte überhaupt bloß hergestellt: um Kaufleuten zu gehören, die sie nicht selber brauchen und verbrauchen wollen, und um denjenigen, die darauf angewiesen sind, vorenthalten zu sein. Denn nur so kommt es flächendeckend zu der ökonomischen Operation, nach der die Marktwirtschaft ihren Namen hat: Geld muss den Eigentümer wechseln, damit die Ware dahin kommt, wo einer sie braucht. Das hat sich keiner so ausgedacht, als trickreiche Methode der Warenverteilung womöglich. Es ist umgekehrt: Was produziert wird, ist Eigentum. Der nützliche Gegenstand ist der ausschließenden Verfügungsmacht einer Privatperson zugeordnet; einer Verfügungsmacht, die an ihrem Objekt gar nicht hängen bleiben will, sondern zur davon getrennten, abstrakten Zugriffsmacht auf jedweden Reichtum werden soll: zur puren Privatmacht, die im Geld ihre sachliche Gestalt und ihre quantitativ bemessene Realität hat. Deswegen kann das hergestellte Objekt gar nicht anders an die, die es brauchen, „verteilt“ werden als auf dem Wege des Verkaufs, der den Zweck der Produktion erst definitiv verwirklicht, obwohl das Produkt in seiner materiellen Gestalt längst fertig ist. Auf diese materielle Gestalt kommt es eben nicht an, oder nur als Mittel zum Zweck. Was in dieser Gestalt eigentlich produziert wird, ist das damit zu erlösende Geld: was die Sache für ihren Besitzer wert ist. Deswegen ist mit der Güterproduktion die Sache nicht fertig, die Gesellschaft um einige Mittel des Produzierens und Konsumierens reicher geworden und zufrieden, sondern es ist die allgemeine Notwendigkeit etabliert, Geld zu verdienen, wie und womit auch immer, um sich die produzierten Dinge aneignen zu können: Ohne Kauf keine Benutzung.

Das alles ist den Eingeborenen der Marktwirtschaft so geläufig, und das Interesse, auf der einen Seite für alles Verkäufliche möglichst viel Geld zu erlösen, auf der anderen Seite fürs Benötigte so wenig wie möglich zu zahlen, steht so sehr im Vordergrund aller ökonomischen Überlegungen, dass die Eigenart dieses Verhältnisses und sein Grund schon gar keines sachlichen Gedankens mehr gewürdigt werden. Deswegen sei hier einmal ausdrücklich daran erinnert, dass Eigentum ein Rechtsverhältnis bezeichnet, die rechtliche Zuschreibung der Sache an jemanden als ihm zugehörig. Die hoheitliche Gewalt definiert jedermann als Privateigentümer und etabliert damit ein Willensverhältnis zwischen Rechtssubjekten in Bezug auf Gegenstände aller Art: Sie gebietet und gewährt die exklusive Verfügungsmacht einer Person über „das Ihre“ und macht damit aus jeder Arbeit eine Privatarbeit, die das ausschließende Verfügungsrecht des Produzenten über das Produkt seiner Arbeit begründet.3)

Dieses Rechtsverhältnis ist in der Marktwirtschaft die entscheidende ökonomische Bestimmung aller Produkte. Es ist nicht eine Zutat, mit der die öffentliche Gewalt dem Produzenten den materiellen Gebrauch seiner Produkte zusichert, sondern die Sache, auf die es ankommt: Produziert werden Güter des Bedarfs als Tauschartikel, also als Dinge, bei denen es darauf ankommt, dass das in ihnen enthaltene Verfügungsrecht sich vom hergestellten und damit ‚eigenen‘ Gegenstand ablöst und zum Recht auf Zugriff auf ein bestimmtes Quantum beliebiger anderer Produkte verselbständigt. Am Produkt existiert diese seine eigentliche ökonomische Zweckbestimmung als dessen Preis; verwirklicht wird sie im entsprechenden Gelderlös. Die Geldsumme repräsentiert das Eigentum, das mit der Herstellung einer Ware in die Welt kommt, getrennt von diesem Gut und gemäß den Maßeinheiten des Geldes. Und auf nichts anderes als diese im Geld verkörperte private Aneignungsmacht schlechthin zielt die Hervorbringung von Waren ab. Geld ist in der Marktwirtschaft das wahre ökonomische Produkt der menschlichen Arbeit.

Wie groß das Quantum Verfügungsmacht ist, das legt in dieser Welt des privaten Eigentums und der Produktion für den Verkauf niemand als verbindliche Vorschrift fest; das ergibt sich aus der Konkurrenz der Anbieter und der Kaufinteressenten, von der noch ausführlich die Rede sein wird. Entscheidend ist an dieser Stelle erst einmal, dass das in dinglicher Form hervorgebrachte Eigentum am Markt, durch den Verkaufsakt, in die Form allgemeiner Zugriffsmacht überführt und in Geldeinheiten quantifiziert wird.

Die produktive Arbeit selbst ist damit ökonomisch als Quelle von Reichtum in der abstrakten Gestalt eines solchen in Geld gemessenen und vergegenständlichten Zugriffsrechts definiert. Sie zählt, ganz abstrakt, als Arbeit überhaupt, ohne materiellen Bezug auf ihr Produkt – als Erwerbstätigkeit eben, die erst über das damit verdiente Geld Zugriff auf benötigte Gebrauchswerte verschafft. Grundsätzlich und radikal zerreißt das Eigentum das Zweck-Mittel-Verhältnis zwischen der Produktion von Reichtum und der Verfügung über die erzeugten Gebrauchsgüter einerseits und zwischen den Gebrauchsgütern und ihrem Gebrauch andererseits. Sowohl gegenüber der Arbeit wie gegenüber dem Konsum baut sich das Geld als bestimmende Größe auf und definiert damit den Nutzen beider gründlich um. Es scheidet erstens zwischen der produktiven Arbeit und ihrem nützlichen Ergebnis in Gestalt der Produktions- und Lebensmittel und definiert sich als den Nutzen aller Arbeit: Arbeit findet statt, um Geld zu erwerben. Das Eigentum trennt zweitens zwischen Nutzen und Bedürfnis, indem es sich zwischen die Gebrauchsgüter und ihren Gebrauch stellt. Damit macht es sich zum Inbegriff allen Nutzens. Denn Bedingung und Mittel jeglichen Gebrauchs ist die im Geld quantifizierte Macht, sich durch Kauf fremdes Eigentum anzueignen. Das gilt heute als die erste Selbstverständlichkeit der ökonomischen Vernunft.

Mit der Gleichung von Nutzen und Eigentum legt sich eine eigentümliche Logik über die ökonomischen Aktivitäten der darunter subsumierten Gesellschaft. Sie betrifft zum einen die Hierarchie der Bedürfnisse, die sich daraus ergibt, dass der private Geldbesitz über ihre Befriedigung entscheidet: Formell kommt nichts als die private Vorliebe zum Zuge; zwar innerhalb der Grenzen des erworbenen Eigentums; doch wie sich einer das Seine einteilt, ist Privatsache.4) Materiell wird jeder Bedarf zur abhängigen Variablen der privaten Kaufkraft, und es gibt, solange diese Wirtschaftsweise Bestand hat, stets von neuem in unterschiedlichen Größenordnungen das „unvermittelte Nebeneinander von Armut und Reichtum“ zu bestaunen. Entsprechendes gilt zum zweiten für das, was man „gesellschaftliche Arbeitsteilung“ nennt: Ganz ohne Zweifel wird in der Marktwirtschaft „gesellschaftlich“ produziert; die hergestellten Waren sind nicht zur Selbstversorgung, sondern zum Verkauf und insofern für den allgemeinen Bedarf bestimmt. Der notwendige Zusammenhang der verschiedenen Produktionszweige folgt aber nicht dem sachlichen Verhältnis, in dem sie als gesellschaftliche Teilarbeiten zueinander stehen, sondern resultiert aus dem negativen Verhältnis von Privateigentümern zueinander, die einander jede planmäßige Kooperation verweigern, sich als zahlende Kunden hingegen brauchen. Für den nötigen Zusammenhang sorgt also die Privatmacht des Geldes; wenn die gründlich genug gewirkt hat, dann sieht das Ergebnis glatt wie ein sinnreiches Zusammenspiel der produktiven Marktteilnehmer aus.5)

Aus der Zweckbestimmung jeder marktwirtschaftlichen Tätigkeit, dem Gelderwerb zu dienen, folgt schließlich drittens ein einigermaßen abartiges Verhältnis zur Arbeit: Die rangiert in der marktwirtschaftlichen Ökonomie gar nicht als die Mühe, die sie ist und bleibt, als Aufwand, den man sich nach Kräften erleichtert, sondern wird selber zum Zweck; denn sie schafft ja Eigentum in dem Maße, in dem sie stattfindet und ihr Produkt Geld einbringt. Ihr Nutzen bemisst sich nicht an dem nützlichen Produkt, das sie zustande bringt, sondern am verdienten Geld und insofern auf allen Einkommensstufen an der Arbeitsmenge. Mit der Schaffung wirklichen, jedermann verfügbaren Reichtums wäre eine arbeitsteilig durchorganisierte Gesellschaft irgendwann, beim längst erreichten Stand der Produktivkräfte sogar sehr rasch fertig. Die Erwerbsarbeit hingegen hört im Prinzip nie auf: Das Interesse, dass sie stattfindet, ist unersättlich.6) Der „Gesichtspunkt“, um den die Leute, die das Produzieren zu erledigen haben, praktisch gar nicht herumkommen, dass sie damit nämlich sich verschleißen und ihre Lebenszeit opfern, spielt in der Logik des Gelderwerbs keine Rolle – ein erster Hinweis, dass diese Leute jedenfalls nicht die Nutznießer der Marktwirtschaft sind und das Eigentum nicht ihnen zu Gefallen der Zweck der Arbeit ist.

Die allgemeinverbindliche Gleichung von Nutzen und Eigentum geht folglich allgemein und verbindlich nur in dem negativen Sinn auf, dass jeder Nutzen vom erworbenen Eigentum abhängt. Damit sie positiv aufgeht, das erworbene Eigentum wirklichen Nutzen garantiert, muss die Quantität des verfügbaren Privatvermögens schon eine ganz bestimmte Qualität erreichen.

2. Die zwei Seiten marktwirtschaftlicher Erwerbsarbeit: Mit eigener Arbeit fremdes Eigentum schaffen – mit fremder Arbeit eigenes Eigentum vermehren

Wo gearbeitet wird, um Geld zu verdienen; wo die produktiven Tätigkeiten, die den Reichtum der Gesellschaft schaffen, mit ihren Produkten gar nichts weiter zu tun haben, weil es überall nur um das eine Produkt, nämlich den Gelderwerb geht; wo diese Zwecksetzung so zur Selbstverständlichkeit verfestigt ist, dass umgekehrt jede Tätigkeit, die Geld bringt, „Arbeit“ heißt – bekanntlich gehen Minister, Künstler und Börsenmakler ebenso „zur Arbeit“ wie diejenigen, die den Beruf des „Arbeiters“ ergriffen haben – und niemand da prinzipielle Unterschiede kennen will; da kommt es auf einen einzigen Unterschied an und auf den umso mehr: ob einer bereits Geld hat oder nicht.

Wer in einer Welt, in der alle Gebrauchsgüter jemandes Eigentum sind, kein entsprechendes Eigentum hat, der kann noch nicht einmal von sich aus ans Werk gehen und sich welches verschaffen; denn dazu fehlen ihm – auch die sind ja Eigentum – die nötigen Mittel. Um an der Gleichung von Nutzen und Eigentum nicht zugrunde zu gehen, braucht er einen Eigentümer, der über Produktionsmittel verfügt und ihn dafür bezahlt, dass er sich daran nützlich macht – nützlich für den Eigentümer, versteht sich; denn weshalb sollte der sonst Geld zahlen? Auch für den geht es ja darum, Geld zu erwerben, nicht zu verschenken. Dieses Interesse hat der auf Erwerbsarbeit angewiesene Mensch, dem es an Eigentum fehlt, mitzubedienen, damit er sich Geld verdienen kann. Mit seiner Arbeit muss er seinem Geld- und Arbeit-,Geber‘ zusätzlich zu dem, was der schon hat, Eigentum schaffen, um selber aus dessen Vermögen etwas gezahlt zu bekommen. Die rein private Zwecksetzung des Arbeiters, sich Geld zu verschaffen, ändert sich dadurch gar nicht; es zeigt sich nur, was es heißt, ein eigenes Geld zu verdienen, ohne schon genug zu haben. Dann wird die Arbeit nämlich zur doppelten Geldquelle: Für den, der sie leistet, wird sie zur Quelle von Lohn unter der Bedingung, dass er die andere, besser ausgestattete Seite, die Geld hat und arbeiten lässt, reicher macht. Die beiden Leistungen der Arbeit sind also nicht ganz äquivalent: Für Leute, die ohne Eigentum in der Marktwirtschaft mittun wollen, ist Arbeiten zwar das einzige Erwerbsmittel, über das sie verfügen; es ist aber genau genommen gar nicht ihr Mittel, sondern wird dazu nur, soweit und solange ein Betriebseigentümer es für sich, als sein Erwerbsmittel zu nutzen versteht. Sie produzieren Eigentum, und zwar – entgegen dem Wortsinn – fremdes.

Umgekehrt umgekehrt. Wer über genügend Eigentum verfügt, der kann daraus sein Erwerbsmittel machen, indem er es in ein Unternehmen steckt und Leuten, die ein Einkommen brauchen, eines gewährt – dafür, dass sie dort arbeiten und Verkäufliches herstellen: Waren, die mit dem Recht des Eigentümers ihm gehören und, verkauft, sein Geldvermögen vergrößern. Durch diesen Gebrauch ihres Eigentums verdienen die Eigentümer Geld, ohne es selber schaffen zu müssen: Sie lassen Eigentum produzieren, und zwar ihr eigenes. So geht für unternehmungsfreudige Eigentümer die Gleichung von Eigentum und Nutzen auf: Das Eigentum bewährt sich, richtig eingesetzt, als hinreichendes Mittel, sich durch fremde Arbeit zu vergrößern, also als Produktionsverhältnis: Es fungiert als Kapital.

Die Leute, die die Arbeit leisten, haben gleichfalls, was sie wollten und brauchen, nämlich ein eigenes Geld in der Hand. Nur handelt es sich bei dieser Sorte Eigentum mangels Größe um eine wenig haltbare Angelegenheit. Kaum verdient, muss es schon wieder ausgegeben werden, um die notwendigen Lebensmittel zu beschaffen – fließt also im Wesentlichen an kapitalistische Unternehmer zurück, die damit den Wert ihrer Ware in Geld realisieren. So reproduziert die Beteiligung der Lohnempfänger am Produktionsprozess stets aufs Neue den Ausgangspunkt: die Eigentumslosigkeit, die sie zwingt, sich wieder für die Vermehrung des fremden Eigentums feilbieten zu müssen. Für sie bleibt das Eigentum also bloß negative Bedingung ihres Nutzens, der sie sich beugen müssen, um leben zu können; und indem sie sich dieser Bedingung fügen, reproduzieren und vergrößern sie den Reichtum, der fremde Verfügungsgewalt über ihre Arbeit darstellt.