Arbeitswelt und psychische Störungen - Katharina Bode - E-Book

Arbeitswelt und psychische Störungen E-Book

Katharina Bode

0,0
16,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die meisten Menschen verbringen einen erheblichen Teil der Lebenszeit am Arbeitsplatz. Der Arbeitsplatz und die sozialen Beziehungen in der Arbeitswelt können wichtige Ressourcen darstellen, die in eine psychotherapeutische Behandlung einbezogen werden sollten. Allerdings können Konflikte und Ängste am Arbeitsplatz, Arbeitsunfähigkeit, Arbeitsplatzunsicherheit sowie Arbeitslosigkeit auch das psychische Befinden beeinträchtigen und somit zur Entstehung, Aufrechterhaltung oder auch Verschlechterung einer psychischen Störung beitragen. Arbeitsplatzfokussierenden Interventionen sollte somit im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung von Patienten eine besondere Bedeutung zukommen. Ziel des Bandes ist es, aktuelle Informationen zur psychotherapeutischen Behandlung von erwerbstätigen Patienten mit psychischen Störungen zu bieten. Der Band erläutert, wie arbeitsplatzbezogene Faktoren bei der Anamnese sowie bei der Therapieplanung angemessen berücksichtigt werden können. Geeignete diagnostische Instrumente sowie rechtliche Rahmenbedingungen und mögliche Kooperationspartner werden beschrieben. Zudem werden konkrete Anregungen für die psychotherapeutische Behandlung von Patienten, deren psychische Störung im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz steht, gegeben. Praxisorientiert werden darüber hinaus Therapiebausteine für die stufenweise Wiedereingliederung von arbeitsunfähigen Patienten an den Arbeitsplatz dargestellt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Katharina Bode

Friederike Maurer

Christoph Kröger

Arbeitswelt und psychische Störungen

Fortschritte der Psychotherapie

Band 66

Arbeitswelt und psychische Störungen

Dipl-Psych. Katharina Bode, Dipl-Psych. Friederike Maurer, Prof. Dr. Christoph Kröger

Herausgeber der Reihe:

Prof. Dr. Kurt Hahlweg, Prof. Dr. Martin Hautzinger, Prof. Dr. Jürgen Margraf, Prof. Dr. Winfried Rief

Begründer der Reihe:

Dietmar Schulte, Klaus Grawe, Kurt Hahlweg, Dieter Vaitl

Dipl.-Psych. Katharina Bode, geb. 1985. 2005–2010 Studium der Psychologie in Göttingen. 2010–2015 Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie). Seit 2014 Tätigkeit als Psychotherapeutin, Dozentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Psychotherapieambulanz der Technischen Universität Braunschweig.

Dipl.-Psych. Friederike Maurer, geb. 1985. 2004–2009 Studium der Psychologie in Würzburg. 2009–2013 Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie). 2016 Zusatzqualifikation für KJP. Seit 2013 Tätigkeit als Psychotherapeutin, Dozentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Psychotherapieambulanz der Technischen Universität Braunschweig.

Prof. Dr. Christoph Kröger, geb. 1970. Psychologischer Psychotherapeut mit Schwerpunkt in kognitiver Verhaltenstherapie. Supervisor für Kinder- und Jugendlichen- sowie Erwachsenen-Psychotherapie. Seit 2005 Beauftragter der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen für den Bereich der Psychosozialen Notfallversorgung. 2006–2017 Geschäftsführender Leiter der Psychotherapieambulanz der Technischen Universität Braunschweig. Seit 2017 Universitätsprofessor für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Stiftung Universität Hildesheim.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Copyright-Hinweis:

Das E-Book einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar.

Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG

Merkelstraße 3

37085 Göttingen

Deutschland

Tel. +49 551 999 50 0

Fax +49 551 999 50 111

[email protected]

www.hogrefe.de

Satz: ARThür Grafik-Design & Kunst, Weimar

Format: EPUB

1. Auflage 2017

© 2017 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2758-4; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2758-5)

ISBN 978-3-8017-2758-1

http://doi.org/10.1026/02758-000

Nutzungsbedingungen:

Der Erwerber erhält ein einfaches und nicht übertragbares Nutzungsrecht, das ihn zum privaten Gebrauch des E-Books und all der dazugehörigen Dateien berechtigt.

Der Inhalt dieses E-Books darf von dem Kunden vorbehaltlich abweichender zwingender gesetzlicher Regeln weder inhaltlich noch redaktionell verändert werden. Insbesondere darf er Urheberrechtsvermerke, Markenzeichen, digitale Wasserzeichen und andere Rechtsvorbehalte im abgerufenen Inhalt nicht entfernen.

Der Nutzer ist nicht berechtigt, das E-Book – auch nicht auszugsweise – anderen Personen zugänglich zu machen, insbesondere es weiterzuleiten, zu verleihen oder zu vermieten.

Das entgeltliche oder unentgeltliche Einstellen des E-Books ins Internet oder in andere Netzwerke, der Weiterverkauf und/oder jede Art der Nutzung zu kommerziellen Zwecken sind nicht zulässig.

Das Anfertigen von Vervielfältigungen, das Ausdrucken oder Speichern auf anderen Wiedergabegeräten ist nur für den persönlichen Gebrauch gestattet. Dritten darf dadurch kein Zugang ermöglicht werden.

Die Übernahme des gesamten E-Books in eine eigene Print- und/oder Online-Publikation ist nicht gestattet. Die Inhalte des E-Books dürfen nur zu privaten Zwecken und nur auszugsweise kopiert werden.

Diese Bestimmungen gelten gegebenenfalls auch für zum E-Book gehörende Audiodateien.

Anmerkung:

Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Psychische Störungen in der Arbeitswelt

1.1 Epidemiologie psychischer Störungen in der Arbeitswelt

1.2 Folgen psychischer Störungen in der Arbeitswelt

1.2.1 Definition arbeitspsychologisch und sozialrechtlich relevanter Begriffe

1.2.2 Auswirkungen psychischer Störungen in der Arbeitswelt

2 Störungstheorien und Erklärungsansätze

2.1 Risiko- und Schutzfaktoren in der Arbeitswelt

2.2 Zusammenhänge zwischen Arbeitssituation und arbeitender Person

2.2.1 Belastungs-Beanspruchungs-Modell

2.2.2 Anforderungs-Kontroll-Modell

2.2.3 Modell beruflicher Gratifikationskrisen

2.2.4 Selbstwirksamkeitserwartungen

3 Diagnostik und Indikation

3.1 Ziele und Indikation einer arbeitsplatzfokussierenden Psychotherapie

3.2 Diagnostische Verfahren

3.2.1 Arbeitsanamnese und Arbeitsplatzanalyse

3.2.2 Ressourcen- und Kompetenzanalyse

3.3 Selbst- und Fremdbeurteilungsinstrumente

3.3.1 Effort-Reward-Imbalance-Questionnaire (ERI)

3.3.2 Erwartungen zur Rückkehr an den Arbeitsplatz (ERA)

3.3.3 Utrecht Work Engagement Scale (UWES)

3.3.4 Osnabrücker Arbeitsfähigkeitenprofil (O-AFP)

3.3.5 Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM)

4 Arbeitsplatzorientierte Interventionen

4.1 Rechtliche Rahmenbedingungen

4.1.1 Stellung zu Arbeitgebern bzw. Betriebsmedizinern

4.1.2 Pflichten und Rechte aus dem Arbeitsverhältnis

4.1.3 Arbeits- und sozialrechtliche Sicherung im Krankheitsfall

4.1.4 Wiedereingliederung in das Arbeitsverhältnis

4.2 Kooperationspartner und andere Leistungsträger

4.3 Therapiebausteine für eine stufenweise Wiedereingliederung

4.3.1 Motivationsaufbau

4.3.2 Informationsvermittlung

4.3.3 Wiedereingliederung in das Erwerbsleben in der ambulanten Psychotherapie

4.4 Kognitiv-verhaltenstherapeutische Techniken mit Arbeitsplatzfokus

4.4.1 Ressourcenaktivierung

4.4.2 Entspannungsverfahren am Arbeitsplatz

4.4.3 Konfrontationsübungen – Arbeit als phobischer Stimulus

4.4.4 Traumatisierung am Arbeitsplatz

4.4.5 Aufbau und Anpassung von sozialen Fertigkeiten

4.4.6 Kognitive Techniken

4.4.7 Förderung von Akzeptanz und emotionalen Kompetenzen

4.5 Umgang mit Hürden im therapeutischen Prozess

4.5.1 Hürden bei der Wiedereingliederung an den Arbeitsplatz

4.5.2 Hürden am Arbeitsplatz

4.5.3 Arbeitslosigkeit

5 Evaluation und Effektivität

6 Fallbeispiel

Erstgespräch

Situation am Arbeitsplatz

Diagnostik

Behandlungsverlauf

Abschlussdiagnostik und Beurteilung

7 Weiterführende Literatur

8 Literatur

9 Anhang

Karte

Der Ablauf der stufenweisen Wiedereingliederung

|1|Einleitung

Die Arbeit hält drei große Übel fern: die Langeweile, das Laster und die Not.

Voltaire

Gut ein Drittel der Lebenszeit – also ungefähr 24 Jahre – verbringen Menschen in Deutschland mit Schlafen, zwölf Jahre werden mit Fernsehen und anderen Medien verbracht, acht Jahre mit Arbeiten und neun Monate wird mit den Kindern gespielt. Familie und Arbeit gehören somit zu den wichtigsten Lebensbereichen und können natürlich auch durch zeitliche Beanspruchung und vielfältige Anforderungen miteinander in Konflikt geraten: Wir sollen uns engagiert im Job einbringen, dabei Geld verdienen und parallel viel Zeit für die Partnerschaft, Familie, Freundschaften, Sport und die Pflege von Hobbys haben. Dass bei der Vielfalt dieser sich teils widersprechenden Anforderungen die psychische Belastung der erwerbstätigen Bevölkerung wächst, ist mittlerweile auch ins öffentliche Bewusstsein vorgedrungen.

Zunächst gelten der Arbeitsplatz und die sozialen Beziehungen in der Arbeitswelt als wichtige Ressourcen. Allerdings können Konflikte am Arbeitsplatz, Arbeitsunfähigkeit und die (Wieder-)Eingliederung an den Arbeitsplatz sowie Arbeitsplatzunsicherheit und Arbeitslosigkeit das psychische Befinden erheblich beeinträchtigen. Werden Arbeitnehmer1 gefragt, weshalb sie eine ausführliche psychologische Diagnostik und Beratung in Anspruch nehmen, berichtet der überwiegende Teil, dass die aktuell bestehenden psychischen Symptome der Anlass sind (Bode, Wunsch, Finger & Kröger, 2016). Am zweithäufigsten werden bereits Belastungen aus dem beruflichen Bereich genannt, gefolgt von somatischen Symptomen und Belastungen aus dem familiären Bereich. Zunehmend erhalten daher auch arbeitsplatzfokussierende Interventionen in der psychotherapeutischen Behandlung eine besondere Bedeutung. Insbesondere wenn eine betriebliche Eingliederung bei Arbeitsunfähigkeit infolge psychischer Störungen ansteht, ist eine Unterstützung der Betroffenen während der psychotherapeutischen Behandlung notwendig. Der Psychotherapie wurde in diesem Zusammenhang in der Vergangenheit wiederholt vorgeworfen, mithilfe therapeutischer Interventionen einen Patienten an bestehende gesellschaftliche Bedingun|2|gen anzupassen, anstatt dessen Möglichkeiten zur Gestaltung eines individuellen Lebensentwurfes zu fördern. Wenn der Therapeut und der Patient beispielsweise Prozesse auf einer gesellschaftlichen, betrieblichen oder sozialen Ebene identifiziert haben, die nicht beeinflussbar sind, aber zur psychischen Störung beitragen, sollte die Sinnhaftigkeit einer Anpassung sehr genau und sehr kritisch gegen offensives und authentisches Handeln abgewogen werden. Jedenfalls dürfen nicht krankmachende Bedingungen fälschlicherweise dem Patienten zugeschrieben werden. Lassen sich aber mangelnde Ressourcen oder Verhaltensdefizite des Patienten eindeutig identifizieren, so kann im Rahmen der Psychotherapie an der Bewältigung der daraus resultierenden Problematik gearbeitet werden.

Ziel dieses Bandes ist es, aktuelle Informationen zur Behandlung von erwerbstätigen Patienten mit einer psychischen Störung zu bieten. Wir möchten erläutern, wie arbeitsplatzbezogene Faktoren bei der Anamnese und bei der Therapieplanung angemessen berücksichtigt werden können. Dazu sollen geeignete diagnostische Instrumente, rechtliche Rahmenbedingungen und mögliche Kooperationspartner beschrieben werden. Zudem sollen konkrete Anregungen und Hilfestellungen bei der Behandlung von Patienten, deren psychische Störung im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz steht, gegeben werden. Darüber hinaus werden praxisorientiert Bausteine für die psychotherapeutische Behandlung bei Wiedereingliederung an den Arbeitsplatz dargestellt.

Dieses Buch wäre ohne die Unterstützung zahlreicher Kollegen nicht zustande gekommen. Wir möchten Frau M.Sc.-Psych. Nina Maria Götz von Olenhusen und Frau M.Sc.-Psych. Marnie Steinecke für die Hilfe bei den Literaturrecherchen danken. Frau Marianne Pieper, Fachkraft für Arbeitssicherheit der Technischen Universität Braunschweig, danken wir für die Anregungen und die langjährige Zusammenarbeit. Frau Dr. Gudrun Germakowski, Fachanwältin für Arbeitsrecht, danken wir für einige juristische Hinweise. Unser Dank gilt außerdem Frau Dr. Birgit Leineweber, Leiterin des BKK MedPlus Centers, die maßgeblich bei der Entwicklung des Salzgitter-Modells, einem Projekt zur Früherkennung und interdisziplinären Versorgung von Arbeitnehmern mit psychischen Beschwerden und Beeinträchtigungen, mitgewirkt hat. Ferner danken wir Herrn Bernd Marquardt, Senior Referent Personal- und Sozialpolitik der Salzgitter AG, und Herrn Dr. Bernhard Koch, ehemals leitender Arbeitsmediziner der Salzgitter AG, die ebenfalls wichtige Beiträge zur Konzeption und Umsetzung des Salzgitter-Modells geleistet haben.

1

Im Folgenden werden Personenbezeichnungen zugunsten der besseren Lesbarkeit lediglich in der männlichen Form verwendet (z. B. der Therapeut, Patient). Es sind jedoch stets Personen männlichen und weiblichen Geschlechts gleichermaßen gemeint.

|3|1 Psychische Störungen in der Arbeitswelt

1.1 Epidemiologie psychischer Störungen in der Arbeitswelt

Psychische Störungen sind in der deutschen Allgemeinbevölkerung weit verbreitet: Laut der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS) erfüllt jede dritte Frau und jeder vierte bis fünfte Mann innerhalb eines 12-Monats-Zeitraums die Kriterien für mindestens eine psychische Störung (Mack et al., 2014). Mehr als 50 % der Betroffenen sind Arbeitnehmer.

Da Arbeitnehmer einen erheblichen Teil ihrer Lebenszeit an ihrem Arbeitsplatz verbringen, kommt auch dem Erwerbsleben eine große Bedeutung für das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit zu. Der Arbeitsplatz und die sozialen Beziehungen in der Arbeitswelt stellen einerseits wichtige Ressourcen dar: Der Arbeitsplatz sichert das Einkommen sowie den sozialen Status von Arbeitnehmern und kann als Quelle der Selbstwirksamkeit dienen. Andererseits unterliegt die Struktur des Arbeitsmarktes einem stetigen Wandel, der in den letzten Jahren zu einer Zunahme der psychischen Beanspruchung am Arbeitsplatz geführt hat.

Dieser Wandel weist unter anderem die folgenden Merkmale auf:

Seit den 1980er-Jahren ist ein Wandel der Erwerbsformen zu verzeichnen. Die Anzahl der Beschäftigten, die in einem sogenannten Normalarbeitsverhältnis angestellt sind, nahm in der Vergangenheit sukzessive ab. Gleichzeitig stieg die Anzahl von Beschäftigten in atypischen (oder auch „prekären“) Beschäftigungsverhältnissen.

Bei der Betrachtung der Wirtschaftssektoren wird der Prozess der Tertiarisierung deutlich. Dieser wird definiert als eine Reduktion von Beschäftigten im produzierenden Gewerbe bei gleichzeitiger Zunahme von Beschäftigten im Dienstleistungssektor, wobei eine Beschäftigung in letzterem mit spezifischen psychologischen Anforderungen einhergeht (z. B. einem hohen Maß an Emotionsarbeit, das physische und psychische Erschöpfung begünstigen kann).

Aufgrund der Globalisierung kommt es zu einer deutlichen Zunahme des Leistungs- und Wettbewerbsdrucks. Ein globalisierter Arbeitsmarkt führt beispielsweise zu erhöhten Mobilitätsanforderungen an die Beschäftigten. Außerdem wird die Vergütung zunehmend an die Erfüllung individueller Zielvereinbarungen geknüpft; die Bezahlung erfolgt somit verstärkt erfolgsabhängig, aber zu einem Teil außerhalb der Kontrolle des Beschäftigten.

|4|Die genannten Aspekte des Wandels der modernen Arbeitswelt wirken sich negativ auf das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit von Arbeitnehmern aus und stellen somit Risikofaktoren für die Entwicklung psychischer Störungen dar, da sie zu mehr Stress am Arbeitsplatz führen. Mit der Veränderung der Erwerbsformen hin zu mehr atypischen Beschäftigungsverhältnissen geht beispielsweise eine vermehrte „Fragmentierung der Erwerbsbiographie“ einher (Siegrist, 2013): Durch Zeitverträge, Perioden der Arbeitsplatzunsicherheit oder Arbeitslosigkeit erhöht sich die psychische Belastung für Beschäftigte. Außerdem resultiert aus der Verschiebung des Belastungsspektrums eine Zunahme psychisch fordernder Dienstleistungen. Während im produzierenden Gewerbe Lärm, Schadstoffe oder der notwendige physische Einsatz die größten Belastungsfaktoren darstellen, zählen im Dienstleistungssektor die Flexibilisierung der Beschäftigung und die Arbeitsverdichtung zu den wichtigsten Belastungsfaktoren.

Beschäftigte im Dienstleistungssektor sind mit erhöhten Anforderungen an Mobilität und Anpassungsfähigkeit konfrontiert, was das Stresserleben der Mitarbeiter ebenso erhöht. Weitere Anforderungen für die Beschäftigten resultieren aus dem engen Kontakt zu Kunden: Dienstleistungsunternehmen fordern, dass ihre Beschäftigten „Emotionsarbeit“ leisten. Wird die Emotionsarbeit noch durch schnell wechselnde und unterschiedliche Interaktionspartner herausgefordert (z. B. Call-Center-Mitarbeiter), scheint die subjektiv erlebte Belastung zu steigen. Ausgehend von der Dienstleistungsbranche wächst zudem der Anspruch an Mitarbeiter aller Branchen, sich kundenorientiert zu verhalten (z. B. Ärzte und Lehrer).

Emotionsarbeit

Hochschild (1990) definiert Emotionsarbeit als das Management des Fühlens mit der Absicht, die Einstellungen, Gefühle oder Verhaltensweisen eines Interaktionspartners zu beeinflussen. Sie subsummiert unter diesem Begriff alle inneren und äußeren Bemühungen (Mimik, Gestik, Stimme), eigene Emotionen darzustellen sowie Emotionen anderer zu steuern bzw. zu beeinflussen. Vor allem in Dienstleistungsunternehmen finden sich implizit oder explizit formulierte Darstellungsregeln, die vorschreiben, welchen Emotionsausdruck die Mitarbeiter im Kontakt zu den Dienstleistungsnehmern zeigen sollen. Dazu kann gehören, positive Emotionen zu erzeugen (z. B. Freundlichkeit im Bereich Flugbegleitung), negative Emotionen zu unterdrücken (z. B. im Hotelgewerbe), Neutralität zu zeigen (z. B. im Rahmen von Begutachtungen) oder den Grad der emotionalen Anteilnahme zu steuern (z. B. in der Psychotherapie). Hochschild unterscheidet bei der Erzeugung des |5|gewünschten Gefühlsausdrucks zwischen Oberflächen- und Tiefenhandeln. Beim Oberflächenhandeln versuchen die Dienstleister, unabhängig von den eigenen erlebten Gefühlen ausschließlich äußerlich die im Kontakt geforderte Emotion darzustellen (z. B. aufgesetztes Lächeln). In diesem Fall wird die Emotion nicht innerlich übernommen; sie kann gekünstelt wirken. Beim Tiefenhandeln hingegen bemühen sich die Dienstleister, die im Kontakt geforderte Emotion in sich hervorzurufen und somit nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich zu fühlen. Wissenschaftliche Befunde bringen vor allem Oberflächenhandeln mit dem sogenannten „Burnout-Syndrom“ in Verbindung, da es eine emotionale Dissonanz hervorruft, während das Tiefenhandeln nicht bedeutsam mit einem Anstieg psychischer Belastung zusammen zu hängen scheint.

Verschiedene Anforderungen der heutigen Arbeitswelt werden auch von den Arbeitnehmern als subjektiv wahrgenommene Belastungen berichtet. Von den im Rahmen des Stress-Reports 2012 (Lohmann-Haislah, 2012) repräsentativ Befragten gab ein Viertel an, dass sie Pausen ausfallen lassen, wobei ein Drittel dieser Personen den Pausenausfall mit dem zu hohen Arbeitspensum begründete. Ein Fünftel der Befragten empfand sich als „mengenmäßig überfordert“ und fast die Hälfte äußerte, dass „Pausen nicht in den Arbeitsablauf passen“. Vor allem eine hohe Arbeitsintensität (besonders Termin- und Leistungsdruck), ungünstige Arbeitszeiten (z. B. lange Arbeitszeiten, Schichtarbeit, Pausenausfall), fehlender Handlungsspielraum und fehlende soziale Unterstützung von Kollegen oder Vorgesetzten wurden von Beschäftigten als belastend angegeben. Durch ein Zusammenwirken verschiedener Belastungsfaktoren können diese das Entstehen einer psychischen Störung begünstigen.

1.2 Folgen psychischer Störungen in der Arbeitswelt

1.2.1 Definition arbeitspsychologisch und sozialrechtlich relevanter Begriffe

Die Bedeutung psychischer Störungen bei Erwerbstätigen ist deutlich gestiegen. Diese Bedeutung erwächst zum einen aus dem Leiden, das mit der Störung selbst einhergeht. Zum anderen wirken sich psychische Störungen negativ auf die Leistungsfähigkeit und Fehlerquote der Betroffenen am Arbeitsplatz aus. Psychische Störungen haben direkte sozialrechtlich relevante Auswirkungen, die in Tabelle 1 definiert werden.

|6|Tabelle 1: Definition arbeitspsychologisch und sozialrechtlich relevanter Begriffe

Arbeitsunfähigkeit (AU)

Nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 Sozialgesetzbuch V (SGB V) liegt eine AU dann vor,

wenn ein Arbeitnehmer aufgrund einer Krankheit seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen kann

oder wenn aufgrund eines bestimmten Krankheitszustandes, der für sich allein noch keine AU bedingt, absehbar ist, dass aus der Ausübung der Tätigkeit für die Gesundheit oder die Gesundung abträgliche Folgen resultieren, die eine AU unmittelbar hervorrufen.