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Bei einem Strandausflug wird Arisu in die Tiefe gerissen. Zwischen Leben und Tod schließt sie einen düsteren Pakt, der ihr Leben grundlegend verändert. Gemeinsam mit den ungleichen Kitsune Akeno und Akaya wird sie in einen gefährlichen Kampf gegen den Ningyou-Clan verwickelt, der sie ihrer Vergangenheit näher bringt. Die Leser werden in eine Welt voller mysteriöser Enthüllungen und gefährlicher Intrigen, wo jede Seite neue Schatten wirft, entführt. Eine fesselnde Reise durch die Legenden der Ningyou, Liebe und Dunkelheit. Tauche ein und entdecke die verborgene Magie!
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Seitenzahl: 329
Veröffentlichungsjahr: 2023
Der Zauber des Berges Kamui
Band 2:
Ningyou
Chinuna Takahashi
© 2023 Chinuna Takahashi
Coverdesign von: Annette Droste
Satz & Layout: Annette Droste
Lektorat: Droste
ISBN Softcover:
978-3-384-04401-3
ISBN Hardcover:
978-3-384-04402-0
ISBN E-Book:
978-3-384-04403-7
ISBN Großschrift:
978-3-384-04404-4
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.
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Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Tag 4
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Tag 5
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Tag 6
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Tag 7
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Special
Vorschau Band 3
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Kapitel 1
Vorschau Band 3
Cover
1
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Tag 4
Kapitel 1
Panisch fixierte ich die rotglühenden Augen, die im Dunkeln in Windeseile auf mich zu rasten. Es handelte sich eindeutig um keinen Fuchs, sondern eine dämonische Kreatur. Mein Herz setzte aus. Angsterfüllt suchte ich nach einer Waffe. Ich brauchte etwas, mit dem ich das Geschöpf auf Abstand halten könnte. Doch es war zu spät. Als es vor mir zum Stillstand kam, riss ich keuchend meine Augen auf.
Hatte ich mich in Akaya geirrt? Dabei schien er so freundlich. Seine Iriden hinterließen blutrote Schleier in der Finsternis. Er kniete vor mir mit aufgerissenen Augen. Suchte er meinen Tod?
»Herrin, geht es Euch nicht gut?«
Ich schreckte zusammen. Zitternd vergrub ich meine Finger im Bettlaken, unfähig meine Reaktion zu unterdrücken. Seine Stimme klang fürsorglich, doch diese Augen riefen tausende Ängste in mir hervor. Es schnürte mir die Kehle zu. Wie gelähmt starrte ich ihn an. Akaya bemerkte es, da prompt das blutrote Leuchten erlosch. Es verbesserte die Lage nicht, denn jetzt verschwand er komplett im finsteren Höllenschlund. Wo lauerte er?
›Arisu, beweg dich!‹, spornte ich mich an.
»Fiep«, ertönte unverhofft neben mir eine vertraute Tierstimme. Ich bemerkte am Handgelenk einen warmen Atem, wie eine feuchte, leicht raue Zunge. Sie leckte zärtlich, um Vergebung bittend, meinen Handrücken.
Gelähmt von der Angst, wanderte mein Kopf langsam zum finsteren Schatten. Rubinrote Augen fixierten mein Gesicht.
»Herrin, so beruhigt Euch bitte! Bitte, fürchtet Euch nicht! Ich bin es, Akaya!«, bat der schwarze Fuchs zur Linken, seine feuchte Nase stetig gegen meine Hand stupsend.
Mein ganzer Körper zog sich zusammen. Die Muskeln schienen zu bersten und der Kopf dröhnte. Ich kam nicht gegen die Angst an und nur minimal bewegte sich mein Körper. Warum krampfte ich, bei dieser kleinen Fuchsgestalt?
Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Die Angst verbann ich in die hinterste Ecke meines Seins.
Alles geschah in einem Wimpernschlag. Ich löste meine Hand und griff in sein weiches Fell. Kurz quietschte er auf. Ich vergewisserte mich: Er blieb bewegungsunfähig. Genau, Akaya war ein unschuldiger Fuchs. Dieses Geschöpf verletzte nicht. Im Traum starrten mich nur rote Augen an, aber das Wesen verschonte mich. Genau, er hatte nichts angestellt.
Immer mehr Ruhe kehrte in meinem Herzen ein. Der kleine Fuchs schwieg. Mutmaßte er, dass ein Wort von ihm alles zerstörte?
Ich atmete ein paar Mal ein und aus, die Tränen unterdrückend, die versuchten, sich ihren Weg aus meinen Augen zu bahnen.
›Stelle dich deiner Angst!‹
Wo versteckte sich die mutige Frau in mir? Ich saß hier, verletzte Akaya und hatte Panik. Nein, das gestattete ich mir nicht!
Mit Schwung riss ich den Fuchs an meine Brust. Seitlich fiel ich auf den Futon. Nichts geschah. Wieso verstand mein Innerstes dies nicht? Er vermochte ohne Erlaubnis in diesen Raum einzutreten. Somit trieben ihn keine feindseeligen Gedanken an. Vermutlich löste Akeno mein Trauma aus. Aber mit diesem schlief ich in vermeintlichen Träumen. Was für eine verdrehte Welt.
»Warum nur, warum?«, schimpfte ich und drückte ihn fester, tief ein- und ausatmend. Mein Herz schlug wie wild. Mein Verstand in tausend kleine Teile gebrochen, unfähig sie logisch zusammen zu setzen.
»Akaya … es tut mir leid!«
»Herrin, ich wollte Euch nicht erschrecken … «, nuschelte das Fellknäuel an meiner Brust, den Kopf zur Seite drehend, um nach Sauerstoff zu schnappen. Er beschwerte sich nicht einmal über die abgeschnürte Luft.
»Deine roten Augen … erinnern mich an meinen Alptraum, der immer wiederkehrt. Dort kommen solche rubinrot glühenden Augen vor. Sie starren mich unentwegt bei meiner Flucht an«, erklärte ich ihm mit zittriger Stimme. Mein Herz legte einen Zahn zu. Die Last lag schwer, doch ich stand in der Pflicht, ihm eine Erklärung zu liefern. Warum besaß er nur solch dämonisch leuchtenden Augen? Langsam verstand ich, wieso seine Eltern ihn so benannten.
Behutsam lockerte ich meine Arme und zog ihn hoch zum Gesicht, bis wir auf gleicher Kopfhöhe lagen. Diese Angst bekam ich bald in den Griff!
Ein leises Fiepen ertönte, bevor seine winzige Zunge eine feucht kratzige Spur auf meiner Wange hinterließ. Ich konzentrierte mich auf das Gefühl von Schmirgelpapier, bis die Gedanken dahin schweiften, wie er es als Mann versuchte. Hätte er mich dann auf die Wange geküsst? Ich errötete und mein Herz schien die Angst zu vergessen. Ein neues Gefühl schnürte meine Kehle zu. Ob er unbewusst zu diesem Mittel griff? Zumindest grübelte er, da seine kleinen roten Augen hin und her zuckten, aber nicht wagten, mich direkt anzusehen.
»Wenn es mir nur möglich wäre, Euch mehr Sicherheit zu geben, doch ich spüre, wie tief Eure Angst sitzt. Wenn Ihr es wünscht, werde ich sofort diesen Raum verlassen, damit es Euch besser geht!«
Sein Stupsnäschen zuckte im Schein seiner leuchtenden Augen. Jener Fuchs klang so verzweifelt. Es brach mir das Herz. Fast schien es ihn zu erdrücken. Wieso verletzte ich ihn nur so sehr? Ich beabsichtigte dies doch gar nicht.
»Bleib!«, befahl ich dem Tier vor mir und suchte seine Augen. Wir starrten einander an. »Das würde nichts ändern. Du bist nicht böse, obwohl es mir mein Kopf vorgaukelt. Es dauert vielleicht, aber ich bin genau deswegen hier, um meine Angst zu besiegen. Ich will dir vertrauen. Beweis mir einfach jedes Mal, dass ich alles Recht dazu habe«, verlautete ich zittrig und zog ihn an mich. Sanft schmiegte ich mein Gesicht an sein Fellbesetztes. Das Geheimnis lag in den Augen der beiden Kitsune. Ich vermutete, dies bräuchte Zeit, um es freizulegen.
»Ich werde mir Mühe geben, meine Herrin«, hauchte er und stupste meine Wange abermals mit seiner feuchten Nase an. Stetig holte es mich mehr in die Realität zurück. Hoffentlich lernte ich, mit dieser Angst umzugehen.
»Eine Frage, was hast du eigentlich gemacht?«, fragte ich nach einiger Zeit, mich von jenem Alptraum ablenkend.
»Oh … ich, also … naja … «, stotterte das Tier vor sich hin, bevor es seinen Kopf geniert wegdrehte, »ich habe gelesen. In der Höhle wusste ich nie, wie spät es ist, wodurch ich keinen Schlaf- oder Wachrhythmus besitze … und da ich Bücher liebe und lange nichts lesen konnte, dachte ich … naja … ich … «
Verwirrt hob ich eine Augenbraue und starrte den Fuchs im Dunkeln an, mich an die vielen Bücher erinnernd: »Stimmt! Ich bin noch gar nicht dazu gekommen, sie mir genauer anzusehen. Kann es sein, dass meine Großmutter dich so unterrichtete?«
»Unter anderem hat sie dies getan. Aber sie hat mir viele vorenthalten. Ich gebe zu, mich an die für mich Verbotenen vergriffen zu haben. Entschuldigt, ohne zu fragen, sie zu lesen. Ich war zu wissbegierig. Verzeiht.«
Meine Mundwinkel zuckten. Untersagte Schriftstücke? Wie konnte ein Buch verboten sein, das so offen für alle rumstand? »Du darfst sie lesen. Ich habe einen Vorschlag für dich: Wie wäre es, wenn du mir dafür unter die Arme greifst? Erst nach dem Tod meiner Großmutter erfuhr ich von diesem Ort und dies vor nicht allzu langer Zeit. Du siehst, wie wenig Ahnung ich von alledem habe und dringend jemanden brauche, der mich aufklärt und unterrichtet, bis ich mir sicher bin, ob ich gehen oder bleiben will.«
Verwirrt schien er sich zu lösen und hüpfte aus meinen Armen. Ich setzte mich auf und schaltete am Handy ein Licht an, damit ich ihn endlich komplett vernahm. Der Fuchs zwinkerte immer wieder, bevor er das aussprach, was ihn bewegte: »Ob Ihr gehen oder bleiben wollt?«
Ich lächelte spärlich, mit den Fingern an der Handyhülle spielend: »Oma räumte mir zwei Monate ein. Meine Erinnerungen zurückzugewinnen, ist für mich am wichtigsten. Erst danach befasse ich mich mit dem Rest.«
Seufzend starrte er mich im Halbdunkel mit seinen roten Augen an. War da ein ängstlicher Schimmer?
»Herrin, totschweigen ist nicht das richtige Wort. Es kennt kaum einer die Begebenheiten von damals. Auch wenn es Euch erschrecken sollte, nicht einmal ich bin mir noch sicher, was genau vorfiel. Nie wurde es geklärt. Noch heute empfinde ich große Schmach, Euch nicht beschützt zu haben. Doch schlimmer war das Gefühl des Verrats, da mein Bruder nicht die Wahrheit sprach. Er ist der Einzige, der alles totschweigt. Wie oft hatte ich gehofft, dass Ihr sagtet, was geschah, doch wie ich jetzt höre, wart Ihr selbst nicht mehr dazu fähig.«
»Was ist deine Rolle an jenem Tag gewesen, weswegen man dich beschuldigte?« Ich stellte diese Frage, da ich so viel Schmerz in seiner Stimme vernahm. Vorsichtig legte ich meine Hand an einen seiner Schwänze und streichelte ihn behutsam. Akeno schien der Hauptverantwortliche zu sein und nicht dieser hier.
»Meine Erinnerungen sind verschwommen, doch griff ich meinen Bruder mit all meiner Kraft an, als ich sah, was er mit Euch tat. In mir war so viel Wut, als ich sah, welcher Gefahr er Euch aussetzte. Bis heute weiß ich nicht, ob er sich darüber bewusst gewesen war, was er tat. Zumindest kann ich nicht glauben, nein ich will es nicht glauben, dass er mit so einer Schuld hätte weiterleben können, während ich in dieser Höhle versauerte. Doch ich bitte Euch, akzeptiert, dass ich nicht weiter darüber reden möchte, bevor ich herausbekommen habe, was die ganze klare Wahrheit ist. Es ist so, dass Akeno Euch immer sehr mochte und ich nichts Falsches sagen will. Erst muss ich erfahren, was seine Absichten waren, und die verschwommenen Erinnerungen richten. Ich möchte nicht ohne Anhaltspunkte über ihn urteilen, so wie sie es bei mir taten.«
Ich seufzte und streichelte ihn. Er hatte Recht damit. Akeno liebte mich abgöttisch und buhlte um meine Aufmerksamkeit.
»Fürchtest du die Wahrheit?«
»Wisst Ihr, wir waren nie wie normale Zwillinge. Es gab kein Band zwischen uns und auch das Vertrauen zueinander fehlte. Mein Herz zerreißt es, dass er so leichtfertig alles verschwieg und nichts gegen meine Einsperrung unternahm. So lange Akeno nicht den Mund öffnet oder Ihr Eure Erinnerungen zurückerlangt, werde ich nie erfahren, wer Euren Tod wünschte. Warum bestrafte er mich für seine Taten – «, schluckte der kleine Fuchs und schien sich, wie ein totes Tier, komplett zu versteifen. Nie hatte ich Geschwister und doch erahnte ich seine Last.
»Töten?«, fragte ich verstört und riss die Augen weit auf. »Wie meinst du das? Ich habe nur dünne Narben von kleinen Krallen an meiner Hand.«
»Ja, ermorden«, hauchte er, den Kopf hängen lassend. Er weigerte sich, mir es genau zu erklären. Ich träumte doch stets von der Verfolgung. Ob mein Traum überhaupt der Wahrheit entsprach oder sich veränderte, um jenes zu vertuschen? Verschwamm die Realität in meinen Träumen, wie der Psychiater vermutete? Angst breitete seine Flügel in mir über ebendiese Erkenntnis aus.
»Wahrscheinlich wird es derjenige ein weiteres Mal versuchen.«
Mein Kopf zuckte hoch, bevor ich den Kleinen auf den Schoß zerrte und ihn an mich presste. »Man versuchte es letztens. Verflucht, warum sagt Akeno nichts. Dabei könnte er Licht ins Dunkel bringen. Er ist so verkorkst wie wir, denn er scheint höllische Angst davor zu haben, als Monster bezeichne zu werden. Wenn ich nur wüsste, was in seinem Kopf abgeht.«
»Wir werden Akeno nur vertrauen können, dass er den Mund aufmacht, bevor es zu spät ist. Hat er Euch vor dem Tod beschützt?«
»Das hat er mit aller Kraft.«
Er nickte und schmiegte sich an mich. Mir blieb nichts anderes übrig, als an das Gute in Akeno zu glauben. »Es wäre besser, wenn ich ihn nicht aus den Augen lasse. Dabei wollte ich mit ihm in die Stadt. Nur, wie ich vernommen habe, kann er nicht von hier fort.«
»Hat er dies behauptet?«, fragte Akaya entrüstet und verdrehte seine Augen.
»Ähm … ja?«, zog ich eine verwirrte Grimasse und beobachtete, wie der nachtschwarze Fuchs genervt den Kopf schüttelte.
»Entweder war er damals unwissend oder dumm. Im Bücherregal findet Ihr ein Buch über Bannungen. Wie Ihr Euch bestimmt denkt, brauchte Eure Großmutter meinen Bruder zum Jagen und Fangen der Wesen. Dies bedeutet im übertragenen Sinne, dass sie ihn auf ihre Reisen mitnahm. Somit ist er nicht an diesen Ort, sondern an einen Gegenstand gebunden. Stellt es Euch wie eine unsichtbare Leine vor«, erklärte er mir detailliert. Er verlagerte sein Gewicht auf die Hinterläufe und streckte seinen Körper zu mir hoch, um mit seiner Pfote die Halskette zu berühren. »Wahrscheinlich ist dieses Amulett der bannende Stein, der ihn bindet. Somit bleibt ihm nichts anderes übrig, als Euch zu folgen, wenn Ihr diese Kette bei Euch tragt.«
Verdutzt stierte ich zur Kette, von der sich der Fuchs löste: »Interessant. Wahrscheinlich bemerkte er es schon, als ich sie in diesem Zimmer fand. Es ist vielleicht unangenehm für ihn, an diesen Stein gebunden zu sein. Somit wäre er mein Hündchen. Hoffentlich versüße ich die Situation, indem ich ihm ein paar Anziehsachen kaufe. Meinst du, du kommst allein zurecht? Du bist nicht an den Stein gebunden, oder?«
»Dürfte ich, sofern es etwas Essbares gibt«, scherzte er. War er wieder abgemagert? Verbrauchte er durch die Verwandlungen massenhaft Energie?
Ich lachte dezent und nickte: »Keine Sorge, Akeno hat es mit dem Einkauf übertrieben. Bediene dich ruhig. Des Weiteren kann ich dir gerne Sandwiches machen, wenn du möchtest.«
»Vielen Dank, Herrin. Es ist erfrischend, nicht wie all die Jahre nur Reis zu essen. Ich danke Euch!«, sprach er, bevor er zur Salzsäule erstarrte und nur seine Ohren zuckten. Sein Blick schnellte zur Tür zum Vorgarten. »Gut, dass der Raum versiegelt ist und keiner uns hört. Da draußen steht jemand.«
»Wirklich?«, fragte ich verblüfft und erhob mich geschwind mit Akaya auf dem Arm. Ich suchte eilig ein Versteck und fand eine Ecke, mit dem Picknickkörbchen. In Windeseile stürmte ich dorthin und half ihm, hineinzuschlüpfen.
»Bleib hier, ich sehe nach!«
»In Ordnung, passt auf Euch auf!«
Nickend schloss ich den Korb und eilte zur Tür, bereit, dem Feind ins Auge zu sehen.
Kapitel 2
Langsam und vorsichtig schritt ich zur Tür. Mein Herz schlug immer schneller, je näher ich ihr kam. Wer mich da erwartete?
Tief durchatmend, ergriff ich mit zittriger Hand das Holz. Mit Schwung zog ich die Tür auf. Überrascht zuckte ich zusammen, da weiße Ohren mit schwarzen Spitzen im Dunkeln verschwanden. Akeno?
»Ah?«, rief ich verwundert aus und trat an den Rand der Veranda, in der Hoffnung, den Spitzel zu finden. Da verbarg er sich.
Dezent belustigt stierte ich runter in den Rasen, wo Akeno auf seinem Hintern saß und mich mit aufgerissenen Augen anstarrte. Hatte ich ihn erschreckt? Es stimmte, nichts an Geräuschen wich aus diesem Zimmer, aber ebenso kein Licht? Er hätte doch meinen Schatten sehen müssen.
Das Mondlicht beschien den verwirrt aussehenden jungen Mann. Sein weißes Haar reflektierte das Licht und ließ ihn wie den Mond leuchten. »Akeno hast du dich verletzt?«, fragte ich den regungslosen Schönling.
»N… Nein!«, dröhnte seine Stimme hektisch an mein Ohr. Er sprang schwerfällig auf die Füße, unter denen ein Ast knackte. Gespenstisch beobachtete ich ihn, wie langsam die finstere Last unserer schuldhaften Vergangenheit von ihm wich. Geschwind klopfte er diese von der Kleidung ab. Schuldbewusst kehrte er wie ein von Panik getriebenes Tier seinem Blick ab. Das hatten die Zwillinge zumindest gemein.
»Geht es dir gut? Ich rieche … Angst an dir.«
Verwirrt bemerkte ich die Kälte am Leibe und sah hinab. Ich war klatschnass geschwitzt. Die Panik vor Akaya hatte dies ausgelöst – ein Geheimnis auf Ewigkeit: »Es war ein Albtraum.«
Mit Schwung sprang er wie ein Raubtier auf die Veranda und zog mich an seine warme Brust. Er streichelte meinen Kopf, wie das eines Kleinkindes.
»Alles gut, ich beschütze dich. Das habe ich dir doch versprochen!«
Sein Herz hämmerte so laut wie die schnellen Flügelschläge eines Kolibris gegen einen Blumenkelch. Es entlockte mir ein Lächeln. Wenn ich doch nur wüsste, was damals geschah.
»Akeno, es geht mir schon besser«, murmelte ich an seiner, nach frischem Gras riechenden, Brust.
»Ich habe da eine Idee. Möchtest du vielleicht heiß baden? Da vorne ist das große Badehaus mit dem Onsen. Es würde dir bestimmt gut tun.«
Ich drückte ihn angeekelt, an die Szene mit Kohana denkend, von mir und stierte in seine Augen. »Sofern du die Finger von mir lässt, gerne. Der Vorschlag klingt wunderbar in meinen Ohren. Ich hole mir kurz meinen Yukata und ein Handtuch«, lächelte ich zaghaft, »Geh ruhig schon vor.«
»In Ordnung. Dann prüfe ich, ob du deine Ruhe hast«, antwortete er, bevor er sich auf den Weg begab und mich einsam zurückließ.
Kurzerhand drehte ich mich um die eigene Achse, betrat den Raum und zog die Tür hinter mir zu. Akayas Fuchskopf ragte mit gespitzten Ohren aus dem Korb: »Mein Bruder ist sehr unverschämt. Ihr solltet ihm nicht erlauben, so mit Euch umzugehen.«
»Akaya, für deinen Bruder ist dieser Kontakt wichtig, ohne ihn wird er mir nicht vertrauen.«
»Es klingt so, als würdet Ihr seine Sehnsucht ausnutzen«, grübelte der Kleine und zog die Augen zu Schlitzen zusammen.
Schluckend strich ich mir das feuchte Haar aus dem Gesicht, bevor ich ihm antwortete: »Ich bin mir gar nicht so sicher. Ich fühle mich selbst zu ihm hingezogen. Es ist schwer, zu erklären. Kommst du zurecht?«
»Dürfte ich lesen?«, fragte er sich gen Bücher wendend. Seine kleinen Schätze.
»Natürlich, bediene dich. In etwa einer Stunde bin ich zurück und stinke dann nicht mehr nach Schweiß«, verkündete ich schief lächelnd und griff mir einen Yukata und ein Handtuch. Zügig schlüpfte ich in Sandalen und stakste Richtung Onsen wie auf Stelzen los. Am Vorabend hatte ich Akeno mit dieser Art Nymphe dort gesehen. Der Gedanke brachte mich auf dem Hochseilakt ins Schwanken, auch wenn nichts so wirklich geschah.
Nach kurzer Zeit sprang ich schwerfällig von der Veranda und folgte dem Steinweg zu dem gigantischen Badehaus. Majestätisch wirkte dieses Holzmonument mit den monströsen Toren. Es stach imposant hervor, wie ein Phönix, der aus der Asche stieg. Woher stammte der Reichtum? Hatten meine Vorfahren Großes vollbracht oder herrschten hier?
Kopfschüttelnd wie eine nasse Katze verwarf ich die Fragen. Ein heißes Bad beruhigte hoffentlich meine müden Muskeln und Knochen.
Achtsam trat ich an die riesigen Tore, die mich um mindestens das Doppelte überragten. Sie schwangen wie von Geisterhand auf. Da war er. Akeno, der Mann, dessen Intentionen einem Buch mit sieben Siegeln gewichen waren. Mein Herz und Verstand kämpften um die Oberhand, doch bisher gab es keinen Sieger.
»Da bist du ja, Arisu. Komm rein. Stört es dich, wenn ich auch bade?«
»Nein, mach doch«, brummte ich frustriert und begutachtete den Onsen. Eine heiße Quelle, die mindestens so voluminös wie mein Zimmer war.
»Der Onsen ist so groß, dass wir uns nicht in die Quere kommen.«
Er seufzte entrüstet, die Hände zu Fäusten ballend. Sein Blick fixierte einen Punkt neben meinen Füßen. Was dachte er ständig? Ja, ich war nicht unschuldig, doch zwischen uns stand eine unüberwindbare Mauer, außer er öffnete eine Tür darin. Des Weiteren hatte seine Bettgespielin vor, mich als dreckige Schlampe abzustempeln, sollte ich mit ihm in der Öffentlichkeit rummachen.
»Da vorne ist eine Wand. Ich werde dort ins Wasser gehen. Keine Sorge, ich werde dich nicht mit meiner Anwesenheit belästigen.«
Ich schluckte seine Breitseite runter und hob eine Augenbraue. Das war doch nicht sein Ernst? Drückte er etwa auf die Tränendrüse? Mitleid gehörte in keine erwünschte Beziehung.
Schnaubend stampfte ich in die andere Richtung, Akeno schon hinter der Wand verschwindend. Im seichten Schein der Lampen erkannte ich durch die dünne Papierwand seinen schwarzen Schatten, der die Kleidung abstreifte. Verdammt, warum hatte ich nicht früher von der Geisterwelt erfahren? Jetzt starrte ich ihn an, wie eine Perverse und sah zu, wie er ins Wasser stieg und sein Körper sich so grazil wie ein Fuchs bewegte. ›Arisu, aus!‹
Ich richtete den Blick wieder nach vorne, meine Anziehsachen vom schweißnassen Körper rupfend. Es war verpönt, doch wir badeten unter uns.
Die Kleidung warf ich unliebsam auf den Boden und drapierte den Yukata auf einem Holzschemel. Das Handtuch hob ich schamvoll vor meine Brust. Einladend dampfte das Wasser freudig im schummrigen Lampenschein. Ich ließ keine weitere Minute verstreichen und stieg hinein.
Eine Gänsehaut überzog meinen Körper. Das heiße Wasser umschloss die unterkühlte Haut. Es vertrieb meine finsteren Gedanken und packte mich in einem wohligen Nebel ein. Vor Glück säuselnd, löste ich das Handtuch, faltete es und legte es mir auf dem Kopf, damit es nicht nass wurde.
»Ohhhh, ist das gut!«, entwich es meiner Kehle, mich gegen einen Stein lehnend und die Augen schließend. Nie wieder eine bitterkalte Dusche und jeden Abend ein heißes Bad in einem Onsen, der nie abkühlte.
Ich genoss für einige Zeit diese wohlige Wärme und rief mir die letzten Tage ins Gedächtnis. In drei Tagen meines 27-jährigen Lebens war allerhand passiert: Mittig des Berges begegnete ich Akeno, einem Kitsune, der mich auf Schritt und Tritt begleitete. Wir kannten uns aus Kindertagen, doch war er für meinen Gedächtnisverlust verantwortlich. Dann waren da die Zwillinge: Ken und Hibiko, wobei Ken ein Geist war, der vor einiger Zeit ums Leben kam.
Ich lernte den winzigen Staubkobold Hokori kennen, der im Zimmer meiner Großmutter wütete. Mit einem Herz aus Gold rollte er in meiner Nähe herum und half mir ab und an.
Zuletzt befreite ich Akaya, den angeblich Bösen, aus seinem Steingefängnis und hielt ihn in Form eines kleinen Fuchses im Zimmer. Paps würde mich ausschimpfen, wenn er davon hörte.
Ich seufzte und rutschte an Kohana denkend tiefer in den Onsen. Sie hatte einen Groll gegen mich und meine Familie, weil man sie einsperrte. Bestimmt wäre es mir möglich, ihre Fesseln zu lösen, doch bei ihr hatte ich eine angsteinflößende Vorahnung. Sie würde der Menschheit großes Leid zufügen.
Mit der Zeit sollte ich den Computer und die Bücher durchforsten. Ich brauchte Klarheit über die Situation.
Ein Plätschern ließ mich aufhorchen. Stimmt ja, Akeno badete nebenan. Dort hinten sah ich ihn, wie er am Rande der Wand stand. Ob er sich sorgte?
»Arisu, geht es dir gut?«
›Volltreffer!‹, schoss es in meinen Kopf.
»Ja, ich war in Gedanken. Sag Akeno, hättest du Lust, morgen mit mir an den Strand zu fahren?«, fragte ich frei heraus, in der Hoffnung, zu erfahren, ob er von der Kette Kenntnis hatte.
»Ich kann nicht. Du weißt, ich bin an diesen Ort gefesselt.« Seine Stimme klang traurig und riss an meinem Herzen.
»Doch, kannst du, wenn ich die Kette mitnehme. Dir bleibt sogar nichts anderes übrig!«, stoppte ich meine Forschung je und hob das Amulett an.
»Was sagst du da?«, umrundete er mit einem Ruck die Wand. Knallrot sah ich weg. Anstand fehlte ihm ab und an.
Zumindest fiel es Akeno selbst auf, da er mit einem Ruck im Wasser saß, doch schien er nicht mehr die Seite zu wechseln.
»Du bist an diesen Stein gebunden. Sag nicht, du willst nicht mitkommen! Wir könnten Kleidung kaufen gehen, Eis essen und im Meer planschen. Dir würde es bestimmt gefallen!«
»Also«, fing er nachdenklich an. Er schien an der Aussage über die Kette zu knabbern. Meine Großmutter hatte es ihm definitiv verschwiegen. Doch wie waren sie zu den unterschiedlichen Gegenden gereist? Hatte sie ihm andere Tatsachen vorgegaukelt? Sie hatte ihm genauso wenig, wie Akaya, getraut.
»Hab dich nicht so, du musst doch sowieso.«
»Wenn ich muss, wieso fragst du mich dann noch?«, fragte er mit erhobener Augenbraue und zog eine Schnute. Seine Frage war durchaus berechtigt.
»Ich wollte höflich sein. Irgendwie möchte ich dich nicht zwingen, sondern hoffe, du könntest mich als ein guter Freund begleiten. Der Gedanke, du wärst mein Haustier, widert mich an.«
Ich sah zu, wie Akeno bis zur Nasenspitze abtauchte. Seine Überraschung schien groß. Es war ein ehrliches Eingeständnis.
»Ja, ich würde dich gerne begleiten.«
Grinsend betrachtete ich ihn, wie er knallrot an seinem Hinterkopf kratzte. Nein, eher an den runtergebundenen Ohren. Seine Eigenheit, wenn er nervös wurde.
»Ich freue mich sehr darüber. Lass uns ein paar schöne Erinnerungen festhalten.«
»Gerne«, flüsterte er und hob seine andere Hand, mit der er seinen Pony aus dem Gesicht strich. Ein verziertes Armband fiel mir ins Auge. Er bemerkte es und ließ die Hand schnell verschwinden. Ich brauchte mehr Informationen, definitiv.
»Was hast du da?«, fragte ich dann aber doch, welches ihm gar nicht behagte.
»Nichts«, fluchte er und drehte sich weg, was ich hasste. Geschwind stand ich auf und wickelte mein Handtuch vor die Brust, bevor ich mich zu ihm aufmachte. Seine Muskeln spannten sich am Hals an und Sehnen traten hervor. Doch das half ihm nichts. In Windeseile war ich bei ihm und packte jenes Handgelenk. Akeno entriss mir die Hand und versteckte sie im Onsen.
»Lass das«, fauchte er. Prompt griff ich ins Wasser und packte seine Hand. Wieder versuchte er, sie mir zu entziehen, doch ich ließ nicht los, weswegen ich auf ihn fiel.
Knallrot sahen wir einander ins Gesicht. Nur das nasse Handtuch im Wasser schützte den wichtigsten Teil unserer nackten Körper voreinander. In den letzten Tagen gerieten wir oft aneinander. Die Mauer war zu hoch, um sie einzureißen.
»Nein, lass ich nicht!«, schluckte ich und versuchte mich nicht auf seinen heißen Körperbau zu konzentrieren, an dem sein weißes Haar mit den schwarzen Spitzen, die ungeniert nach unten deuteten, klebte. »Akeno, jetzt zeig mir dieses Armband.«
Seufzend ließ er es zu. Ich zog seine Hand zwischen uns und betrachtete sie. Es waren vereinzelte schwarze Perlen an einem Lederband.
»Gefällt es dir, auf meine Kette zu starren?«
»Das ist ein Armband, keine Kette.«
»Für mich ist es eine Kette. Sie hält mich hier fest«, verlautete er und wand sich ab. Ihm missfiel es. Anscheinend band ihn dies Schmuckstück. Würde er frei sein, wenn ich es löste?
Behutsam legte ich meine Hand daran und zog unbedacht. Dutzende blaue Blitze zuckten zwischen uns wie angriffslustige Schlangen. Erschrocken zog ich die Hand weg und entdeckte sein schmerzverzerrtes Gesicht.
»Habe ich dir weh getan?«
»Etwas«, keuchte er seine Grimasse unterdrückend und sah auf das Armband. Er hob die Hand an meine Wange und strich über diese mit seinen zarten Fingern, die mich in Watte hüllten. »Dir aber auch.«
»Hm?« Ich rieb mit der rechten Hand über die Wange. Tatsache, vor Schmerz kamen mir die Tränen. »Das Band kann man nicht so einfach lösen?«
»Nein«, knurrte er mit aufeinandergepressten Zähnen, was Unbehagen in mir auslöste. Akeno lehnte sich gegen einen Stein hinter ihm und verschränkte die Arme vor seiner durchtrainierten Brust. »Schade, eigentlich hatte ich es gehofft.«
»Sag, hättest du mich danach loswerden wollen?«
»Nein … du vertraust mir nicht, oder?«
»Ich bin mir wegen deiner Nymphe unsicher.«
»Ehrlich, ich könnte es mir sogar vorstellen, dich als meine Herrin zu akzeptieren. Bisher hast du bewiesen, dass dein Herz um einiges wärmer ist als das deiner verstorbenen Großmutter. Ich war ihr immer egal, während du dir stets Sorgen um mich machst, obwohl ich dich hintergangen habe.«
Er überwand den Abstand wieder und seine Hand streichelte mein nasses Haar davon, bevor er mir nah kam. Mein Herz übertönte derzeit einen Specht auf Beutejagd an einem Baum. Unsere Lippen berührten sich fast. Wieso musste er nur so verführerisch sein?
»Pass auf, sonst wird deine Liebhaberin eifersüchtig«, flüsterte ich, die Romantik mit einem Schlag zwischen uns zerstörend. Sein Gesicht löste sich wortlos.
»Du weißt, Worten in tödliche Waffen zu verwandeln.«
»Definitiv. Ich bin noch sehr wütend. Es stört mich, dass du mit zwei Frauen zeitgleich rummachst.«
Er schnaubte und lächelte betrübt. Wahre Worte, die ihn hoffentlich bewegten, für eine von uns Partei zu ergreifen.
»Arisu, ich bin schon lange hier. Bin einsam und habe Bedürfnisse.«
»Zeitgleich hast du aber gesagt, du würdest mich sehr mögen. Wieso schläfst du mit mir und dann mit dieser … Frau, die mich loswerden will?«
Wütend starrte ich ihn an. Er ergriff direkt, wie ein Falke im Sturzflug, das Wort: »Nur, damit du es weißt: Wir haben nicht! Ich konnte nicht, nachdem ich mit dir! Das hat sie noch mehr genervt! Warum sie wohl so unfreundlich zu dir war?!« Akeno fluchte vor sich hin, ratlos was er sagen musste, damit ich ihm vertraute. »Ich wollte nicht laut werden.«
»Danke«, hauchte ich und küsste ihn auf die Wange. »Doch solange du bei ihr bist, wird es nie mehr zwischen uns geben. Ich gehe jetzt schlafen.«
»Arisu«, flüsterte er, während ich aus dem Wasser glitt. Er schien hin- und hergerissen, doch was erwartete er? Ich war nicht sein Spielzeug. Bisher hatte ich mir stets Singles gesucht und mich nie an einem verheirateten Mann vergriffen oder einem Vergebenen.
Sollte er mir zeigen, wie viel ich ihm bedeutete. Schnell zog ich meinen Yukata über die nasse Haut und ließ den Rest liegen. Wir waren uns nähergekommen, aber so fix war es wieder geendet. Mein Herz schmerzte, wenn ich mir die beiden vorstellte. Warum war ich nicht länger geblieben? Akeno … verliebte ich mich in dich?
Kapitel 3
Wie ein gejagtes Kaninchen lief ich zum Zimmer zurück. Immer wieder eckte ich an den Steinplatten an und stürzte fast. Mein verdammtes Herz hörte nicht auf, so laut wie die Zikaden zu pulsieren. Am Ende vernahm der Feind die Unsicherheit meines Herzens.
Genervt stieg ich die Veranda hoch und stolperte ins Zimmer, stets in den Gedanken an ihn, wie er im Onsen mit mir badete.
»Herrin?« Ich schreckte aus den Tagträumen und schloss prompt mit lautem Knall die Tür hinter mir. Dort saß er im Schein meiner Handytaschenlampe. Die hatte ich komplett vergessen. Doch es half, um nicht wieder hysterisch davonzurennen.
»Akaya«, murmelte ich als Antwort und schenkte ihm ein freundliches Lächeln. Ich hob die Hand, da er aufzustehen versuchte: »Lese ruhig weiter. Ich werde jetzt schlafen gehen.« Meine Stimme überschlug sich bei dem ohrenbetäubenden Gerumpel meines Herzens, das einem entgleisenden Zug glich. Akayas Ohren zuckten. Doch er wahrte den Abstand und schwieg. Sein Zwillingsbruder war der Grund für meinen gehetzten Blick. Akeno…
›Arisu, reiß dich zusammen! Er ist nur ein Typ wie jeder andere, egal wie besonders er ist!‹, mahnte ich mich, doch mein Herz schien es nicht zu beeindrucken.
Seufzend krabbelte ich in den Futon und sah den auf 10% geschrumpften Akku meines Handys, bevor ich dessen Licht verlöschen ließ. Ich schloss beruhigt die Augen und vergrub mich unter der Decke. Akeno beherrschte meine Gedanken. Mein Geist löste sich heimlich vom Körper.
Verdutzt saß ich da und entdeckte die Lampen und Bannzettel. Es war verstörend, keine Kontrolle darüber zu haben. Warum nur?
Brummend richtete ich mich auf und schritt zu den Büchern. Dort saß Akaya in der anderen Welt. Ob er es bemerkte? Sollte ich versuchen, zurückzukehren? Doch der Gedanke an Akeno würde mich nicht ruhen lassen. Jetzt war die Chance, ihm nachzuspionieren.
Genervt schritt ich zur Tür und öffnete sie sacht, bevor ich sie hinter mir wieder zu zog und Richtung Onsen sah. Akeno war definitiv schon fort. Ob es ihn frustrierte?
»Das ist nicht dein Ernst!«, hörte ich jemanden fluchen und presste mich an die Wand. Eine laute Frauenstimme erklang, doch nicht etwa sie?
Auf Zehenspitzen schlich ich zum Rand des Hauses. Die Geräusche kamen aus der Richtung des Schreins. Da erblickte ich sie. Die grünhaarige Frau, die in mir einen Würgereiz auslöste, mit dem kurzen Gewand, krallte sich an Akeno fest.
»Willst du dich gegen mich wenden?«
»Arisu hat gesagt …«
»Mir egal, was dieses Monster sagt! Wer war immer für dich da? Wer hat dir Wonnen bereitet und wer wird noch hier sein, wenn sie längst unter der Erde liegt? Sie ist nur ein dummer Mensch! Ein Jäger! Ihre Familie ist die Ausgeburt der Hölle!«
»Rede nicht so abfällig von ihr! Sie hat ein gutes Herz!«, verteidigte mich Akeno und gestikulierte wild mit seinen Händen. Hatte er meine Worte gleich umgesetzt? Machte er mit ihr Schluss?
»Ach! Darum sagt sie einem vergebenen Kerl, er solle seine Freundin verlassen?«
»Sie hat nur gesagt, sie würde nicht mit vergebenen Männern …«
»Daher weht der Wind!«, wetterte sie und packte ihn am Kragen, was er mit einem wütenden Blick konterte. »Du willst sie ficken! Und wenn sie weg ist, ist zwischen uns wieder alles in Ordnung? Da hast du dich geschnitten! Wenn du das jetzt beendest, gibt es keine Wiederkehr und ich werde dir dein Leben zur Hölle machen!«
Meine Ohren klingelten von dem Gezeter. Kurz überkam mich Genugtuung, es ihr heimgezahlt zu haben. Dieses Gefühl wich Schuldgefühlen. Der Gedanke ließ mich sauer aufstoßen. Akeno beendete die Beziehung für den Sex? War das sein Ernst?
Akeno schritt zurück und schlug ihre Hände fort. Die Aura von dieser Kohana verfinsterte sich. Gerade sah sie nicht mehr nach einer Waldnymphe, sondern nach einer abscheulichen Kreatur aus. Ihr Gesicht verlor die Weiche, was mir einen Schauer über den Rücken jagte. Natürlich sahen die Geisterwesen nicht wie Menschen aus. Ihr Äußeres spiegelte ihr Inneres wider.
»Versuch es doch. Ich bin nicht so schwach, wie du glaubst!«
»Pff! Du bist so lustig! Und wie du schwach bist! Schau dir doch das Armband an. Es verhindert, dass du dich in einen Fuchs verwandeln kannst oder deine wahre Gestalt annimmst. Du bist in der Geisterwelt ohne einen Schwanz, wo schon andere Kitsune neun besaßen. Eine Lachnummer bist du! Sei froh, dass ich aus Mitleid mit der geschlafen habe!«
Ich schluckte. Wow. Das Blatt wendete sich. Sie ließ kein gutes Haar an ihm übrig. So ein Szenario nahm er nicht wegen des Sexes auf sich. Definitiv nicht.
»Ich bekomme sie schon wieder und glaub mir, dann ist Arisu nicht die Gefahr! Und nur so, der Sex mit dir war nicht einmal halb so gut wie mit ihr!«
Mein Gesicht lief rot an. Ich fand es ehrlich nicht so prall, wie er mit unserem Sex angab. Er verursachte eine Achterbahn der Gefühle.
»Wir werden sehen. Doch glaub mir, du wirst das bereuen.«
»Ich bereue schon jetzt, es nicht früher beendet zu haben! Anscheinend war ich deine Marionette!«
Sie kicherte hämisch und strich ihr Haar zurecht: »Das merkst du auch schon? Natürlich warst du mein Spielzeug! Was dachtest du denn?«