Arrogant Devil - R.S. Grey - E-Book

Arrogant Devil E-Book

R. S. Grey

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Beschreibung

Arroganz und Leidenschaft.

Auf der Suche nach einem Neuanfang landete ich auf der Blue Stone Ranch und begegnete dem arrogantesten Kerl aller Zeiten. Jack sieht unfassbar gut aus und weiß das auch. In mir sieht er nur die verwöhnte Frau, die immer alles bekam, was sie wollte. Doch ich werde ihm beweisen, dass ich hart arbeiten kann und nicht, wie er denkt, in kurzer Zeit wieder verschwunden sein werde. Eigentlich sollte sein Verhalten ein absolutes No-Go für mich sein, aber in seiner Nähe wird mir immer glühend heiß und das liegt nicht nur an der texanischen Sonne. Vielleicht kann ich ja diesen teuflischen Kerl doch noch von mir überzeugen …

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Seitenzahl: 484

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Auf der Suche nach einem Neuanfang landete ich auf der Blue Stone Ranch und begegnete dem arrogantesten Kerl aller Zeiten. Jack sieht unfassbar gut aus und weiß das auch. In mir sieht er nur die verwöhnte Frau, die immer alles bekam, was sie wollte. Doch ich werde ihm beweisen, dass ich hart arbeiten kann und nicht, wie er denkt, in kurzer Zeit wieder verschwunden sein werde. Eigentlich sollte sein Verhalten ein absolutes No-Go für mich sein, aber in seiner Nähe wird mir immer glühend heiß und das liegt nicht nur an der texanischen Sonne. Vielleicht kann ich ja diesen teuflischen Kerl doch noch von mir überzeugen …

Über R.S. Grey

R.S. Grey ist eine US-amerikanische Schriftstellerin. Mit ihren erfolgreichen Romanen steht sie regelmäßig auf der USA Today Bestsellerliste. Die Autorin lebt mit ihrer Familie und ihren zwei Hunden in Texas.

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R.S. Grey

Arrogant Devil

Übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von Antje Althans

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

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Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Epilog

Impressum

Kapitel 1

Meredith

Gestern Nacht habe ich meinen Mann verlassen. Das Partizip Perfekt klingt so schön – verlassen. Er ist noch in Kalifornien, während ich in einer Tankstelle in irgendeinem Kaff in Texas stehe. Ich habe weder Geld noch ein Auto. Alles, was ich hatte, war ein protziges, mit Diamanten besetztes Tennisarmband, das ich versetzt habe, um mir ein Flugticket nach San Antonio zu kaufen. Zum Glück konnte ich mir dank des Armbands auch noch das Taxi leisten, das gerade draußen an der Zapfsäule auftankt. Aber jetzt ist mein Geld alle, und mir knurrt der Magen.

Ich nehme die Regale mit ihrem Aufgebot an zuckrigem Junkfood in Augenschein. Alles coole Sachen: ein halbes Dutzend Packungen mit weißbestäubten Donuts, die mehr Sauerei machen als Glitzerbomben, und Stapel aus traurigen, in sich zusammengefallenen Honey Buns. Genau das würden sich Aliens ausdenken, wenn sie mit der Reproduktion menschlicher Nahrung beauftragt würden. Trotzdem läuft mir allein schon bei dem Anblick das Wasser im Mund zusammen. Am liebsten würde ich eine Tüte Doritos aufreißen und die Chips direkt in meinen Mund rieseln lassen. Ich will in jeder Hand eins der uralten, vertrockneten Hotdogs halten, die dazu ausersehen sind, sich bis in alle Ewigkeit auf fettigen Rollen zu drehen – so hungrig bin ich.

Mein Weggang war nicht sehr gut geplant. Eigentlich gar nicht. Gestern Nacht lag ich hellwach auf meiner Seite des Bettes, während Andrew in seiner üblichen Zuversicht, dass die Sonne am Morgen wie immer wieder aufgehen würde, neben mir laut schnarchte. Eine Stunde zuvor war er zwar mit makellos weißem Kragen, aber mit Lippenstift auf der Wange spät von einem Arbeitsessen nach Hause gekommen.

Ich hatte eine Million Gründe, ihn zu verlassen – genug, um damit alle Snackregale in dieser Tankstelle zu füllen; genug, dass sich ein Eheberater davon eine Riesenanzahlung auf ein Ferienhaus hätte leisten können –, aber gestern Abend hat mir nur einer gereicht. Ich bin gegangen, und das ist alles, was zählt. Zwischen mir und Andrew liegt ein halber Kontinent, und das Einzige, worum ich mich jetzt sorgen muss, ist, einen Fuß vor den anderen zu setzen … Darum und um die Tatsache, dass ich keine Unterkunft, kein Geld, keine Arbeit und nichts zu futtern habe. Außerdem gehen mir rapide die veräußerlichen Accessoires aus, aber verlieren wir uns nicht in Details.

Ich nehme eine Dose Erdnüsse ins Visier. Noch gestern hätte ich meine schwarze AMEX-Kreditkarte auf den Kassentresen klatschen, mit einer Armbewegung das gesamte Regal leerfegen und Lebensmittel in meinen Einkaufskorb plumpsen lassen können wie eine Kandidatin der Gameshow Supermarket Sweep. Doch jetzt kann ich mir nicht mal mehr Erdnüsse leisten; Andrew hat sofort, als er feststellte, dass ich weg war, meine Karten sperren lassen.

Ich lächele bei dem Gedanken, wie stinksauer er gewesen sein musste, als ihm die Wahrheit dämmerte. Er hätte es mir nie zugetraut. Das war ein fester Bestandteil seines Sermons: Wer bezahlt die Rechnungen? Wer kauft dir deine Kleider? Ohne mich bist du nichts, Meredith – wertlos.

Was das Finanzielle betraf, hatte er recht. Momentan besteht mein Eigenkapital aus ein paar Dollar und ein paar Gequetschten. Doch was den Rest betraf, irrte er. Ich hatte ihn tatsächlich verlassen, und dazu noch mitten in der Nacht, mit nichts als meinen Klamotten am Leib. Ich trage das Outfit, das ich mir für einen Wohltätigkeitslunch bereitgelegt hatte – eine Veranstaltung, die genau in diesem Moment ohne mich stattfindet. Das Ensemble besteht aus einer weißen Rüschenbluse, einem Hermes-Gürtel und einer Designer-Jeans.

An meiner überstürzten Flucht war mein schnell versiegender Mut schuld. Ich wusste, wenn ich mich hinsetzte und alles sorgfältig plante, würde ich die Nerven verlieren. Mir durfte keine Zeit für einen Rückzieher bleiben, für irgendwelche Zweifel. Doch jetzt wird mir klar, dass ich etwas pragmatischer hätte sein sollen. Ich hätte mir zumindest Fluchtproviant einpacken sollen, Wasser und vielleicht Sneakers.

Ehrlich gesagt, hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich ausgerechnet hier landen würde. Doch von allen möglichen Zufluchtsorten erschien mir Texas wegen meiner Schwester am logischsten. Eigentlich ist sie nur meine Halbschwester. Ich muss an das gestrige Telefonat mit ihr denken, als ich am Flughafen war und versuchte, einen späten Nachtflug zu bekommen. Ich musste etwa ein Dutzend Mal ihre Nummer wählen, bis sie endlich ranging.

»Meredith?«, fragte sie, offenbar geschockt, meinen Namen auf ihrem Handybildschirm aufleuchten zu sehen. Wir stehen uns nicht gerade nahe. Wahrscheinlich hat sie mich unter Diese Halbschwester, die ich kaum kenne, Meredith in ihrem Telefon gespeichert. Um fair zu sein, bei mir steht sie unter Halb-Helen.

»Helen! Hi!«

Sie antwortete nicht gleich. An ihrem Ende rauschte es laut.

»Bist du dran? Kannst du mich hören?« In der Hoffnung, dass die Verbindung bald besser würde, hielt ich mir das freie Ohr mit dem Finger zu.

»Gerade so!«, schrie sie. »Was ist los? Ich hab an die fünfzig entgangene Anrufe von dir.«

Ich wurde blass. »Ja, tja, das ist eine lange Geschichte, aber ich bin auf dem Weg nach Texas.«

»Nach Texas?«

Sie klang geschockt, was nur recht und billig ist. Sie lebt schon sechs Jahre im Lone-Star-Staat, und ich habe sie nie besucht.

Ich kam gleich zur Sache, da Zeit auch so ein Luxus war, den ich aufgegeben hatte.

»Ja, und ich muss dich um einen Gefallen bitten … sogar um einen ziemlich großen.«

»Sprich lauter, Meredith, ich höre dich kaum. Ich soll dir einen Gefallen tun?«

»Ja, tja, der wäre …« Ich sprach lauter: »Ich habe mich gefragt, ob ich eine Weile bei dir wohnen könnte?«

»Was?«

»Ich bin schon auf dem Weg zu dir.«

Ein unbeschwertes Singsang-Lachen an meinem Ende linderte ihren Schock nicht.

»Machst du Witze? Brent, warte kurz, es ist Meredith.«

Ich hörte, wie eine Tür geschlossen wurde, und dann ließ sie die Bombe platzen.

»Tja, ich hoffe, du bist noch nicht losgefahren. Ich bin in Paris.«

»Du bist in Paris? In Paris Paris?«

Fürs Protokoll, meine Schwester ist keine Jetsetterin. Ich hoffte, sie meinte Paris, Texas und nicht die Stadt im Land der Croissants am anderen Ende der Welt.

»Ja, Paris Paris. Brent und ich sind in den nächsten drei Monaten auf Reisen, während unser Haus renoviert wird.«

»Du machst Witze.«

In dem Moment wäre ich fast zusammengebrochen. Mir schnürte sich die Kehle zu. Meine Tränenkanäle waren geladen und entsichert. Die Leute warfen mir misstrauische Blicke zu und fragten sich bestimmt, ob die TSA-Beamten einen Fehler gemacht hatten, als sie mich durch die Sicherheitskontrolle ließen.

Das Boarding für meine Maschine hatte schon begonnen, während meine Schwester fortfuhr: »Wir wollten schon länger die Küche und die Bäder renovieren …«

Was zum Henker hat das mit Paris zu tun?

»… deshalb dachten wir, wieso machen wir nicht eine große Reise, während unser Haus unbewohnbar ist?«

Unbewohnbar. Vermutlich gibt es mehr als nur eine Methode, ein Zuhause zu zerstören, ein ganzes Leben.

»Warum hast du mir das nicht gesagt?«

»Warte kurz, ich hab’s der Bank gesagt, den Bauunternehmern, der Bauaufsichtsbehörde – ach, so ein Mist! Jetzt, wo du es erwähnst, ich hab ja tatsächlich vergessen, es der Halbschwester zu sagen, mit der ich seit wann genau nicht mehr gesprochen habe? Seit Weihnachten?«

Ihr Ton ließ durchblicken, dass das meine Schuld war, und das war es auch – zum Teil.

»Tut mir leid, ich war verschollen.«

»Schon gut. Hör zu, können wir nicht versuchen, etwas für die Feiertage zu planen, wie wir es schon immer vorhatten? Diesmal machen wir es. Ich richte für dich und Andrew das Gästezimmer her …«

Ich rieb mir die Augen in der Hoffnung, die Tränen dorthin zurückdrängen zu können, wo sie hingehörten. Helen wusste so vieles von mir nicht.

»Nein, Helen. Das ist eine lange Geschichte, aber ich muss jetzt kommen. Kann ich im Haus wohnen, während ihr weg seid?«

»Dort sieht es aus wie nach einem Bombenangriff. Ein paar Außenwände fehlen. Deshalb sind wir ja geflüchtet.«

»Klar.« Natürlich. Das hatte sie mir ja gerade gesagt. »Wie sieht’s mit Arbeit aus? Weißt du von irgendwelchen freien Stellen? Ich könnte meinen Lebenslauf aktualisieren … Ich glaube, ich hab ihn noch irgendwo auf meinem alten Uni-E-Mail-Account.«

An dem Punkt schmiss sich Helen vor Lachen weg. Dann erzählte sie Brent von meinem Anliegen, und ihr gemeinsames schallendes Gelächter traf mich ins Herz wie Schläge auf einen Sandsack.

Wu-ha-ha, dein Leben geht direkt vor unseren Augen den Bach runter. Hör auf – ich lach mich tot!

»Ist das ein Schabernack? Wenn ja, ist es ein sehr kostspieliger Übersee-Telefonstreich. Hat Andrew dich dazu angestiftet?«

»Letzter Aufruf für die Passagiere des Fluges 365 nach San Antonio. Letzter Aufruf zum Einstieg am Abfluggate 12.«

Sie musste die Durchsage gehört haben, denn plötzlich sprach sie mit viel ernsterer Stimme weiter. »O Gott, du bist wahrhaftig am Flughafen, stimmt’s?«

Ich raste durch das Flughafengebäude und rannte sämtliche Kinder und Senioren über den Haufen, die mir im Weg standen, um zu meinem Gate zu kommen, bevor sich die Flugzeugtüren ohne mich schlossen. Sie riefen mich sogar über Lautsprecher aus. Ich hatte mich immer gefragt, was für Schlafmützen sich ausrufen lassen müssen. Ich. Ich bin eine davon.

»Ja, Helen, ich komme nach Texas, und ich brauche deine Hilfe.« Vom Rennen außer Atem flehte ich sie an. »Bitte. Ich kann es nicht erklären, aber ich muss jetzt alle Liebe einlösen, die du vielleicht für mich empfindest.«

Sie seufzte gereizt. Sie war immer wegen der ein oder anderen Sache von mir genervt, was einer der Gründe war, weshalb ich mir nie die Mühe gemacht hatte, sie zu besuchen.

»Na schön. Ruf mich an, wenn du landest.«

Wie sich zeigte, brauchte ich sie nicht anzurufen. Anscheinend hatte sie schon geahnt, worum es ging, während ich in 9000 Metern Höhe in einer Metallröhre saß, und war zu ihren eigenen Schlüssen gekommen. Als ich landete, hatte ich ein Dutzend Kurznachrichten von ihr, in denen sie mich wegen meiner Impulsivität und augenscheinlichen Unvernunft ausschimpfte.

Helen: Ist das ein Spiel, oder verlässt du Andrew wirklich? Ich werde nicht anfangen, Gefallen für dich einzufordern, wenn du schon in einer Woche wieder kündigst und zurück nach Kalifornien fliegst.

Klingt kalt, nicht? Tja, das ist so: Helen und ich sind nicht gerade ein Herz und eine Seele. Das waren wir nie. Zwischen uns liegen zehn Jahre Altersunterschied, und unser Vater hat ihre Mutter für meine verlassen. In Helens Augen hatte ich die wunderbare, perfekte Kindheit, die ihr genommen worden war … und okay, klar, die ersten paar Jahre waren ziemlich gut. Ich genoss Familienurlaube und hatte jedes Jahr eine große Weihnachtsfeier statt zwei kleine, doch dann, wie zuvor, fing unser Dad an, sich zu langweilen, und zog weiter zur nächsten Frau. Diese gemeinsame Erfahrung mit unserer seifenoperhaften Vaterfigur hätte uns eigentlich verbinden sollen, aber Helen machte ihren Schulabschluss und zog zu Hause aus, sobald sie konnte. Seither haben wir beide im Grunde so getan, als existierte die andere nicht.

Als ich es in Texas aus dem Flughafen herausgeschafft hatte, versuchte ich gleich, sie anzurufen. Ich wählte … rückte in der Taxischlange weiter nach vorn … wählte wieder. Ich wollte ihr die Situation so rasch wie möglich erläutern, und das ging nicht per SMS. Es gab eine Menge zu erklären, und tja, meine Finger zitterten immer noch von meiner Aktion. Außerdem lässt sich die schmutzige Wahrheit am besten ohne Emojis erklären.

Als Helen nicht ranging, war ich gezwungen, ihr doch eine SMS zu schreiben und mich kurzzufassen.

Meredith: Ich habe Andrew für immer verlassen. Ich brauche einen Job und eine Unterkunft. Wenn du mir helfen könntest, wäre das wunderbar. Wenn nicht, wäre es weniger wunderbar.

Helen: Na schön. Ich frage Jack, ob er eine Aushilfe braucht. Ich schicke dir die Wegbeschreibung zur Blue Stone Ranch.

Meredith: Du bist wunderbar.

Helen: Sorg dafür, dass ich das nicht bereue.

Und so bin ich jetzt hier gelandet und verprasse das bisschen Geld, das ich noch habe, für eine Taxifahrt durch Zentraltexas.

Auf der Blue Stone Ranch hat meine Schwester in den letzten sechs Jahren gearbeitet. Ich kann mir nicht annähernd vorstellen, was sie als Chefassistentin des Besitzers tut. Seine Sporen polieren? Seine Schafe scheren? Sein Heu bündeln? Das liegt alles ein bisschen außerhalb meiner Sphäre, aber ich werde das alles tun und mehr – mit Kusshand.

Wieder knurrt mir der Magen, und zwar so laut, dass ich weiß, dass die Kassiererin hinter dem Tankstellentresen es hören kann. Zum Glück scheint sie zu abgelenkt von ihren eigenen Problemen zu sein.

Ich sehe genau in dem Moment aus dem Vorderfenster, als der Taxifahrer an der Tanksäule fertig ist. Bis auf ihn kennt keiner die Wahrheit über mein Leben. Er hat sich alles anhören müssen. In den wenigen Stunden, seit er mich am Flughafen aufgelesen hat, hat er als mein Chauffeur und schweigender Therapeut fungiert. Und was noch besser ist, er wird auf keinen Fall irgendwelche Details an irgendjemanden weitergeben, weil er ziemlich sicher die ganze Zeit über Kopfhörer drinhatte. Den ganzen Morgen über hat er nur mit schicksalsergebenen Grunzern und Seufzern geantwortet – die Universalsprache des Verdrusses. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er versucht ist, ins Taxi zu steigen und mich hier sitzenzulassen, so dass ich mich in den texanischen Badlands alleine durchschlagen müsste.

Ich muss einen Zahn zulegen.

Von einem Urinstinkt getrieben, reiße ich die Dose Erdnüsse aus dem Regal und trage sie zur Ladentheke.

Das flaue Gefühl in meinem Magen ist neu, und ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht vom Hunger kommt. Was ich mache, habe ich nie zuvor getan. Ich habe nie auf eigenen Beinen gestanden – ich musste es nie. Ich habe Andrew gleich nach dem College geheiratet. Er war sieben Jahre älter und bei einer großen Produktionsfirma auf der Karriereleiter schon auf dem besten Wege nach oben. Ich zog aus meiner Studentenbude direkt in sein millionenschweres Haus in Beverly Hills.

Es ist merkwürdig, wie sehr ich mich immer genau davor gefürchtet habe, was mir jetzt passiert. Meiner Auffassung nach war allein, arm und ohne Ziel zu sein ein schlimmeres Schicksal als der Tod. Wenn Andrew mich eins gelehrt hat, dann, dass das ein Irrtum war.

Ich knalle die Nüsse auf die Ladentheke, und die Kassiererin fängt meinen Blick auf. Als sie mir ein schwaches Lächeln schenkt, sehe ich, dass ihr die Anstrengung des Lebens in Form von Krähenfüßen ins Gesicht geschrieben steht.

»Wie geht es Ihnen heute Morgen?«, frage ich mit einem kleinen, mitfühlenden Lächeln.

Eine Sekunde lang will sie eine nichtssagende Antwort geben, aber vielleicht liest sie irgendetwas in meinem Gesicht, denn sie lacht leise und schüttelt mit dem Kopf.

»Ganz ehrlich? Es ging mir schon besser.«

Ich nicke. »So geht’s mir auch.«

»Nur das hier?«

Sie zeigt auf die Dose mit den Erdnüssen. Als ich den Blick senke, fängt sich das Licht in meinem diamantbesetzten Ehering. Er ist meine letzte Verbindung zu dem Leben, das ich hinter mir zu lassen versuche, das letzte Überbleibsel eines Mannes, der mich fünf Jahre lang mit funkelnden Gegenständen behängt hat, während er sein Möglichstes tat, um meinen eigenen Glanz verblassen zu lassen. Ich könnte den Ring verkaufen und das Geld als finanzielles Polster nutzen – der Herrgott weiß, dass ich es brauche –, aber das werde ich nicht tun. Ich will sein Geld nicht mehr. Außerdem werde ich bald mein eigenes haben. Im Prinzip wurde ich soeben auf der Blue Stone Ranch eingestellt. Ich sehe es schon vor mir: ich im Denim-Arbeitsoverall, ein Tuch um den Hals und einen Getreidehalm zwischen den Zähnen. Ich werde die beste Angestellte sein, die die Ranch je gesehen hat, sobald ich dort hinkomme.

Ohne das geringste Zögern ziehe ich mir das schwere Schmuckstück vom Finger und lasse es klappernd auf den angeschlagenen Linoleumtresen fallen.

»Lassen Sie sich einen guten Preis dafür machen«, sage ich und schüttele die Erdnussdose. »Ich hab teuer dafür bezahlt.«

Kapitel 2

Jack

»Verdammte Scheiße. Wer hat das verdammte Gatter offen gelassen?«

Überall rennen Schweine herum: im Garten, in der Scheune, die Kiesauffahrt runter. Eins hab ich sogar im Haus gefunden, ein stämmiges kleines Ferkel, das meine Küche durchstöberte und nach Krümeln abklapperte. Ich schnappte es mir, und als ich auf meine Veranda trat, sah ich, wie die Hälfte meiner Rancharbeiter mit ausgestreckten Armen gebückt durch die Gegend rannte und versuchte, so viele Schweine wie möglich zu fangen, bevor ich etwas mitbekam.

Schweine quieken, Rancharbeiter kommen ins Straucheln und fluchen deftig, und der Chefgärtner drüben bei den Pastinaken sieht aus wie ein überforderter Rausschmeißer in einer Bar, in die nur Volljährige reindürfen. Das Ganze wirkt wie eine lächerliche Rodeo-Sportart, die Grundschulkinder einbinden soll statt erwachsener Männer.

»Max!«, schreie ich einem der jüngeren Männer zu, der vor meiner Veranda entlangrennt. Er gibt die Verfolgung eines Schweins auf, reißt sich seine Basecap vom Kopf und wischt sich Schweiß von der Stirn. »Warst du heute nicht für die Schweine zuständig?«

Er reißt vor Angst die Augen auf. »Ich schwöre bei Gott, dass ich das Gatter nach der Morgenfütterung geschlossen habe!«

»Den Schwur solltest du vielleicht widerrufen, denn danach sieht es nicht aus.«

Er weicht stirnrunzelnd meinem Blick aus und nickt bedächtig. Seine Stimme bricht vor Angst, als er mir antwortet: »Ich bin mir verdammt sicher, aber wahrscheinlich …«

Ich trete vor und drücke ihm das Ferkel in die Arme. »Du hast zehn Minuten, um das hier in Ordnung zu bringen. Wenn die Schweine bis dahin nicht im Stall sind, kürze ich dir das Gehalt.«

»Jawohl, Sir.« Er nickt und rennt mit dem Schwein im Arm im Affentempo davon.

An jedem anderen Tag würde ich diese Szene amüsant finden. Aber heute verstehe ich keinen Spaß. Es ist erst Montag und ich bin schon mit den Nerven am Ende. Meine Chefsekretärin Helen scharwenzelt am anderen Ende der Welt herum. Meine Haushälterin hat letzte Woche gekündigt, um näher bei ihrer Tochter zu wohnen, und jetzt führen meine Rancharbeiter während der Dienstzeit eine Neuauflage der »Three Stooges«-Slapsticknummern auf. Ich habe zu viel am Hals und bin überfordert. Das gefällt mir nicht. Ich leite die Blue Stone Ranch seit zehn Jahren und hasse den Gedanken, dass ich in den letzten Jahren nachgelassen und mich zu sehr auf Helen gestützt habe. Sie hat mich ja gewarnt, dass ich während ihres Parisaufenthalts nicht allein zurechtkäme, und jetzt bedaure ich, ihr überhaupt Urlaub gegeben zu haben. Ist es zu viel verlangt, dass sie von nun an jeden verdammten Tag für mich arbeitet, bis sie ins Gras beißt? Was ist an Frankreich überhaupt so toll? Dieses Land hat Van Gogh so sehr deprimiert, dass er sich sein eigenes Ohr abgeschnitten hat.

Ich stapfe die Treppe zu meinem Büro im Obergeschoss hinauf und knalle die Tür hinter mir zu. Meine Großmutter steht unten am Wohnzimmerfenster und hat an dem Schweinedebakel draußen ihre wahre Freude. Sie ist einfach zu schadenfroh.

Als ich an meinem Schreibtisch sitze, atme ich tief durch. Ich werfe meine Basecap auf den Tisch und fahre mir mit der Hand durch die Haare, die daraufhin zweifellos in alle Richtungen abstehen. Ich muss zum Friseur. Normalerweise hätte mir Helen einen Termin gemacht. Seufzend setze ich die Kappe falsch herum auf und verschiebe das Problem auf einen anderen Tag.

Zweiunddreißig E-Mails harren meiner Antwort. Ich beantworte keine einzige. Stattdessen richte ich meine Aufmerksamkeit auf das blinkende rote Licht an meinem Bürotelefon. Ich hege keinen Zweifel daran, dass ich so viele Mailbox-Nachrichten habe, dass sie meinen ganzen Vormittag in Anspruch nehmen werden. Wieder verfluche ich Helen, weil sie mich meinem Schicksal überlassen hat.

Ursprünglich umfasste die Blue Stone Ranch einmal gut vierhundert Hektar. Während einer schlimmen Dürre in den späten 1960er Jahren stieß mein Großvater den Großteil des Viehs ab und eröffnete ein Restaurant namens Blue Stone Farm. Mit seinen Gerichten aus nachhaltig erzeugten Lebensmitteln und seinem Weltklasse-Gegrilltem wurde es über Nacht zum Erfolg. Mein Vater erweiterte dieses Unternehmen durch eine Weinkellerei, und seither ist die Firma um das Zehnfache gewachsen. Mittlerweile reisen Familien aus dem gesamten Süden an, um alles zu erleben, was die Blue Stone Ranch zu bieten hat. Wir haben ein kleines luxuriöses Gästehaus, ein Weingut, ein Restaurant und eine Hochzeitslocation. Man könnte unseren Betrieb diversifiziert nennen; man könnte das Ganze auch für eine gute Methode halten, sich zu überfordern.

Es ist zehn Jahre her, seit ich das Ruder übernommen habe, und obwohl jeder einzelne Geschäftszweig von einem Manager geführt wird, sehe ich an den meisten Tagen kein Land mehr.

Ich checke meine Voicemails, höre mir die Nachrichten nur wenige Sekunden lang an und springe weiter zur nächsten. Als ich zu einer komme, die mir Helen gestern am späten Abend hinterlassen hat, bemühe ich mich darum, mir keine Hoffnungen zu machen. Bitte sag, dass Frankreich scheiße ist und du wieder zurück zur Arbeit kommst.

»Hallo Jack, ruf mich an, wenn du das abhörst. Es ist dringend.«

Ich rufe sie sofort zurück, und sie nimmt nach dem zweiten Klingeln ab.

»Hast du mich zu sehr vermisst? Verständlich. Wann geht dein Heimflug?«, frage ich, statt sie zu begrüßen.

Sie seufzt ungehalten. »Hör auf damit. Ich komme nicht nach Hause.«

»Hast du das Reisen noch nicht satt?«

»Wir sind erst seit einer Woche hier.«

»So unterhaltsam kann Paris doch gar nicht sein.«

»Brent und mir gefällt es richtig gut.«

»Habt ihr die Mona Lisa schon gesehen? Die Sternennacht? Ist alles auf Google, mit hoher Auflösung und allem Schnickschnack.«

»Jack …«

»Na schön, hast du gehört, dass Mary zwei Tage nach dir gegangen ist? Ja, ist wieder nach Houston gezogen, um ihrer Tochter näher zu sein. Ich habe auf einen Schlag meine Assistentin und meine Haushälterin verloren, weshalb ich eigentlich keine Zeit habe, darüber zu plaudern, wie sehr du deinen Urlaub genießt. Ich hab schon genug um die Ohren.«

»Deshalb rufe ich ja an – ich habe eine Lösung dafür. Ich habe eine Aushilfe für dich gefunden.«

»Ich hab dir doch gesagt, dass ich keine brauche.«

»Ich glaube aber schon.« Sie spricht weiter, bevor ich dagegenhalten kann. »Meine Schwester kommt im Laufe des Tages an, und sie wird für mich einspringen, während ich weg bin.«

»Schwester? Ich wusste nicht, dass du eine Schwester hast.«

Plötzlich interessiert lehne ich mich auf meinem Stuhl zurück. Ich stelle mir Helen 2.0 vor: eine ältere, sachliche Brünette mit strengem Haarknoten. Stellen Sie sich Ihre Lieblingsgrundschullehrerin vor, den harten Hund, der es schaffte, sich mit einer Horde ungehorsamer Neunjähriger in den Haaren zu liegen und ihnen schriftliches Dividieren beizubringen – das ist Helen.

»Nun ja, ich spreche nicht viel mit ihr, weshalb du wahrscheinlich nichts von ihrer Existenz wusstest. Sie ist zehn Jahre jünger, und wir sind nicht zusammen aufgewachsen. Eigentlich kenne ich sie kaum. Aber sie braucht eine Arbeit, und es ist perfektes Timing, da du klingst, als würdest du dir vor Verzweiflung die Haare ausreißen, weil ich nicht da bin, um den Laden zu schmeißen.«

Ich kann mein Glück kaum fassen. Ich hatte nicht geglaubt, drei Monate ohne Helen überleben zu können, und prompt ist sie zur Stelle und löst von der anderen Seite des Großen Teichs meine Probleme.

»Perfekt. Schick sie her. Wenn sie nur annähernd so ist wie du, wird sie mir den Arsch retten.«

Helen lacht. »Schlechte Nachrichten: Sie und ich könnten nicht unterschiedlicher sein.«

»Wenn sie nur über die Hälfte deiner Arbeitsmoral verfügt, wird sie immer noch eine verdammt gute Angestellte sein.«

Es folgt eine bedeutungsschwangere Pause, die ein fünf Kilo schweres Babyschweigen gebiert. Eigentlich sollte Helen jetzt ein Loblied auf ihre Schwester singen, doch das tut sie nicht, was mich misstrauisch macht.

»Helen, was verschweigst du mir?«

»Ich will dich nicht negativ beeinflussen, bevor sie überhaupt ankommt.«

»Wenn ich sie einstellen soll, pack lieber aus.«

»Nun … Du solltest einfach nicht erwarten, dass sie ist wie ich. Meredith ist …« Sie seufzt. »Meredith ist einer dieser glücklichen Menschen, denen alles in den Schoß fällt. Sie ist schon als Kind nach Strich und Faden verwöhnt worden. Wir haben nicht dieselbe Mutter, und sie sieht genau aus wie ihre: zierlich, schön, du kennst den Typ. Unser Vater – und verdammt, die halbe Welt – hat ihr immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt.«

»Läuft das auf irgendwas hinaus?«

Ich kann ihr Augenrollen praktisch hören.

»Jedenfalls ist sie zum Studieren nach Kalifornien gezogen und hat gleich nach dem Abschluss einen reichen Filmproduzenten geheiratet, der sie mit Liebe überschüttet. Ich will damit nur sagen, dass sie an einen gewissen Lebensstandard gewöhnt ist. Erwarte nicht allzu viel … Durchhaltevermögen.«

»Jetzt bin ich verwirrt. Warum zum Teufel braucht sie einen Job von mir?«

»Anscheinend hat sie ihren Mann verlassen.«

»Den in sie vernarrten, steinreichen Filmproduzenten? Das macht Sinn.«

»Eben. Sie hätte ihn nie aus freien Stücken verlassen. Ich wette, dass Meredith sich irgendwelchen Ärger eingebrockt hat. Vielleicht ist sie ein Shopaholic oder süchtig nach Wein im Karton und er hat damit gedroht, ihr den Geldhahn zuzudrehen. Reiche finden immer einen Weg, ihre Zeit mit Lastern auszufüllen. Das würde mich nicht überraschen. Wie ich bereits sagte, sie wurde schon als Kind verwöhnt. Das passiert, wenn es einem nie an etwas gemangelt hat.«

Während sie weiterlabert, häufen sich in meinem Posteingang weitere zehn E-Mails an. Ich hab zu viel zu tun, um hier am Telefon zu hocken und mir eine Geschichte über eine Frau anzuhören, bei der ich keinerlei Absicht habe sie einzustellen.

Ich setze mich auf und klemme mir das Telefon zwischen Schulter und Ohr, damit ich mit der Beantwortung der ersten E-Mail anfangen kann. »Tja, du hast mir eine glühende Empfehlung für diese mutmaßliche, mit Geld um sich werfende Alkoholikerin gegeben. Nur gut, dass sie nicht mein Problem ist.«

»Jack, ich hab ihr schon versprochen, dass ich ihr einen Job bei dir besorge.«

»Warum zum Teufel solltest du das tun?«

»Sie gehört zur Familie. Wenn ich da wäre, würde ich ihr helfen.«

»Schließen wir einen Kompromiss: Du steigst in den Flieger nach Hause, und ich überleg’s mir. Abgemacht?«

»Jack.«

Sie klingt verärgert, aber ich bin es auch.

»Ich muss Schluss machen. Meine Assistentin hat mich im Stich gelassen, und ich muss E-Mails beantworten.«

»Sie ist meine Schwester.«

»Und?«

»Und ich fordere einen Gefallen ein. Ich arbeite seit sechs Jahren bei dir und habe dich nie um einen Gefallen gebeten.«

»Du willst mir erzählen, dass du den an eine verzogene Göre verschwenden willst, die bestimmt nach Kalifornien zurückkriecht, sobald sie sich ihren ersten Splitter reingejagt hat?«

»Willst du nicht genau das? Je früher sie wieder geht, desto schneller hast du deine Ruhe und deinen Frieden wieder.«

Das ist ein Argument.

»Du schuldest mir was.«

»Ich logge mich von hier in deinen E-Mail-Account ein und beantworte die Mails, die du angehäuft hast. Wie wäre das?«

»Sehen wir erst mal, ob die Prinzessin hier aufkreuzt. Irgendwas sagt mir, dass sie nach einem Blick auf die Ranch beschließen wird, dass ihr Leben als California Girl doch gar nicht so schlecht ist.«

Kapitel 3

Meredith

»Ende Gelände«, sagt der Taxifahrer, fährt rechts ran und schaltet den Wagen auf Parken.

»Ich weiß, was Sie meinen, Mann«, stimme ich ihm betrübt zu.

»Nein, ich meine, Sie müssen jetzt aussteigen.«

»Aber wir sind noch nicht da. Es dauert noch ein Weilchen.«

Ich beuge mich vor und deute wie zum Beweis für meine These durch die Windschutzscheibe nach draußen. Bis auf Bäume und unbefestigte Straße, so weit das Auge reicht, ist nichts zu sehen.

»Lady, das war’s. Der Taxameter sagt, dass ich ab jetzt draufzahle. Ich betreibe ein Geschäft, keinen ehrenamtlichen Shuttledienst für Kirchgänger.«

Schlagartig bereue ich meine impulsive symbolische Geste mit dem Diamantring.

»Wie wär’s, wenn Sie mir Ihre Adresse geben und ich Ihnen nach meinem ersten Gehaltsscheck das restliche Geld schicke?«

»Ja, klar, das hab ich schon Millionen Mal gehört.«

Ich muss kreativ werden.

»Wenn ich nur etwas für Sie tun könnte …«, überlege ich und wackele anzüglich mit den Augenbrauen. »Natürlich nichts Sexuelles. Ich könnte Ihnen Ihre schwer erreichbaren Zehennägel schneiden oder – oder ihre zusammengewachsenen Augenbrauen zupfen …«

»Raus!«, beharrt er, und da weiß ich, dass es hoffnungslos ist.

Der griesgrämige Alte schickt mich in die Wüste oder vielmehr an den Rand der Schotterpiste. Seine Reifen wirbeln Staub auf, als er wendet, um zurück auf die Hauptstraße zu fahren. Auf einem Schild dort hinten war angegeben, dass sich die Blue Stone Ranch nur wenige Meilen weiter in diese Richtung befindet. Nur wenige Meilen … Mist.

Zum ersten Mal an diesem Morgen bin ich dankbar, dass ich außer meiner Handtasche nicht viel dabeihabe. Darin befindet sich lustigerweise, was früher lebensnotwendig für mich war: ein totes Handy, eine Kosmetiktasche zum Nachschminken, eine Flasche Parfüm, meine Geldbörse, Minzbonbons, ein Tiegel Feuchtigkeitspflege von La Mer und die Verpackung eines Proteinriegels, den ich mir nicht gescheit eingeteilt habe.

Keine Sneakers. Kein GPS. Verdammt, momentan wüsste ich einen Kompass zu schätzen.

So wie die Dinge liegen, bin ich auf mich gestellt, diesmal wirklich. Ich habe sogar den Rest meiner kostbaren Erdnüsse in der Rücksitztasche des Taxis gelassen.

Alles gut. Alles wird gut. Alles ist gut.

Ich hieve meine Handtasche auf der Schulter höher und mache mich auf den Weg die Straße entlang. Die Sohlen meiner Loafer haben so wenig Polsterung, dass ich jeden Kieselstein spüre. Ich würde ja im Gras am Straßenrand laufen, wenn es nicht so dicht und verwildert wäre, denn ich fürchte mich mehr vor Schlangen als vor Kieselsteinen, die sich in meine Fußsohlen bohren. Ich habe nichts als Zeit, während ich durch den Schmutz trotte. Ich versuche mir einzureden, dass es nicht mehr weit sein kann, doch in Wahrheit habe ich keinen Anhaltspunkt, wie viel des Weges ich schon zurückgelegt habe. Meine Smartwatch mit dem Schrittzähler habe ich in Kalifornien gelassen.

Ich lenke mich ab, indem ich versuche, die positiven Aspekte an meiner jetzigen Situation zu sehen: Ich bin gesund und munter, habe die Kontrolle über mein Leben wiedererlangt und bin auf dem Weg, etwas Neues aufzubauen. Ich stehe am Beginn eines großen Abenteuers. Klar, auf dem Weg dorthin wird es Hindernisse geben, aber alles ist besser als die Richtung, die mein Leben mit Andrew genommen hat.

Hinter mir meine ich das Rumpeln eines Autos zu hören. Halb überzeugt davon, dass ich vor Dehydrierung halluziniere (ich hätte mich für natriumarme Erdnüsse entscheiden sollen), fahre ich herum und sehe einen alten Pick-up-Truck, der über die Straße rumpelt. Er kommt direkt auf mich zu, und mir gehen zwei Dinge gleichzeitig durch den Kopf. Erstens: Halleluja! Meine Rettung naht! Und zweitens: In welchem Teil von Texas fand noch mal das Kettensägenmassaker statt?

Aber ehrlich, ich freue mich einfach, ein menschliches Wesen zu sehen, selbst wenn es sich als Kannibale mit Elektrowerkzeugen entpuppen sollte. Der Pick-up rast weiter auf mich zu, und um unentdeckt zu bleiben, ist es zu spät. Deshalb entscheide ich mich für ein fröhliches Winken und ein breites bezauberndes Lächeln. Damit möchte ich signalisieren: Hallöchen! Schaut nur, ich bin zu sympathisch, um als Mordopfer zu enden!

Der Pick-up hält neben mir, und zwei ältere, braungebrannte Männer mit ramponierten Cowboyhüten nehmen die gesamte Sitzbank ein. Der, der mir am nächsten ist, lässt das Seitenfenster herunter und legt seinen Ellbogen auf die Kante. Ich suche den Sitz nach Mordwerkzeugen ab, erkenne aber nur eine Dose mit Kautabak und zwei identische »Big Gulp«-Limonadenbecher.

»Verlaufen, Darlin’?«

Darlin’! Ich gerate in Verzückung und vergesse, dass ich um mein Leben fürchten müsste.

»Eigentlich ja.« Ich lächele und verkünde selbstbewusst: »Ich suche die Blue Stone Ranch.«

Der Mann direkt vor mir runzelt die Stirn und legt verwirrt den Kopf schief. »Meinen Sie die Blue Stone Farm?«

Ich bin mir ziemlich sicher, dass Helen in ihrer E-Mail von der Blue Stone Ranch gesprochen hatte.

»Ähm, jetzt bin ich mir unsicher. Ist da ein Unterschied?«

»Die Blue Stone Farm ist das Nobelrestaurant ein paar Meilen in diese Richtung.« Er deutet dahin zurück, von wo ich gekommen bin, und mir wird schwer ums Herz. Nein. Nein! Ich kehre nicht um. »Die Blue Stone Ranch ist … tja, eine Ranch.«

»Wo finde ich Jack McNight?«

Er nickt. »Jack ist auf der Ranch.«

»Okay, dann muss ich da hin.«

Sie wechseln einen Blick, und dann deutet der, der mir näher sitzt, mit dem Kopf in Richtung Ladefläche. »Da wollen wir auch hin. Die Strecke ist nicht gerade eben, aber wenn Sie wollen, können Sie hinten draufspringen.«

Der Fahrer verpasst seinem Freund einen Schlag auf den Schädel. »Karl, sei kein Idiot – du gehst nach hinten und lässt die nette Lady hier sitzen. Hat deine Mama dir denn nichts beigebracht?«

Ich reagiere, bevor Karl sich rühren kann. »Nein! Nein. Schon gut. Ich bestehe darauf, hinten mitzufahren. Das erinnert mich an die Heuwagenfahrten in meiner Kindheit. Ich bin eine große Nostalgikerin.«

Mein Überlebensinstinkt hat wieder eingesetzt: Wenn ich dort hinten sitze, kann ich mich zumindest aus dem Pick-up werfen, wenn ich das Gefühl habe, dass sie mich kidnappen wollen.

Ich brauche ein paar Versuche, bis ich mich mithilfe der Hinterreifen auf die Pritsche des Pick-ups hochhieven kann. Ich bin ein Bild aus Anmut und Eleganz, als ich mich in der Nähe der Ladeklappe hinsetze, meine Handtasche auf meinen Schoß nehme und zwei Mal auf die Pritsche klopfe, um zu signalisieren, dass ich so weit bin. Der Pick-up schaltet auf Fahren, und los geht’s.

In den nächsten zehn Minuten mache ich die Hölle durch, während wir uns über die vernachlässigte Landstraße quälen. Es ist gelinde gesagt eine holprige Fahrt. Ich spucke Dreck aus und kneife die Augen zu, um keinen Staub hineinzubekommen. Kieselsteine prallen von den Reifen ab und werden mir an den Kopf geschleudert. Ich werde von allen Seiten attackiert, und dabei zähle ich nicht einmal mit, was der Wind mit meiner Frisur anstellt. Ich brauche zu lange, bis ich herauskriege, dass es viel angenehmer ist, mit dem Rücken an das Führerhaus gelehnt zu sitzen als an der Heckklappe. Als wir vor einem hohen, bogenförmigen schmiedeeisernen Tor halten, das unmissverständlich verkündet, dass wir auf der Blue Stone Ranch angekommen sind, bin ich überzeugt davon, dass ich aussehe, als käme ich direkt von der Front. Ich glaube, ich habe von dem Biss eines besonders kräftigen Insekts sogar Blut an der Stirn.

Von meiner körperlichen Verfassung einmal abgesehen, bin ich schockiert von dem Anblick, der sich mir bietet. Ich habe noch nie einen Fuß auf eine Ranch gesetzt, mir dafür aber im Kopf ein ziemlich trostloses Bild zurechtgelegt und mich auf das Schlimmste gefasst gemacht, um nicht enttäuscht zu werden. Stattdessen scheint es, als sei ich unerwartet auf etwas gestoßen, was man nur als ein bezauberndes Filmset beschreiben kann. Die Hauptstraße, auf der wir uns befinden, endet in einer kreisförmigen Kiesauffahrt genau in der Mitte des Anwesens. Auf einer Seite des Kreises steht ein zweistöckiges weißes Farmhaus mit einem Metalldach und einer einladenden Hollywood-Schaukel, die sich im Wind wiegt. Am Rand der Veranda tanken Topfpflanzen und Blumen Sonne. Hinter dem Haus schlendern Kühe gemütlich auf einer Weide im Schatten mächtiger Eichen. Ich lasse den Blick über einen großen Hühnerstall und eine Weide mit ein paar glänzenden Pferden schweifen, und daneben trennt eine riesige Scheune die Tiere von dem größten Garten, den ich je gesehen habe.

Überall arbeiten Menschen. Korrigiere, nicht Menschen, sondern Männer. Es ist keine einzige Frau zu sehen, weshalb ich ein paar verwunderte Blicke auf mich ziehe, als ich auf der Ladefläche des Pick-ups vorfahre wie die Zeremonienmeisterin der traurigsten, aus nur einem Wagen bestehenden Parade der Geschichte.

Der Pick-up hält an und parkt neben den anderen Ranchfahrzeugen. Ich hüpfe von der Ladefläche und gebe mir alle Mühe, mein ramponiertes Äußeres wiederherzustellen, indem ich vorsichtig an dem Blut auf meiner Stirn herumtupfe, mir die Haare glatt streiche und dann schicksalsergeben seufze. Zu dem Zeitpunkt ist es eben, wie es ist, und es wird sein, wie es sein wird.

»Wahrscheinlich ist er im Haus«, sagt Karl und deutet auf das Farmhaus, das ich gerade bewundert habe. »Jack.«

Ich nicke dankbar und winke ihm kraftlos zu, bevor ich mich auf den Weg zu meinem neuen Chef mache. Alle Blicke sind auf mich gerichtet, als ich die paar Meter vom Pick-up zur Haustür gehe. In dieser Umgebung falle ich auf wie ein bunter Hund, doch statt meiner plötzlichen Nervosität nachzugeben, versuche ich mich an alle Details zu erinnern, die mir Helen über die Jahre über ihre Arbeit erzählt hat.

Mal sehen, ich weiß, dass sie Chefassistentin ist, und in dieser Rolle … assistiert sie. Verdammt. Ich weiß null. Hat sie je etwas über ihren Chef gesagt? Ich kann mich nicht erinnern. Ich meine, ihre Arbeit muss ihr gefallen, wenn sie schon fast sechs Jahre hier ist … oder ist sie vielleicht so lange geblieben, weil sie keine anderen Optionen hat? Wahrscheinlich ist es schwer, in einer so ländlichen Gegend Arbeit zu finden – und ich meine wirklich ländlich. Auf der Fahrt von San Antonio nach Cedar Creek fühlte ich mich wie in einer Art Zeitschleife. Mit jeder Meile, die wir zurücklegten, war die Landschaft immer dünner besiedelt, die Straßen gingen von Beton über Asphalt zu Schotter über, und ich bin mir nicht sicher, ob man hier draußen überhaupt Handyempfang hat. Daran muss ich denken, als ich an die Haustür klopfe und sie eine Sekunde später aufgerissen wird.

Auf der Schwelle steht eine große dünne Frau in Jeans und einem Holzfällerhemd. Ihre weißgrauen Haare sind kurz geschnitten, und ihr stählerner Blick scheint mich zu durchbohren. Sie ist komplett ungeschminkt, aber trotzdem schön, fast majestätisch, mit ein paar Fältchen in den Augenwinkeln.

Ich mache den Mund auf, um mich vorzustellen, doch sie kommt mir zuvor.

»Egal, was Sie verkaufen, wir wollen’s nicht oder ham’s schon.«

Damit tritt sie zurück und knallt mir die Tür vor der Nase zu.

Ich bin so verdattert, dass ich eine Minute brauche, um zur Besinnung zu kommen und erneut zu klopfen. Diesmal höre ich sie hinter der Tür seufzen, bevor sie sie wieder öffnet.

»Ach ja, und die Geschichte, wie sie zum Glauben gefunden haben, kennen wir schon und brauchen das nicht noch mal, danke.«

Die Tür knallt wieder zu.

Ich klopfe nicht noch einmal, weil ich sehe, dass die Frau beobachtet, ob ich gehe.

»Warum hört ihr Leute nie zu? Muss ich erst mein Gewehr holen, oder verlassen Sie meine Veranda freiwillig?«

Ich reiße entsetzt die Augen auf. Will sie wirklich auf mich schießen, wenn ich ihre Veranda nicht verlasse? Was für ein Ort ist Texas bloß?

Ich hebe die Hände, als wäre sie Polizistin und ich verhaftet, und fahre mit Bedacht fort.

»Ich will nichts verkaufen. Bitte erschießen Sie mich nicht.«

Die Tür schwingt erneut auf. Sie runzelt die Stirn, mustert mich und sieht mir wieder in die Augen.

»Was wollen Sie denn?«

»Einen Job.«

Sie findet das ziemlich komisch und lacht so sehr, dass sie sich am Türrahmen abstützen muss. Mit der anderen Hand schlägt sie sich aufs Knie, sieht zu mir auf und krümmt sich wieder vor Lachen.

»Sie sind den ganzen Weg hier rausgekommen, weil Sie einen Job suchen? O Mann, ist das lustig«, keucht sie und trocknet sich die Augen. »Okay, was soll’s denn sein, Mamsellchen? Zimmermann? Schweißer?«

»Ich …«

»Wer hat Sie dazu angestiftet? Dotty? Die alte Gaunerin. Das kriegt sie zurück …«

»Ich kenne keine Dotty. Ich bin Helens Schwester Meredith. Sie sollte eigentlich vorher anrufen und mich ankündigen.«

Angesichts dieser Mitteilung erstirbt ihr Lachen endlich. Sie sieht mich mit anderen Augen an.

»Sie sehen nicht aus wie Helen.«

»Wir haben verschiedene Mütter.«

Ihre Augen verengen sich nachdenklich. »Hmm. Ihr Daddy muss einen breiten Geschmack gehabt haben.«

Ich lächele, obwohl ich mir unsicher bin, ob das ein Witz sein soll.

»Na schön, wenn Sie einen Job brauchen, müssen Sie mit Jack reden. Er ist drüben an der Scheune bei einem All-Hands.«

»Einem All-Hands?«, frage ich und drehe mich in die Richtung, in die sie deutet.

Vor der Scheune steht eine Gruppe Männer im Kreis, deren Aufmerksamkeit auf eine hochgewachsene Gestalt gerichtet ist, die Anweisungen zu geben scheint. Aus der Ferne kann ich sein Gesicht nicht erkennen.

»Das ist eine Besprechung mit allen Rancharbeitern.«

»Ah, verstehe.« Ich drehe mich wieder zu ihr. »Vielleicht kann ich warten, bis er fertig ist.«

Ich habe keine Bleibe.

Sie schüttelt den Kopf. »Normalerweise würde ich Ihnen zustimmen, aber er hat heute viel um die Ohren, weil Ihre Schwester weg ist. Ich bezweifele, dass Sie ihn noch einmal erwischen werden.«

Perfekt. Einfach großartig. Ich hatte gehofft, dass mein Tag so weitergehen würde. Warum sollte ich die Chance bekommen, mich mit Jack zu einem Einzelgespräch zu treffen, um meinen Fall darzulegen, wo ich doch stattdessen zähneknirschend langsam auf die Mitarbeiterversammlung zu humpeln kann, während meine Blasen Blasen bekommen?

In einem anderen Leben geben meine Knie nach, und ich lande mit dem Gesicht zuerst im Dreck, zu schwach und müde, um wieder aufzustehen. Keiner hilft mir. Ich sterbe. Meine Gucci-Loafer verrotten.

Doch in diesem Leben humpele ich näher zu der Gruppe, und alle Köpfe drehen sich nach und nach in meine Richtung. Jacks Stimme dröhnt über die Menge bis zu mir.

Ich habe keine Ahnung, worüber er spricht, aber seine Stimme gefällt mir. Sie ist rau, fast heiser, und kräftig genug, um einem Dutzend Rancharbeitern Aufmerksamkeit abzuverlangen – jedenfalls bis jetzt, wo alle Augen auf mich gerichtet sind.

»Wie es scheint, haben wir Besuch«, sagt jemand, und ich bringe endlich den Mut auf, den Blick vom Boden zu lösen. Es ist, als hätte ich die Bühne einer Chippendales-Show mit Cowboy-Motto betreten. Ich bin umgeben von einem Dutzend junger, starker Männer in Jeanshosen und durchgeschwitzten Arbeitshemden. Ich lasse den Blick über die hübschen Gesichter schweifen und registriere das allseits amüsierte Grinsen, bis ich es schließlich zu ihrem unerschrockenen Anführer schaffe und abrupt stehen bleibe.

Mein Unterleib zieht sich zusammen, als würden sich meine Eierstöcke meiner Gebärmutter zuneigen, um ihr zuzuflüstern: Hallo! Wir sind hier, und uns gefällt, was wir sehen! Mein Herz bleibt stehen und schlägt schneller, weil ich nicht weiß, wie ich weiter vorgehen soll. Ich mustere ihn vier Mal von oben bis unten, bis ich endlich genug Verstand wiedererlange, um den Teufelskreis zu durchbrechen.

Nicht dass man mich falsch versteht, diese Reaktion heißt nicht, dass ich schockverliebt bin. Da ich gerade erst aus einer destruktiven Beziehung geflohen bin, vor etwa, keine Ahnung, vierzehn Stunden, bin ich gefeit gegen sein markantes Kinn. Wirklich, ich bin nur überrascht. Genau wie die Ranch ist Jack ganz anders als erwartet. Er ist jung – vielleicht Mitte dreißig – hochgewachsen und breitschultrig. Er hat diesen ruhigen, selbstbewussten Ausdruck, mit dem jeder NFL-Quarterback herumläuft, diesen Glanz in den Augen, der einen herausfordert, es auch nur zu versuchen, sich mit ihm anzulegen. Noch dazu hat er ausgeprägte Wangenknochen und dunkle Augenbrauen.

Seine Basecap, unter der die Spitzen seiner dunkelbraunen Haare hervorlugen, trägt er verkehrt herum. Das alles will ich gar nicht bemerken, aber ich tue es einfach. Dass sich sein schwarzes T-Shirt über seiner Brust spannt, wenn er die Hände in die Hüften stützt, ist eine Tatsache, keine Meinung, und sein stählerner Blick, den er auf mich richtet? Ja, der ist auch schwer zu ignorieren, vor allem jetzt, da alle verstummt sind.

Was für eine merkwürdige Wendung des Schicksals, festzustellen, dass mein zukünftiger Chef ein sehr attraktiver Mann ist. Schön für ihn. Ist mir Wurst. Ich bin zu sehr darauf fokussiert, dass sein markantes Gesicht Verärgerung ausdrückt. Alle anderen scheinen sich über meine Störung der Mitarbeiterbesprechung zu amüsieren, aber er nicht. Wahrscheinlich ist es schon unter normalen Umständen schwer genug, diese Männer unter Kontrolle zu halten, und jetzt tanze auch noch ich an und lenke sie ab.

»Kann ich Ihnen helfen?«, fragt er mit harter Stimme. Was er eigentlich sagen will, ist: »Hau ab«, genau wie mein Taxi-Therapeut und die alte Frau im Haus.

Ich drücke die Schultern durch und krame jedes Fünkchen Selbstvertrauen zusammen, das ich noch in mir habe. Viel ist es nicht, und meine Stimme erreicht die Gruppe nur notdürftig.

»Was war das?«, fragt er ungeduldig.

»Lauter!«, schreit jemand.

Ich räuspere mich und versuche es noch einmal. »Ich will hier arbeiten.«

Wieder Gelächter. Diese Leute haben echt einen Comedy-Club nötig oder zumindest ein paar Adam-Sandler-Filme auf DVD. Sie finden die banalsten Dinge saukomisch.

»Hey Jack, sie könnte dein erster manikürter Rancharbeiter sein.«

Darüber lachen sich die Männer echt tot.

Jack hingegen, das muss ich ihm zugutehalten, verzieht keine Miene.

Er tritt kopfschüttelnd vor. »Sie müssen die Prinzessin sein.«

»Was?«

»Ich habe Ihre Geschichte gehört. Ich hatte gehofft, Sie würden nicht aufkreuzen.«

Mir klappt die Kinnlade herunter, doch bevor ich ihm eine hitzige Antwort geben kann, packt er mich am Oberarm und zerrt mich von der Gruppe weg. Hinter uns sind Pfiffe und lästernde Kommentare zu hören. Ich werfe den Männern über die Schulter böse Blicke zu, doch das stachelt sie nur noch mehr an.

»Was ist mit dem All-Hands, Jack? Pass auf, was du mit deinen Händen anstellst.«

»Sie kann mir auf dem Feld helfen! Ich lerne sie im Nu an!«

»Das muss die vorzügliche Südstaaten-Gastfreundschaft sein, von der man immer hört«, zische ich und versuche, mich von ihm loszureißen.

Sein stechender Blick sucht meinen, während er mich weiter zum Haus bugsiert. »Sie müssen die schlechten Manieren von uns Landeiern entschuldigen«, antwortet er sarkastisch mit einer gekünstelten gedehnten Sprechweise. »Wir sind nicht an königliche Gäste gewöhnt.«

»Was soll das denn heißen?«

Er reißt die Fliegengittertür auf und schiebt mich ins Haus.

Das ist zweifellos die schlimmste Einführung, die ich je hatte.

Kapitel 4

Jack

»Sie sind ganz schön ungehobelt«, sagt sie kein bisschen amüsiert.

Als ich von meinem Schreibtisch aufblicke, sehe ich, dass sie mich wütend mustert. Ich hab sie echt verärgert. Gut. Je früher sie es hier scheiße findet, umso eher haut sie wieder ab.

Ich deute auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch.

»Setzen Sie sich.«

»Ich stehe lieber.«

»Wie Sie wollen.«

Sie verschränkt die Arme vor der Brust, und wir liefern uns den längsten Anstarr-Wettbewerb der Welt. Aus ihren Ohren steigen Rauchwolken. Hätte sie eine Knarre, wäre sie auf mein Herz gerichtet.

Ich mustere sie mit schief gelegtem Kopf. »Sind Sie wirklich Helens Schwester?«

»Wir haben die gleichen Augen.«

Ohne Witz – sie sind hellblau, die seltenste Farbe, die ich je gesehen habe –, aber da hört die Ähnlichkeit schon auf. Ich habe Helen nie attraktiv gefunden. In meinem Oberstübchen ist sie unter »matronenhafte Chefassistentin« abgelegt; sie ist nicht auf der Welt, um auf mich attraktiv zu wirken. Sie ist meine Angestellte und noch dazu eine verdammt gute. Aber Meredith … sie ist eine andere Nummer.

»Helen sagt, Sie brauchen Arbeit.«

Meredith nickt. »Genau. Ich kann gleich heute anfangen.«

Ich lache. »Sie und ich haben nicht gerade den besten Start erwischt, aber manchmal sagt einem das Bauchgefühl etwas, während das Gehirn noch hinterherhinkt. Vielleicht sollten Sie sich woanders nach einer Anstellung umschauen.«

Ihre Augen trüben sich. Sie ist immer noch wütend, aber sie verliert an Haltung. Ihr Blick huscht an mir vorbei durchs Fenster nach draußen. Ihre Unterlippe bebt. Ich bin kein großer Frauenversteher, aber ich weiß fast sicher, dass sie gleich weint. Ich hätte geglaubt, dass mir das weniger ausmachen würde.

»Haben Sie je auf einer Ranch gearbeitet?«

»Die Antwort darauf können Sie sicher erraten«, schnauzt sie mich an, und ihre blauen Augen richten sich erneut auf mich.

Ich widerstehe dem Bedürfnis, über ihr Temperament zu lächeln. »Sie können Ihre Krallen wieder einfahren. Wir unterhalten uns nur.«

Seufzend tritt sie vor und lässt sich endlich auf den Stuhl sinken, den ich ihr angeboten habe. Ihre Handtasche plumpst auf den Boden, als sie sich an das Polster zurücklehnt, und ich nutze die Gelegenheit, um sie genauer zu betrachten. Ihre Haare sind kaffeefarben, fast schwarz, wahrscheinlich gefärbt, ihre Fingernägel gepflegt und manikürt. Ihr Gesicht – momentan mit Dreck und etwas anderem verschmiert, das aussieht wie ein paar Tropfen Blut – ist feminin und schön. Ich hege keinen Zweifel daran, dass sie daheim in Kalifornien eine Herzensbrecherin war. Ihr Ehemann vermisst sie wahrscheinlich genau jetzt.

Sobald sie bequem sitzt, sieht sie wieder zu mir auf und wartet.

»Also keine Rancherfahrung. Haben Sie je gearbeitet?«

Sie schluckt und reckt stolz das Kinn. Es ist klar, dass sie ihren Mangel an Erfahrung durch Selbstbewusstsein kompensiert. Ich bezweifele, dass sie sich jemals hat unterbuttern lassen.

»In den letzten Jahren habe ich freiwillig in einem Krankenhaus gearbeitet.«

»Ich spreche von richtiger Arbeit, mit einem Gehaltsscheck und einem Chef – von Verantwortung.«

Sie presst die Lippen zusammen und schüttelt mit dem Kopf. »Meine Eltern wollten immer, dass ich mich auf die Uni konzentriere.«

Eltern?

»Wie alt sind Sie?«

»Achtundzwanzig.« Sie errät, worauf ich hinauswill. »Nach dem College … haben gewisse Umstände dazu geführt, dass ich nicht gearbeitet habe, aber ich versichere Ihnen, dass ich eine gute Angestellte sein werde. Ich bin pünktlich und engagiert.«

»Kennen Sie sich mit QuickBooks aus?«

»Kickboxen kann ich lernen«, scherzt sie. »He.«

»Was ist mit Outlook?«

»Mein Look ist nie out.«

Himmelherrgott.

»Ihre Schwester sagte mir, Sie seien mit einem Millionär verheiratet. Wozu brauchen Sie da eine Arbeit?«

Meine Augen verengen sich, während ich sie mustere und in diesem hübschen Gesicht nach einem Motiv suche. Die Atmosphäre verändert sich fast unmerklich, als ich ihren Ehemann erwähne.

»Ich war verheiratet«, presst sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Wir leben getrennt.«

»Seit wann?«

»Seit gestern Nacht«, verkündet sie selbstsicher.

Ich verliere den Kampf mit mir selbst und lache. Das ist alles so lächerlich. Ich ziehe mir die Mütze vom Kopf, streiche mir das Haar glatt und setze sie wieder auf. Sie verfolgt meine Bewegungen genau.

»Muss man vor Aufgabe einer Vermisstenanzeige nicht vierundzwanzig Stunden warten? Mir scheint, Sie sollten achtundvierzig abwarten, bevor Sie Ihre Ehe beenden. Vielleicht überlegen Sie es sich anders.«

»Das werde ich nicht.«

»Entschuldigen Sie meine Offenheit, aber ich habe keine Zeit für diesen Mist.«

Während wir hier quatschen, werden die Probleme auf dieser Ranch nicht weniger.

Jede andere würde nun aufstehen und gehen. Ich bin berüchtigt dafür, dass ich erwachsene Männer in die Knie zwinge, aber sie lässt sich nicht beirren. Sie beugt sich sogar vor, stützt die Hände auf den Tisch und fixiert mich.

»Ich brauche diese Arbeit.«

»Das sehe ich anders.« Mit meiner Nettigkeit ist Schluss. Meine Geduld ist aufgebraucht. »Sie haben Ihr kleines Drama aufgeführt, und jetzt sollten Sie schnellstens zurück nach Kalifornien fliegen. Sie haben Ihrem Mann eine Lektion erteilt. Jetzt rückt er ganz sicher die hübschen Klunker raus, die er Ihnen vorenthalten hat.« Ich stehe auf und fange an, die Nummer meines Ranchmanagers zu wählen, der mich um einen Rückruf gebeten hat.

Sie streckt die Hand aus, nimmt den Hörer ab und knallt ihn wieder auf.

Verdammt. Sie ist verwöhnt und durchgedreht.

»Ich weiß, dass Helen weg ist und Sie jemanden brauchen. Geben Sie mir den Job!«

»Sie haben keinen einzigen Tag in Ihrem Leben gearbeitet. Bis ich Sie angelernt habe, ist Helen wieder da.«

»Das ist kein Hexenwerk – wie schwer kann das schon sein? Ich gehe Ihnen auch aus dem Weg.«

Ich schaue mit festem Blick auf ihre zierliche Gestalt hinab. »Irgendwie bezweifele ich das.«

»Ich verlasse dieses Büro nicht, bevor Sie mir einen Job geben – irgendeinen.«

In dem Moment geht mir ein Licht auf, das mir den Weg aus diesem Schlamassel erleuchtet. Es kostet mich meine ganze Kraft, meinen neutralen Gesichtsausdruck beizubehalten. Sie darf nicht wissen, dass es eine Falle ist, sonst durchschaut sie meine Absichten. Meredith will eine Arbeit, ich will, dass Sie von meinem Grundstück verschwindet, und mir scheint, dass wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können.

»Irgendeinen? Das passt mir gut. Ich brauche eine Haushälterin. Meine hat letzte Woche gekündigt.«

Sie wölbt eine zarte Augenbraue. »Abneigung gegen den Chef?«

Ich knirsche mit den Zähnen. Sollte sie nicht katzbuckeln? Sich, so gut es geht, einschmeicheln? Stattdessen kommt es mir vor, als hätte sie in meinem Scheißbüro das Sagen. »Sie ist weggezogen, um näher bei ihrer Tochter zu sein. Das ist die einzige Arbeit, die ich für Sie habe. Friss oder stirb.«

Sie nimmt die Hände von meinem Schreibtisch und richtet sich auf. »Dann wäre ich also Ihr Hausmädchen?«

»Sie würden kochen, die Wäsche waschen, den Hund abduschen und solche Sachen. Die Toiletten müssen mindestens einmal am Tag geputzt werden – Sie haben die Männer ja gesehen, die sie benutzen, und heute Abend gibt’s Chili.«

An dieser Stelle trage ich dick auf. Sie bleibt auf keinen Fall.

Sie weicht meinem Blick aus. »Ich kann nicht – ich meine, ich hab noch nie …«

Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf meinen Schreibtisch und hake die Sache ab. Ich hatte noch nie im Leben solche Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken. Dachte ich’s mir doch, dass es nicht schwer wäre, sie zu vergraulen, aber das ging ein bisschen zu leicht. Eine kurze Erwähnung von Kloschrubben, und schon zittern ihr die Knie. Sie ist kurz davor, die Beine in die Hand zu nehmen. Wenn sie weg ist, habe ich endlich Zeit, Arbeit nachzuholen. Ich werde meinen Manager anrufen und Helen eine E-Mail schreiben und von ihr verlangen, als Gegenleistung dafür, dass sie mir die Schwierigkeiten mit dieser Göre eingebrockt hat, früher zurückzukommen.

Mir fällt auf, dass Meredith sich nicht vom Fleck gerührt hat. Stimmt ja. Sie sitzt hier draußen fest.

»Oder aber …« Ich sehe zu ihr auf und fahre abweisend fort: »Ich veranlasse, dass Sie einer der Arbeiter zurück in die Stadt fährt.«

Sie sieht mich an, als wäre mir ein zweiter Kopf gewachsen. »Wovon sprechen Sie? Ich gehe hier nicht weg. Ich nehme den Job – unter einer Bedingung.«

Du liebe Güte.

Anscheinend hat ihr reicher Ehemann ihr wirklich den Geldhahn zugedreht, denn Meredith verlangt Kost und Logis. Sie hatte vor, bei ihrer Schwester unterzukommen, aber Helens Haus ist momentan eine Baustelle. Ihr bleibt nur die Möglichkeit, hier zu wohnen, aber ich will verdammt sein, sie hier bei mir im Haus zu haben. Sie ist erst fünfzehn Minuten da, und ich hab schon rasende Spannungskopfschmerzen.

Neben meinem Haus steht eine kleine Bruchbude, die in der Baumreihe des Grundstücks versteckt ist. Ja, ich habe das richtige Wort gebraucht – es ist eine Bruchbude. Ich hab sie schon früher an Rancharbeiter vermietet, findige Kerle, denen es nichts ausmacht, einen Monat oder auch zwei auf einem beschissenen schmalen Einzelbett zu schlafen, um das Geld für die Miete zu sparen. Zwischen den Holzdielen klaffen Lücken, und in den Ecken hängen ein paar Spinnweben, aber es gibt eine behelfsmäßige Dusche und ein Waschbecken. Mehr, als Meredith verdient hat.

Ich rechne damit, dass sie nach einem kurzen Blick hinein kreischend zurück nach Kalifornien rennt, doch sie betritt den kleinen Raum und dreht sich langsam um sich selbst. Aufmerksam beobachte ich sie und warte darauf, dass ihr ein Tränchen über die Porzellanwange kullert. Ich sehe Frauen nicht gern weinen, aber etwas sagt mir, dass sie eine Dosis Demut sehr nötig hat.

»Funktioniert die Dusche?«, fragt sie und deutet in die Ecke.

Ich grinse. »Nur das beste, zwanzig Grad warme texanische Brunnenwasser.«

»Und keine Klimaanlage, nehme ich an?«

Obwohl die Bäume Schatten werfen, kommt es einem hier drin vor wie siebenunddreißig Grad.

»Nachts geht ein Lüftchen, wenn Sie die Fenster öffnen.«

Sie nickt und beißt sich auf die Unterlippe. Sie denkt nach, überlegt wahrscheinlich, wie weit sie gehen will, um es ihrem Göttergatten zu zeigen. Wenn sie ihm diese Wohnbedingungen schildert, gibt er ihr sicher genug Kohle, damit sie sich ein Zimmer in einem hübschen Hotel unten an der First Street nehmen kann.

Ihr blassblauer Blick schweift von dem schäbigen Bett zu dem kahlen Fußboden und schließlich zu mir. In ihrem Gesicht sehe ich zur Hälfte Unverwüstlichkeit, zur Hälfte Trotz. Eine explosive Mischung.

Seufzend lässt sie ihre Handtasche auf den Boden fallen und schlägt quasi ihre Zelte auf.

»Danke. Ich nehme es.«

Kapitel 5

Meredith

Ich weiß nicht, welches meiner Probleme ich als Erstes anpacken soll – ich ersticke in ihnen. Jack hat mich in meiner neuen Wohnung allein stehen lassen. Ich bezeichne es als Wohnung und nicht als heruntergekommene Hütte, denn ich glaube an die Kraft der Einbildung. Wenn ich diesen Tag und dieses idyllische Wochenendhäuschen als Abenteuer betrachte, wird es spaßig und aufregend statt deprimierend und trostlos.