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Scarlett steht kurz vor ihrem Ziel, eine der renommiertesten Anwältinnen in Chicago zu werden. Nach nur vier Wochen in ihrem neuen Job scheint alles perfekt – wäre da nur nicht Hudson Rhodes, der charismatische Seniorpartner und ihr direkter Vorgesetzter. Zwischen ihnen entbrennherrscht ein erbitterter Wettkampf, der sowohl im Büro als auch im Sitzungssaal tobt.
Doch je heftiger ihre Auseinandersetzungen werden, desto mehr knistert es zwischen ihnen.
Inmitten von Rivalität und Anziehung stellt sich bald die Frage: Was zählt wirklich im Spiel um Macht und Leidenschaft?
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Seitenzahl: 439
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Scarlett steht kurz vor ihrem Ziel, eine der renommiertesten Anwältinnen in Chicago zu werden. Nach nur vier Wochen in ihrem neuen Job scheint alles perfekt – wäre da nur nicht Hudson Rhodes, der charismatische Seniorpartner und ihr direkter Vorgesetzter. Zwischen ihnen entbrennherrscht ein erbitterter Wettkampf, der sowohl im Büro als auch im Sitzungssaal tobt.
Doch je heftiger ihre Auseinandersetzungen werden, desto mehr knistert es zwischen ihnen.
Inmitten von Rivalität und Anziehung stellt sich bald die Frage: Was zählt wirklich im Spiel um Macht und Leidenschaft?
R. S. Grey ist eine US-amerikanische Schriftstellerin. Mit ihren erfolgreichen Romanen steht sie regelmäßig auf der USA Today Bestsellerliste. Die Autorin lebt mit ihrer Familie und ihren zwei Hunden in Texas.
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R.S. Grey
Mr. Big Shot
Aus dem Amerikanischen von Silvia Gleißner
Cover
Titel
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Titelinformationen
Grußwort
Informationen zum Buch
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Kapitel Eins — Scarlett
Kapitel Zwei — Hudson
Kapitel Drei — Scarlett
Kapitel Vier — Scarlett
Kapitel Fünf — Scarlett
Kapitel Sechs — Hudson
Kapitel Sieben — Scarlett
Kapitel Acht — Scarlett
Kapitel Neun — Scarlett
Kapitel Zehn — Hudson
Kapitel Elf — Scarlett
Kapitel Zwölf — Scarlett
Kapitel Dreizehn — Scarlett
Kapitel Vierzehn — Scarlett
Kapitel Fünfzehn — Hudson
Kapitel Sechzehn — Scarlett
Kapitel Siebzehn — Hudson
Kapitel Achtzehn — Scarlett
Kapitel Neunzehn — Hudson
Kapitel Zwanzig — Scarlett
Kapitel Einundzwanzig — Hudson
Kapitel Zweiundzwanzig — Scarlett
Kapitel Dreiundzwanzig — Hudson
Kapitel Vierundzwanzig — Scarlett
Kapitel Fünfundzwanzig — Scarlett
Kapitel Sechsundzwanzig — Scarlett
Kapitel Siebenundzwanzig — Scarlett
Kapitel Achtundzwanzig — Hudson
Kapitel Neunundzwanzig — Scarlett
Kapitel Dreißig — Hudson
Epilog — Scarlett
Epilog zum Epilog — Scarlett
Impressum
Lust auf more?
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Scarlett
»Big Law« ist ein Ausdruck, um die größten und renommiertesten Anwaltskanzleien des Landes zu beschreiben.
Er lässt sich auf verschiedene Arten in einem Satz verwenden:
Alle Topabsolventen der juristischen Fakultät nehmen Angebote von Big-Law-Firmen an.
Big-Law-Firmen zahlen für gewöhnlich die besten Gehälter und Boni der ganzen Branche.
Und so verwendet man den Begriff, wenn man mit seinem Therapeuten redet:
Ich habe jeden Tag, den ich im Big Law gearbeitet habe, geweint.
Big Law hat mein Leben ruiniert.
Ohne Big Law wäre ich jetzt … – bitte einsetzen – verheiratet, glücklich, ausgeglichen, nüchtern.
Und so werde ich den Begriff ab heute verwenden:
Oh, mein erstes Jahr in einer Big-Law-Kanzlei? Ein einziges Kinderspiel.
Ich habe Big Law zu meiner Big Bitch gemacht.
Mein Wecker auf dem Nachttisch summt los, die halbe Sekunde lang, die ich brauche, um mich hinüberzubeugen und ihn auszumachen. Der Wecker war nicht nötig. Ich bin schon wach – und das seit zwei Stunden. Ich stehe neben meinem Bett in einem Outfit, das ich mit Sorgfalt und Bedacht gewählt habe. Bis ich es endlich zur Kasse geschafft hatte, war die Verkäuferin bei Barneys soweit, sich Ibu gegen Spannungskopfschmerzen einzuwerfen und ihre Karriereplanung neu zu überdenken.
Ich habe mich für eine knöchellange, schmale schwarze Business-Hose entschieden, kombiniert mit einer cremefarbigen Bluse mit Gürtel und den immer beliebten Aquazzura-Wildlederpumps – bis ich im Büro bin, werde ich allerdings bei Schuhen mit flachen Absätzen bleiben. Als Accessoires habe ich meine geerbte Armbanduhr von Cartier, saubere, manikürte Nägel und Diamantohrstecker – sonst nichts.
So muss sich Batman an seinem ersten Arbeitstag gefühlt haben. Ich wette, er hat sich die Zeit genommen, sein Batmobil am Tag davor durch eine Mr.-Wash-Waschstraße zu fahren, damit die Reifen auch blitzsauber sind. Muss ein ziemliches Hochgefühl gewesen sein, die Etiketten von seinen brandneuen Kampfstiefeln und Nylon-Stretch-Hosen zu entfernen, bevor er seine ganzen Sicherheitsvorrichtungen und sonstige Spielereien an ihren Platz steckte.
Ich habe die gleichen Schmetterlinge im Bauch, als ich meine Arbeitstasche nehme, bereits gepackt mit allem, was ich brauche … und noch so vielem mehr. Ich gehe hinaus, bereit wie noch nie in meinem Leben, und kann es nicht erwarten, den Tag anzugehen.
Und genau da kackt mich ein Vogel voll.
Ich erstarre und blicke völlig schockiert nach unten. Ich brauche einen Augenblick, um die weiße Brühe zu registrieren, die vorn über meine Bluse tropft, direkt auf meine Hose zu. Dann setzt die Panik ein, verspätet, aber mit Wucht. O NEIN. Ich habe absichtlich gewartet, die Wohnung zu verlassen, damit ich mir nicht albern vorkomme, wenn ich extrem früh ins Büro spaziere. Aber jetzt, JETZT, könnte ich mich selbst in den Allerwertesten treten, weil ich nicht über Nacht vor Elwood Hoyt kampiert habe. Ich hätte unter meinem Schreibtisch schlafen sollen. Ein kleiner Krampf im Nacken wäre nichts gewesen im Vergleich zu dem hier.
Macht nichts, rede ich mir ein und versuche, meinen Herzschlag wieder unter Kontrolle zu bekommen, der gerade irgendwo bei einhundertneunzig Schlägen pro Minute liegt. Ich bin direkt über den Herzstillstand hinausgerast und nähere mich langsam der spontanen Selbstentzündung. Halb gehe, halb laufe ich zurück in die Lobby meines Apartmentgebäudes und versuche, nicht zu weinen, als der Aufzug sich anscheinend genau diesen Moment aussucht, um zu streiken.
Zum Glück hatte ich mir sämtliche Outfits für diese Woche bereits zusammengestellt. Kurzer Wechsel meines Oberteils zu einer schwarzen Seidenvariante, und schon hüpfe ich die Treppen hinunter und überlasse den Aufzug all den Leuten, die nicht gerade dabei sind, den ersten Tag vom Rest ihres Lebens zu beginnen.
Als ich diesmal das Gebäude verlasse, habe ich diesen Vogel fest im Blick. Er sieht richtig selbstgefällig aus, so wie er da auf einem dürren Ast sitzt. Wirklich! Zweifellos trainiert er gerade das Auf und Zu seiner Schließmuskeln, für die unwahrscheinliche Chance, dass ich ihm noch einmal zu nahe komme.
Ich zeige ihm den Mittelfinger – im Verborgenen – hinter meiner anderen Hand, damit ich nicht auf alle, die auf dem Gehweg an mir vorbeigehen, wie eine vollkommen Irre wirke. Dann wende ich mich in die Richtung, in die ich ursprünglich wollte, und beginne.
Mein Garderobenwechsel hat mich nur zehn Minuten gekostet, aber es fühlt sich an, als seien das zehn Minuten zu viel. Es ist die erste Oktoberwoche, und die immerwährende Hitze des Sommers ist endlich dahin. Ich bin dankbar für die frische Herbstluft, als ich an den Häuserblocks vorbei rase.
Ich befinde mich im Herzen der Innenstadt von Chicago, in River North, umgeben von Luxusläden, pittoresken Restaurants und ausladenden Wolkenkratzern. Historisches an jeder Ecke, Orte, an denen ich für gewöhnlich eher gemächlichen Schrittes vorbeischlendere, statt in halsbrecherischem Tempo vorbeizurennen. Doch leider ist heute Morgen keine Zeit für einen Latte in meinem liebsten Coffee-Shop oder einen Bagel aus diesem Laden an der Ecke.
Gott sei Dank liegt mein Apartment fußläufig zum Büro bei Elwood Hoyt. Im Handumdrehen bringe ich die Viertelmeile hinter mich und bleibe nur einmal stehen, als ein Lieferwagen mich beinahe streift, während ich über die Straße renne. Nur wenige Zentimeter trennen meinen Oberschenkel von der Metallstoßstange, während der Mann am Steuer mir durch das offene Fenster barsch nachruft: »Sind Sie lebensmüde?«
Nein! Das genaue Gegenteil – ich habe einen Traum!
Ich biege um die letzte Ecke und sehe mein Ziel.
In einer Stadt wie Chicago zielt jeder Wolkenkratzer darauf ab, seinen Nachbarn auszustechen. Unternehmen wollen in massiven und respekteinflößenden Festungen residieren, und Elwood Hoyt ist genau das. Direkt am Chicago River gelegen, ist es eines der höchsten Gebäude der Stadt. Seine schwere Fassade aus Stein und Stahl scheint sich unendlich weit in den Himmel zu recken, vor allem von dort, wo ich stehe, wie ein kleiner Fleck zu seinen Füßen.
Vor dem Eingang aus makellosem Glas bleibe ich kurz stehen, um meine flachen Schuhe gegen die Pumps zu tauschen. Dann richte ich meine Tasche, streiche mir übers Haar und vergewissere mich, dass mein Namensschild von dem kleinen Clip an meiner Hüfte hängt. Selbstsicher hebe ich den Kopf und gehe durch die Schiebetüren hinein.
Barret ist schon da, er steht vor dem Drehkreuz an der Sicherheitsschleuse und wartet auf mich. Sein charmantes Lächeln ist eine willkommene Überraschung heute Morgen. Von all meinen Brüdern – und ich habe viele Brüder – sehen Barrett und ich uns am ähnlichsten. Wir haben das gleiche schmale Gesicht, die hohen Wangenknochen, dunkle Augen und hellbraune Haut. Sein nussbraunes Haar ist viel, viel kürzer als meins, aber mir gefällt, dass er den Strähnen ein wenig ihre natürliche Wellung gelassen hat. Dafür muss ich wahrscheinlich Nyles danken – er protestiert immer, wenn Barrett sich die Haare schneiden lassen will.
Barret hält einen Becher Kaffee in der rechten Hand, und als ich ihn erreiche, mopse ich mir den Kaffee ohne großes Nachdenken. Sein Zwinkern verrät mir, dass der Kaffee ohnehin für mich gedacht war.
»Das war schon ziemlich knapp, Schwesterherz.«
»Ich habe es geschafft«, sage ich und merke, wie ich allein bei der Vorstellung, er könnte sein Vertrauen in mich verlieren, gekränkt klinge. Er weiß, dass ich heute, am Tag aller Tage, nie zu spät kommen würde.
»Du schwitzt.«
»Überhaupt nicht.« Ich werfe ihm einen strengen Blick zu und trinke dann einen Schluck von dem Kaffee. Hat er gut gemacht, es ist mein üblicher Cappuccino mit einem extra Schuss Espresso. In ein paar Minuten werde ich unter Strom stehen, vor allem wenn man bedenkt, dass ich heute Morgen nicht den Nerv für mein übliches Frühstück hatte.
»Abgesehen von einem leichten Schweißglanz siehst du auf jeden Fall gut aus.« Er mustert mich von Kopf bis Fuß und lächelt stolz. »Das Outfit ist toll.«
»Findest du? Das hier war nicht meine erste Wahl.«
Ich beschließe, dass es das Beste ist, den Vogel nicht zu erwähnen. Ich will meinen Ärger nicht noch einmal aufflammen lassen.
»Ja. Es ist perfekt.«
»Grandmas Uhr«, sage ich und hebe mein Handgelenk, damit er sie sehen kann.
Er lächelt. »Hübsch.«
Wenn es irgendwen gibt, von dem ich Modekritik annehmen würde, ist es Barrett. Heute ist ein ganz normaler Dienstag, und er trägt einen dunkelblauen Nadelstreifenanzug mit passend gestreiftem Taschentuch, sauber gefaltet in der linken Brusttasche. Seine Krawatte hat den gleichen Farbton wie seine Anzugjacke, und sein Hemd ist ein paar Töne heller als der Rest, ein helles Hortensienblau. Er ist ein spektakulärer Farbklecks vor einem ansonsten neutralen Hintergrund.
Fast alle anderen Branchen sind mittlerweile wohl auf gutem Wege, lässigere Arbeitskleidung mit Jeans und Sneakers zu akzeptieren, doch das Rechtswesen gehört nicht dazu. Und ein Unternehmen wie Elwood Hoyt achtet besonders auf das äußere Erscheinungsbild. Wir bieten umfangreiche Rechtsdienstleistungen in allen Bereichen des Gesellschaftsrechts an. Unsere Klienten sind große Unternehmen, Investmentbanken und Vermögensverwalter, und sie alle schätzen die Schlagkraft und Reputation, die eine Firma wie die unsere genießt. Sie wollen keinen Trottel in Flipflops. Sie wollen einen gepflegt aussehenden Anwalt im Maßanzug, jemanden, der so aussieht und sich verhält, als hätte er die Dinge im Griff.
Was hoffentlich auf mich zutrifft.
Barrett nickt zu den Aufzügen. »Gehen wir. Ich begleite dich nach oben.«
Ich überlasse ihm die Führung, als er uns mit einer kurzen Handbewegung an der Security vorbeibringt, so als würde ihm der Laden hier gehören.
»Hast du Dad heute Morgen gesehen?«
»O ja. Er ist hier.«
Ich schlucke meine Nervosität hinunter. »Und?«
»Und ich bin mir sicher, dass du ihn noch sehen wirst, bevor der Tag zu Ende ist. Mach dich darauf gefasst.«
Ich seufze und warte neben ihm darauf, dass einer der Dutzend Aufzüge das Erdgeschoss erreicht. Hinter uns ertönt ein Pling, und wir drehen uns um, während die schimmernden Türen aufgleiten.
Als wir einsteigen, will hinter uns auch ein junger blonder Typ mit einem frisch geprägten Namensschild von Elwood Hoyt mit herein – doch Barrett hebt die Hand. »Nein. Nimm den nächsten.«
Der Mann ist so verblüfft, dass er an der Schwelle stehenbleibt und wie benommen blinzelt, während die Türen vor seiner Nase zugehen.
»Also, das war schon ziemlich unfreundlich«, meine ich lachend, als wir allein sind.
»Es war notwendig.« Barrett wendet sich mir zu. Seine Miene ist entschlossen. »Mir bleiben nur ein paar Sekunden, um mit dir zu reden. Ich wollte dich schon seit Wochen mal beiseite nehmen, aber wie üblich war ich beschäftigt. Hör zu, du musst das alles nicht durchziehen.«
Ich runzle die Stirn.
Er verstummt kurz, holt tief Luft, und als er weiterspricht, sind seine Worte ernster denn je. »Niemand wird deswegen schlecht von dir denken. Versprochen. Du bist der Star unserer Familie, die brillante kleine Schwester, die wir alle bedingungslos lieben – aber das hier? Es ist vollkommen unnötig, diese Stelle hier bei Elwood Hoyt zu übernehmen. Ich meine, sieh dir Mom an – wo ist sie eigentlich gerade?«
Ich runzle die Stirn und frage mich, worauf das hinausläuft. »In Südfrankreich, auf Einkaufstour …«
Wir haben erst gestern miteinander gesprochen. Sie hat mir eine Ansprache gehalten, die auf unheimliche Weise der ähnelt, die ich gerade von Barrett höre. Haben sich die beiden in der Sache etwa zusammengetan?
»Du könntest dort sein, bei ihr. Du solltest dort sein«, meint er. Er klingt verzweifelt, und es würde mich nicht wundern, wenn er jeden Moment anfangen würde, mich zu schütteln. »Der Laden hier wird dich bei lebendigem Leib auffressen, Scarlett.«
Ich verschränke die Arme und werde mit jeder Sekunde wütender. »Hast du Wyatt und Conrad die gleiche Ansprache gehalten, als sie in der Firma angefangen haben?«
Er seufzt ungeduldig. »Natürlich nicht. Conrad ist der größte Halsabschneider von uns allen. Er musste Anwalt werden; den würde keine andere Branche nehmen. Und Wyatt … na ja, du kennst ja Wyatt – wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, kommt keiner mehr zu ihm durch.«
Ich hebe das Kinn. »Genau. Also tu doch so, als wäre ich nicht anders als sie. Lass es. Es ist beschlossene Sache. Ich habe meinen Vertrag bereits unterschrieben.«
Er verdreht die Augen, so gar nicht überzeugt von diesem kleinen Detail. »Oh, als könnte Dad das Ding nicht einfach auf der Stelle zerreißen.«
Ich bin kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. Ich schüttle den Kopf, runzle die Stirn und habe die freie Hand zu einer festen Faust geballt. Wenn er nicht aufpasst, fängt er sich eine – wirklich. Nicht so wie damals, als wir Kinder waren.
»Wieso bist du so sehr dagegen?«
»Weil ich dich liebe. Weil ich ein besseres Leben für dich will.« Er sagt das so eindringlich, dass ich schon fast weicher werde bei der Freundlichkeit in seinem Tonfall und diesen großen braunen Augen, die mich anflehen, zur Vernunft zu kommen. Fast gebe ich nach – aber nein.
Ich werfe ihm einen wütenden Blick zu und drehe mich dann abrupt zu den Aufzugtüren um. Wenn er noch lange so weitermacht, werde ich ihn ausblenden. Seine Worte wurmen mich wirklich. Er klingt so sehr wie Mom und Dad, so sehr wie Jasper. Sie sind alle dagegen, dass ich den Beruf ausübe, von dem ich schon geträumt habe, als ich ein kleines Mädchen war und meine Mom angebettelt habe, mir einen Hosenanzug in Kindergröße zu kaufen. Als wir noch wirklich jung waren und mein Dad uns immer mit in sein eigenes Büro mitnahm, rannten meine Brüder durch die Gegend wie die totalen Irren, rissen Pflanzen aus den Töpfen und kritzelten die Wände voll – aber ich nicht. Ich saß immer an seinem Schreibtisch, griff zu seinem Telefon und ahmte die Wörter nach, die ich ihn unzählige Male sagen gehört hatte.
»Richter, Übernahme, Vertrag, Angebot. Nein! Wir machen keine Kompromisse!« Dann knallte ich das Telefon auf den Tisch und drehte mich immer wieder auf seinem Stuhl im Kreis, und all die fiktive Macht stieg mir direkt zu Kopf, während meine Füße mehr als einen halben Meter über dem Boden baumelten.
Sicher, Wyatt, Conrad und Barrett sind gute Anwälte, einige der besten zweifellos. Aber ich fühle, dass ich habe, was nötig ist, um sie alle zu übertreffen, und wenn nicht, dann wenigstens dazu, neben ihnen zu bestehen und mein eigenes Gewicht zu haben – in der Firma, die mein Vater mitgegründet hat.
Mich muss niemand verhätscheln.
Barretts Ansprache bringt mich nicht im Geringsten von meinem Ziel ab. Er hat damit wertvollen Atem vergeudet.
»Wenn das alles ist, was du mir sagen wolltest, dann können wir den Rest des Weges ja einfach schweigen.«
Er stöhnt und schüttelt den Kopf, während unser Aufzug immer höher unserem Endziel entgegenfliegt: Etage Neunundsechzig, alias Fusionen und Übernahmen, alias für die absehbare Zukunft mein Zuhause abseits von zu Hause. Mich durchläuft ein kleiner Schauer der Aufregung.
»Also gut. Wir diskutieren ein andermal darüber. Fürs Erste, wenn du das hier wirklich durchziehen willst, habe ich einige Ratschläge.«
Ich wende mich ihm zu und ziehe fragend eine Augenbraue hoch. Also, das will ich jetzt wissen. Ich habe meine Brüder wochenlang belagert, um einige Einblicke zu bekommen.
Barrett spricht jetzt sehr schnell. »Suche dir jemanden aus dem Kollegenkreis und tut euch zusammen. Ich hätte mein erstes Geschäftsjahr – oder eigentlich mein gesamtes erstes Jahr – nicht ohne ein gutes Team um mich herum überlebt. Fakturierbare Stunden. Die musst du unbedingt im Auge behalten. Mache es dir zur Gewohnheit, sie jeden Abend ins System hochzuladen. Wenn du sie aus dem Blick geraten lässt, wirst du es bereuen. Oh, und egal, was für ein Ziel man dir vorgibt, schlage noch einmal fünfhundert Stunden drauf, locker.«
»Fünfhundert zusätzlich?«
Er zuckt mit den Schultern, unbeeindruckt von meiner schockierten Reaktion. »Und das ist noch das untere Ende von dem, was einige dieser Leute ableisten werden.«
Ein leises »unglaublich« kommt mir über die Lippen.
Der Aufzug hält abrupt an, und Barretts Augen weiten sich alarmiert. Noch während die Türen aufgehen, tritt er näher, packt mich am Arm, zieht mich näher zu sich und senkt die Stimme. »Und das Wichtigste: Egal was du tust, geh um jeden Preis Hudson Rhodes aus dem Weg. Hörst du? Er und ich waren zusammen auf der juristischen Fakultät, und der Typ ist herzlos. Es gibt vier Partner bei Fusionen und Übernahmen – jeder von denen wäre in Ordnung außer Hudson. Verstanden?«
Sheesh. »Verstanden.«
Hudson Rhodes ist der Teufel, such dir jeden anderen aus – kapiert.
Und jetzt … Zeit, ein paar Anwälte aufzumischen.
Hudson
Ich weiß, dass ich hier der Schurke bin, und das ist für mich absolut in Ordnung. Ich habe diese selbstzufriedene nörglerische Haltung, in der der Grinch sich zu Beginn seiner Geschichte so wohlgefühlt hat, nur dass ich das Vergnügen habe, zu wissen, dass ich mein Herz am Ende keine drei Nummern wachsen lassen muss. Finsternis zu verbreiten hat eine Menge Vorteile. Wenn alle das Weite suchen, wenn ich in den Pausenraum komme, bedeutet das mehr Donuts und eine kürzere Schlange an der Kaffeekanne für mich. Dass ich endlosen Smalltalk im Flur vermeiden kann, macht meinen Arbeitstag weit effizienter. Wahrscheinlich spare ich jedes Jahr hunderte fakturierbare Stunden, nur indem ich direkt an Leuten vorbeistürme, während die durch meine bloße Anwesenheit zittern wie Espenlaub.
Ich will ja nicht angeben, aber einmal habe ich einen Neuling im ersten Jahr hier soweit gebracht, dass er von der Toilette aus seine Mami angerufen hat, als sei er ein Achtjähriger, der zum ersten Mal woanders übernachtet. »Hey, Mom, ja, ich hasse es hier. Mein Boss ist scheiße. Kannst du kommen und mich abholen?«
Und hier kommt der Teil, in dem ich euch allen erzähle, dass ich ganz tief in mir danach strebe, ein besserer Mensch zu werden. Dass meine Art als großer Bösewicht mich in Teufels Küche gebracht hat und es höchste Zeit ist, dass ich meine Fehler korrigiere.
Stichwort selbstgefälliges Grinsen.
Der Spaß, den es mir gemacht hat, an die Tür dieser Toilettenkabine zu hämmern und dem Frischling zu sagen, er solle »mal hinnemachen«, war ein Hochgefühl sondergleichen.
Ich bin zufrieden damit, wie es ist. Ich arbeite seit beinahe zehn Jahren bei Elwood Hoyt, habe mich in Lichtgeschwindigkeit vom Uni-Praktikanten zum Partner hochgearbeitet, und jetzt will ich mir einen neuen Titel holen: Seniorpartner.
Es ist echt absurd. Die meisten meiner Kollegen wären glücklich damit, in meiner gegenwärtigen Position zu bleiben. Partner in Elwood Hoyts Hauptsitz in Chicago – das ist es. Das ist das goldene Ticket.
Aber ich will mehr. So wie jedem guten Schurken wäre mir die Weltherrschaft am liebsten, aber es zum Seniorpartner zu schaffen käme direkt danach.
Dieses Ziel habe ich im Kopf, als ich ein spontanes Meeting mit einem der Oberbosse akzeptiere. Anders Elwood ist einer der beiden Gründungspartner unserer Firma. Obwohl er schon gut in den Sechzigern ist, hat er keinerlei Absicht aufzuhören. Daher: Auch wenn ich an allen anderen in diesem Gebäude einfach vorbeirauschen kann – für ihn muss ich ganz tief graben und meine letzten Reste an Menschlichkeit herauskramen. Mein Lächeln muss aufrichtig sein. Ausnahmsweise.
»Hudson? Ich nehme an, Sie haben einen Moment«, sagt er, als er selbstsicher in mein Büro schlendert, während ich gerade eine Nummer wähle.
Was für eine Macht er hat! Hat nicht einmal geklopft! Hat Lucy überhaupt versucht, ihn aufzuhalten? Nicht dass sie es könnte …
Ich lege das Handy zurück auf den Tisch und stehe auf. »Natürlich. Was brauchen Sie, Sir?«
Ich rechne damit, dass er ein Problem mit einem Vertrag anspricht, irgendeine Nachbesserung, auf die ich einen Blick werfen soll. Eigentlich arbeitet Anders nicht bei Fusionen und Übernahmen, aber wenn wir ganz große Deals in der Mache haben, bei denen es um Milliarden Dollar geht – was bei uns die meiste Zeit der Fall ist –, behält er diese für gewöhnlich genau im Auge, vor allem während der vorläufigen Prüfung und beim Abschluss.
»Wie Sie wissen, sind alle meine Kinder in meine Fußstapfen getreten und haben einen juristischen Beruf aufgenommen.«
Das ist … nicht das, womit ich gerechnet habe.
Er geht um meinen Schreibtisch herum, bleibt am Fenster stehen und stößt dabei eine meiner Erfolgstrophäen um, die dort stehen. Ich zucke zusammen, als sie gegen die Glasscheibe prallt, aber er scheint das Geräusch gar nicht zu hören. »Barrett, Wyatt, Conrad – ich bin stolz darauf, dass sie alle hier bei Elwood Hoyt sind.«
Ich nicke nur und entscheide, den Mund zu halten angesichts der Tatsache, dass ich immer noch keine rechte Ahnung habe, worauf dieses Gespräch hinausläuft. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Anders jemals in mein Büro gekommen wäre, um über seine Kinder zu sprechen. Eigentlich auch nicht, um überhaupt über irgendetwas abseits der Arbeit zu reden.
Die Elwood-Brüder sind aus offensichtlichen Gründen berüchtigt in unserer Firma. Gott sei Dank arbeitet nur einer von ihnen hier in Chicago. Das Letzte, was ich brauche, ist ein Wettbewerb mit drei Abkömmlingen vom Boss statt nur mit einem. Na ja, Barrett ist zwar intelligent und fähig, aber ich betrachte ihn nicht wirklich als Konkurrenz für mich. Was vor allem daran liegt, dass er nicht in dieser Abteilung arbeitet, und als ich zuletzt nachgesehen habe, lag seine Planung nur bei etwa zweitausend fakturierbaren Stunden dieses Jahr. Ich habe letztes Jahr über dreitausendfünfhundert Stunden abgerechnet. Ich war der Topverdiener der Firma, und diese kleine Trophäe, die Anders da so sorglos zu Boden gehen lässt, ist der Beweis dafür.
»Leider hat mein jüngstes Kind ebenfalls beschlossen, sich dem Familienbetrieb anzuschließen.«
Elwood Hoyt einen Familienbetrieb zu nennen ist lachhaft. Es ist, als würden die Waltons Walmart als Gemischtwarenladen bezeichnen. Elwood Hoyt beschäftigt tausende Anwälte weltweit und über siebenhundert allein hier in Chicago.
»Ich bin sicher, dass Sie darauf stolz sind.«
Daraufhin dreht er sich mit ärgerlicher Miene zu mir um.
Okay, Kommando zurück, nicht stolz.
»Ich bin wütend.« Er spuckt die Worte förmlich aus. »Mehr als das. Meine Scarlett gehört nicht in diese Welt, nicht unter …« Er mustert mich, die unbekümmerte Verurteilung steht ihm ins Gesicht geschrieben, bevor er seine kühne Feststellung beendet. »… Halsabschneider wie Sie.«
Gut zu wissen, dass mein Ruf inzwischen bis in den letzten Winkel dieser Niederlassung gedrungen ist. Wenn Anders Elwood mich als Halsabschneider betrachtet, muss ich wohl etwas richtig machen. Der Mann ist ja selbst nicht gerade ein sanftes Lamm.
»Ich bin sicher, Ihre Tochter wird sich behaupten können.« Ich muss mir auf die Zunge beißen, um nicht fortzufahren mit Also wenn das dann alles ist, falls es Ihnen nichts ausmacht … und dabei Richtung Tür zu deuten.
»Glücklicherweise muss ich mir darum keine Sorgen machen. Sie werden sich für mich darum kümmern.«
Ich blinzle, absolut verblüfft.
»Sie hat Gefallen an Fusionen und Übernahmen gefunden«, fährt er fort. »Sie fängt heute in dieser Abteilung an. Ich habe gerade nachgesehen: Eigentlich sollte Amaya Chandra sie unter ihre Fittiche nehmen. Amaya ist eine fähige Anwältin, aber sie ist noch nicht so lange in unserem Unternehmen wie Sie. Sie hat kein persönliches Interesse daran, dafür zu sorgen, dass meine Tochter einen leichten Weg vor sich hat. Verstehen Sie, was ich damit meine?«
Mein Schweigen nötigt ihn, es mir haarklein darzulegen.
»Schonen Sie sie. Werfen Sie ihr Softbälle zu. Das ist alles.« Er hat die Dreistigkeit, mir zuzulächeln, bevor er noch fragt: »Habe ich mich klar ausgedrückt?«
»Glasklar.«
Mit einem Nicken wendet er sich zur Tür. »Gut. Freut mich zu hören.«
Kaum ist er aus meinem Büro und den Flur entlang verschwunden, greife ich zum Telefon. Meine Assistentin Lucy hebt beim ersten Läuten ab.
»Was brauchen Sie?«, fragt sie ohne unnötige Förmlichkeit.
»Finden Sie heraus, wann die Neulinge im ersten Jahr heute kommen. Sind sie schon hier? Haben Sie sie irgendwo im Gebäude gesehen?«
Ich höre Scharren an ihrem Ende der Leitung. »Oh, die fangen heute an? Lassen Sie mich nur kurz …«
»Rufen Sie mich zurück«, sage ich und lege auf.
Mit rüstigen neunundsiebzig Jahren ist Lucy Sadler wahrscheinlich die älteste Person in diesem Gebäude, und sie ist meine treue Assistentin seit meinem ersten Tag. Ich habe sie von einem Partner geerbt, der vor zehn Jahren in Ruhestand gegangen ist. Lucy hätte zusammen mit ihm in Pension gehen können, wenn man bedenkt, dass sie seine Großtante ist, aber sie beschloss zu bleiben, und jetzt sind wir beste Freunde – auch wenn das keiner von uns je zugeben würde.
Mein Telefon klingelt.
»WashabenSie?« Wie ein Wort, fünfzig Mal täglich ausgesprochen.
»Sie haben Neulinge im ersten Jahr gesagt?«
Ich reibe mir über die Augen. »Ja, Luce. Neulinge im ersten Jahr.«
»Bin dran.«
Während ich darauf warte, dass sie sich wieder meldet, setze ich mich in meinen Sessel, öffne einen neuen Internet-Tab und gebe Scarlett Elwood auf Google ein. Wie jeder gute Anwalt muss ich recherchieren.
Ich wusste gar nicht, dass die Elwoods noch ein viertes Kind haben. Wie viele Kinder braucht ein Ehepaar? Scheiße – wer sagt denn, dass es nicht noch mehr als vier gibt?
Mir läuft es kalt über den Rücken.
Bevor die Suchergebnisse geladen werden, stelle ich mir Scarlett als eine weibliche Version von Anders vor, mit weißem Haar, Koteletten und herauswachsenden Nasenhaaren. Dann erscheint die erste Seite auf Google, und da: ganz oben ein hochaufgelöstes Porträt der jüngsten Elwood. Puh, ich lag falsch. Diese Frau – sie kann keinen Tag älter als dreiundzwanzig sein – ist eine brünette Sexbombe. Sie kommt ganz nach ihrer Mutter, nehme ich an, ebenso wie Barrett. Sie hat wunderschönes Haar, dichte nussbraune Wellen, die ihr ernstes Gesicht umrahmen. In ihren Augen leuchtet die Hoffnung der Jugend, und ihr Lächeln ist zwar verführerisch, aber nicht auf einladende Art. Sie repräsentiert diesen Charme, den man von seinem Kindheitsschwarm erwartet.
Als ich bemerke, dass sich mein Magen auf einmal zusammenzieht – warum auch immer –, zucke ich zusammen und scrolle weiter nach unten, bis ich finde, was ich wirklich suche: Informationen. Es gibt unzählige Juraforen online. Selbst wenn ich nur nach »Reddit« und »Scarlett Elwood« suche, tauchen jede Menge Ergebnisse auf. Offenbar diskutieren die Leute wirklich gern über sie.
Ich lese und scrolle zügig. Keine Zeit zu verlieren. Ich habe einen vollen Arbeitstag vor mir, in dem Onlinestalking einer Fremden nicht eingeplant ist.
Anonymous134_x: Die Tussi ist so was von unerträglich. Ich war im gleichen Jahr wie sie an der Juristischen Fakultät der Columbia, und ihr hättet mal sehen sollen, wie die Professoren um sie herumscharwenzelt sind. Ich bezweifle, dass sie auch nur für eine einzige Prüfung lernen musste, wenn man bedenkt, wer ihr *DaDdY* ist … bäh. Kotz.
LawGirlXO: Ich habe gehört, dass das ihr ganzes Leben lang so war. Sie ist in so einer elitären Privatschule aufgewachsen. Total verhätschelte Prinzessin. Voll nervig, dass Leute wie sie anderen, die es wirklich verdient haben, zu praktizieren, den Platz wegnehmen.
Anonymous134_x: Genau! Ohne das Erbe ihrer Familie hätte sie es nie auf die Columbia geschafft.
Throwaway13339990: @Anonymous134_x Beweise oder Klappe halten.
Anonymous134_x: Puh … ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Ein Professor hat ihr eine Verlängerung für eine Arbeit gewährt, weil Scarlett mit ihrer Familie nach San Tropez in Urlaub fahren wollte oder so. Das hätte es für den Rest von uns nicht gegeben. Und da ist noch viel mehr passiert … aber glaub mir, wenn ich sage, dass ihre privilegierte Stellung uns allen präsent war. Für alle Mitarbeiter war glasklar, dass sie unantastbar ist, so als würde ihr Dad die Fäden ziehen oder so. inzwischen hat sich der Rest von uns echt den Hintern abgeschuftet …
Ich scrolle noch einige Seiten weiter und entscheide dann, dass ich genug gesehen habe. Der Gedanke, dass Menschen online anonym Hass über andere auskippen, stinkt nach Feigheit, aber die Stimmung hinter all diesen Posts bleibt. Es ist nicht schwer, die relevanten Informationen hinter dem gemeinen Gift auszumachen. Außerdem muss ich mich nicht fragen, wie hoch der Wahrheitsgehalt dieser Geschichten ist – gerade wurde mir die Bestätigung von ihrem eigenen Vater auf dem Präsentierteller serviert. Er ist in mein Büro stolziert und hat sich überaus klar ausgedrückt: Geh schonend mit Scarlett um. Mach ihr den Weg leichter … sonst.
Das ist keine Kita hier, sondern die Top-Anwaltskanzlei des Landes. Menschen kämpfen mit allen Mitteln darum, hier zu sein, opfern alles, verschulden sich bis über beide Ohren – und das alles, damit sie dann zusehen können, wie jemand wie Scarlett einfach so problemlos hier durchrauscht? Das macht einen wütend.
Ich bin tatsächlich froh, dass Anders mich gebeten hat, sie in meine Dienste zu stellen. Ich würde nichts lieber tun, als Scarlett Elwood durch einen Tag in meinem Leben mitzunehmen. Ich wette, sie übersteht nicht einmal den Morgen. Ich gebe ihr bis zehn Uhr, und dann wird sie schreiend die Flucht ergreifen. Klar, vielleicht will ihr Dad dann meinen Kopf auf einem Tablett, weil ich gegen seinen Wunsch gehandelt habe, aber etwas sagt mir, dass ihm klar ist, was hier auf dem Spiel steht. Wenn seine Tochter nicht fähig ist, eine richtige Anwältin zu sein, wird das früher oder später offenbar, egal, in welches Team sie kommt.
Und wenn er vorhat, das zu forcieren und sie Anwältin spielen zu lassen, während der Rest von uns wirklich arbeitet, wird er sich einen anderen Dummkopf suchen müssen, der nach seiner Pfeife tanzt, denn ich werde es nicht tun.
Scarlett
WILLKOMMEN steht auf dem Banner über der Tür zum Konferenzraum.
Du bist verloren, sagt mir das finstere Starren der neun Neulinge, die zu mir hersehen, als ich in den Raum eile und versuche, meine Sitzoptionen abzuschätzen. O ja, klar hatte ich auf den knarzenden Stuhl ganz weit hinten gehofft, der so aussieht, als sei er nur für heute aus der Abstellkammer geholt worden. Alle Plätze der ersten Reihe – wo ich normalerweise an meinem ersten Tag im neuen Job sitzen würde – sind besetzt, bis auf einen.
Und als ich einen Schritt darauf zu gehe, beansprucht eine Blonde den Platz links neben sich und sagt: »Der ist schon besetzt.«
Und das abfällig genug, dass ich keine Lust habe, sie herauszufordern.
Na dann, okay.
Hinter mir sind Schritte zu hören, und ich bin ein wenig selbstzufrieden, weil ich trotz des Vogelkacke-Vorfalls nicht als Letzte heute Morgen hier erscheine. Ein Typ kommt noch nach mir herein: der Typ, den Barrett gerade bei den Aufzügen verärgert hat. Er wirft mir einen todfinsteren Blick zu, als er hereinkommt und den letzten Platz neben all seinen Freunden belegt … den Platz, den die Blonde für ihn freigehalten hat.
Verdammt, Barrett!
Mir bleibt nur der Stuhl ganz hinten. Als ich mich setze, quiiiieeetscht er, als wäre er zweihundert Jahre alt.
»Sheesh. Hat jemand zufällig etwas Öl dabei?«, frage ich mit einem kurzen selbstironischen Lachen.
Niemand dreht sich um.
Okay, so wird das also. Ich dachte mir schon, dass der heutige Tag einen von zwei möglichen Verläufen nehmen würde: der beste und unwahrscheinlichste ist der, dass ich sofort Freundschaften schließe und meinen Platz inmitten der anderen Neulinge finde. Der schlimmste und wahrscheinlichste Verlauf ist der, dass allen schon klar ist, wer ich bin, dass sie mich dafür hassen und entscheiden, dass sie besser damit fahren, sich in ihrem gemeinsamen Hass auf mich zusammenzutun.
Nur um die Bestätigung zu bekommen, mit welcher Option ich es zu tun habe, beuge ich mich zu dem handtuchdünnen Typen vor, der etwas vor mir sitzt. Er ist weit genug weg, dass niemand irrtümlich annehmen kann, wir würden zusammen sitzen, aber so nahe, dass ich nicht lauter werden muss, um ihn zu fragen, ob er weiß, wer ich bin.
Er wirft mir einen ungläubigen Blick zu. »Na klar. Sprich nicht mit mir.« Dann blickt er hastig auf, um zu prüfen, ob die Blonde in der ersten Reihe ihn gehört hat. Zum Glück für ihn ist sie gerade durch eine angeregte Unterhaltung mit den Leuten um sie herum abgelenkt.
Ich bin nicht überrascht, dass sich alle schon zu kennen scheinen. Zweifellos haben ausnahmslos alle – außer mir –während des Studiums hier gearbeitet. Es ist echt eine große Sache, zwischen dem zweiten und dritten Jahr an der Juristischen Fakultät einen der begehrten Sommerplätze in einer großen Anwaltskanzlei zu ergattern, denn in neun von zehn Fällen sehen diese Firmen sich unter ihren Praktikanten um, wenn sie über Angebote einer Vollzeitstelle nach dem Studienabschluss nachdenken.
Dass ich letzten Sommer nicht hier war, heißt aber nicht, dass ich auf der faulen Haut gelegen hätte, wohlgemerkt. Ich hatte nur beschlossen, nicht noch einen weiteren Sommer in Chicago zu schuften, sondern ins Ausland zu gehen, wo ich in Elwood Hoyts Büro in London gearbeitet habe – in dem Bestreben, etwas Zeit mit meinem Bruder Wyatt zu verbringen. Außerdem war es praktisch und hat Spaß gemacht, an meinen freien Wochenenden – den wenigen, die ich hatte – mit dem Rucksack durch Europa zu reisen. So sehr ich meine Zeit in London genossen habe, war mir doch auch klar, dass mir diese Entscheidung vielleicht noch irgendwann Probleme bereiten könnte.
Sieht so aus, als hätten sich schon Bündnisse gebildet.
Barretts erster Ratschlag war doch der, Freunde zu finden, oder nicht? Tja, sorry, Barrett … wie es scheint, wird das heute nicht passieren.
Im nächsten Moment sind schnelle Schritte in High Heels zu hören, und dann kommt eine Frau mit stahlhartem Blick herein. Die strenge Miene mal beiseite, trägt die Frau ein Hammeroutfit. Ich registriere sofort ihre dezente Diamanthalskette und die gepflegte Art, wie sie ihr schwarzes Haar im Nacken zu einem Knoten gebunden hat. Ihre braune Haut wird hübsch von ihrem kamelfarbenen Kleid betont. Ich spähe hin, und – ja – auch ihre Schuhe passen perfekt. Zehn von zehn Punkten.
Sie bleibt vor uns im Konferenzraum stehen und mustert uns lässig und gleichzeitig prüfend. Einige Leute winden sich tatsächlich auf ihren Plätzen in der unbehaglichen Stille. Ich jedoch sitze stocksteif da, bis ihr Blick um den Konferenztisch herum schweift und schließlich auf mich fällt. Ihre Augen werden schmal. Sie ordnet mich ein, zweifellos. Barrett und ich sehen uns zu ähnlich, als dass sie nicht sofort eins und eins zusammenzählen könnte. Wahrscheinlich hat sich die Neuigkeit schon in der Firma verbreitet, dass noch eins der Elwood-Kinder hier anfängt.
Wahrscheinlich fragt sie sich gerade: Himmel, wie viele von euch gibt es denn?
Ohne irgendetwas preiszugeben, wendet sie den Blick von mir ab und beginnt in knappem, klarem Tonfall: »Ich bin Bethany Quinn, Fachanwältin für Fusionen und Übernahmen. Ich werde dabei helfen, dass alle von Ihnen heute Ihren Teams zugeteilt werden. Auch jemand aus der HR-Abteilung wird sich irgendwann mit Ihnen treffen, daher sollten die meisten Fragen dorthin gerichtet werde, nicht an mich. Sollten Sie mich nach diesem Meeting belästigen, werde ich Ihnen eine Rechnung über meine Stunden schicken. Verstanden?«
Alle nicken mit offenem Mund.
Ich bin die Einzige, die lächelt.
Ich liebe die Frau. Ich will sie sein. Kein Schnickschnack, nur jede Menge Haltung und Selbstsicherheit.
»Die meisten von Ihnen waren als Praktikanten während des Studiums bereits hier, daher willkommen zurück und, noch wichtiger, Glückwunsch. In Ihrer gegenwärtigen Position stehen Sie nicht mehr auf der untersten Sprosse der Leiter. Aber Sie haben sich noch nicht bewiesen. Es gibt vier Partner bei Fusionen und Übernahmen, also werden Sie in kleine Gruppen aufgeteilt, von denen jede in eins der vier Teams integriert wird. Die Anwälte, mit denen Sie arbeiten werden, werden nur sehr wenig Geduld und sehr wenig Zeit zum Händchenhalten haben. Sie wurden nicht zufällig für diesen Job ausgewählt. Jeder und jede von Ihnen ist in der Lage, schnell zu lernen und noch schneller zu reagieren. Sie bekommen einen Haufen Geld dafür, als Gewinn für diese Firma zu agieren. Abgesehen davon wollen wir keine Fehler sehen. Prüfen Sie Ihre Arbeit dreimal nach. Bitten Sie um Hilfe, wenn absolut nötig.«
Sie lässt den Blick prüfend über uns gleiten. »Ich möchte mich vollkommen deutlich bezüglich der Umstände bei einer Kanzlei wie Elwood Hoyt ausdrücken. Niemand von Ihnen ist unwissend, was diese Welt angeht. Sehen Sie sich die Leute um sich herum gut an, denn nächstes Jahr um diese Zeit wird ein Viertel von Ihnen weg sein. In zwei Jahren wird nur noch die Hälfte übrig sein. Wahrscheinlich weniger.«
O Gott. Was ist das hier, die Hungerspiele? Werden wir uns gegenseitig umbringen müssen? Denn falls es hart auf hart kommt, denke ich schon, dass ich den dünnen Typen neben mir im Zweikampf ausschalten könnte. Schließlich habe ich dieses Jahr wie verrückt Kickboxen trainiert.
»Also, ich weiß, dass Sie alle an den Richtlinien und Handbüchern der HR-Abteilung zur Ausbildungspolitik bei Elwood Hoyt schwer zu schleppen haben. In Bezug auf Fusionen und Übernahmen sollten Sie wissen, dass unsere Anforderungen, was die Stunden angeht, anders als die der meisten anderen Abteilungen sind. Wir wollen, dass Sie alle mindestens zweitausendfünfhundert fakturierbare Stunden pro Jahr anstreben. Wie Sie das aufzuteilen beschließen, ist Ihre Sache.«
Zweitausendfünfhundert fakturierbare Stunden … und Barrett hat gesagt, ich solle noch fünfhundert auf die Grundanforderung aufschlagen. Das heißt, er will, dass ich dreitausend fakturierbare Stunden ins Visier nehme. Wenn ich zwei Wochen für Urlaub und Feiertage veranschlage, bedeutet das sechzig Stunden Arbeit pro Woche für mich, mindestens. Mehr als wahrscheinlich werde ich Zehn- bis Zwölf-Stunden-Tage durchziehen müssen und noch einige Wochenenden arbeiten.
Ich sehe mich in der Gruppe um, erblicke aber keine aufgerissenen Augen, keine niedergeschlagenen Mienen. Sondern nur gerunzelte Stirnen und grimmige Entschlossenheit. Offenbar wissen alle Bescheid.
Aber es ist schwer zu glauben. Ein Viertel von uns wird es nicht über das erste Jahr hinaus schaffen? Wann fangen die Leute an, aufzugeben? Im Augenblick scheint es nicht so, als wäre irgendwer auch nur im Entferntesten daran interessiert, zu gehen.
Bethany holt ein Memo mit dem Briefkopf der Firma aus der Mappe, die sie mitgebracht hat.
»Ich werde jetzt die Teams vorlesen. Finden Sie heraus, mit wem Sie in einer Gruppe sind, tauschen Sie Nummern aus, lernen Sie sich kennen. Diese Menschen werden für die nächsten Monate Ihr Unterstützungssystem sein. Allein ist ein Überleben hier unmöglich.«
Sie fängt an, die Partner einen nach dem anderen aufzuzählen, gefolgt von den Mitarbeitern, die ihren Teams zugeteilt werden.
»Mr. Beltran: Makayla Hammon, Dilan Phan, Ramona Dalton.«
Ein Typ in der Mitte des Raums dreht sich zu zwei Frauen um, die neben ihm sitzen, und sie geben sich verstohlene High Fives.
Thaddeus Welch, Vihaan Robles und Andy Pace landen in Mr Pruitts Team.
Mein Name wird als nächstes aufgerufen, als erste für Amaya Chandras Team. Nach mir nennt sie noch die Namen zweier anderer Frauen. Die eine sitzt allein am Fenster, wirft einen Blick nach hinten zu mir und zuckt mit den Schultern, als wäre es ihr ziemlich egal, dass wir im gleichen Team sind.
Kein Problem, offene Gleichgültigkeit ist besser als unverhohlene Feindseligkeit.
Und ich habe es geschafft, nicht in Hudson Rhodes’ Team zu landen. Von allen Ratschlägen von Barrett habe ich wenigstens in der Hinsicht Glück.
Sie benennt noch die übrigen. Die Blondine vorn, Kendra Crane, wird erst ganz zum Schluss aufgerufen, und ich lächle vor Schadenfreude über ihre Einteilung in mich hinein. Das hat zwei Gründe: Erstens landet sie bei Hudson. Und zweitens bekommt sie anstelle von zwei weiteren Neulingen nur ein weiteres Teammitglied – den jungen Typen, der in meiner Nähe sitzt.
Das ergibt Sinn. Im Raum befinden sich nur elf Neue, also muss ein Team einen weniger bekommen. Oh, nun ja. Die arme Kendra wird alle Hände voll zu tun haben, das ist mal sicher. Ich hoffe sehr, dass Barrett nicht übertrieben hat, was Hudson angeht. Es wäre eine echt reizende Vergeltung des Schicksals, wenn er ein absolutes Monster ist.
Als Kendra ihre unvorteilhafte Zuteilung bewusstwird, hebt sie augenblicklich protestierend die Hand. Mutig. Ich hatte erwartet, dass sie still sitzenbleibt und es mit Fassung trägt.
»Verzeihung?«
»Was ist?«, fragt Bethany, ohne auch nur aufzublicken. Sie sieht ihr Memo durch, wahrscheinlich um sicherzustellen, dass sie alles so gemacht hat, wie sie sollte, damit sie uns hinaus in die freie Wildbahn entlassen kann. Wir haben sie schon zu viel Zeit gekostet.
»Ich hatte gehofft, eher Ms Chandra zugeteilt zu werden als Mr Rhodes«, sagt Kendra sanft. »Ich war in ihrem Team, als ich im Sommer hier war, und bei dem Vorstellungsgespräch für diese Position hat man mir gesagt, dass ich wahrscheinlich wieder mit ihr arbeiten würde.«
Nun endlich geruht Bethany aufzublicken, und das tut sie mit spöttischer Miene. Ich habe zunehmend den Eindruck, dass sie ganz und gar nicht beeindruckt ist von Ms-der-Stuhl-ist-besetzt. »Ich denke, das entscheidende Wort in diesem Satz war ›wahrscheinlich‹. Wurde in Ihrem Vertrag festgehalten, dass Sie für sie arbeiten würden?«
Kendra zuckt zurück. »N-nein …«
»Und haben Sie im Vorfeld persönlich mit Amaya über diese spezielle Zuteilung gesprochen? Hätten Sie das getan, hätte sie Ihre Zuteilung doch sicher in der HR-Abteilung bestätigt.«
Kendra schweigt und schüttelt nur langsam den Kopf.
»Eben. Dann wird es keinen Wechsel geben, unter keinen Umständen.« Daraufhin lässt sie den Blick über uns alle gleiten, wahrscheinlich weil sie will, dass wir diese Lektion gleich lernen, damit sie sich nicht wiederholen muss, wenn die nächste Person mit einer Beschwerde ankommt. »Das Team, in das ich Sie eingeteilt habe, wird Ihr Team bleiben, für das gesamte erste Jahr bei Elwood Hoyt, wenn nicht länger. Wir bevorzugen niemanden …«
Für den Bruchteil einer Sekunde fällt ihr Blick auf mich, und ich krümme mich beinahe auf meinem Stuhl.
Hey! Ich bin nicht die, die um einen Tausch gebeten hat. Ich habe meine Zuteilung mühelos weggesteckt, vielen Dank auch.
»Zuteilungen erfolgen nach Zufallsprinzip. Ende der Diskussion«, erklärt Bethany zügig. »Also, gleich wird ein Mitglied Ihres jeweiligen Teams Sie und die anderen zu Ihren neuen Schreibtischen geleiten. Außerdem möchte HR, dass Sie alle irgendwann heute in Etage neunundvierzig erscheinen, damit man dort bestätigen kann, dass Ihre ID-Karten funktionieren. Soweit ich es verstanden habe, gab es heute Morgen ein paar Probleme. Und wenn Sie schon dort unten sind, wäre es ein guter Zeitpunkt, Ihre Parkkarten abzuholen, für diejenigen von Ihnen, die mit …«
Plötzlich klopft es kräftig an die Tür, mitten in ihrem Satz. Sie schnaubt leise über die Unterbrechung.
Als sie die Tür öffnet und die Person davor sieht, steht sie noch ein bisschen gerader, verlagert ihr Gewicht, hebt das Kinn und nimmt in Gegenwart unseres Gastes eine ganz neue Haltung an.
Faszinierend. Ich komme nicht gegen meine Neugier an und beuge mich auf meinem Stuhl vor, um einen besseren Blick auf die Person zu erhaschen.
Ein einziger Blick genügt, um zu erkenne, dass der Mann gut aussieht. Nein, viel mehr als das. Er ist praktisch ein Geschenk an uns alle. Und das darf ich sagen, obwohl ich in einer Beziehung mit Jasper bin. Es kann nicht falsch sein, Schönheit wie diese wertzuschätzen!
Und was soll’s, wenn diese Schönheit zufällig noch einen Meter neunzig groß und perfekt gekleidet ist? Dichtes braunes Haar, natürlich. Verführerische braune Augen – Doppelcheck. Ein Seitenprofil, das scharf geschnitten und wie gemeißelt ist … tja, kein Wunder, dass ich mich noch nicht wieder zurückgelehnt habe, obwohl mir langsam die Seite wehtut. Ich kann mich weder rühren noch auch nur blinzeln, nicht einmal, wenn mein Leben auf dem Spiel stehen würde.
»Mr Rhodes. Hi.«
Sein Name dringt unglaublich langsam zu mir durch, so als hätte er erst um die ganze Welt reisen müssen, bevor er auf meine Ohren trifft.
Mr Rhodes.
Was?
Das ist er?! Da hatte sich der Teufel aber wirklich mal hübsch verkleidet. Das ist nicht fair. Er ist auf die gleiche Weise gutaussehend, wie eine Giftschlange schön, verführerisch … tödlich ist.
Keine Sorge, Barrett. Ich kann mich zusammenreißen.
Ich lehne mich zurück, nachdem ich nun wieder vollkommen bei Sinnen bin. Und dann, um noch eine Barriere zwischen uns zu schaffen, senke ich den Blick und gebe vor, mit mir selbst beschäftigt zu sein. Was immer er hier macht, hat nichts mit mir zu tun. Ich könnte ebenso gut vor mich hin pfeifen und Däumchen drehen.
»Sind Sie wegen Ihrer neuen Mitarbeiter hier? Ich bin tatsächlich gerade damit fertig, die Zuteilungen zu verkünden.«
»Gut, dann sammle ich sie gleich ein«, sagt er. Seine Stimme klingt sexy, nicht zu kräftig, nicht zu hoch. Dieses perfekte übermütige Dazwischen. »Ich brauche Kendra Crane und Scarlett Elwood.«
Mein Name auf seinen Lippen ist ein derartiger Schock, dass ich auf meinem Stuhl erstarre. Er hat doch gerade ganz sicher nicht mich genannt. Scarlett. Ich muss mich verhört haben. Verneinend schüttle ich den Kopf.
Genau wie Bethany. »Ich widerspreche Ihnen nur ungern …« Sie blickt wieder auf ihr Memo. »Ich habe hier stehen, dass Sie Kendra Crane und Eli Little haben. Scarlett Elwood gehört zu Amayas Team.«
Zum ersten Mal gleitet Hudsons Blick weg von Bethany und durch den Raum, ungeduldig suchend, bis er mich sieht und erstarrt. Laserstrahlen wären weniger intensiv als sein unbewegter Blick. Ich schmelze auf meinem Stuhl dahin. Nicht lange und meine Hose wird mit dem Metall verschmolzen sein.
»Tatsächlich gehört sie zu meinem Team.«
Uff, diese Stimme. Ich würde erzittern, wäre ich nicht gerade so konzentriert auf meinen bevorstehenden Untergang!
Ich bin bei ihm? Hudson Rhodes?
Nein, nein, nein. Mein Bruder hat mir drei Weisungen mit auf den Weg gegeben, und diese schien die wichtigste zu sein. Das darf ich nicht vermasseln.
»Ich glaube, Sie irren sich«, sage ich kleinlaut.
Perfekt. Wenn man schon mit dem Teufel redet, sollte man wirklich so aussehen, als hätte man die Hosen voll, damit er gleich weiß, dass er einen mit Füßen treten kann.
O Mann. Noch besser hätte ich das gar nicht hinkriegen können.
Er mustert mich – von oben bis unten –, als wolle er feststellen, ob ich alle Körperteile und ein funktionierendes Gehirn habe, denn wieso sonst hätte ich eine so absurde Bemerkung machen sollen? Dann erscheinen Fältchen in seinen Augenwinkeln, als er die Augen verengt, ein sadistisches kleines Lächeln sehen lässt und den Kopf schüttelt. »Ich irre mich nicht. Sie sind bei mir.«
Scarlett
Kendra schießt mit einem aufgesetzten Lächeln von ihrem Stuhl hoch. Schockiert erkenne ich, dass sie ein Winzling ist. Ich bin einen Meter siebzig groß – nicht gerade eine Riesin –, aber trotzdem möchte ich wetten, dass Kendra mir kaum bis an die Schulter reicht.
»Mr Rhodes, es ist mir eine absolute Ehre«, sagt sie und eilt mit ausgestreckter Hand auf ihn zu.
Ach wirklich? Sag die Wahrheit, Kendra. Keine zwei Minuten zuvor hast du noch darum gebettelt, von ihm befreit zu werden.
Ich verdrehe die Augen, und Hudson bemerkt es. Na toll.
»Kommen Sie, Ms Elwood, oder soll ich Ihnen eine Extraeinladung schicken?«
Selbstgefälliger Mistkerl.
Ich stehe auf, nehme meine Tasche und bin mir dessen bewusst, dass aller Augen auf mich gerichtet sind, als ich um den Konferenztisch herum nach vorn gehe. Meine Wangen glühen knallrot. Mein Zorn und meine Entrüstung brodeln direkt unter der Oberfläche. Meine Mom hatte immer ein gewisses Temperament, und leider fällt der Apfel nicht weit vom Stamm.
»Arsch.«
Mir entgeht nicht, dass jede einzelne Person im Raum scharf Luft holt. Bethany gibt tatsächlich ein Stöhnen von sich.
Mein neuer Boss starrt mich an, als sei er noch nie in seinem Leben so gelangweilt gewesen. »Sind Sie fertig?«
Ich bleibe absolut still und bereue auf der Stelle meinen impulsiven Ausbruch.
Ohne ein weiteres Wort dreht er sich um und geht. Wir sollen ihm ganz offensichtlich folgen.