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Maddie ist eine Meisterin darin, ihre Gefühle zu verbergen. Niemals würde sie zugeben, dass sie schon lange in ihren besten Freund Aiden verliebt ist. Ihre Freundschaft schien unerschütterlich – bis Maddie einen verrückten Plan schmiedet und Aiden als ihren Fake-Freund einspannt. Nur eine harmlose Notlüge zwischen guten Freunden, oder nicht?
Denn als Aiden die Abmachung über Bord wirft und sie mit einem leidenschaftlichen Kuss überrascht, gerät alles aus den Fugen.
Plötzlich steht Maddie vor der Frage: Kann ihre Freundschaft jemals wieder so sein wie zuvor - trotz ihrer Gefühle für Aiden? Oder hat sie alles kaputt gemacht und ihren besten Freund für immer verloren?
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Seitenzahl: 391
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Maddie ist eine Meisterin darin, ihre Gefühle zu verbergen. Niemals würde sie zugeben, dass sie schon lange in ihren besten Freund Aiden verliebt ist. Ihre Freundschaft schien unerschütterlich – bis Maddie einen verrückten Plan schmiedet und Aiden als ihren Fake-Freund einspannt. Nur eine harmlose Notlüge zwischen guten Freunden, oder nicht?
Denn als Aiden die Abmachung über Bord wirft und sie mit einem leidenschaftlichen Kuss überrascht, gerät alles aus den Fugen.
Plötzlich steht Maddie vor der Frage: Kann ihre Freundschaft jemals wieder so sein wie zuvor - trotz ihrer Gefühle für Aiden? Oder hat sie alles kaputt gemacht und ihren besten Freund für immer verloren?
R. S. Grey ist eine US-amerikanische Schriftstellerin. Mit ihren erfolgreichen Romanen steht sie regelmäßig auf der USA Today Bestsellerliste. Die Autorin lebt mit ihrer Familie und ihren zwei Hunden in Texas.
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R.S. Grey
Date me like you mean it
Aus dem Amerikanischen von Anne Morgenrau
Cover
Titel
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Titelinformationen
Grußwort
Informationen zum Buch
Newsletter
Teil eins
Kapitel eins — Maddie
Kapitel zwei — Maddie
Kapitel drei — Maddie
Kapitel vier — Maddie
Kapitel fünf — Maddie
Kapitel sechs — Maddie
Kapitel sieben — Maddie
Kapitel acht — Maddie
Kapitel neun — Maddie
Kapitel zehn — Maddie
Teil zwei
Kapitel elf — Aiden
Kapitel zwölf — Maddie
Kapitel dreizehn — Aiden
Kapitel vierzehn — Aiden
Kapitel fünfzehn — Maddie
Kapitel sechzehn — Aiden
Kapitel siebzehn — Maddie
Kapitel achtzehn — Maddie
Kapitel neunzehn — Aiden
Kapitel zwanzig — Maddie
Kapitel einundzwanzig — Maddie
Kapitel zweiundzwanzig — Maddie
Kapitel dreiundzwanzig — Aiden
Kapitel vierundzwanzig — Maddie
EPILOG — Maddie
Impressum
Lust auf more?
Maddie
O nein, ich habe schon wieder eine in die Wohnung gelassen.
Er wird mich umbringen.
Diese hier hat es sich inzwischen auf unserer Couch bequem gemacht. Ich habe ihr Mac & Cheese gekocht, vor allem weil ich selbst Lust darauf hatte, und jetzt schaufelt sie das Zeug in sich hinein und weint. Sie bleibt länger als erwartet und schluchzt so laut, dass ich von der Sendung im Hintergrund kaum etwas mitbekomme.
Ich stelle den Fernseher ein bisschen lauter.
»Und dann … hat er mich einfach nicht mehr angerufen«, jammert sie.
Mit übertriebener Bestürzung antworte ich in hohem Falsett: »Was?! O nein! Im Ernst?«
Meine Stimme überschlägt sich fast, sodass ich schon befürchte, es zu übertreiben, aber sie bemerkt es gar nicht. Im Vergleich zu den anderen Mädels ist diese hier ziemlich egozentrisch.
»Ich verstehe es nicht. Ich dachte, wir wären füreinander bestimmt. Es gibt da diesen Song von Taylor Swift, der Text ist einfach perfekt für uns.«
Oh, das interessiert mich. Einen Moment lang vergesse ich die Sitcom im Fernsehen und frage: »Welchen Song meinst du?«
»Lover.«
Ich nehme mir vor, Aiden künftig bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit diesem Lied zu überfallen.
»Und wie lange ist die … äh … Trennung jetzt her?«, will ich wissen und frage mich, ob Aiden mir eine weitere Beziehung verschwiegen hat. In letzter Zeit verhält er sich seltsam, wenn es um die Details seines Liebeslebens geht. Seitdem ich seiner Mom von der Frau erzählt habe, die im Hochzeitskleid vor unserer Tür stand in der Hoffnung, ihn zurückzugewinnen, beschränkt er sich auf die nötigsten Informationen. Was einer der Gründe ist, warum ich diese Frau hereingelassen habe. Ich habe eine Schwäche für Insider-Infos …
»Na ja, ich schätze …« Sie blickt an die Zimmerdecke, als zähle sie im Geist die Tage ab. »Ungefähr ein halbes Jahr.«
»Oh. Das ist …«
Länger, als ich gedacht hätte.
Als sie unangekündigt, weinend und zerzaust vor unserer Wohnung auftauchte, nahm ich an, dass Aiden sich vielleicht gestern oder vorgestern von ihr getrennt hatte. Oder vor einer Woche. Höchstens.
Sie stellt ihre Schüssel Mac & Cheese auf den Couchtisch, dreht sich zu mir und durchbohrt mich mit ihrem Blick. Sie hat verblüffend blaue Augen. »Also, was meinst du?«, fragt sie und schnieft. »Glaubst du, ich kann ihn zurückerobern?«
Ich knabbere an meiner Unterlippe, denn dies ist der Teil, den ich hasse.
Könnte ich dieser Frau helfen, Aiden zurückzuerobern? Absolut. Ich glaube, niemand kennt ihn besser als ich. In den zwei Jahren, die wir jetzt zusammenwohnen, habe ich seine Lebens- und Paarungsgewohnheiten mit dem laserscharfen Blick einer Zoologin studiert. Ich weiß, was er am liebsten isst (Sloppy Joes), kenne seine Lieblingsserie (Lass es, Larry!), sein Lieblingsärgernis (Leute, die im Supermarkt ihren Einkaufswagen nicht zurückschieben) und sein heimliches Laster (unter der Dusche Hits der 2000er-Jahre schmettern). It’s Britney, bitch.
Aber die entscheidende Frage lautet: Will ich ihr helfen?
An dieser Stelle wird es kompliziert.
Ich drehe mich zu ihr, und mein Blick sagt: Seien wir doch mal realistisch. »Keine Ahnung, ob die Sache zwischen euch beiden funktioniert.«
»Aber der Song …«
Um sie zum Schweigen zu bringen, hebe ich eine Hand, denn auf diese Leier habe ich keine Lust. »Ja, klar, klingt fast so, als könnte er gar nicht anders.«
In einem Taylor-Swift-Song findet praktisch jeder etwas, womit er sich identifizieren kann, aber das sage ich ihr nicht.
Behutsam leite ich zum nächsten Teil des Gesprächs über. »Ich finde, du solltest die Hoffnung nicht aufgeben, aber ob ihr eine Zukunft habt, kann dir nur Aiden selbst sagen.«
Sie schnieft wieder und nickt, wischt sich ein paar Tränen von den perfekt geformten Wangenknochen. Ich glaube, sie ist ein Model. Die scheint Aiden anzuziehen wie ein Magnet.
»Also, was kann ich für dich tun?«, frage ich und schenke ihr ein schwaches Lächeln.
Sie schüttelt den Kopf, als wüsste sie nicht recht, was sie antworten soll. »Ich habe einfach das Gefühl, dass die Sache zwischen uns noch nicht richtig abgeschlossen ist.«
»Abgeschlossen«, wiederhole ich und nicke verständnisvoll. »Natürlich.«
Jetzt schlage ich ihr die perfekte Lösung vor. Nicht, dass ich von selbst darauf gekommen wäre. Zum ersten Mal passierte es, als letztes Jahr eine Frau hier auftauchte, die Aiden zu treffen hoffte, stattdessen aber mir begegnete. Nach einigen Stunden Reden (nur sie) flehte sie mich an, ihr ein T-Shirt von ihm zu geben. Sie wollte einfach nicht gehen, und ich fühlte mich hilflos. Was hätte ich also tun sollen?
Na ja, die Neue von heute nimmt stattdessen sein Kopfkissen.
Später an diesem Abend liege ich mit Kopfhörern auf den Ohren im Bett und schaue mir ein koreanisches Drama an.
»Maddie!«, ruft Aiden wie üblich, als er vor meinem Zimmer steht. Er klopft nicht an, sondern stößt die Tür einfach auf und lehnt sich mit seinen eins neunzig plus an den Rahmen.
»Oh, dir auch einen guten Abend!«, zwitschere ich zuckersüß und leicht nervös.
Mein Lächeln wird nicht erwidert. Seine Kiefermuskeln zucken. Seine feinen Züge haben nichts Weiches an sich, jedenfalls nicht in diesem Moment.
»War Kelly heute hier?« Er verengt die Augen, als wolle er anhand meiner nächsten Worte einschätzen, ob ich schuldig bin oder nicht.
Ich täusche Gedächtnisverlust vor. »Kelly?«
Ich hebe den Zeigefinger und tue so, als ginge ich im Geist eine Rotationskartei mit all meinen Bekannten durch, könnte bei K aber niemanden finden.
Er kauft mir die Nummer nicht ab.
»Ja. Kelly. Sie hat angerufen und mir eine Nachricht hinterlassen. Sie war heute hier, hat sie gesagt, und sie findet, ich sollte ihr noch eine Chance geben. Was du angeblich genauso siehst.«
Mein Mund öffnet und schließt sich, als wäre ich ein Fisch in einem zu kleinen Becken.
Erwischt.
Aus dieser Nummer komme ich nicht mehr raus, zumal er gleich in sein Zimmer gehen und feststellen wird, dass sein Kissen verschwunden ist.
»Sie war total nett«, sage ich in flehendem Ton.
Aiden fährt sich mit einer Hand in die schwarzen Haare. Dann ballt er die Faust und zieht an den Strähnen, als müsste er sich zusammenreißen, um mich nicht zu erwürgen. Als er wieder loslässt, stehen ihm die kurzen Haare zu allen Seiten vom Kopf ab.
»Ich habe dir doch gesagt, dass du keine mehr reinlassen sollst.«
Ich rapple mich im Bett auf, komme auf die Knie. »Ich kann nicht anders! Sie tun mir einfach leid!«
»Das müssen sie aber nicht!«
Worte eines Herzensbrechers.
»Diese Frauen erinnern mich an ausgesetzte Welpen auf der Suche nach einem guten Zuhause … Ich kann sie doch nicht einfach wegschicken!«
Er legt den Kopf schief, aber sein Zorn ist noch längst nicht verraucht.
»Maddie«, sagt er.
Himmel, ich liebe die Art, wie mein Name aus seinem Mund klingt, aber ich zwinge mich zur Konzentration.
»Ich meine es ernst!«, bekräftige ich und hebe beide Arme, um meinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Du hast ja keine Ahnung, wie es ist, wenn mal wieder eine Frau so traurig und verzweifelt hier vor der Tür steht.«
Aiden dreht sich um, stapft den Flur entlang. Bald wird er sein Zimmer betreten und einen leeren Fleck an der Stelle entdecken, an der sein Kopfkissen liegen sollte.
»Ich habe Makkaroni gemacht!«, rufe ich ihm nach in der Hoffnung, ihn noch eine Weile ablenken zu können.
Es funktioniert nicht.
Nach kurzem Schweigen öffnet sich quietschend die Tür, dann ruft er: »Wo ist mein gottverdammtes Kissen?«
Okay, ich verstehe ihn ja. Die Sache mit dem Kissen geht vielleicht doch ein bisschen zu weit. Ein T-Shirt war noch verständlich, aber ein Kissen … das ist ein bisschen irre.
Wird sie jede Nacht darauf schlafen? Ich meine, ich kann den Drang ja verstehen, wahrscheinlich riecht es nach ihm. Wäre ich eine seiner Ex-Freundinnen, würde ich auch ein Kissen von Aiden haben wollen. Aber ich bin nicht seine Ex. Ich bin Maddie, seine gute Freundin. Seine Mitbewohnerin.
Stapf, stapf, stapf. Er ist wirklich sehr groß, und wenn er so frustriert ist wie jetzt, legt er sein ganzes Gewicht in jeden einzelnen Schritt.
Wenige Sekunden später platzt er erneut in mein Zimmer und reißt mir mein eigenes Kissen unter dem Hintern weg, sodass ich zur Seite kippe. Ohne ein Wort klemmt er sich das Ding unter den Arm und geht fort.
»Das ist mein Lieblingskissen!«, rufe ich ihm hinterher.
Es ist weich, aber nicht zu weich.
»Du Arme!«, brüllt er zurück.
Okay, offenbar ist er stinksauer auf mich und will, dass ich es weiß.
Ich warte eine Minute, damit er sich beruhigen kann, dann schleiche ich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer, denn ich habe Angst, dass er mir hinter der Ecke auflauert. Ich finde ihn in der Küche. Er hält den Nudeltopf in der Hand und schaufelt sich mit dem Holzlöffel Makkaroni in den Mund, mein Kissen immer noch fest unter den Arm geklemmt. Er ist zu clever, um es aus den Augen zu lassen, denn natürlich hatte ich vor, es ihm gleich wieder abzunehmen. Stattdessen muss ich nun mit ihm verhandeln.
»Ich schlage dir einen Tausch vor: dieses Kissen gegen ein anderes von mir. Ich habe ein sehr schönes, festes, da steht praktisch dein Name drauf.«
»Nein.«
Na schön.
Weil ich noch Hunger habe, hole ich einen Löffel aus der Besteckschublade und nähere mich Aiden, doch bevor ich mir etwas nehmen kann, befördert er den Topf außerhalb meiner Reichweite. Definitiv ein weiterer Versuch, mich zu bestrafen.
Ich stoße ihm den Löffel zwischen die Rippen, und er gibt nach, senkt den Topf gerade so weit, dass ich zugreifen kann.
»Du glaubst also nicht, dass ihr beide wieder zusammenkommt?«, frage ich und schiebe mir einen Löffel Nudeln mit extra viel Käse in den Mund.
»Auf keinen Fall. Wir sind seit Monaten getrennt, und ich habe überhaupt nicht mehr an sie gedacht.«
Autsch.
»Sie scheint ziemlich an dir zu hängen.«
Er gibt ein gleichgültiges Brummen von sich. Aiden gehört zu der seltenen Sorte Mann, die Frauen dazu bringt, noch Monate später vor seiner Tür aufzutauchen; die Sorte Traummann, bei der du zusammenzuckst, wenn du ihn anschaust. Dabei ist er nicht mal schön. Es ist wichtig, das klarzustellen. Er hat ein kantiges Kinn, dichte dunkle Brauen und ein schiefes Lächeln.
Unsere Blicke begegnen sich, und er mustert mich durchdringend mit seinen moosgrünen Augen.
»Immer noch sauer?«, frage ich zögernd und verziehe den Mund zu einem halben Lächeln.
»Schon möglich«, sagt er und registriert kurz mein Lächeln, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder seinem Abendessen zuwendet.
Ich weiß, dass ich ihn schon bald wieder für mich einnehmen werde. Er kann mir nicht lange böse sein. Es ist eine meiner Superkräfte: das Biest zähmen.
Das erste Mal begegnete ich Aiden vor etwas mehr als zwei Jahren bei der Stellprobe für die Hochzeit meiner Schwester. Er kam zu spät. Die restlichen Gäste und ich standen bereits an unseren Plätzen vorn in der Kirche und hörten dem Pfarrer zu, der den Ablauf mit uns durchging. Zugegeben, ich war ein bisschen weggetreten, weil ich eine Skulptur anstarrte, die Jesus mit knallharten Bauchmuskeln darstellte, da öffnete sich das Kirchenportal. Den Sonnenuntergang im Rücken, kam Aiden herein und stahl augenblicklich das Herz jeder Frau im Raum.
Er eilte den Gang entlang, entschuldigte sich für die Verspätung – der Flieger! – und blieb nur stehen, um seine Mom auf die Wange zu küssen, ehe er die Treppe hinaufstieg und sich an seinen Platz neben dem Altar begab, mir gegenüber.
Darren, mein Begleiter, hatte die Stellung für ihn gehalten, und als sie die Plätze tauschten, war unbeholfenes Stühlerücken zu hören. Ich starrte Aiden mit offenem Mund an. Eine Sekunde lang führte mich meine Fantasie in die Irre, denn ich malte mir aus, er und ich stünden als Braut und Bräutigam dort oben, um uns trauen zu lassen.
Mein Herz fing vor Aufregung an zu rasen. Meine anderen Organe genossen das Märchen genauso sehr und spielten ebenfalls verrückt. Ich schwitzte, atmete schwer, und es dauerte beschämend lange, bis ich meinen Sinn für die Realität wiedererlangte. Er war nicht der Bräutigam, sondern der Trauzeuge, und ich war nicht die Braut, sondern die Trauzeugin. Ich war mit jemandem zusammen, und dieser Jemand war nicht Aiden. Nicht mal ansatzweise.
Aidens Bruder, James, zog ihn wegen der Verspätung auf, dann deutete er mit dem Kinn in meine Richtung. »Ihr werdet euch später noch offiziell vorgestellt, aber das hier ist Maddie, deine Partnerin.«
Partnerin!
Aidens Blick schweifte zu mir, und ich fiel in Ohnmacht, jedenfalls fast.
Meine Knie bebten, als wollten sie unter mir nachgeben. Ich presste sie zusammen und winkte Aiden zaghaft zu.
Er nickte, lächelte aber nicht, dann richtete er den Blick auf den Pfarrer, als wollte er die Aufmerksamkeit von sich selbst ablenken.
Allerdings war es unmöglich, meine Aufmerksamkeit von ihm abzulenken. Ich verrenkte mir fast die Augen bei dem Versuch, eins auf den Pfarrer und das andere gleichzeitig auf Aiden zu richten.
Ich konnte nicht anders.
Er war … nun, um es kurz zu machen: Er war unglaublich heiß.
Ich hatte angenommen, er würde ein Doppelgänger des Bräutigams meiner Schwester sein – Brüder neigen nun mal dazu, einander zu ähneln –, aber nein. Nein, nein und nochmals nein. Aiden und James hatten nicht die geringste Ähnlichkeit miteinander. Die beiden zu vergleichen, hieße, altes, schimmeliges Brot mit Brötchen frisch aus dem Ofen zu vergleichen. Klar, streng genommen ist beides miteinander verwandt. Aber irgendwie auch wieder nicht.
Versteht mich nicht falsch, James ist super. Sogar attraktiv, aber eben auf diese adrette Art, wie sie für Anwälte typisch ist. Er trägt gern Poloshirts und gebügelte Khakishorts. Er ist der Typ Mann, der schon als Twen für achtundfünfzig durchgeht.
Es ist, als hätte jemand den Eimer mit den heißen Genen knapp an James vorbei über Aiden ausgegossen.
Hör auf, ihn anzustarren, ermahnte ich mich selbst halbherzig.
Doch es war zwecklos. Seine Gesichtszüge passten auf eine Art zusammen, die meine Aufmerksamkeit fesselte. Ich wollte sie auseinandernehmen und unter dem Mikroskop betrachten, um zu ergründen, warum er so verboten heiß aussah. Er war nicht perfekt, das nicht. Aber er hatte diese grünen Augen, die so hell waren, dass man sie nicht übersehen konnte, zumal sie sich deutlich von seiner gebräunten Haut und den dunklen Brauen abhoben. Seine schwarzen Haare saßen nicht perfekt wie die von James. Sie waren leicht zerzaust und brauchten dringend einen Schnitt. Sein Hemd war zerknittert – wahrscheinlich vom Flug –, und er trug Jeans, während alle anderen in Anzug und Krawatte erschienen waren.
Ich war so sehr damit beschäftigt, ihn in mundgerechte Stücke zu zerteilen, dass mir das Ende der Probe entging, bei dem wir dem Brautpaar den Gang entlang folgen und den Abgang vom Altar üben sollten.
Aiden begab sich in die Mitte des Gangs und winkelte den Ellbogen an, damit ich mich unterhaken konnte. Was ich auch tat … nach einer langen, peinlichen Pause. Oha, stimmt, das war mein Stichwort.
Ich lachte gezwungen, und seine Augen wurden schmal, als fragte er sich, von welchem Planeten ich wohl stammen mochte.
»Hi, ich bin Maddie«, stellte ich mich ihm ein zweites Mal vor, als wir uns in Bewegung setzten.
Aiden war so groß, dass er uns in null Komma nichts über den Gang hätte führen können, aber um mir ein wenig Zeit zu lassen, verlangsamte er den Schritt.
»Ich bin Jolies Schwester«, fuhr ich fort.
»Das sehe ich.«
Aha.
Anders als sonst üblich hätten meine Schwester und ich an jenem Tag als Zwillinge durchgehen können. Meine Mutter hatte Friseur- und Kosmetiktermine im Sweet Magnolia für uns gebucht, einem piekfeinen Salon. Dort hatten sie mir Locken in die langen blonden Haare gezaubert und sie so hoch aufgetürmt, als sollten sie an das Dach der Kirche heranreichen. Mein Make-up war anfangs dezent und geschmackvoll gewesen. Sanfte Brauntöne betonten meine Augen, aber mit falschen Wimpern und zig Schichten Lippenstift wirkte mein Gesicht am Ende so steif und erstarrt, als wäre ich aus einem Wachsfigurenkabinett geflohen. Noch im Salon hatte ich scherzhaft zu meiner Mutter gesagt, ich würde schwarzen Eyeliner und Glitzer hinzufügen, woraufhin sie beinahe einen Herzinfarkt bekam.
»Bitte, Madison, sei lieb«, sagte sie, die Hände gefaltet wie zum Gebet. »Nur für einen Tag.«
Und da stand ich nun in meinem kitschig rosafarbenen Ungetüm von einem Kleid.
Auch das Kleid war ein Geschenk meiner Mutter. Sie hatte es extra für mich anfertigen lassen, damit mein Outfit zu ihrem und dem meiner Schwester passte.
Vor lauter Tüll und Seide konnte ich mich in diesem Kleid kaum rühren.
»Zuckerwatte«, sagte Aiden und holte mich wieder in die Realität zurück.
Verwirrt runzelte ich die Stirn. »Was?«
»Die Farbe deines Kleides.«
Meine Wangen färbten sich leuchtend rot, das spürte ich. »Ja, ist schwierig, in so einem Kleid nicht aufzufallen.«
Aiden sah mir ins Gesicht, aber er sagte nichts mehr, denn wir hatten bereits das Ende des Gangs erreicht. Er blieb stehen, ließ meinen Arm los und bedachte mich mit der Andeutung eines Lächelns, ehe er sich zu seiner Familie gesellte. Sie nahm ihn in ihre Mitte; sein Vater legte ihm einen Arm um die Schultern, und seine Mutter strahlte ihn voller Stolz an.
Währenddessen machte mein eigener Vater mit dem extra großen Teleskopobjektiv, das er auf seine Hochleistungskamera gesetzt hatte, Fotos von mir und versuchte gleichzeitig, nicht zum fünften Mal an diesem Tag in Tränen auszubrechen.
»Ich kann einfach nicht glauben, dass mein kleines Mädchen heiratet«, sagte er und klang, als stünde er kurz vor dem nächsten Nervenzusammenbruch.
Klick, klick. Das Objektiv öffnete und schloss sich wieder.
»Reiß dich zusammen, Peter«, sagte meine Mutter und stöhnte. »Jolie zuliebe müssen wir stark sein.«
Aber auch sie schien den Tränen nah zu sein.
Sie kam auf mich zugestürmt, fummelte an meinem Kleid herum und versuchte, die Blume zu richten, die in der Herzgegend auf die Corsage genäht war.
»Ich glaube nicht, dass sie so flach liegen bleibt«, sagte ich.
Meine Mutter schnalzte mit der Zunge, als wäre sie verärgert, weil ich nicht an ihre mütterlichen Fähigkeiten glaubte, und holte eine Stecknadel aus ihrer Clutch. Sie steckte die Nadel in mein Kleid (wobei sie auch meine Haut erwischte) und ignorierte meine Schmerzenslaute, während sie der Stoffblüte ihren Willen aufzwang.
»Na also, perfekt. Und jetzt steh nicht so krumm da.« Ich stellte mich noch krummer hin, und sie verdrehte die Augen. »Du warst immer schon eine kleine Rebellin.«
Wohl kaum.
Das Probedinner nach der Kirche war schön. Natürlich war es das. Meine Mutter hatte bei den Planungen geholfen, und sie hatte immer schon Partys ausgerichtet, als müsste sie sich auf eine große, traditionelle Südstaatenhochzeit vorbereiten. Als Stammgast bei gesellschaftlichen Events in Highland Park war sie für Momente wie diesen praktisch geschaffen.
Zu meinem Pech bekam ich beim Dinner keine Gelegenheit mehr zu einem vertraulichen Gespräch mit Aiden, da wir von unseren jeweiligen Familien umgeben waren, die unsere Aufmerksamkeit komplett beanspruchten. Meine Verwandten stellten mir lästige Fragen.
Und, was hast du jetzt vor, da du mit dem College fertig bist?
Ich würde gern mit dem Rucksack nach Machu Picchu reisen.
Schon Pläne, eine Familie zu gründen?
Keine Ahnung … Ich bin erst einundzwanzig.
Was meinst du, wirst du einmal Kinder haben?
Was? Ihr wisst schon, dass nicht ich diejenige bin, die heute heiratet, oder?
Dann war es Zeit für die Reden. James und Jolie – (ja, ich weiß, meine Mutter bekam fast Herzrasen angesichts all der möglichen Monogramme mit Alliterationen) – hatten die Familie gebeten, ihre Reden lieber beim Probedinner und nicht auf dem Hochzeitsempfang zu halten. Als alle saßen, schob ich daher meinen Stuhl zurück, hob meine Champagnerflöte und klopfte sachte mit einem Buttermesser dagegen. Mich als nervös zu bezeichnen, wäre untertrieben gewesen, und das war, bevor ich das Glas mit dem Messer zerbrochen und mich selbst mit Blubberwasser übergossen hatte.
Alle, wirklich alle hielten vor Entsetzen die Luft an, während ich mir den Champagner vom Kleid tupfte.
»Tja, diese Probe war wohl eine gute Idee«, witzelte ich. »Morgen bei der Hochzeit werde ich bestimmt daran denken, das Glas nur leicht anzutippen, bevor ich meine Rede halte.«
Alle lachten, während ein Bediensteter herbeieilte, um das Chaos zu beseitigen. In diesem Moment begegnete ich Aidens Blick durch den kleinen Raum im Dallas Country Club hindurch. Er lächelte, wenn auch kaum merklich. Nur sein rechter Mundwinkel war leicht nach oben gezogen, was mir verriet, dass er sich über mein Missgeschick nicht amüsierte, sondern Mitgefühl empfand. Die Intimität dieses Blicks jagte mir einen Schauer über den Rücken.
An meine Rede kurz darauf kann ich mich kaum noch erinnern. Es war eine Mischung aus peinlichen und rührenden Geschichten aus meiner Kindheit, in denen Jolie die Rolle der perfekten – wirklich perfekten – großen Schwester spielte, gepaart mit deutlichen Warnungen, um James klarzumachen, worauf er sich da einließ. Wie meine Mutter kann auch Jolie ziemlich speziell sein. Seit ihrem vierzehnten Lebensjahr hat sie sich nicht mehr ohne vollständiges Make-up in der Öffentlichkeit gezeigt. Die Namen ihrer zukünftigen Kinder weiß sie schon, solange ich denken kann. Sie verziert alles Mögliche mit einem Band oder einer Schleife, besteht auf einem Kranz an jeder Tür und einer Blume in jeder Vase. Tatsächlich bin ich mir fast sicher, dass sie bei dem Probedinner nicht wegen meiner rührenden Ansprache geweint hat, sondern weil von meinem Schampus auch ein paar Spritzer auf den von unserer Großmutter geerbten Leinen-Tischdecken gelandet waren.
Abgesehen davon … wie auch immer meine Rede war, Aiden hat sie getoppt.
Als wir danach auf das Brautpaar anstießen, stand er auf, nahm sein Buttermesser, tat so, als wollte er damit an seine Champagnerflöte klopfen, hielt nachdenklich inne und legte das Messer wieder auf den Tisch. Alle lachten, mich eingeschlossen. Dann – und diese Geste werde ich mein Leben lang nicht vergessen – zwinkerte er mir vom anderen Ende des Raumes aus zu. Erst dann wandte er sich wieder an seinen Bruder.
Während dieser Rede verliebte ich mich in Aiden, was ziemlich unangemessen war angesichts der Tatsache, dass an jenem Abend Darren neben mir saß. Aber ich versuche, mich nicht allzu sehr damit zu quälen. So schockierend ist es nun auch wieder nicht. Aiden ist Journalist (was ich damals nicht wusste); wenn also bei diesem Probedinner jemand spontan eine lustige, ergreifende Rede halten konnte, dann er. Er erzählte, dass er und James einst in den Wäldern wandern waren. Aiden hatte sich beim Klettern den Knöchel verstaucht, und James musste ihn zum Wagen zurücktragen, aber da Aiden sehr viel größer ist, hatte James seine liebe Mühe, sodass er schließlich hinfiel und sich ebenfalls den Knöchel verstauchte. Sie waren zum Auto gehumpelt und hatten sich geschworen, nie wieder wandern zu gehen. Die Zuhörer lachten Tränen. Ich glaube, irgendwann versuchte Darren, meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, aber ich habe seine Hand weggeschoben.
Ich muss zugeben, dass Aiden und ich an jenem Wochenende sehr wenig miteinander zu tun hatten. Okay, am nächsten Tag traten wir zusammen vor den Altar (er sah in seinem schwarzen Anzug absolut hinreißend aus) und posierten mit dem Rest seiner Familie für den Fotografen. Aber es ist nicht so, dass wir uns bei einem Glas Bowle auf dem Empfang angeregt unterhalten hätten. Schließlich musste ich Darren ein Minimum an Aufmerksamkeit schenken, und Aiden wurde von Frauen geradezu belagert. Während des Empfangs ertappte ich mich dabei, dass ich in der Menge nach ihm Ausschau hielt, weil ich wissen wollte, was er machte und mit wem er sprach. Ich hatte immerhin genug Informationen über ihn gesammelt, um zu wissen, dass er ein paar Jahre älter als ich und Single war, aber ich war neugierig auf mehr Details.
Nachdem das Abendessen serviert worden war, kam die Hochzeitsplanerin zu mir und sagte leise: »Wenn Jolie und James ihren ersten Tanz beendet haben, wird der DJ die Gäste auffordern, sich zu ihnen auf die Tanzfläche zu gesellen. Ich würde mich freuen, wenn Sie und Aiden den Anfang machen.«
»Aber …«
Ich schaute Darren an, und sie folgte meinen Blick. »Sie haben doch nichts dagegen, oder?«, fragte sie meinen Begleiter mit einem liebenswürdigen Lächeln.
Darren schüttelte energisch den Kopf. »Überhaupt nicht.«
Ich blickte zu Aiden hinüber, den ich einige Minuten zuvor in dem Saal lokalisiert hatte, und stellte überrascht fest, dass er in meine Richtung schaute. Als unsere Blicke sich trafen, zuckte er mit den Schultern, als wollte er sagen: Ich bin zu allen Schandtaten bereit.
Danach bekam ich keinen Bissen mehr hinunter.
Tanzen?!
Konnte ich das überhaupt?!
»Und jetzt wollen wir unser frisch vermähltes Paar auf der Tanzfläche sehen!«, verkündete der DJ kurze Zeit später über den Lautsprecher, woraufhin ich nach einer braunen Papiertüte suchte, in die ich würgen könnte.
Es war das Zeichen für meinen Einsatz. Ich würde mit Aiden tanzen und die Coole spielen müssen.
»Alles okay?«, fragte Darren, der offenbar spürte, dass ich kurz vorm Durchdrehen war. Er machte Anstalten, meine Hand zu nehmen, um mich zu beruhigen, aber ich zog sie gerade noch rechtzeitig zurück.
»Ja, alles okay«, kiekste ich und wischte mir die feuchten Hände an meinem Designerkleid ab.
Fieberhaft suchte ich nach Themen, über die ich mit Aiden beim Tanzen sprechen könnte.
Was hast du zum Dinner gegessen? Das Händchen oder den Fisch? Händchen?! O mein Gott. Nein, ich esse keine Hände, ich schwöre. Ich meinte Hähnchen. Hattest du das Hähnchen oder den Fisch?
Nicht mal in Gedanken war ich cool.
Dass Aiden im Begriff war, mich abzuholen, bemerkte ich erst, als er mich an der Schulter berührte.
»Maddie? Bist du bereit?«
Ich fuhr von meinem Stuhl hoch, und mein Ellbogen kollidierte mit Darrens Nase, die sofort zu bluten begann; er musste zur Toilette rennen, um seinen Anzug nicht schmutzig zu machen.
»Mist!«, fluchte ich leise.
»Alles in Ordnung mit Ihrem Begleiter?«, fragte jemand.
»Oh, ja, es geht ihm gut«, behauptete ich, denn ich wollte den Tanz mit Aiden nicht aufs Spiel setzen.
Ich riskierte einen Blick in seine Richtung und stellte fest, dass er mich wie am Abend zuvor anlächelte, als wäre ich der lustigste Mensch in dem Saal. »Erst das Champagnerglas und jetzt die Nase deines Dates … Du bist ja richtig gefährlich.«
Ich wurde blass. »Du musst nicht mit mir tanzen, wenn du nicht willst.«
»Ist okay. Na komm, ich kann schon auf mich aufpassen.«
Also stand ich auf und ließ mich von ihm zur Tanzfläche führen. »Sorry, normalerweise bin ich selbstsicherer als an diesem Wochenende.«
»Natürlich bist du das. Etwas anderes hatte ich auch nicht erwartet«, sagte er und ließ den Blick über mein Kleid schweifen.
»Wie meinst du das?«, fragte ich stirnrunzelnd.
»Na ja, eine Frau wie du aus Highland Park … Du hattest doch sicher seit dem achten Lebensjahr Benimmunterricht. Ich wette, anmutiges Gehen hast du mit einem Stapel Bücher auf dem Kopf gelernt.«
»Oh, meine Mutter hat bereits mit fünf gelernt, wie man sich bei einem offiziellen Dinner benimmt, nicht erst mit sieben. Solltest du dich jemals bei einem Staatsbankett fragen, welche Gabel du benutzen sollst: Für so was bin ich genau die Richtige.«
Er lachte und schüttelte den Kopf.
»Aber weißt du, ich bin mehr als nur das«, fügte ich rasch hinzu.
Er sah mich schweigend an und wirkte, als glaubte er mir aufs Wort.
Als wir uns der Tanzfläche näherten, erblickte uns der DJ und bat die anwesenden Paare per Lautsprecher, sich ebenfalls zu dem Brautpaar zu gesellen. Ohne noch einmal um meine Zustimmung zu bitten, trat Aiden vor und nahm mich in die Arme.
Wir passten gut zusammen. Mit meinen knapp eins siebzig fühlte ich mich von ihm immerhin nicht komplett in den Schatten gestellt.
Eine Hand legte er mir um die Taille, mit der anderen hielt er meine Hand. Mit selbstsicherer Anmut führte er mich über die Tanzfläche, fragte mich, ob ich mich drehen wolle, wirbelte mich herum, bis sich nur noch unsere Finger berührten, und fing mich wieder auf. Jauchzend bat ich ihn, die Drehung zu wiederholen. Er tat es, dann verfielen wir wieder in den Grundschritt. Meine Brust streifte seine, und als ich den Kopf hob, trafen sich unsere Blicke.
Hatte auch er bemerkt, wie mühelos wir uns miteinander bewegten? Wie viel Spaß es machte?
Dann dachte ich an Darren, der sich auf der Herrentoilette gerade Papier in die Nase steckte, und riss mich zusammen.
Ich räusperte mich und fragte Aiden: »Was treibst du denn so im Leben?«
Er sagte, er sei Journalist.
»Tatsächlich? Das ist großartig.«
Er lächelte ironisch. »Erzähl das meinen Eltern. Sie flehen mich ständig an, noch einmal zur Uni zu gehen und mir einen ›normalen‹ Job zu suchen.«
»Pfft. Was ist denn bitte schön ein normaler Job?«
»Vermutlich das, was James macht.«
Er deutete mit dem Kopf in die Richtung, in der James und meine Schwester miteinander tanzten. Sie bewegten sich langsam und sahen sich unentwegt in die Augen. Im Gegensatz zu den beiden hatten wir die Tanzfläche dank Aidens Führung bereits zweimal umrundet.
»Er beschäftigt sich mit Gesellschaftsrecht, nicht wahr? Wie langweilig«, sagte ich spöttisch.
Aiden musterte mich lächelnd. »Ich glaube, ich habe dich gestern falsch eingeschätzt.«
»Ach ja?«
Er nickte, musterte mich noch immer. »Wahrscheinlich lag es an deinem Aussehen. Es hat mich sehr an deine Schwester erinnert.« Sein Lächeln verschwand, als wäre ihm gerade klar geworden, dass er mich möglicherweise gekränkt hatte. »Entschuldige, so habe ich es nicht gemeint. Mit deiner Schwester ist alles in Ordnung. Ich freue mich, dass sie und James sich gefunden haben.«
»Du musst dich nicht rechtfertigen«, sagte ich lächelnd in der Hoffnung, seine Schuldgefühle zu mildern. »Sagen wir, sie und meine Mutter sind sich sehr ähnlich, und es ist nur verständlich, dass du einen falschen Eindruck bekommen hast. Tatsächlich bin ich dieses Wochenende nicht ganz ich selbst. Diese Frisur und das Make-up … Das bin nicht wirklich ich.«
»Darf ich?«
Es war Darren, der nette Typ, mit dem ich mich seit zwei Monaten traf. Darren, für den ich schon vor Aidens Auftauchen nur lauwarme Gefühle aufgebracht hatte. Wie ernüchternd, mich aus Aidens Armen lösen zu müssen, um mich Darrens Führung anzuvertrauen. Warum war Aiden nur solch ein Gentleman? Hätte er Darren nicht mit Körperverletzung drohen und sich weigern können, mich loszulassen?
Der Rest des Abends war langweilig. Ich hätte schwören können, dass ich Aiden mit einem schönen Mädchen aus Jolies Collegezeit hatte fortgehen sehen, aber sicher war ich mir nicht. Danach aß ich zwei Stücke Kuchen, saß in der Ecke und hörte meiner Tante zu, die etwas von Verschwörungstheorien schwafelte, über die sie im Internet gelesen hatte.
Du solltest wirklich keine Mikrowelle benutzen! Und wenn du es doch tust, pass um Himmels willen auf, dass du auf der anderen Seite des Raums stehst. Diese Wellen zerstören das Gehirn.
Am Sonntagmorgen stand ich nach dem Abschiedsfrühstück vor dem Hotel und wartete auf Darren, der mit dem Wagen vorfahren wollte. Währenddessen überlegte ich, wie ich die Sache mit ihm möglichst behutsam beenden könnte. Nicht direkt wegen Aiden, sondern weil ich mir eine gemeinsame Zukunft mit ihm nicht vorstellen konnte.
Jemand rief nach mir, und als ich mich umdrehte, war ich überrascht, Aiden aus der Lobby kommen zu sehen. Er rollte seinen Koffer auf mich zu; seine große Gestalt verdeckte die Morgensonne.
»Geht’s gleich los?«, fragte er, als wären wir alte Freunde.
»Jep. Nach Hause.«
Ich war schrecklich aufgeregt, ihn wiederzusehen, vor allem, weil ich mich bereits mit der Alternative abgefunden hatte. Nun hatten wir noch eine Chance! Könnten wir vielleicht Freunde werden? Unsere Nummern austauschen? Uns für immer und ewig ineinander verlieben?
»Und wo ist zu Hause?«
»Hier, in Dallas. Obwohl ich nicht weiß, wie lange ich noch bleibe. Ich habe gerade meinen Abschluss an der TCU gemacht und bewerbe mich auf Jobs in Austin.«
Er zog die Brauen hoch. »Tatsächlich? Da wohne ich auch.«
»Echt?! Ist ja super.«
Er grinste. »Ja. Wenn du in die Stadt ziehst und eine Unterkunft brauchst, sag einfach Bescheid. Tatsächlich ist mein Mitbewohner gerade ausgezogen.«
Wenige Wochen später rief ich ihn an.
Maddie
Am Morgen nach dem Kissengate sitze ich an unserem Küchentisch, esse Cinnamon Toast Crunch und suche gerade den Ausweg aus dem Labyrinth auf der Rückseite der Müslipackung, da kommt Aiden mit nacktem Oberkörper aus seinem Zimmer. Ich hasse es.
Ich hasse es, seinen massiven männlichen Körper anschauen zu müssen. Ich möchte rufen: Schon gut, es reicht! Ich hab’s kapiert! Du hast BAUCHMUSKELN, Wahnsinn! Manche von uns haben keine, also hör auf, es mir immer wieder unter die Nase zu reiben.
Mein rosa Kissen klemmt unter seinem Arm.
Er trägt es demonstrativ mit sich herum, streut Salz in die Wunde.
»Gut geschlafen?«, frage ich.
»Wie ein Baby«, sagt er und kratzt sich im Nacken.
Gleich wird er sich rasieren gehen. Innerlich flehe ich ihn an, es sein zu lassen. Nur einen Tag lang. Mir zuliebe. »Eigentlich bin ich froh, dass du Kelly mein Kissen gegeben hast. Es musste dringend mal ersetzt werden, und das hier passt super.«
Er tätschelt das Kissen, als wäre er ihm dankbar für seine Dienste.
»Tja, ich hoffe, du hast es genossen, denn wenn du zur Arbeit gehst, hole ich es mir zurück.«
»Kein Problem. Sobald du schläfst, klaue ich es dir wieder.«
»Das wagst du nicht«, sage ich mit todernster Stimme.
»Doch, ich wage es sehr wohl. Bist du bald fertig mit deinem Labyrinth? Du brauchst ganz schön lange dafür.«
Ich senke den Blick wieder auf die Müslipackung. »Es ist schwer. Ich glaube, es ist mindestens für Teenager gedacht.«
»Da steht doch, dass es für Kinder von drei bis fünf ist.«
Ich blinzle, als könnte ich die großen, fett gedruckten Buchstaben nicht erkennen. »Tatsächlich?«
Aiden schnappt sich die Müslipackung, um seine eigene Schale zu füllen. Er wird noch Eiklar und eine Art Protein-Smoothie hinzufügen und das Ganze mit dem Strohhalm schlürfen. Ich nicht.
»Was liegt heute an?«, fragt er und nimmt mir gegenüber Platz.
Und damit stehe ich vor der heldenhaften Aufgabe, den Blick nicht auf seine nackte Brust zu heften.
Ich konzentriere mich auf mein Müsli. »Erst leite ich ein Seminar über korrekte Kleidung am Arbeitsplatz, und dann werde ich versuchen, mit meinem neuen Chef über meine Zukunft in der Firma zu sprechen. Wünsch mir Glück.«
»Du brauchst kein Glück. Du bist ein Gewinn für diese Agentur, sie können sich glücklich schätzen, dich zu haben.«
Stimmt! Das können sie wirklich.
Vor zwei Jahren habe ich meinen Abschluss in Kommunikationswissenschaften gemacht und ging davon aus, nach New York City zu ziehen, für eine schicke Werbeagentur zu arbeiten und mich mit den Kindern von Angelina Jolie anzufreunden oder so. Ich dachte, ich würde mein Mittagessen wie Blair Waldorf auf den Stufen des MET zu mir nehmen. Stattdessen kniff ich, blieb in Texas und zog in eine Stadt drei Stunden südlich von dem Ort, in dem ich meine Jugend verbracht hatte. Manchen mag das wie ein Mangel an Abenteuergeist vorkommen, aber wart ihr schon mal in New York City? Diese Stadt ist echt nicht jedermanns Sache. Ich bin nicht in der Lage, eine fette Ratte vor mir über den Bürgersteig rennen zu sehen und so zu tun, als wäre das völlig normal. Nope. In Texas weiß das Ungeziefer wenigstens, dass es sich im Gebüsch verstecken muss, bis ich wieder weg bin.
Leider habe ich hier schlechtere Jobchancen. Ich arbeite zwar tatsächlich in einer Werbeagentur, aber nur als Büroleiterin. Anfangs glaubte ich, auf diese Weise einen Fuß in die Tür zu bekommen. Ich hatte keine Ahnung, wie schwer es ist, befördert zu werden, wenn man erst mal als Mädel von der Verwaltung bekannt ist.
Abgesehen davon lebe ich gern in Austin. Die Bevölkerung ist bunt gemischt. Es gibt Grüngürtel zum Wandern und einen atemberaubenden Blick auf die Berge direkt vor unserer Wohnung. Atemberaubend ist auch der Blick auf Aiden, der jetzt einen Löffel Müsli zum Mund führt.
»Was ist?«, fragt er, weil er wissen will, warum ich ihn anstarre.
»Du hast Milch im Gesicht«, lüge ich und schiebe meinen Stuhl zurück.
Man sollte meinen, meine Vernarrtheit in ihn wäre Schnee von gestern. Wir wohnen jetzt seit zwei Jahren zusammen! Er hat mich pupsen hören, als ich (irrtümlich) annahm, die Luft würde geräuschlos aus meinem Hintern kommen. Ich habe ihn versehentlich nackt gesehen und es überlebt. Eine lange Geschichte. Sehr lang. Zwinker.
Eigentlich hätte unser Zusammenleben nicht funktionieren dürfen.
Anfangs ergab es überhaupt keinen Sinn.
Meine Eltern waren entsetzt.
Ein paar Wochen nach der Hochzeit meiner Schwester packte ich meine Koffer und zog nach Austin.
»Warum ziehst du nicht mit einer Freundin vom College zusammen?«, fragte meine Mom. »Oder Jolie kennt sicher jemanden in Austin. Ich habe eine Freundin im Club, Deanne … ich glaube, ihre Tochter lebt in der Stadt. Wir könnten versuchen, etwas für dich zu arrangieren.«
Ich wollte ihre Vorschläge nicht hören. In der Sekunde, in der ich Aiden anrief, hatte ich mich bereits entschieden. Es war ein kurzes Gespräch. Er war bei der Arbeit und hatte nicht viel Zeit. Ich fragte ihn, ob er noch auf der Suche nach einem Mitbewohner war. Ja. Ich fragte ihn, ob er sich vorstellen könne, dass ich bei ihm einzog. Er war einverstanden unter der Bedingung, dass ich in der Wohnung keine Champagnergläser zerbrach. Tadaa … Und schon war die Sache gebongt.
»Mom, Aiden hat mir ein Zimmer angeboten, und es wäre dumm von mir, es abzulehnen. Die Lage ist super, nur zehn Minuten von meiner neuen Arbeit entfernt, und wir kennen ihn doch. Er ist James’ Bruder. Wenn ich ihm nicht vertrauen kann, wem dann?«
Mein Vater nahm mich ins Gebet, und ich musste schwören, jeden Abend meine Schlafzimmertür abzuschließen. Als glaubten sie, Aiden würde sich gleich bei meiner Ankunft auf mich stürzen.
Hallo! Das hier ist ein Traum, Leute.
Ihre Besorgnis war überflüssig. Ich erinnere mich an den Tag, als ich das erste Mal bei Aiden auftauchte, meine Koffer in Händen. Ich klopfte an, und eine Frau öffnete mir die Tür.
»Oh, hi, kann ich dir helfen?«
Sie musterte mich, als wollte sie mich über Bord schubsen.
»Hi … ähm …« Ich trat einen Schritt zurück, um die Zahl an der Tür zu überprüfen. »Wohnt Aiden hier?«
»Jaaa …«, sagte sie gedehnt. »Aber er duscht gerade.«
»Ah, okay. Macht nichts. Also … Ich bin seine neue Mitbewohnerin.«
»Mitbewohnerin?!«
Ich schob mir den Gurt meiner Tasche höher auf die Schulter, um das Gewicht besser zu verteilen. Allmählich wurde sie mir zu schwer.
»Ja. Darf ich vielleicht …?«
Ich bat sie mit einer Geste, mich hereinzulassen, aber den Gefallen tat sie mir nicht.
»Warte, ich frage erst Aiden«, sagte sie mit einem Lächeln, das eher ein höhnisches Grinsen war.
Cool! Ich warte einfach mit meinem ganzen Gepäck hier draußen! Kein Problem!
Daraufhin schlug sie mir die Tür vor der Nase zu. Ich rechnete damit, dass sie bald wieder auftauchen würde, aber sie blieb verschwunden.
Ich klopfte noch einmal, aber diesmal kam niemand.
Mist. Was soll ich jetzt machen?!
Dann fiel mir ein, dass ich Aidens Handynummer hatte, und ich rief ihn an.
Er meldete sich ziemlich schnell. »Maddie, hey. Bist du hier?«
»Jep, direkt vor deiner Tür. Ich habe deine Freundin gebeten, mich reinzulassen, aber ich glaube, sie … äh … hat mich vergessen.«
Er fluchte leise, dann war die Leitung tot. Eine Sekunde später ertönten schwere Schritte. Die Wohnungstür flog auf, und vor mir stand Aiden, frisch geduscht, mit nassen Haaren und in einem schwarzen T-Shirt, das über der Brust leicht spannte.
»Sie hat mir nicht gesagt, dass du hier bist.«
»Ups! Wusste ich doch, dass ich irgendwas vergessen habe«, sagte sie hinter ihm und klang kein bisschen zerknirscht.
Aiden kam heraus und nahm mir Koffer und Taschen ab, sogar die auf meiner Schulter. Ich seufzte erleichtert und bedachte ihn mit einem dankbaren Lächeln, als er mich in die Wohnung führte.
»Also, das ist es«, sagte er und erwiderte mein Lächeln. »Hier ist die Küche, da vorn ist das Wohnzimmer.«
»Ziemlich selbsterklärend«, sagte ich und lachte.
Er fiel in mein Lachen ein. »Ja, stimmt. Komm, ich zeige dir dein Zimmer. Es liegt gegenüber von meinem.«
»Ai-den«, trällerte das Mädel. »Ich bin am Verhungern. Du hast gesagt, wir könnten uns was zum Lunch holen.«
Ihr beleidigter Tonfall ging mir auf die Nerven, und Aiden schien es ähnlich zu gehen. Unsere Blicke trafen sich, und er verdrehte die Augen. Ich lächelte ihn verschwörerisch an.
»Na schön«, sagte sie und stöhnte genervt. »Ich bin unten im Wagen. Ich warte.« Damit stürmte sie aus der Wohnung.
»Deine Freundin?«, fragte ich und versuchte, gleichmütig zu klingen.
»Nein, absolut nicht«, versicherte er mir.
Puh, zum Glück.
Er öffnete die Tür zu meinem Zimmer, und wir traten gemeinsam ein.
Es gab ein Bettgestell und eine Matratze, wie er mir bereits erzählt hatte, aber viel mehr war es nicht.
»Bist du mit dem Auto gekommen?«, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf. Ich war am Morgen von Dallas aus nach Austin geflogen und hatte mich von einem Uber zu der Wohnung bringen lassen. »Nein. Mein Wagen ist schon ziemlich alt und unzuverlässig. Meine Eltern wollten mir bei der Suche nach einem besseren helfen, aber ich dachte mir, ich kann hier fast überall zu Fuß hingehen, weil die Wohnung super gelegen ist.«
»Ja, du wirst auch ohne Auto klarkommen. Ich habe einen Jeep, falls du ihn dir mal ausleihen willst. Vielleicht musst du ein paar Sachen besorgen, damit du dich hier wie zu Hause fühlen kannst.«
Ich ließ den Blick durch den kargen Raum wandern.
Zu Hause.
Alles klar.
»Du hast ein eigenes Badezimmer, es ist dahinten«, fuhr er fort und zeigte auf die Tür gegenüber vom Bett, »und im Flur neben der Küche gibt es eine Waschmaschine und einen Trockner.«
Er senkte den Blick auf das Handy, das in seiner Hand vibrierte, und ein Ausdruck von Verärgerung huschte über sein Gesicht.
»Ab hier komme ich allein zurecht«, sagte ich und hob zu seiner Beruhigung beide Daumen. »Ich packe jetzt erst mal aus und gewöhne mich ein bisschen ein.«
»Klingt gut. Tut mir leid, dass ich losmuss«, sagte er und ging rückwärts auf die Tür zu. »Ich mache es wieder gut. Magst du Pizza?«
»Igitt, ich kann das Zeug nicht ausstehen.« Er wirkte verblüfft, und ich grinste. »War nur Spaß. Pizza mag doch jeder.«
Sein Lächeln strahlte nun zehnmal so stark. »Super. Ich bringe nachher welche mit, und dann feiern wir.«
Hatte ich mir gewünscht, Aiden würde mich bei meiner Ankunft in seiner Wohnung mit dem Geständnis empfangen, er sei unsterblich in mich verliebt? Irgendwie schon. Andererseits konnte ich ihm nicht vorwerfen, dass er eine Frau zu Besuch hatte. Als er mich zuletzt gesehen hatte, war ich schließlich noch mit Darren zusammen. Er wusste nicht, dass wir uns nach der Hochzeit getrennt hatten. Er wusste nicht, dass ich den Umzug nach Austin mit Spannung erwartet hatte, nicht nur, um nach dem College ein neues Leben mit einem tollen Job zu beginnen, sondern auch, weil ich mir insgeheim wünschte, ihn besser kennenzulernen.
Am Abend brachte er wie versprochen Pizza mit, und als ich mir am nächsten Tag seinen Jeep ausleihen wollte, um mir bei Ikea eine Kommode zu kaufen, erbot er sich, mich zu begleiten.
Unterwegs hielten wir bei einem Grill an, und seitdem sind Aiden und ich Komplizen.
Es gab nichts, worüber sich meine Eltern seinetwegen Sorgen machen mussten. In den zwei Jahren seit meinem Einzug haben wir uns weder geküsst noch auf erotische Art berührt. Er hat mich nicht um ein Date gebeten oder mir sehnsuchtsvoll in die Augen geschaut, er hat mir keine Liebeserklärungen gemacht und auch nicht versucht, mich zu verführen. Nackt gesehen habe ich ihn nur einmal, als ich früher von der Arbeit nach Hause kam und die Tür zu seinem Zimmer offen stand, weil er nicht mit mir gerechnet hatte. Ein unschuldiges Versehen.
Dass Aiden mir nicht nachgestellt hat, heißt natürlich nicht, dass er ein Heiliger ist. In den zwei Jahren unseres Zusammenlebens habe ich ihn sehr wohl mit Frauen gesehen. Mit vielen. Laute, kreative Frauen. Schüchterne Bücherwürmer. Sportliche Yogalehrerinnen. Schlimmer noch, sie waren nicht mal alle schön, so oberflächlich ist er nicht. Die meisten waren witzig und cool, das ist einer der Gründe, warum ich sie hereinlasse, wenn sie nach der Trennung anklopfen und mehr von ihm wollen.
Seit gestern Abend denke ich über Kelly nach, die mir erzählt hat, sie hätten sich bereits vor Monaten getrennt. Mir war gar nicht aufgefallen, dass Aiden seitdem Single ist. Es ist ein Rekord, garantiert.
»Bist du eigentlich gerade mit jemandem zusammen?«, platze ich heraus, als ich meine Müslischale abwasche.
Er schüttelt den Kopf und konzentriert sich weiter auf sein Frühstück, sodass ich nur seinen Hinterkopf sehe.
»Wie lange bist du jetzt schon Single?«
»Ich hab die Tage nicht gezählt«, sagt er schulterzuckend.
»Ich habe noch nie erlebt, dass du keine Frau auf Abruf hattest.«
»Dasselbe könnte ich von dir sagen.«
Jetzt bin ich verblüfft. Schließlich bin nicht ich es, die ein Date nach dem anderen hat!
»Was? So viele Dates habe ich doch gar nicht.«