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Ian und ich sind schon lange beste Freunde. Wir verstehen uns so gut, dass die meisten denken, wir wären ein Paar. Doch als die anderen Lehrerinnen erfahren, dass er Single ist, kann Ian sich kaum vor all den Flirts und Avancen retten. Kein Wunder, bei seinem Aussehen. Aber seltsamerweise flirtet er plötzlich mit mir. Nächtliche Telefonanrufe, zweideutige Sprüche und gefährliche Momente im Klassenzimmer machen deutlich: Er will mich!
Aber kann ich seinen Gefühlen trauen? Oder laufe ich Gefahr auch noch meinen besten Freund zu verlieren?
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Seitenzahl: 334
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Ian und ich sind schon lange beste Freunde. Wir verstehen uns so gut, dass die meisten denken, wir wären ein Paar. Doch als die anderen Lehrerinnen erfahren, dass er Single ist, kann Ian sich kaum vor all den Flirts und Avancen retten. Kein Wunder, bei seinem Aussehen. Aber seltsamerweise flirtet er plötzlich mit mir. Nächtliche Telefonanrufe, zweideutige Sprüche und gefährliche Momente im Klassenzimmer machen deutlich: Er will mich!
Aber kann ich seinen Gefühlen trauen? Oder laufe ich Gefahr auch noch meinen besten Freund zu verlieren?
Über R.S. Grey
R.S. Grey ist eine US-amerikanische Schriftstellerin. Mit ihren erfolgreichen Romanen steht sie regelmäßig auf der USA Today Bestsellerliste. Die Autorin lebt mit ihrer Familie und ihren zwei Hunden in Texas.
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R.S. Grey
Not So Nice Guy
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Antje Althans
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Kapitel 8
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Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Epilog
Impressum
Samantha
Heute Morgen haben wir wieder Sex in der Kaserne. Es geht heiß her. Der Feind ist auf dem Vormarsch – vielleicht schaffen wir es nicht mehr lebend raus. Am Himmel und in meinem Slip grollen Explosionen. Ich schwitze. Anfangs trug Ian noch einen Tarnanzug, doch den hab ich ihm mit den Zähnen vom Leib gerissen. Daher weiß ich auch, dass es ein Traum ist – so geschickt bin ich mit dem Mund sonst nicht. Im echten Leben würde ich mir an seinem Reißverschluss einen Zahn abbrechen.
Mein Wecker gibt einen weiteren Warnschuss ab. Mein wach werdender Verstand schreit: Steh auf, sonst kommst du zu spät! Ich vergrabe mich tiefer unter meiner Bettdecke, und mein Unterbewusstsein trägt den Sieg davon. Traum-Ian wirft mich über seine Schulter, als versuchte er, sich eine Tapferkeitsmedaille zu verdienen, und wir krachen gegen ein metallenes Stockbett. Ein weiteres Indiz dafür, dass dies ein Traum ist: Es tut nicht weh, als ich mich mit dem fleischigen Teil meines Hinterns an der Ecke des Bettes stoße. Er stößt in mich hinein, und das Gestell klappert. Ich kratze mit den Fingernägeln über seinen Rücken.
»Man wird uns erwischen, Soldat«, stöhne ich.
Mit seinem Mund auf meinem erinnert er mich: »Wir befinden uns in einem Kriegsgebiet – wir können so laut sein, wie wir wollen.«
Draußen sind stakkatohafte Feuersalven aus Maschinengewehren zu hören. Schwere Stiefel stampfen auf die verschlossene Tür zu.
»Schnell, wir müssen sie verbarrikadieren!«, flehe ich. »Aber wie? Hier drin ist nichts Brauchbares, nur die Nullachtfünfzehn-Lederpeitsche und meine kniehohen Kampfstiefel!«
Er drückt mich gegen die Tür, und unsere Blicke treffen sich. Wir verständigen uns wortlos: Unsere sich windenden Körper müssen als sexy Blockade herhalten.
»Okay, immer, wenn sie gegen die Tür treten, stoße ich zu, kapiert? Auf drei: Eins, zwei …«
Gerade, als mein Traum richtig gut wird, fängt mein Handy an, »Islands in the Stream« von Kenny Rogers und Dolly Parton zu dudeln. Cooler Country-Pop aus den 80ern bringt mir bei maximaler Lautstärke ein Ständchen. Synthesizer plärren. Stöhnend reiße ich die Augen auf. Ian hat schon wieder meinen Klingelton geändert. Das tut er mir alle paar Wochen an. Der Song davor war auch so ein alberner Oldie von zwei alten Spinnern.
Ich greife nach meinem Handy und hole es zu mir unter die Bettdecke.
»Jaja«, melde ich mich. »Ich bin fertig geduscht und schon halb zur Tür raus.«
»Du liegst noch im Bett.«
Wie Ian mit seiner tiefen, rauchigen Stimme das Wort »Bett« sagt, stellt seltsame Dinge mit mir an. Der Ian aus dem Traum verschmilzt mit dem echten Ian. Der eine ist ein attraktiver Lieutenant mit Armen aus Stahl. Der andere ist mein bester Freund, dessen Arme aus einem Metall gemacht sind, das ich noch nie spüren durfte.
»Dolly Parton? Echt jetzt?«, frage ich genervt.
»Sie ist ein amerikanisches Kleinod, genau wie du.«
»Wie kommst du überhaupt auf diese Songs?«
»Ich führe auf meinem Handy eine Liste. Warum atmest du so schwer? Es klingt, als würde gleich ein Spiegel beschlagen.«
O Gott. Ich setze mich auf und schüttele die Überreste meines Traumes ab.
»Ich bin wieder bei M*A*S*H-Wiederholungen eingeschlafen.«
»Dir ist schon klar, dass seitdem neue Fernsehserien gedreht wurden?«
»Klar, aber ich habe noch keinen Mann gefunden, den ich so prickelnd finde wie Hawkeye.«
»Du weißt aber, dass Alan Alda über achtzig ist, oder?«
»Wahrscheinlich hat er es trotzdem noch drauf.«
»Wie du meinst, Hot Lips.«
Ich stöhne. Genau wie Major Houlihan ärgert mich dieser Spitzname … in gewisser Weise.
Ich fege meine Bettdecke beiseite und zwinge meine Füße auf den Boden. »Wie lang hab ich noch?«
»In dreißig Minuten klingelt’s zur ersten Stunde.«
»Sieht so aus, als müsste ich den geplanten Sechzehn-Kilometer-Morgenlauf ausfallen lassen.«
Er lacht. »Mhmm.«
Auf der Suche nach einem sauberen Kleid und einer Strickjacke durchwühle ich meinen Wandschrank. Die Kleidervorschriften der Schule zwingen mich dazu, mich wie die weibliche Version des korrekten Kindermoderators Mr. Rogers anzuziehen. Heute ist mein Sommerkleid kirschrot und meine Strickjacke zartrosa, passend zum ersten Februar.
»Irgendeine Chance, dass du eine zweite Thermosflasche mit Kaffee befüllt hast, bevor du aus dem Haus gegangen bist?«, frage ich hoffnungsvoll.
»Ich stelle sie auf deinen Lehrertisch.«
Mein Herz flattert vor Dankbarkeit.
»Weißt du was, ich hab mich geirrt«, ziehe ich ihn auf und bemühe mich um einen schwärmerischen, liebeskranken Ton. »Es gibt einen Mann, den ich prickelnder finde als Hawkeye, und der heißt Ian Flet…«
Er legt stöhnend auf.
Die Oak Hill Highschool ist von meiner Wohnung aus mit dem Rad in fünf Minuten zu erreichen, genau wie von Ians Haus. Wir könnten gemeinsam hinfahren, aber wir haben hochgradig unterschiedliche Morgenrituale. Ich lasse es gern drauf ankommen und reize die Möglichkeiten meines Weckers aus. Es bereitet mir einen Nervenkitzel, bis zur allerletzten Sekunde zu schlafen. Ian steht gern in aller Herrgottsfrühe auf. Er ist Mitglied in einem Fitnessstudio und nutzt das jeden Morgen aus. Sein Körperfettanteil beträgt unter zehn Prozent. Ich bin in demselben Fitnessstudio angemeldet, aber mein Mitgliedsausweis steckt hinter meiner heiß geliebten Dunkin’-Donuts-Treuekarte. Sie starrt mich jedes Mal vorwurfsvoll an, wenn ich mir mittags einen Donut mit Erdbeerglasur hole.
Diese barbarischen Geräte im Fitnessstudio machen mir Angst. Einmal hab ich mir das Handgelenk verstaucht, als ich versuchte, am Rudergerät den Gewichtswiderstand zu verändern. Und kennen Sie die vielen verschiedenen Gurte, Seile und Griffe, die zur Kabelzugstation gehören? Die Hälfte davon sieht aus wie Sexspielzeuge für Pferde.
Statt mich der Folter des Fitnessstudios auszusetzen, fahre ich lieber jeden Tag mit dem Fahrrad. Außerdem komme ich nicht gegen meine Physionomie an. Mit meinen siebenundzwanzig Jahren kann ich noch auf der Welle der vorgetäuschten Fitness reiten, die meine Jugend und das Essensbudget einer Lehrerin mit sich bringen. Die einzigen #gains in meinem Leben kommen vom Fixer-Upper-Komaglotzen.
Ian sagt, ich bin zu streng mit mir, aber im Spiegel sehe ich knorrige Knie und eine nur notdürftig ausgefüllte Körbchengröße B. An guten Tagen bin ich 1,59 groß. Ich glaube, ich könnte in der Babyabteilung von Gap shoppen.
Als ich in der Schule ankomme (zehn Minuten vor dem ersten Klingeln), finde ich neben der Thermosflasche mit Kaffee auf meinem Tisch einen Müsliriegel. In meiner Hast, es pünktlich in die Schule zu schaffen, habe ich vergessen, mir mein Frühstück mitzubringen. Ich bin inzwischen so berechenbar, dass Ian in meinem Tisch und drumherum Snacks für mich deponiert hat. Egal, welche Schublade ich öffne, ich finde immer etwas: Nüsse, Samen, Erdnussbutter-Cracker. Sogar unter meinem Stuhl klebt ein Energieriegel. Dieses Arsenal ist eher in seinem Interesse als in meinem, denn wenn ich Hunger habe, bin ich der unleidlichste Mensch, den Sie je getroffen haben. Wenn mein Blutzuckerspiegel absinkt, verwandele ich mich in die destruktive Jean Grey.
Ich schlinge den Müsliriegel runter und schlürfe meinen Kaffee. Zum Dank schicke ich Ian schnell noch eine Textnachricht, bevor meine Schüler und Schülerinnen zur ersten Stunde in meinem Klassenzimmer eintrudeln.
Sam: Danke fürs Frühstück. Kaffee ist LIT.
Ian: Das ist die neue Mischung, die du letzte Woche gekauft hast. Bringen deine Schüler dir wieder neue Worte bei?
Sam: Das hab ich gestern während der Aufsicht aufgeschnappt. Ich weiß noch nicht genau, wie man es verwendet. Ich lasse es dich wissen.
»Guten Morgen, Misses Abrams!«, begrüßt mich mein erster Schüler mit Singsang-Stimme.
Das ist Nicholas, der Chefredakteur der Oak Hill Gazette. Er ist der Typ, der im Pullunder zur Schule geht. Meinen Journalismus-Unterricht nimmt er sehr ernst – sogar noch ernster als seine Schwärmerei für mich, was schon was heißen will.
Ich werfe ihm einen tadelnden Blick zu. »Nicholas, zum letzten Mal, ich heiße Miss Abrams. Du weißt doch, dass ich nicht verheiratet bin.«
Er grinst besonders breit, und seine Zahnspange funkelt im Licht. Die Gummibänder hat er sich abwechselnd in Blau und Schwarz anbringen lassen, in den Schulfarben. »Ich weiß. Ich höre nur so gerne, wie Sie es sagen.« Der Kleine ist erbarmungslos. »Und wenn ich es sagen darf, die Farbe Ihres Kleides ist sehr vorteilhaft. Das Rot passt fast zu Ihren Haaren. Mit dem Style sind Sie im Nu verheiratet.«
»Nein, darfst du nicht. Setz dich einfach.«
Jetzt strömen auch andere Schüler in meine Klasse. Nicholas nimmt mitten in der ersten Reihe Platz, und ich vermeide weitgehend den Blickkontakt mit ihm, als ich mit meiner Stunde beginne.
Ian und ich haben an der Oak Hill High hochgradig unterschiedliche Jobs.
Er ist Chemielehrer für die höheren Klassen. Er hat einen Masterabschluss und nach dem College in der Wirtschaft gearbeitet. Während seiner Zeit an der Graduiertenschule hat er bei der Entwicklung eines Zungenstreifens geholfen, der Verbrennungen durch Dinge wie heißen Kaffee und kochend heiße Pizza lindert. Klingt albern – sogar bei Saturday Night Live wurde es verulkt –, aber in der Welt der Wissenschaft stieß es auf viel Interesse, und aufgrund dieser Erfahrungen sehen die Schüler zu ihm auf. Er ist der coole Lehrer, der seine Hemdsärmel bis zu den Ellenbogen hochkrempelt und im Namen der Wissenschaft Sachen in die Luft sprengt.
Ich bin nur die Journalismus-Lehrerin und leite die Oak Hill Gazette, eine Wochenzeitung, die von genau fünf Leuten gelesen wird: von mir, Ian, Nicholas, Nicholas’ Mutter und unserem Schuldirektor Mr. Pruitt. Alle gehen davon aus, dass ich in die »Wer nichts kann, wird Lehrer«-Kategorie falle, aber mir gefällt mein Job. Unterrichten macht Spaß, und für die echte Welt bin ich einfach nicht geschaffen. Knallharte Journalisten machen sich nicht viele Freunde. Sie stürzen sich ins Getümmel, üben Druck aus, stochern im Morast und enthüllen wichtige Storys. An der Uni wurde ich von meinen Dozenten dafür gerügt, dass ich nur »Lobeshymnen« ablieferte. Ich sah es als Kompliment. Wer will nicht gern gelobt werden?
Wie die Dinge liegen, bin ich stolz auf die Gazette und die Schüler, die dabei helfen, sie mit Inhalt zu füllen.
Wir beginnen jede Woche mit einer Redaktionssitzung, als wären wir eine echte, funktionierende Zeitung. Die Schüler präsentieren mir ihre Ideen für etwaige Storys oder setzen mich über die Fortschritte ihrer laufenden Arbeit in Kenntnis. Fast alle nehmen das ernst, bis auf die wenigen, die sich für Journalismus entschieden haben, um ohne große Anstrengung eine Eins zu kriegen – was, im Vertrauen gesagt, auch so ist. Ian sagt, ich sei ein leichtes Opfer.
Jetzt spreche ich mit einer der Schülerinnen, die in letztere Kategorie fallen. Ich glaube, seit wir aus den Weihnachtsferien zurück sind, hat sie noch keinen einzigen Artikel abgeliefert. »Phoebe, hast du dir eine Story für die nächste Ausgabe überlegt?«
»Äh, ähm … ja.« Sie lässt eine Kaugummiblase platzen. Am liebsten würde ich ihr den Kaugummi aus dem Mund nehmen und ihn ihr in die Haare kleben. »Ich glaube, ich werde mich mal umhören, ob die Hausmeister nach Dienstschluss rumvögeln oder so.«
»Den armen Mr. Franklin lässt du mal schön in Ruhe. Komm schon, was hast du sonst noch?«
»Okay, wie wär’s damit? Schulessen: Gesund oder ungesund?«
Innerlich kratze ich mir die Augen aus. Diese Art Enthüllungsstory ist schon so oft geschrieben worden, dass die Leiterin unserer Schulkantine und ich ein System ausgetüftelt haben. Ich halte die Schüler aus ihrer Küche fern und bekomme im Gegenzug so viele Kartoffelkroketten gratis, wie ich will.
»Das gibt keine Story her. Dieses Essen ist nicht gesund. Das wissen wir alle. Überleg dir was anderes.«
Ein paar Schüler kichern. Phoebe läuft knallrot an und fixiert mich mit verengten Augen. Sie ist verärgert, weil ich sie vor versammelter Mannschaft zur Ordnung gerufen habe. »Na schön.« Ihre Stimme nimmt einen unverschämten und gemeinen Unterton an, den nur Mädchen im Teenie-Alter hinbekommen. »Wie wär’s mit etwas Anzüglicherem? Vielleicht ein Artikel über verbotene Liebesbeziehungen zwischen Lehrern?«
Ich bin so gelangweilt, dass ich gähne. Die Gerüchte um mich und Ian sind alte Kamellen. Alle gehen davon aus, dass wir, weil wir beste Freunde sind, auch was miteinander haben. Nichts könnte der Wahrheit ferner liegen. Am liebsten würde ich mit »Ja, schön wär’s« antworten, aber ich weiß ganz sicher, dass ich nicht Ians Typ bin. Hier sind die vier Male, an denen er mir das klargemacht hat:
Er hat mir einmal gesagt, dass er sich keine Rothaarige als Freundin vorstellen kann, weil seine Mutter rötliches Haar hat.
Hallo, die meisten Typen haben einen Mutterkomplex! Lass mich dein Mutterkomplex sein!
Er hatte bisher immer nur was mit großen, grüblerischen Models mit Flügelspannweiten, die zweimal so breit sind wie meine. Sie sind wie weibliche Flugsaurier.
Wir sind beide riesige
Herr-der-Ringe
-Fans, und raten Sie mal:
Dort ist Sam der beste Freund, nicht der Angebetete.
Ach, und dann war da natürlich noch das eine Mal, als ich mich gezwungen habe, mich an Halloween als nuttige Hermine (seine Schwäche) zu verkleiden, und versucht habe, ihn zu verführen. Er sagte mir, ich sähe eher wie die kraushaarige Hermine aus der Anfangszeit aus und weniger wie die nachpubertäre Hermine auf dem Weihnachtsball. Stichwort für einen dezenten Zusammenbruch.
Ian und ich haben uns vor dreieinhalb Jahren angefreundet, fast vor 1300 Tagen, falls irgendeine Lusche da draußen mitgezählt hat. Als wir die Lehrerstellen an der Oak Hill annahmen, wurden wir in dieselbe Einführungsgruppe eingeteilt. Wir waren insgesamt fünfzehn neue Angestellte, und Ian fiel mir sofort auf. Ich erinnere mich daran, wie ich ihn das erste Mal sah, an konkrete, willkürliche Details. Wie groß seine Hände aussahen, mit denen er unseren Einführungsleitfaden hielt; wie braun er nach den Sommerferien war; dass er uns alle überragte. Mein erster Gedanke war, dass er mit den strahlend blauen Augen und den kurzen, leicht gelockten braunen Haaren unglaublich einschüchternd hätte sein können, doch diese Bedenken verflogen sofort, als er mir zulächelte, als unsere Blicke sich in dem Getümmel aus frischgebackenen Lehrkräften trafen. Das war total entwaffnend und unbekümmert, doch am allerwichtigsten: Es war echt sexy. Ich bekam Herzstolpern. Er war der Junge von nebenan, der zu einem Mann mit markantem Kiefer und starken Armen herangewachsen ist.
Er trug ein schwarzes T-Shirt, auf das ich mich konzentrierte, während er sich durch das Gedrängel einen Weg zu mir bahnte.
»Du bist Jake-Bugg-Fan?«, fragte er. »Ich auch.«
Ich antwortete mit einem verdatterten »Was?«.
Sein Zahnpastalächeln wurde noch etwas breiter, als er auf mein Oberteil deutete. Ach ja. Ich hatte ein Jake-Bugg-Konzert-T-Shirt an. Wir begannen ein höfliches Gespräch über dessen letzte US-Tour, und es gelang mir die ganze Zeit über, nicht zu sabbern. Als es an der Zeit war, loszulegen, fragte er mich, ob ich mich zu ihm setzen wollte.
Eine ganze Woche lang ertrugen wir gemeinsam Lehrvideos über sexuelle Belästigung und Benimmregeln am Arbeitsplatz. Während auf einem hereingerollten Fernsehtisch holprige Videokassetten aus den Neunzigern liefen, reichten Ian und ich freche Zettelchen hin und her. Schließlich schoben wir einfach unsere Tische zusammen und tuschelten angeregt. Wir hatten so viel, worüber wir sprechen und Witze machen konnten. Die Worte kamen wie Schnellfeuer aus uns heraus, als hätten wir Angst, der andere könnte sich jeden Moment in Luft auflösen und verschwinden.
Wir passten während der gesamten Einführung nicht auf und waren letztlich die Angeschmierten.
Am Ende der Woche mussten wir eine Prüfung ablegen, bei der wir beide durchfielen. Anscheinend war das an der Oak Hill ein Novum. Die Prüfung ist irre einfach, wenn man auch nur ansatzweise aufgepasst hat. Wir mussten die Einführungswoche wiederholen, aber unsere Freundschaft wurde durch die gemeinsame Betretenheit und Scham zementiert.
Am Ende der zweiten Woche begingen wir unser erfolgreiches Abschneiden feierlich mit Drinks – Ians Idee. Ich versuchte, nicht zu viel hineinzuinterpretieren. Schließlich brachten wir beide jemanden mit.
Damals lernte ich auch die Frau kennen, mit der er zu der Zeit zusammen war: eine gazellenhafte Hautärztin. An der Bar ergötzte sie uns mit interessanten Geschichten aus dem Untersuchungszimmer.
»Ja, den Leuten ist nicht klar, wie viele verschiedene Muttermale es gibt.«
Sie erteilte mir ungebetene Ratschläge wie: »Du mit deiner hellen Haut solltest wirklich zweimal im Jahr zur Vorsorgeuntersuchung gehen.« Sie selbst hatte im Übrigen am ganzen Körper keine einzige erkennbare Pore oder Sommersprosse. Während wir im Verlauf des Abends zusammen in der Toilettenschlange standen, fühlte ich mich immer unzulänglicher. Unser Größenunterschied war obszön. Ich hätte in ihre Tasche gepasst. Auf Außenstehende muss ich gewirkt haben wie eine Zwölfjährige, auf die sie aufpasste.
Der einzige Lichtblick war, dass ich sie dazu bringen konnte, sich die paar vereinzelten Sommersprossen auf meinen Schultern anzusehen, während wir vor den Toilettenkabinen warteten. Alles in Ordnung.
Damals hatte ich auch jemanden. Jerry war ein Investmentbanker, den ich über den Freund eines Freundes kennengelernt hatte. Dieser Abend war unser drittes Date, und ich hatte nicht vor, mich wieder mit ihm zu treffen, vor allem, nachdem er sich langatmig über das Zusammenleben in Studentenverbindungen an der Uni von Pennsylvania ausgelassen hatte.
»Ja, ich war im ersten und im letzten Studienjahr Präsident der Studentenverbindung. Hoorah!«
Dann ging er dazu über, so laut das Lied seiner Verbindung zu schmettern, dass es die ganze Bar hören konnte. Ich glaube, er fand das lustig, aber ich hatte das Gefühl, nicht in den Witz eingeweiht zu sein. Am liebsten hätte ich einen roten Knopf gedrückt, um mich durchs Dach nach draußen zu katapultieren. Ian fing meinen Blick auf, und ich hatte das Gefühl, dass er genau wusste, was in mir vorging. Er wusste, wie unbehaglich mir zumute war, wie peinlich ich die Situation fand. Prompt mussten wir beide gegen einen Lachreiz ankämpfen. Mein Gesicht lief vor Anstrengung sicher rot an. Er musste sich auf die Lippe beißen. Schließlich kapitulierte ich als Erstes und entschuldigte mich, um erneut das WC aufzusuchen und mich dort in Ruhe kaputtlachen zu können.
Ians Freundin erzählte ihm später, sie sei besorgt, dass ich eine überaktive Blase hätte.
Als es Zeit fürs Mittagessen ist, bin ich reif für eine Pause. Zwischen meine Journalismus-Stunden sind Englischstunden für Seniors eingestreut. Das ist nicht mein Lieblingsteil des Jobs, aber nur so kann Schuldirektor Pruitt rechtfertigen, dass ich eine volle Stelle besetze. Die Schüler in diesen Stunden sind unmotiviert und schieben ihre verspätet eingereichten Hausaufgaben und ihr schlechtes Abschneiden bei Tests auf Senioritis. Ich tippe die Krankheit bei WebMD ein, um zu beweisen, dass sie nicht existiert. Sie sehen nicht mal lang genug von ihren Handys auf, um mir zuzuhören.
Die meisten von ihnen könnten mich bei einer Gegenüberstellung nicht identifizieren.
Letzte Woche hielt mich ein Junge für eine Schülerin und fragte nach meinem Snapchat.
Ian kennt dieses Problem nicht. Seine Klassen sind überlaufen von überambitionierten Nerds, von den Schülern, die schon von Elitehochschulen angenommen wurden, aber trotzdem noch das Bedürfnis haben, siebenundzwanzig Leistungskurse zu belegen. Die meisten von ihnen schüchtern mich ein, aber Ian behandeln sie wie ihren Obi-Wan.
»Erzählen Sie uns mehr über Ihren Zungenstreifen, Mr. Fletcher!«
»Bill Nye kann Ihnen nicht das Wasser reichen, Mr. Fletcher!«
»In meinem Bewerbungsaufsatz für die Uni habe ich über Sie geschrieben, Mr. Fletcher. Ich musste den Menschen beschreiben, der mich am meisten zum Lernen inspiriert hat!«
Ich setze mich in den Lehrer-Pausenraum und schnaufe durch, wobei ich versuche, die vereinzelten Haarsträhnen aus meiner Stirn zu pusten. Sie sind der Beweis dafür, dass ich heute Morgen zu oft vor Verzweiflung an meinem Pferdeschwanz gezogen habe.
Ian lässt sich auf seinem Platz mir gegenüber nieder, und seine positive Energie erfüllt die Luft zwischen uns. Es könnte auch sein wohlriechendes Duschgel sein.
»Lass mal sehen«, fordert er mich auf.
»Das ist nicht meine beste Ausbeute.«
Ich habe eine Käsestange, Brezeln, Weintrauben und ein Sandwich mit Erdnussbutter und Marmelade.
Er hat ein mehrlagiges Putensandwich mit Avocado und Alfalfasprossen, Wassermelonenstücke und Mandeln.
Wortlos fangen wir an zu tauschen. Ich nehme die Hälfte seines Putensandwiches. Er nimmt die Hälfte meines Erdnussbutter-Marmeladen-Sandwiches. Meine Käsestange wird in zwei Teile geteilt. Die ekligen Mandeln überlasse ich ihm – sie sind nicht mal gesalzen.
»Gib mir eine von den Brezeln«, sagt er und greift danach.
Ich schlage mit der Hand auf die Tüte, wobei der Großteil der Brezeln in der Mitte durchbricht. Das ist es mir wert. »Du kennst die Regeln.«
Eine seiner dunklen Augenbrauen zuckt nach oben. »In meinem Klassenraum hab ich Kekse mit Schokosplittern von einem meiner Schüler. Seine Mutter hat sie als Dankeschön für mein Empfehlungsschreiben gebacken.«
Im Nu erhellt ein Lächeln meine finstere Miene. Als Zusatzeffekt kommen meine Grübchen zum Vorschein. »Warum sagst du das nicht gleich?«
Ich schiebe ihm meine Tüte mit den kaputten Brezeln hin.
Obwohl der Pausenraum brechend voll ist, setzt sich niemand zu uns an den Tisch. Sie wissen es besser. Wir sind zwar nicht unhöflich, aber für andere ist es schwer, uns zu folgen. Unsere Gespräche bestehen aus einer Menge Kurzformen, Codes und Insiderwitzen.
»Ist die Redaktionssitzung gut gelaufen?«
Ich bemühe mich um meine schönste Nachrichtensprecherinnenstimme. »Ian, ist das Essen in unserer Cafeteria gesund?«
Er stöhnt voller Anteilnahme.
»Ja, und dann hat noch eine Schülerin versucht, mir mit der Enthüllung unserer Beziehung zu drohen.«
»Du meinst die, die nicht existiert.«
»Genau.«
»Okay. Okay!«, ruft Mrs. Loring – die Schauspiellehrerin – und durchdringt den Lärm im Pausenraum. »Ratet, was heute ist …«
»Der Erste im Monat!«, schreit jemand begeistert. »Konfiszierungsstation!«
In den nächsten Sekunden folgen überbordender Applaus und aufgeregtes Geschnatter. Es könnte genauso gut Konfetti von der Decke regnen.
»Okay. Okay! Ruhe jetzt«, ruft Mrs. Loring aufgeregt. »Möchte jemand noch etwas nachreichen?«
Ian steht auf und zieht einen zerknitterten Zettel aus seiner Tasche.
Die Kollegen applaudieren ihm wie einem Lokalmatador, der aus dem Krieg zurückkehrt.
»Hab ich in der ersten Stunde ergattert«, prahlt er.
Ein paar Lehrerinnen verhalten sich, als würden sie einen Herzstillstand erleiden, als sie ihn beim Durchqueren des Raumes beobachten. Mrs. Loring hält ihm ihr Einmachglas hin, in das er den Zettel hineinwirft.
Ian setzt sich wieder auf seinen Platz mir gegenüber, und es ist Zeit für die Lesung.
Auf dem Kühlschrank im Lehrerpausenraum steht ein mittelgroßes Einmachglas, in das wir die Zettel werfen, die wir während des Unterrichts den Schülern abgenommen haben. Während der Mond zu- und wieder abnimmt, füllt sich das Glas, und am Ersten jedes Monats unterbricht Mrs. Loring unsere Mittagspause für eine szenische Lesung.
Das klingt vielleicht gemein, aber keine Sorge, die Zettel werden anonymisiert. Niemand weiß, wer sie geschrieben hat, außer derjenige, der sie konfisziert hat. Deshalb hat Schulrektor Pruitt auch nichts gegen unser Ritual. Es ist gut für unsere Moral. Sehen Sie es als Team-Bonding.
Mrs. Loring durchwühlt das Glas wie ein Kind auf der Suche nach Süßigkeiten an Halloween und zieht einen ordentlich gefalteten Zettel heraus.
Aufgekratzt drehe ich mich zu Ian. Unsere Blicke treffen sich. Letztes Jahr war ich dabei, als er mit seinen Schülern ein Experiment durchführte. Er verbrannte verschiedene chemische Elemente, um zu demonstrieren, dass jedes eine anders gefärbte Flamme erzeugte. Kalzium brannte orange, Natrium brannte gelb. Die Schüler waren verblüfft, genau wie ich, denn als er Kupfer verbrannte, erzeugte es eine dunkle, strahlend blaue Flamme – genau die Farbe von Ians Augen. Seitdem bewahre ich eine kleine Schüssel mit glänzenden Kupferpennys auf meinem Nachttisch auf.
Mrs. Loring räuspert sich und fängt an. Sie ist für diese Aufgabe am besten geeignet, denn sie ist mit Herz und Seele dabei. Sie hat eine klassische Schauspielausbildung, und wenn sie die beschlagnahmten Briefchen vorliest, ahmt sie verschiedene Akzente nach und spielt mit überzeugender Ernsthaftigkeit. Wenn ich könnte, würde ich meine Eltern zu einer Abendvorstellung einladen.
»Schülerin Nr. 1: Hey, hast du gesehen, dass [Name zensiert] in der ersten Stunde neben mir gesessen hat?«
»Schülerin Nr. 2: Ja! Ich glaube, er mag dich.«
»Schülerin Nr. 1: Wir sind nur Freunde. Er steht nicht auf mich.«
»Schülerin Nr. 2: Ach komm! Du musst dich nur trauen! Wenn ihr euch nächstes Mal umarmt, drück deine Titten an ihn. Das ist meine Geheimwaffe.«
Vereinzeltes Prusten unterbricht die Lesung, bis Mrs. Loring die Ordnung wieder herstellt.
»Schülerin Nr. 1: Sagen wir, das funktioniert – was ist, wenn danach alles anders ist? Was, wenn es die Freundschaft verdirbt?«
»Schülerin Nr. 2: Na und? Wir sind kurz vor dem Abschluss. Du musst es endlich machen.«
»Schülerin Nr. 1: Okay, Schlampe. Ich für meinen Teil halte es durchaus für möglich, mit Jungs befreundet zu sein, ohne sie alle zu knallen.«
»Schülerin Nr. 2: Du glaubst noch an den Weihnachtsmann. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis beste Freunde verschiedenen Geschlechts in der Kiste landen.«
Das Schlusswort, mit hochtrabender Theatralik vorgetragen, ruft schallendes Gelächter hervor. Doch an unserem Tisch bleibt es auffällig still. Null Reaktion. Die Parallelen zu meinem Leben sind zu groß. Ich rutsche unbehaglich auf meinem Stuhl herum. Mir wird heiß. Ich habe plötzlich Hautausschlag. Vielleicht reagiere ich allergisch auf Ians Putensandwich. Ich wünschte sogar, dass es das wäre – im Vergleich hierzu klingt ein anaphylaktischer Schock wunderbar. Es kommt mir vor, als hätte jemand die Gedanken und Worte des Engelchens und des Teufelchens auf meinen Schultern verschriftlicht.
Ich hasse dieses Ritual.
Ich hasse es, dass Ian versucht, mich dazu zu bringen, seinen blauflammigen Blick zu erwidern, und wahrscheinlich einen freundschaftlichen Witz reißen will.
Sobald die Mittagspause vorbei ist, werde ich aufstehen und mich aus dem Staub machen. Ich werde seine Einladung ablehnen, auf ein paar Kekse mit in sein Klassenzimmer zu kommen, und wenn wir uns trennen, werde ich mir große Mühe geben, meine Stimme und meinen Blick neutral zu halten. Er wird nie erfahren, dass etwas nicht stimmt.
In den letzten 1300 Tagen musste ich vorsichtig sein. Ian und ich haben eine Beziehung, die stark davon abhängt, dass ich zu Beginn jedes Schultages meine Gefühle für ihn unterdrücke und die Flasche am Abend langsam entkorke. Der Druck baut sich den ganzen Tag über auf.
Deshalb sind meine Träume nicht jugendfrei.
Deshalb bin ich ewig nicht mehr mit einem Mann ausgegangen.
Diese Gratwanderung wird immer schwieriger, aber eine Alternative dazu gibt es nicht. 1300 Tage lang war ich die beste Freundin von Ian Fletcher, und 1300 Tage lang habe ich mir eingeredet, nicht in ihn verliebt zu sein. Ich stehe nur total auf Kupferpennys.
Ian
Sam und ich sind jetzt schon eine ganze Weile befreundet – sogar schon so lange, dass ich ganz sicher weiß, dass sie nichts von mir will. Dies sind vier Gelegenheiten, zu denen sie mir das sehr deutlich zu verstehen gegeben hat:
Einmal hat sie mir gesagt, dass sie nervös wird, wenn wir uns zu nahe kommen. »
Du bist der Elefant und ich das Porzellan. Wenn du dich auf mich setzt, quetschst du mich zu Tode
.« Der letzte Typ, mit dem sie zusammen war, war so klein, dass ihm ihre Jeans passte.
Sie steht auf langweilige BWL-Typen. Männer, die ihren ersten Gehaltsscheck für einen teuren Rahmen für ihr MBA-Diplom auf den Kopf hauen.
Einmal habe ich mitangehört, wie sie am Telefon ihrer Mutter schwor, dass wir
»nie im Leben mehr als nur Freunde«
sein würden. Das klang wie die Kidz-Bop-Version eines Taylor-Swift-Songs.
Ach ja, und da war die Halloween-Party im letzten Jahr, auf der sie sich als Hermine verkleidet hatte und ich versucht habe, sie zu küssen, woraufhin sie mir ins Gesicht gelacht … und mir dann auf die Schuhe gekotzt hat.
Heute ist Mittwoch, was bedeutet, dass Sam bei mir auf mich wartet, wenn ich nach dem Fußballtraining nach Hause komme. Ich bin der Cheftrainer des Oak-Hill-Nachwuchsteams der Männer. Wir sind ungeschlagen, und Sam hat noch nie ein Spiel verpasst, obwohl Sport nicht ihr Ding ist.
»Sag bitte, dass du schon mit dem Abendessen angefangen hast, Madam Secretary«, begrüße ich sie, als ich hereinkomme und meine Sporttasche fallen lasse.
»Schon im Ofen, Mister President.«
Sie sitzt mit dem Rücken zu mir über meinen Küchentisch gebeugt. Ich weiß erst, was sie macht, als ich näher komme und mich über ihre Schulter lehne.
Sie streut Glitzer auf Plakatkarton und legt letzte Hand an knallige Neonschilder. Darauf steht: Auf geht’s, Oak Hill und Coach Fletcher ist der Beste! Mein Tisch ist mit Bastelpapier, Klebstoff und Filzstiften übersät. Es herrscht das totale Chaos.
»Sind die für das Spiel morgen?«
»Wow, du machst glatt Sherlock Holmes Konkurrenz«, zieht sie mich auf, bevor sie meinen Schweißgeruch registriert und mich mit ihrer Hüfte wegstößt. »Ab unter die Dusche. Du stinkst. Abendessen in einer Viertelstunde.«
Ich erhebe keine Einwände. Ich habe heute mit der Mannschaft trainiert und rieche bestimmt furchtbar. In meinem Schlafzimmer ziehe ich mir mein Shirt aus. Ich mache mir nie die Mühe, beim Ausziehen die Tür zu schließen, weil Sam sowieso nie linst.
Jeden Mittwoch haben wir eine feste Verabredung zum West-Wing-Gucken, daher auch die Spitznamen.
Diese Tradition hat ganz anders angefangen. Früher waren noch andere Freunde und unsere besseren Hälften dazu eingeladen. Die Freunde sind entweder aus beruflichen Gründen weggezogen oder haben Kinder gekriegt. Unsere besseren Hälften sind uns auch abhandengekommen. Das ist kein Zufall. Keiner von Sams Typen hat mich je gemocht. Das könnte daran liegen, dass ich mit ihnen nicht gerade dicke war. Zum Beispiel durften sie mein Bier nicht trinken. Den letzten hab ich ständig Biff genannt, obwohl ich genau wusste, dass er Bill heißt. Das endete stets damit, dass er irrational wütend wurde, was es für mich nur noch lustiger machte. Und leichter zu ertragen, wenn ich zusehen musste, wie er ihr einen Gutenachtkuss gab.
Als ich nach dem Duschen aus dem Bad komme, hat Sam schon auf meinem Couchtisch die Teller arrangiert. Wir teilen uns ein Blue-Apron-Abonnement und wechseln uns mit der Zubereitung ab. Heute Abend hat sie uns außerdem billigen Wein aus einer Partybox eingeschenkt und dank der Kantinen-Damen von Oak Hill zusätzlich eine Schüssel mit wiederbelebten Kartoffelkroketten beigesteuert.
Sam stemmt die Hände in die Hüften und sieht zu mir auf. Wir tragen das gleiche West-Wing-T-Shirt, das für eine fiktive 1998er Präsidentschaftskampagne für Bartlet wirbt. Ich habe für uns beide dieselbe Größe bestellt. Mir passt es gut. Für sie ist es ein Shirtkleid. Sie ist ein Winzling – ein hübscher Winzling, aber ich weiß, wenn ich ihr das sagte, würde sie die Nase krausziehen und rasch das Thema wechseln. Die Kroketten werden kalt! Eigentlich muss sie wissen, dass sie attraktiv ist; im Laufe der Jahre haben ihr das bestimmt genug Typen gesagt. Sie hat hohe Wangenknochen und einen vollen, sehr weiblichen Mund. Ihre helle Haut, die dunkelroten Haare und ihre großen blauen Augen sind der Stoff, aus dem Märchenprinzessinnen sind. Wenn sie im Urlaub nach Disney World führe, würden sich kleine Kinder wie ein Mob um sie scharen, mit Rehaugen zu ihr aufsehen und sie um ein Foto anbetteln.
Sie hat mitbekommen, dass ich sie anstarre.
Fragend legt sie den Kopf schief. Ich auch.
»Was ist los, Mr. President? Ein Notfall? Müssen wir uns in den Situation Room begeben?«
Ich befeuchte meinen Daumen mit der Zunge und fahre damit sinnlos über ihre Wange, ihre Stirn und ihr Kinn.
»Du hattest nur Glitzer im Gesicht«, lüge ich.
Ich trete um sie herum, setze mich auf die Couch und versuche, mich neu zu fokussieren. Ich bin hungrig aufs Essen, nicht auf Sam.
»Sieht gut aus.«
»Das ist Tandoori-Chicken.« Ihr Akzent wird hochnäsig und britisch, als sie fortfährt: »Passend dazu habe ich einen kräftigen Rotwein ausgewählt und nur Kroketten aus erlesensten Kartoffelsorten.«
Sie setzt sich neben mich und legt die Füße auf den Couchtisch. Ich weiß, dass sie unter dem T-Shirt Shorts trägt, und trotzdem spielt die trügerische Hoffnung jede Woche meinem Gehirn übel mit. Wenn sie weg ist, werde ich noch einmal kalt duschen müssen. Meine Verliebtheit in Sam stellt eine Riesenbelastung für die Trinkwasserversorgung unseres Planeten dar.
Wir haben alle Staffeln von The West Wing – Im Zentrum der Macht schon einmal gesehen. Wir könnten mit einer neuen Serie anfangen, aber Traditionen haben etwas Tröstliches. Außerdem folgen wir der Handlung gar nicht so aufmerksam. Normalerweise machen wir andere Sachen nebenher, so wie jetzt. Sam hat fertig gegessen und sitzt wieder am Küchentisch, um ihre Plakate fertigzustellen.
Auf ihrem Handy, das neben mir auf der Couch liegt, leuchtet eine Mitteilung von einer Dating-App auf. Der damit einhergehende Ton erregt ihre Aufmerksamkeit.
»War das ein Match?«
Ich sehe nach. Ein Typ namens Sergio hat ihr eine Nachricht geschrieben.
»Ich weiß nicht, warum du dich mit diesem Mist abgibst.«
Sie seufzt genervt und kommt herübermarschiert, um ihr Handy vom Sofa zu nehmen. »Vielleicht weil ich gern ab und zu mal Sex hätte. Ich bin im Prinzip eine keusche Nonne ohne die Vorteile, die ein Kloster bietet.«
Mein Schwanz regt sich, was ich ignoriere. Darin bin ich inzwischen ziemlich gut.
»Tja, ich weiß nicht so recht, ob dieser Sergio dem gewachsen ist. Er sieht aus, als ginge er zum Augenbrauen-Waxing.«
»Na und? Das ist eine Superidee für ein erstes Date. Meine sind überfällig.«
Ich ziehe eine Augenbraue hoch, woraufhin sie prompt ablenkt.
»Außerdem musst du gerade reden. Die Frauen, mit denen du ausgehst, wachsen sich von Kopf bis Fuß. Wahrscheinlich musst du ihre glatten, reibungsfreien Körper festbinden, damit sie dir beim Sex nicht vom Bett rutschen.«
Ich grinse. »Vielleicht binde ich sie fest, aber nicht aus dem Grund.«
Sie mimt einen Kotzanfall. »Eklig. Wie sind wir von meinem Tinder-Erfolg zu deinem Werben um gerupfte Hühner und Nacktkatzen gekommen?«
»Du hast recht, zurück zu Sergio. Ist er wirklich dein Typ?«
»Lass ihn in Ruhe und dreh dich weg. Das ist der Zeitpunkt, zu dem ich ihm Nacktfotos schicken muss, oder?«
Ich lehne mich vor und setze den Fuß ab, den ich lässig auf mein Knie gelegt hatte. Jetzt steht sie zwischen meinen Beinen. Im Sitzen bin ich fast so groß wie sie. Ich halte ihr Handy noch in der Hand und scrolle durch ein paar seiner Fotos. »Hmm, klein ist er ja. Viele kleine Männer sind wie Chihuahuas – große Klappe, nichts dahinter.«
Sie zieht herausfordernd eine ihrer zarten Augenbrauen hoch. »Ach, dann behauptest du also, dass bei dir viel dahinter ist?«
Unser Gespräch gerät auf gefährliches Terrain. Am liebsten würde ich die Hand ausstrecken, damit über ihren Schenkel fahren und sie so weit höher gleiten lassen, bis sie unter ihrem T-Shirt verschwindet … Sam in die Unterlippe beißen …
Stattdessen lehne ich mich zurück und stelle den dringend erforderlichen Abstand zwischen uns wieder her. »Ich will damit nur sagen, Typen, die Selfies von sich machen und zum Augenbrauen-Waxing gehen, sind zwangsläufig egoistisch im Bett.«
»Das ist okay. Ich fand sowieso schon immer, dass ich eher die Rolle der Gebenden einnehme. Außerdem erinnere ich mich nicht, dich um Rat gefragt zu haben.«
Sie senkt den Blick auf ihr Handy. Eine tiefe Zornesfalte bildet sich zwischen ihren Augenbrauen, als ihr klar wird, dass ich Sergio an ihrer Stelle geantwortet habe.
Sergio: Hey QT
Samantha: Wie viele Kinder wünschst du dir? Ich dachte so an zehn.
»Ian!«
»Er hat dich mit Buchstaben angesprochen. Ich dachte, die Grundvoraussetzung für Tinder-Hook-ups wäre zumindest eine mittelmäßige Intelligenz. Aber er hat ein Wort mit fünf Buchstaben abgekürzt.«
Sie dreht sich zurück zum Küchentisch. »Ich beende dieses Gespräch jetzt.«
Ich verabrede mich nicht mehr oft mit Frauen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal gern mit einer Frau Zeit verbracht habe, die nicht Sam war. Vermutlich war es meine Mutter, als ich sie an Weihnachten besuchte. Coole Story.
Einer der Gründe, warum ich allein bin, ist, dass ich es leid bin, immer den gleichen Streit auszufechten. In vergangenen Beziehungen ging es stets um dasselbe Ultimatum: die Freundin oder Sam. Ich habe mich immer für Sam entschieden, woraufhin sie ihre Drohung, mich zu verlassen, wahrgemacht haben.
Vielleicht sollte ich mich auch bei einer Dating-App anmelden.
Nur wenige Tage später, als wir in der Schule allein im Kopierraum sind, bitte ich Sam, sich mein Tinder-Profil anzusehen.
Sie stöhnt ungehalten.
»Du machst das total falsch. Du musst was Witziges schreiben, nicht nur langweilige Details aus deinem Leben, und heißere Fotos hättest du auch aussuchen können.«
Sie löscht den Text, den ich in nur fünf Sekunden getippt hatte.
»Was ist falsch daran, zu schreiben, dass ich Chemielehrer bin?«
»Du musst es auf geistreiche Art ausdrücken, zum Beispiel: ›Ich unterrichte Chemie. Schauen wir mal, ob sie zwischen uns stimmt.‹«
»Das ist echt mies. Schlimmer geht’s nicht, echt.«
»Und du hast nicht mal ein Bild mit nacktem Oberkörper hochgeladen. Wozu verbringst du so viel Zeit in der Muckibude, wenn du nicht mal mit dem Ergebnis prahlst?«
»Ich hab keine Fotos mit nacktem Oberkörper von mir.«
Wer hat das schon?
Sie schnippt mit den Fingern, als hätte sie die perfekte Lösung. »Was ist mit dem, als wir letzten Sommer am Strand waren? Wir hatten dieses gemeinsame Foto von uns auf Facebook gepostet. Meine Tanten haben tagelang von dir geschwärmt, und das meine ich leider im wörtlichen Sinne. Als ich ihnen sagte, dass wir nur befreundet wären, hat mich eine von ihnen nach deiner Telefonnummer gefragt.«
»Perfekt. Vergessen wir Tinder, und du verkuppelst mich einfach mit ihr.«
»Sie ist achtundsechzig.«
»Erstes Date bei Luby’s? Seniorenermäßigung?«
Kopfschüttelnd drückt sie mir mein Handy wieder in die Hand. »Weißt du, was? Wenn ich recht drüber nachdenke, finde ich nicht, dass du Dating-Apps benutzen solltest. Für jemanden, der so hübsch ist wie du, wird es zu viel werden.«
»Du benutzt sie doch auch«, wende ich ein.
Ihrer Miene nach zu urteilen, hält sie das für einen Scherz. Am liebsten würde ich sie auf den Kopierer heben und ihr meinen Standpunkt klarmachen. Ihr Hintern wäre auf das Glas gedrückt, und das helle Licht würde ihn scannen. Die Kopien würde ich mir laminieren lassen und sie mir in die Dusche hängen.
»Das ist was anderes«, seufzt sie und klingt dabei fast traurig.
»Inwiefern?«
»Auf mich steht nicht jeder. Dein Gesicht finden alle gut aussehend.«
Ich weiche ihrem Kompliment aus. »Hat Sergio dir neulich noch geantwortet?«
Sie sieht finster zu mir auf. »Ja. Er sagte, aus uns würde nichts, obwohl ich noch versucht habe, den Schlamassel, den du angerichtet hattest, wieder in Ordnung zu bringen. Warum grinst du so?«
»Ach, ich denke nur gerade an mein Mittagessen.«
Nach Schulschluss und an den Wochenenden bin ich meist mit Sam zusammen. Wir verbringen 99 Prozent unserer Zeit gemeinsam. Meine Eltern und unsere anderen Freunde (die wenigen, die noch hier wohnen) finden das merkwürdig, aber das hat sich nach und nach so ergeben. Zuerst aßen wir nur einmal abends in der Woche zusammen, dann zweimal und so weiter. Inzwischen sind wir voneinander abhängig. Ich weiß nicht mehr, wann ich mir zuletzt nur für mich etwas zu essen geholt habe – Moment, doch, ich weiß: Das war vor ein paar Monaten, als ich mir auf dem Weg zu Sams Wohnung ein Jimmy-John’s-Sandwich gekauft hatte.
»Mist, ich hätte dir auch was mitbringen sollen«, sagte ich, als sie mir die Tür aufmachte und ihr Blick darauf fiel.