Atlantis 2 / 1: Das neue Utopia - Ben Calvin Hary - E-Book

Atlantis 2 / 1: Das neue Utopia E-Book

Ben Calvin Hary

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Beschreibung

Gut 3000 Jahre in der Zukunft: In Can Coronto leben zahlreiche Außerirdische unterschiedlichster Art, aber auch Menschen. Die faszinierende Metropole sprudelt vor Leben, Energie und bunten Farben – es ist die Hauptstadt von Atlantis. Der Kontinent existiert noch und hat längst eine andere Bedeutung erlangt. Die Erde dieser Zeit unterscheidet sich stark von der Welt, wie man sie im 21. Jahrhundert kennt. Doch auch Perry Rhodan, der vor langer Zeit »seiner« Menschheit dabei half, zu den Sternen zu reisen, muss feststellen, dass einiges nicht so ist, wie es sein sollte. Der Terraner und seine Begleiter – darunter seine Frau Sichu Dorksteiger, und der Arkonide Atlan – erkunden eine lebensfreundliche und positive Welt, die sie eigentlich nur begrüßen können. Und obgleich vieles nicht »stimmig« ist, können sie ihr Unbehagen nicht genau benennen. Denn wie es aussieht, ist Atlantis eigentlich DAS NEUE UTOPIA ...

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Nr. 1

Das neue Utopia

Die richtige Zeit, die falsche Welt – es ist ein Kontinent voller Hoffnung

Ben Calvin Hary

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Perry Rhodan

1. Tyler

2. Tyler Rhodan

3. Sichu Dorksteiger

I. Fünfzehn Jahre zuvor

4. Sichu Dorksteiger

5. Tyler Rhodan

II. Fünfzehn Jahre zuvor

6. Sichu Dorksteiger

7. Tyler Rhodan

III. Fünfzehn Jahre zuvor

8. Tyler Rhodan

IV. Fünfzehn Jahre zuvor

Epilog: Der Terraner

Impressum

Gut 3000 Jahre in der Zukunft: In Can Coronto leben zahlreiche Außerirdische unterschiedlichster Art, aber auch Menschen. Die faszinierende Metropole sprudelt vor Leben, Energie und bunten Farben – es ist die Hauptstadt von Atlantis. Der Kontinent existiert noch und hat längst eine andere Bedeutung erlangt.

Die Erde dieser Zeit unterscheidet sich stark von der Welt, wie man sie im 21. Jahrhundert kennt. Doch auch Perry Rhodan, der vor langer Zeit »seiner« Menschheit dabei half, zu den Sternen zu reisen, muss feststellen, dass einiges nicht so ist, wie es sein sollte.

Der Terraner und seine Begleiter – darunter seine Frau Sichu Dorksteiger, und der Arkonide Atlan – erkunden eine lebensfreundliche und positive Welt, die sie eigentlich nur begrüßen können. Und obgleich vieles nicht »stimmig« ist, können sie ihr Unbehagen nicht genau benennen.

Denn wie es aussieht, ist Atlantis eigentlich DAS NEUE UTOPIA ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Terraner spürt einer Version von Terrania City nach, die es eigentlich nicht gibt.

Sichu Dorksteiger – Die Physikerin aus dem Volk der Ator geht auf galaktische Schnitzeljagd.

Koomal Dom – Der Kol Mani gehört einer mächtigen Kultur an und ist nicht gerade hilflos.

Tyler – Atlantis ist das einzige Zuhause, das der junge Terraner kennt.

Dante

Prolog

Perry Rhodan

Tag 92, Epoche 10.304

Was ist Heimat?

Für Perry Rhodan waren es die weißen Türme Terranias. Die Stadt, die er einst gegründet hatte, erwachte im Licht der aufgehenden Sonne.

Der Terraner schwebte über den Dächern. Ihn trug ein Massenaufhebungsfeld, der Generator war im Tornister seines leichten Einsatzanzugs verbaut. Ein Meer aus Fassaden streckte sich von einem Ende seines Sichtfelds zum andern – mal massive, mal zerbrechlich wirkende Gebäude, ein Gespinst aus Glassit und Nanomaterialien. Am Boden dominierte gepflegtes Grün.

»An die Arbeit, Erlesener!« Nernan Degs kehlige Stimme drang aus einem Audiofeld, das der Pikosyn neben Rhodans Ohr projizierte. »Wir sind nicht für eine Besichtigung hier!«

Der Terraner bestätigte mit einem Wink. Das waren sie tatsächlich nicht. Als potenziell Unsterblicher durfte er sich keine Wehmut erlauben, und Perry Rhodan wusste, wofür er kämpfte. Es ging darum, Abermilliarden zu retten.

Die Bewohner dieser Stadt – sie gehörten nicht dazu.

»Ich beginne mit der Aufzeichnung, Deg.« Der Pikosyn erzeugte das Recorderfeld handbreit vor Rhodans Lippen. Heiße, trockene Wüstenluft brannte in seinen Lungen, brachte ihn zum Husten. In Terrania herrschte kontrolliertes Klima, nicht aber hier.

Rhodan aktivierte die holografischen Displays seines Anzugs. Eingabetaster und Protokollfelder entstanden um ihn herum, übermalten die morgenroten Fassaden. Sofort erfasste der Pikosyn Daten – Bilder und Eindrücke, die eigentlich nur Rhodans Augen offenstanden. Spezialmaschinen aus den Geheimlaboren in Nethallar machten sie für die Sensoren sichtbar.

Zum allerersten Mal erblickte ein lebendes Wesen außer Rhodan die Hauptstadt Terras. Nernan Deg würde erkennen, dass er sich das nicht alles bloß einbildete.

»CAR auf Empfang, Erlesener.« Deg klang erwartungsvoll.

Der Terraner regulierte den Massenaufheber und begann mit dem Sinkflug. Die Höhenanzeige fiel von 1000 auf 500 Meter, dann auf 100. Fallwind zerzauste sein Haar. Auf einen Helm oder Atemschutzschirm hatte er verzichtet; dies war zwar nicht Terra, aber dennoch die Erde. Der Planet also, von dem er stammte – auf eine gewisse Weise.

Der Zellaktivator pochte schmerzhaft in Rhodans Schulter. Wie immer, wenn er zurückkehrte. Inzwischen war er daran gewöhnt.

Er beschleunigte. Dächer und Turmspitzen blieben über ihm zurück. Gleiterkolonnen wälzten sich träge durch Häuserschluchten. Antigravsegler tupften Schaumkrönchen auf die Wellenberge des Goshun-Salzsees.

»Das ist also die legendäre Metropole, um die du immerzu solches Aufheben machst.« Deg, der die Aufzeichnung aus der Ferne überwachte, gab sich hörbar Mühe, anerkennend zu klingen. Es gelang ihm nicht.

Rhodan schmunzelte, obwohl ihn das Schulterpochen anstrengte und die Müdigkeit bleischwer an ihm zog. Er sah das wächserne Knochengesicht seines Orbitanten bildlich vor sich; breit lächelnde Wulstlippen und zweifelnd erhobene, S-förmig geschwungene Brauenkämme. Degs Artgenossen galten als geborene Diplomaten, doch nicht alle hatten das Talent geerbt.

»Wo ich herkomme«, rief Rhodan ins Recorderfeld, »nennen wir sie auch die ›Weiße Stadt‹.« Er wandte sich nach Südwesten, wo vom Raumhafen riesige Kugelraumer wie schwerelose Gebirge gen Himmel strebten.

»Ein gradliniger Name. Für einen gradlinigen Ort.«

Rhodan lachte. Da war er wieder: Degs arttypischer Humor. Eine höfliche Spitze, garniert mit einem Hauch Wahrheit. Wer die architektonische Vielfalt Can Corontos kannte, dem musste Terrania geradezu langweilig erscheinen. Man konnte die Kol Mani mögen, wenn man mochte.

Perry Rhodan erreichte das Bodenniveau. Beim Hanse-Ring wich er einer Polizeisonde aus. Leiser Schwindel befiel ihn; Sol stand mittlerweile über den Bergspitzen im Osten, doch sein Körper warf keinen Schatten, und alles wirkte auf seltsame Art entrückt. Entfernungen verloren ihren Sinn.

»Vorsicht, Erlesener!«

Degs Warnung ließ ihn zusammenfahren. Rhodans Kopf ruckte herum.

Er erschrak. Von Westen raste ein Gleiter auf ihn zu, mit irrsinniger Geschwindigkeit und auf direktem Kollisionskurs. Eben noch kaum mehr als ein Punkt, füllte er gleich darauf schon Rhodans Sichtfeld. Drei, vielleicht vier Sekunden, und das Fahrzeug würde ihn rammen! Dabei flog es völlig lautlos, von keinem Lufthauch begleitet.

Der Terraner reagierte binnen eines Lidschlags. Im letzten Moment warf er sich beiseite und gab dem Massenaufheber einen Rückwärtsimpuls.

Er bremste. Es dauerte einen Atemzug, bis sein Bewegungsmoment aufgehoben war. Rhodan hielt den Atem an.

Er hatte Glück. Für einen Augenblick hatte er nur noch nanoversiegelten Verbundlack vor Augen, im nächsten war der Gleiter vorüber und Rhodans Sicht auf den Galornenpark wurde frei.

Der Zellaktivator hämmerte, als wollte er ihm aus der Schulter springen. Das Fahrzeug hatte ihn um Haaresbreite verfehlt. Viel zu knapp!

Nur nichts Terranisches berühren! Schweiß troff Rhodan von der Stirn. Der Gleiter war natürlich nicht wirklich da und wäre geradewegs durch ihn hindurchgeflogen. Ihm hätte die Kollision also nichts ausgemacht – wohl aber seinem Anzug. Echte Materie vertrug sich nicht mit dem Phänomen und sein Aktivator verstärkte den Effekt exponentiell. Fiel der Tornister dadurch aus, würde Rhodan abstürzen, und der Aufprall konnte ihn töten, Unsterblichkeit hin wie her. Noch schwebte er gut zwanzig Meter über dem Boden.

»Erlesener?«

»Ich bin in Ordnung!« Er wartete, bis sein Puls sich beruhigte.

Schließlich setzte er seinen Kurs fort. In gebührendem Abstand zu weiteren Fahrzeugen glitt er über die Antares-Road nach Nordosten, vorbei an Wildparks und Grünflächen. Goshun-See und Crest-Lake ließ er hinter sich. Im Südosten würde diese Route ihn nach Sirius River City und damit ins Stadtgebiet zurückbringen. Hunderte Terabyte von Daten strömten sekündlich in die Speicher des Pikosyn. Er ließ sich Zeit.

Heimat. Was hieß das?

Eine Warnmeldung riss ihn ins Jetzt zurück. CAR übertrug sie als schrillrotes Leuchtmuster ins Außendisplay seines Anzugs. Sie stammte von einem Relais des galaxisweiten Ortungsnetzwerks AMMANKOM, Der Wortlaut blieb verschlüsselt.

»Seht ihr das auch, Deg?« Rhodan stoppte, wo er war. Atlan Village schmiegte sich glitzernd an den Horizont.

»Das Schiff informiert uns in diesem Augenblick. Du solltest umkehren, Erlesener.«

Erlesener. Seit Jahren nannten sie ihn so. Würde er sich je an den Titel gewöhnen?

Rhodan zögerte. Er sah über die Weiße Stadt hinweg, fertigte ein mentales Foto an. Dies mochte das letzte Mal sein, dass sich ihm dieser Anblick bot. Für immer.

Schließlich zog er eines der holografischen Bedienfelder zu sich heran und desaktivierte die Übertragung. Die Geräte aus Nethallar stellten die Arbeit ein.

Schlagartig fiel die Vision der Großstadt in sich zusammen. Zurück blieb unbewohnte Wüste – staubtrocken wie seit Jahrtausenden. Sand wellte sich in sanften Dünen von einem Horizont zum andern. Anstelle der Wohnsiedlungen aus Plastbeton wuchsen nur noch verdorrte Halme. Auf einem fernen Hügelkamm graste ein einsamer Wildesel.

Zugleich klang das Hämmern des Zellaktivators zu einem sanften Pochen ab. Rhodan seufzte. Es war eine Wohltat.

Heimat, das ist ein Ort – selbst, wenn er nur in deinem Herzen existiert.

*

Nach einer Viertelstunde erreichte Rhodan zu Fuß den Stützpunkt: eine Ansammlung flacher Modulbauten und goldener Kuppeln inmitten feinen Sands und flirrender Luft. Noch immer rann ihm der Schweiß herab, doch seine Gedanken rasten und der Fußmarsch tat ihm trotz der gottlosen Hitze gut.

Vier Kol Mani machten sich an den Interferenzverstärkern zu schaffen. Von Weitem konnte Rhodan sie kaum unterscheiden. Sie trugen nahezu identische Overalls, so eng, dass sie kein Detail der athletischen Anatomie verbargen. Die Kleidung schillerte in allen Farben des Regenbogens. Ein Stück abseits hing die CARFESCH handbreit über dem Boden. Kol-manische Raumschiffe besaßen keine Landestützen – so etwas hätte bloß die perfekte Form verunstaltet. Dem Gründervolk des Kol-Manischen Korrelats ging Ästhetik über alles.

Als Rhodan näher kam, hob einer der Arbeitenden die Dreifingerhand.

Rhodan erwiderte den Gruß. »Deg.« Er erkannte seinen Orbitanten lediglich am »Haargeweih« – einem Gespinst aus tiefschwarzen Knochenfasern, deren Wuchsrichtung sich bei jedem Kol Mani unterschied. Ihre Gesichter ähnelten einander zu sehr, um als Erkennungsmerkmal zu dienen.

»CAR hat die AMMANKOM-Daten ausgewertet.« Mit der vierfingrigen Linken bediente Deg sein Schläfenimplantat. »Deine Anwesenheit ist erforderlich.«

»Meine Anwesenheit – wo?« Rhodan musste den Kopf in den Nacken legen, um dem Kol Mani ins Gesicht zu sehen. Für einen Menschen war Nernan Deg ein Gigant, obwohl er unter seinesgleichen eher als schmächtig galt. Höchstens ein Ertruser hätte es mit dieser Spezies in Sachen Wuchs aufnehmen können – wenn es so etwas wie Ertruser geben würde.

»Wir erfahren es im Schiff, Erlesener.« Deg strich sich durchs Geweih. Das Knochengestrüpp knirschte spröde.

Der Orbitant verband die Verstärker mit seinem Implantat und versetzte sie in Ruhezustand. Die mannshohen, goldenen Kuppeln versanken in syntronischen Schlummer. Ihr kaum hörbares Brummen verstummte kurze Zeit darauf.

Anschließend aktivierte Rhodan das Deflektorfeld. Die Maschinen wurden unsichtbar. Niemand durfte wissen, was sie hier in der Wüste trieben. Zu viel hing davon ab.

Zu fünft schwebten sie in den Heckhangar des Schiffs zurück. Das Schleusentor schloss sich lautlos.

Drinnen strömte dem Terraner das Aroma von frisch Verwestem entgegen. »Willkommen zurück, Erlesener!«, ertönte die Stimme der Bordsyntronik CAR. »Ich habe mögliche Einsatzparameter in der Zentrale aufbereitet.«

Gleichzeitig erhellte warmes Licht den Gang von der »Garage« zum Bug. Farbenfrohe Leuchtmarken wiesen den Weg – eine Geste überflüssiger Höflichkeit, wie bei allem, was Kol Mani herstellten. Der Terraner kannte den Weg, und das Schiff war mit seinen rund 120 Metern zu klein, um sich an Bord zu verlaufen.

»Danke, CAR«, sagte er trotzdem. Rhodans Sohlen berührten geriffelten Kunststoff. Er desaktivierte den Massenaufheber.

Gemeinsam kehrten sie in die Zentrale zurück. Gemurmel begrüßte sie – die fünf Mitglieder der Zentralebesatzung unterhielten sich leise an ihren Terminals. Rhodan hörte das unvermeidliche Zischen der Duftzerstäuber, die in den Wänden verbaut waren. Geruchsneutralisierende Aerosole verteilten sich in der Atemluft.

Der Terraner schritt an den Arbeitsstationen vorbei, berührte im Vorübergehen den Navigator am Arm und schlug der twonosischen Pilotin auf die Schulter. »Womit haben wir es zu tun, CAR?«

Das Bordgehirn projizierte ein buntes Holo der Milchstraße über das Taktikterminal. Die Sterneninsel drehte sich langsam um ihre eigene Achse. Gleich darauf geriet ein Kugelsternhaufen in ihrem Halo in den Fokus. Tausende Lichtjahre trennten beide Inseln voneinander.

»AMMANKOM ist natürlich nicht auf die Erfassung der von dir kartografierten Phänomene kalibriert, wie du weißt.« Das Bordgehirn verschob den Bildfokus. »Aber die gesammelten Einzelwerte lassen Rückschlüsse zu. Sie implizieren das Vorhandensein eines weiteren Brennpunkts in Thantur-Lok.«

Rhodan studierte das Holo, bis der Kugelsternhaufen die Kuppeldecke der Zentrale nahezu vollkommen ausfüllte. Das simulierte Sternenlicht spiegelte sich in den Regenbogenschuppen von Nernan Degs Overall.

Rhodan spürte, wie er die Schultern anspannte.

Thantur-Lok – oder M 13, wie diese Gegend des Alls für ihn früher geheißen hatte – war die Heimat der menschenähnlichen Arkoniden, eines Volkes, das vor Jahrtausenden einmal eine wichtige Rolle auf der galaktischen Bühne gespielt hatte. Heute war die Arkonidische Sternennation bloß noch ein Schatten ihrer selbst. Korrelat und Allianz taten alles, um das einstige Imperium kleinzuhalten.

»Die NURO-KOROM?« Unbewusst tastete Rhodan nach seinem Zellaktivator. In seiner Schulter pulsierte es dumpf.

Das Bordgehirn blendete um. Im Zentralholo war nun eine Stadt zu sehen – ein flirrender Moloch aus Licht, aus großer Höhe und durch hauchdünne Wolken betrachtet. Die Syntronik bearbeitete das Bild nach, hellte die umliegenden Gebiete auf und entriss sie so der Schwärze. Die Aufnahme stammte von der anderen Seite des Planeten. Über Atlantis herrschte Nacht.

Außerhalb der Metropole lag ein kreisrunder Lichtfleck inmitten üppiger Parkanlagen: der Raumhafen Exnir, das schlagende Herz der Allianz. In seinem Süden hatte die Allianzregierung ein Areal ans Kol-Manische Korrelat verpachtet. Die galaxienübergreifende Handelsföderation beanspruchte Platz auf ihren Mitgliedswelten.

Auf einem abgelegenen Stellplatz stand ein schlanker, nach hinten ausladender Raumer mit vier vorwärts gestreckten »Fingern«: Die NURO-KOROM, nachtschwarz und schön.

Deg trat an die Datenkonsole im Taktikbereich der Zentrale und las die übermittelten Werte vor: »Aggregate sind desaktiviert. Der Ritter ist nicht an Bord. Keine Startvorbereitungen feststellbar.«

»Dann sind wir die Ersten, die von dem Phänomen auf Arkon erfahren?« Rhodan war zufrieden. Die CARFESCH war einer von zwei Prototypen. Außer ihr existierte nur ein weiteres Schiff der YONESON-Klasse – und damit nur ein Gegner, den es möglicherweise abzuhängen galt: den Ritter mit der NURO-KOROM.

»Nicht unbedingt.« Der Kol Mani sah vom Pult auf. »CAR zapft soeben die arkonidischen Aufenthaltsbehörden an. Es gibt dort zwei Besucher, welche die Investigation stören könnten.«

Degs Vierfingerhand beschrieb eine Wurfgeste zur Raummitte. Wo die imaginäre Flugbahn endete, entfalteten sich zwei Datendossiers: Fotos, Biografisches, Geheimdienstliches, alles in hellblauer Schrift auf dunkelgrauem Grund.

Rhodans Blick fiel auf biometrische Porträts. Er spürte, wie ihm das Blut aus den Wangen wich.

»Ich vermute, du kennst beide Personen.« Selbstverständlich wusste Deg die Antwort, doch die typisch kol-manische Höflichkeit zwang ihn, die Frage zu stellen.

Rhodan trat heran, vergrößerte die Porträts, bis beide lebensgroß vor ihm schwebten: ein langhaariger Arkonide, athletisch und von mittlerem Alter, und eine grünhäutige Frau. Goldfarbene Muster mäanderten über ihre Wangen und ihren Hals. Das Haar war silberblond wie das ihres Begleiters. Beide trugen schäbige Einsatzkombinationen.

Ausgerechnet. Rhodan fegte die Dossiers mit einer Handbewegung beiseite, setzte sich auf den Sessel des Kommandanten und zog die Taktikkontrollen zu sich heran. In ihm rumorte es.

»Es spielt keine Rolle.« Sein Finger stach in die Bedienfelder, gab Protokollwerte ein. »Die beiden haben mit unserer Mission nichts zu tun. Ich werde dafür sorgen, dass sie uns nicht in die Quere kommen.«

Er lehnte sich zurück, befahl dem Navigator, Kurs zu setzen, und gab das Kommando zum Start.

Das Schiff hob ab. Jener Landstrich, den er einst die Gobi genannt hatte, versank im blauen Dunst. Die CARFESCH kehrte zu den Sternen zurück.

Rhodans Blick blieb auf das Außenholo geheftet. Er dachte an Atlan, seinen Freund. Und an Sichu, seine Frau. Sind sie das noch, nach all der Zeit?

Heimat, das musste kein Ort sein.

1.

Tyler

Tag 93, Epoche 10.304

Mein Zuhause war die Stadt aus Farben.

Dante und ich standen auf der Schwebertrasse und starrten ins Holoflimmern. Purpur, Blau und Indigo spiegelten sich im regennassen Pflaster und im Mattlack unserer Flitzer. Die Farben bemalten Dantes Wangen.

»Auf!« Mein Kumpel tat, als scheuchte er mich vor sich her. »Die andern warten.«

Hinter ihm priesen Großflächen-Trivids ein Erfrischungsgetränk an; grünes Neonfeuer umrahmte seinen Kopf wie ein Heiligenschein. Er war schön, so im Werbewetterleuchten.

»Fahr vor, Bruder!« Ich imitierte einen laschen Salut. Ein Dante Turnham redet nicht viel. Wenn er etwas sagt, muss es reichen.

Dante aktivierte sein Steuerholo.

Ich folgte seinem Beispiel. Meine Hände versanken im Bedienfeld des Schwebeflitzers – ein teurer Bolide, viel schicker als Dantes, und ich schämte mich dafür. Mein Finger fand den Startsensor. Wir schoben die Geschwindigkeitsregler auf Maximum und brausten los.

Wusch! Die Aggregate heulten. Fahrtwind zerrte an meinen Locken. Die Flitzer waren kaum mehr als edle Bretter mit Massenaufhebungsgeneratoren. Schutzlos und johlend donnerten wir durchs Stadtzentrum und die taghelle Nacht; vorbei an Werbetafeln, Formenergiefassaden und geparkten Gleitern. Menschen und Außerirdische schüttelten die Köpfe, als sie uns sahen: zwei wild gewordene Jungs in schreiend bunten Pullovern, ausgelassen und viel zu dicht beieinander. Die Massenaufhebungsfelder überlappten sich, das Geradeausfliegen fiel mir schwer, aber Scheiß auf Sicherheitsabstand! Unsere Unterarme streiften einander. Elektrisches Gewitter.

Am Garbeschianerplatz wurde Dante übermütig. Urplötzlich scherte er aus und raste auf zwei Jülziish zu, die Arm in Arm vor einem Nachrichtenterminal standen. »Die fahr ich jetzt um!« Er klang ernst.

»Lenk, du Forak!« – das Letzte war ein Begriff, den man seine Eltern lieber nicht hören lässt. Ich zwang mich hinzusehen. Dante sagte selten Dinge, die er nicht meinte. Würde er die beiden wirklich niederpflügen?

Nein – im letzten Moment riss er das Steuer herum. Sein Flitzer verfehlte seine Opfer knapp und kehrte auf die Trasse zurück. Die beiden Außerirdischen protestierten mit hochfrequentem Zirpen.

»Haut bloß ab, Tellerköpfe!« Dante jagte mit ausgestrecktem Mittelfinger um die nächste Biegung.

Atemlos schloss ich zu ihm auf. Mein Grinsen versteinerte.

Hinter der ferronischen Botschaft stiegen wir ab und lehnten uns an die Formenergiescheibe eines Syntronikladens. Ich stützte die Hände auf die Oberschenkel und rang nach Luft. In Gedanken war ich bei den Jülziish. Ob es ihnen gut ging?

»Fragst du dich manchmal, wie's ohne sie wäre?«, fragte Dante.

»Wen?« Keuchend suchte ich in seinen Augen. Eine Leuchtreklame für Yonton-Schmiermittel am Wohnturm gegenüber spiegelte sich in ihnen; nervöse Glitzerpunkte, grün in Nussbraun.

Mit einem Kopfnicken deutete er auf die andere Straßenseite. Unter dem Geflacker eines Schriftbands stand eine Gruppe Kol Mani, in schillernde Hautkostüme und bonbonfarbene Umhänge gehüllt. Wortfetzen in Timit-Nimidi, der Verkehrssprache des Korrelats, drangen an unsere Ohren. Es ging um Börsenkurse in Triangulum.