Perry Rhodan 3247: Der Dunkle Hafen - Ben Calvin Hary - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 3247: Der Dunkle Hafen E-Book und Hörbuch

Ben Calvin Hary

0,0

Der Titel, der als Synchrobook® erhältlich ist, ermöglicht es Ihnen, jederzeit zwischen den Formaten E-Book und Hörbuch zu wechseln.
Beschreibung

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint in Fragmente zersplittert zu sein, die sich in verborgenen Fragmentrefugien ballen. Eines dieser Refugien befindet sich in der Kondor-Galaxis, von den Einheimischen Spaphu genannt. Als Rhodan eintrifft, scheint es aber, als hätte eine bislang unbekannte Macht das Refugium bereits abgeerntet. Auf der Suche nach dem Unbekannten gerät er unter die Piraten und bereist den Hyperfluss. Dort befindet sich auch DER DUNKLE HAFEN ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 149

Das Hörbuch können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS

Zeit:3 Std. 31 min

Sprecher:
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nr. 3247

Der Dunkle Hafen

Ein Terraner wird zum Bauernopfer – im Kampf um die Macht im Hyperfluss

Ben Calvin Hary

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Atulhu

2. 11. Juli 2097 NGZ: AUMASSEA

3. 12. Juli 2097 NGZ: Atulhu

4. 15. Juli 2097 NGZ: In der Arena

5. 18. Juli 2097 NGZ: Zwischen den Sternen

6. 22. Juli 2097 NGZ: Atulhu

7. 27. Juli 2097 NGZ: Atulhu

8. Später am selben Tag: Atulhu

9. Dieser exakte Augenblick: Atulhu

10. 2. August 2097 NGZ: Atulhu

11. 4. August 2097 NGZ: Atulhu

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung Terranische Technik– Paratronwerfer

Impressum

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen.

Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.

Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint in Fragmente zersplittert zu sein, die sich in verborgenen Fragmentrefugien ballen. Eines dieser Refugien befindet sich in der Kondor-Galaxis, von den Einheimischen Spaphu genannt. Als Rhodan eintrifft, scheint es aber, als hätte eine bislang unbekannte Macht das Refugium bereits abgeerntet. Auf der Suche nach dem Unbekannten gerät er unter die Piraten und bereist den Hyperfluss. Dort befindet sich auch DER DUNKLE HAFEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Terraner will Pirat werden.

Siypinde Siwotan – Die Piratin verlangt sieben Prüfungen.

Wyopad – Der Klempner hegt ein Geheimnis.

Tozzcord

1.

Atulhu

Sie nannten mich den Klempner.

Es war ein ehrenwerter Titel. Zumindest machte ich mir das vor.

Oft ging das ganz leicht. Etwa, wenn sie auf Knien baten, ihre Hyperfluss-Konvektoren instand zu halten. Oder, sobald ich und meine Robot-Untergebenen ihre Hyperflussgondeln für einen »vielversprechenden« und »glorreichen« Beutezug rüsten sollten.

Dann fütterten diese finsteren Piraten mich mit Hoynyg-Paste und umgarnten mich mit Komplimenten, oft mitten auf dem Promenadenring und umringt von gehässigem Gelächter. Es war drollig, wie liebenswert diese Monstren betteln konnten.

Am Anfang war es umgekehrt gewesen. Das Blut oder Zellplasma auf ihrer Kleidung hatte mich schaudern lassen, die verzweifelten Schreie von Geiseln und frisch entführten Spezimen in den Schlaf verfolgt.

Aber das war lange her.

Ignorierte man die Intrigen, das Verbrechen und den Abschaum, den die Galaxis in den Hangars anspülte, war Atulhu ein Hyperflusshafen wie jeder andere. Was das Piratenpack trieb, damit hatte meinereins nichts zu schaffen. Ich sorgte lediglich dafür, dass die Maschinerie lief.

Das Prün half. Unter Gesetzlosen war es einfach, an das Zeug heranzukommen, wenn man das Geld hatte. Und bei Gleum, nie zuvor hatte ich die Droge dringender gebraucht!

Auf Atulhu herrschte Aufruhr. Meine Krallen zitterten, und die Gedanken bewegten sich, als steckten sie in Lehm fest. Der Entzug machte jedes Hirn zu Matsch.

»Das Gleiche wie immer, Jobarjog!« Ich knallte den üblichen Betrag an Transparen auf das Bezahlfeld. Die Transparewürfel verteilten sich auf der altersschiefen Theke. Zwei von ihnen rollten über den Rand. Ich hatte gar nicht vorgehabt, sie ihm so lieblos hinzuwerfen, aber die Krämpfe brachten meinen Unterarm zum Zucken. Die Abhängigkeit war eine zickige Geliebte.

»Nicht hier, Klempner!« Jobarjog beeilte sich, die Transpare aufzufangen. Den Rest scharrte es sich hastig in den Kropfbeutel – wie alle Tilt verfügte es über das perfekte Versteck für Schmuggelware, direkt am Körper und von außen kaum zu sehen. Dabei sah es sich ängstlich um. »Wie viel willst du, Wyopad?«

Draußen vor dem Laden tobte der Pöbel. Khassu-Than-Stimmen unterschiedlichster Tonhöhen und Sprachmelodien riefen durcheinander, manche erfreut, andere entsetzt. Pnerten Andhini, Oberster der Hyperflusspiraten, war tot. Wer ihm nachfolgte? Das Auswahlverfahren war eingeleitet. Wie es endete, kümmerte mich nicht. Vor dem Energiewaffenbasar standen sich zwei Herausforderer zum Duell gegenüber.

»Dieselbe Menge Prün wie stets, Jobarjog. Schließlich willst du bestimmt, dass deine Energiekupplungen demnächst ersetzt werden? Diese hier sehen schon sehr ramponiert aus.«

Ich wies auf den offen stehenden Verteilerkasten an der rückwärtigen Wand des Ladens. An den entblößten Leitungen waren Abzweigungen angebracht. Von dort schlängelten sich gelbe Kabel unter Regalen mit Waren und angebotenem Diebesgut hindurch. Durch einen Türspalt verschwanden sie in einem Kämmerchen im hinteren Bereich des Raumes. Meine Drohung war völlig überflüssig, schließlich hatte ich bezahlt. Aber ich mochte es, wenn es vor mir kroch.

»Macht der Entzug dir den Verstand mürbe?« Jobarjog gestikulierte zu den Duellanten vor dem Laden. Einer hatte inzwischen den Thermostrahler gezückt. Die Menge feuerte sie an. »Draußen brodelt es! Jeden Moment wird Siwotan die Sicherheitsvorschriften erhöhen. Willst du, dass die Hafenleitung ihm bei der nächsten Inspektion den Laden wegen Brandgefahr dichtmacht? Oder dass sie herausfindet, was sich in meinem Lager befindet? Wünschst du, dass dein Nachschub versiegt?«

Touché!

»Ich will, dass es mir die bezahlte Ware aushändigt.« Drohend kratzte ich so über den Tresen, dass sich lange Resilientit-Späne unter meinen Krallen kräuselten. Vielleicht machte mich der Entzug dumm, aber warum sich das nagerähnliche Geschöpf vor Siwotans Inspektoren fürchtete, wollte mir nicht in den Schädel. Es gab kein Gesetz auf Atulhu. Wenn überhaupt, würde das Wort über seinen Drogenvorrat die Runde machen und ihm neue Kundschaft einbringen. Welcher Händler wehrte sich dagegen?

Es duckte sich unterwürfig. »Wie du willst! Einem imposanten Fayyud wie dir hat es nichts entgegenzusetzen.«

Beinahe musste ich lachen. Überlegen war ich dem Zwerg sicher – das Tilt reichte mir nur bis zum Oberschenkel –, aber von »imposant« konnte keine Rede sein. Die zerfetzte Lederkleidung verbarg nur leidlich meine vergilbte Schuppenhaut. Im Spiegel über dem Tresen erkannte ich lose Hornplättchen an meinen Unterarmen und am Kinn. Was mir an Zähnen geblieben war, ragte grünlich und stumpf in den knarrenden Kiefern. Zum Essen benötigte ich längst den Zerkleinerer.

Kurz: Ich gab eine erbärmliche, schlotternde Erscheinung ab, und ich wusste es. Jobarjogs kriecherisches Gehabe war vermutlich bloß eine Eigenart seines Volkes. Mir fehlte der Vergleich, denn das Tilt war das Einzige seiner Art auf dem Dunklen Hafen.

Wenigstens das hatten wir gemeinsam.

Mein Händler bugsierte mich hinter die Theke und zu der Tür, durch welche die gelben Kabel verschwanden. Am Rahmen stieß ich mir den Kopf, obgleich ich geduckt ging. Die Gebäude im öffentlichen Bereich waren der Körpergröße ihrer Erbauer angepasst – und damit eindeutig zu klein für mich. Wo mein Volk auftrat, war es gezwungen, unter Winzlingen zu leben.

Wie es Fayyud wohl anderswo machten, wo mehr von unserer Art lebten?

Zusammen mit den Lletha waren wir Fayyud die Meister des Hyperflusses – zumindest an Orten, die nicht von irgendwelchen abgehalfterten Kriminellen gekapert worden waren. Allerdings war ich selbst einer.

Schnaufend zwängte ich mich durch den Spalt. Der Raum dahinter war winzig. Ich kauerte vor einem Stapel ungeöffneter Kisten, unfähig, in der Enge den Arm auszustrecken. Der Schwanz musste draußen bleiben. Zum Glück schloss die Tür ohnehin nicht richtig.

»Worauf wartet es?« Meine Krallen klapperten unkontrolliert gegen den Klimasensor – ich verbarg das Zittern nicht mehr. Bald würde es sich in Krämpfe verwandeln, dann in Schmerzen. Ich brauchte das Prün dringend. Bei einem findigen Piraten hätte meine Not den Preis nach oben getrieben, doch in Jobarjogs Fall sorgte ich mich darüber nicht.

»Es hat deine Medizin hier verstaut. Lass es nachdenken ...«

Das Tilt hob die Deckel der Kisten. In der ersten befanden sich Positronikteile, in einer anderen wuselten Speise-Nematoden. Die nächste enthielt prächtige Kleidung, aber ich erkannte nicht, für welche Spezies.

Mir schlotterten die Knie. Jobarjog war einer von unzähligen Alles-Hehlern auf Atulhu. Was immer ein Pirat erbeutete, fand hier seine Abnehmer und wurde weiterverkauft. Die wenigsten spezialisierten sich auf eine bestimmte Ware, denn was an Lieferungen hereinkam, war wahllos. Jobarjogs Suche konnte dauern.

Die gelben Kabel führten zu einer brummenden Truhe, die einladend am hinteren Ende der Kammer stand. Ich kämpfte mich vor und brachte es fertig, mich trotz der Beengtheit umzudrehen und daraufzusetzen. Der Schwanz klemmte notgedrungen zwischen meinen Beinen. Zweifellos sah ich dämlich dabei aus, doch über so etwas wie Würde war ich längst hinweg.

Jobarjogs gehetzten Blick ignorierte ich. Der Inhalt der Truhe mochte wertvoll sein, mich interessierte aber nur das Prün.

»Hier!«, rief es nach schier endlosem Wühlen. Es zog eine Tube aus einer Kiste und reichte sie mir.

Endlich! Ich löste den Drehverschluss und schmierte mir das grüne Gel auf die Zahnstummel, als wäre es feinster Hoynyg. Sofort vaporisierte das Zeug. Gierig sog ich die Dämpfe ein, spürte, wie meine Lunge sie absorbierte und das Verlangen verblasste.

Gleich darauf ließ das Zittern nach. Erschöpft saß ich auf der Truhe und atmete vor mich hin. Durch die geschlossenen Nickhäute glaubte ich, hellblaues Irrlichtern zu erkennen. So, wie man den Hyperfluss durch die halbtransparente Außenhaut des Hafens ausmachen konnte.

Wann hatte ich dieses blaue Leuchten zuletzt gesehen? Es musste als junger Mann gewesen sein, just nach der vierten Häutung. Damals, bevor sie mich vom Hafen meiner Geburt verstoßen und zur Flucht gezwungen hatten.

Kliyomaad und Toyybur waren die letzten Artgenossen gewesen, die mir begegnet waren. Mir fiel ein, wie wir noch einmal Schwälle biolumineszenter Bakterien getauscht hatten und ich meinen Biorhythmus ein allerletztes Mal mit dem ihren hatte synchronisieren dürfen. Der Blauodem war ein biologischer Reflex. Unsere Körper produzierten ihn nur in der Gegenwart anderer Fayyud. Da ich der Einzige auf Atulhu war, hatte ich den meinen schon seit fast einem Jahrhundert nicht mehr ...

Verblüfft riss ich die Nickhäute auf.

Konnte es sein ...?

Ich hielt mir die Hand vor die Schnauze und blies. Da war der grünliche Prün-Dampf – aber noch etwas anderes. Hellblaue Schwaden lösten sich aus dem Rachen und umloderten meine Finger, wie Flammen über Hochprozentigem.

War ich also doch nicht der einzige Fayyud in diesem gleumverlassenen Piratennest?

Aus der Truhe drang ein Schaben. Es ließ mich an Hornkrallen auf Metall denken. Mich schauderte.

»Was ist in dieser Kiste, Jobarjog?« Ich klopfte auf das improvisierte Sitzmöbel.

Das Tilt presste sich mit großen Augen gegen die Regale, als fürchtete es, ich würde gleich Feuer speien und es versengen – was natürlich Unsinn war. Der Blauodem war harmlos und kein bisschen heißer als meine Körpertemperatur.

Ich beschloss, den Schein zu wahren. Also machte ich die Schultern gerade, richtete mich zu so imposanter Gestalt auf, wie es in der Enge möglich war.

Das Kratzen wurde lauter. Leises Fiepen war zu hören.

»Verschone es und seine Ware! Es fleht dich an, ehrenwerter Wyopad!« Jobarjog blähte furchtsam den Kropf. Die darin verstauten Transpare klimperten.

»Schmeichelei wird es nicht retten.« Spielerisch ließ ich den Odem vor meiner Schnauze tänzeln. Nach all den Jahren fühlte es sich gut an. »Verrate mir, worauf ich sitze und wozu die gelben Kabel dienen.«

Das Tilt schwieg.

Ich verlor die Geduld. Zornig legte ich die Prün-Tube auf das nächste Regalbrett und kämpfte mich von der Kiste. Im Umdrehen fegte ich Kartons und Plunder aus den Regalen, zertrat eine Glasskulptur.

Den Verschluss riss ich einfach ab, dann schob ich den Deckel von der Box. Ein Hauch körperwarmer Luft stieg mir entgegen.

»Bei Gleum!«

Später wusste ich nicht mehr, wie lange ich in die Kiste geglotzt und zu begreifen versucht hatte.

Illustration: Swen Papenbrock

Mit vielem hatte ich gerechnet – etwa mit abgetrennten Körperteilen oder Schmuggelgut, das einmal einem Fayyud gehört und mit seinem Blut verschmiert war. Weit weniger hätte nach all der Zeit genügt, meinen Blauodem auszulösen. Aber trotz des Kratzgeräuschs hätte mich nichts auf diesen Anblick vorbereitet.

Die Truhe war ein Brutkasten – was zumindest erklärte, wozu sie eine Energieversorgung benötigte. Die Isolierung war aus hellem Kunststoff und mit einer dünnen Schicht aus getrockneten Pflanzenfasern ausgekleidet. Darauf verteilten sich weiße Krümel und Splitter aus Eierschale.

Und aus dem Durcheinander starrte mich flehend ein einarmiges Fayyud-Baby an.

*

»Er ist versehrt.«

Ich lauschte meinen Worten und wunderte mich darüber. Es hatte Minuten gedauert, bis ich die Sprache wiederfand, und das war das Erste, das mir einfiel?

Die Situation war unwirklich. Da kauerte ich, im Lagerraum eines geschlechtslosen Händlers, und begegnete dem ersten Artgenossen seit gut einhundert Jahren – einem Schlüpfling zwar, doch das machte keinen Unterschied. Und alles, was ich sah, war der armlose Stummel, den er anstelle der linken Schulter trug. Narben oder Wunden waren nirgends zu sehen. Der Kleine war nicht verstümmelt, sondern so aus dem Ei geschlüpft. Er streckte die einzige Hand nach mir aus.

Was überwog – das Mitleid oder mein Ekel?

»Wie kommt der Junge hierher?« Ich wagte nicht, Jobarjog anzuschauen.

»Siypinde Siwotans Mannen erbeuteten das Ei bei einem der letzten Raubzüge. Die Truhe haben sie anschließend ... nun, verloren.«

»Und es hat sie ›gefunden‹.« Immerhin erklärte das die Nervosität des Tilt.

Siwotan würde die gestohlene Ware suchen. Nach Pnerten Andhinis Tod war sie die ranghöchste Hyperflusspiratin, und mit Gesetzlosen wie ihr legte man sich nicht an.

Wie fühlte ich mich dabei? Hätte es mich berührt, wäre der Junge nicht so abstoßend, so ... unvollständig gewesen?

Wenigstens klärte die Droge meinen Geist. Ich fand zu mir selbst zurück – nicht, dass das ein erfreuliches Wiedersehen war, doch den Gedankenbrei verabscheute ich noch mehr. Große, kluge Babyaugen glitzerten im Kunstlicht. Der Junge atmete meinen Blauodem.

»Stell dir vor, Klempner, welchen Preis der Schlüpfling als Spezimen auf dem freien Markt erzielen würde!« Jobarjog schien seine Angst zu vergessen und geriet ins Plappern. »Durch einen Leibeigenen Zugang zum Inneren eines Hyperflusshafens zu erhalten, zu dem kein Nicht-Fayyud oder Nicht-Lletha Zutritt hat ... «

»Was geschieht mit ihm?« Und warum interessierte mich das? Noch immer konnte ich den Blick nicht von dem Stummel nehmen. In mir regte sich Übelkeit.

»Ungewiss. Die Fehlbildung mindert den Marktwert. Wer will schon beschädigte Ware?«

»Da bleibt nur der Konverter.« War das grausam? Natürlich!

Aber es war die bittere Wahrheit. Was immer ich empfand oder auch nicht – Siypinde Siwotans Hausregeln verboten Schmarotzertum. Atulhu schwamm nicht in Ressourcen und wer nichts beitrug, hatte kein Daseinsrecht. Leute wie sie machten diese Gesetze, ich lebte nur nach ihnen.

Die Entsorgung war jedenfalls das Barmherzigste, was Jobarjog dem Jungen antun konnte. Sämtliche anderen Szenarien endeten in Hungertod oder Folter.

Da war nur ein Problem. Mir wurde es in dem Moment klar, als ich den Vorschlag machte.

Die Annahmeautomatik der Bioverwertung hatte ich selbst programmiert und seither wurde sie scharf bewacht. Sobald Jobarjog das Baby zuführte, würde ein Protokollvermerk ans öffentliche Verzeichnis gehen. Die alleinige Geschäftsführerin des Dunkeln Hafens hatte vermutlich längst ein Kopfgeld auf den Dieb ausgesetzt und würde eins und eins zusammenzählen können. Wie sollte ein Tilt auch anders an ein Fayyud-Baby gelangen?

Ich überlegte. Ein Fayyud hingegen, der einen ohnehin versehrten Nachkommen der Allgemeinheit, dem Hafen und dem größeren Wohl opferte – wäre das nicht viel glaubhafter?

Und selbst wenn nicht, wer würde schon den Klempner, der Lüge bezichtigen? Sie brauchten mich. Siwotan würde es sich nicht mit mir verscherzen. Ohne Wyopad gab es weder funktionierende Hyperflussgondeln noch zukünftige Raubzüge.

Ich witterte eine Chance.

Endlich riss ich mich von dem Armstummel los, unterdrückte die Abneigung und hob das Baby aus der Truhe. »Dies ist sein Glückstag, Jobarjog. Das hier überbringe ich an seiner Stelle der Verwertung. Zu einem Preis.«

»Nenne ihn!« Die Bereitwilligkeit, mit der das Tilt auf meinen unerhörten Vorstoß einging, irritierte mich. Anscheinend erkannte es einen guten Handel doch, sobald er sich bot.

»Kostenloser Nachschub an Prün«, forderte ich. »Für den Rest meines Lebens – wenn es nicht will, dass Siypinde Siwotan von seiner Fundsache erfährt. Ich bin alt, und mein Körper ist am Ende, also sollte es diese Vereinbarung nicht allzu lange fesseln.«

Das Tilt sah mich an, als hätte ich von ihm verlangt, sich selbst die Pfoten zu brechen. Ich gab ihm Gelegenheit, sich mit dem Gedanken anzufreunden, und malte mir siegessicher mein Leben aus: Nie wieder zitternde Hände, die mich an der Arbeit hinderten. Nie mehr Krämpfe. Niemals Schmerz oder Gedankenmorast. Die Zukunft strahlte.

Das Baby streckte die Hand nach meinem Kinn, gierte nach Blauodem. Ich ignorierte es.

Am Armgelenk trug ich, wie die meisten Bewohner Atulhus, ein Multikom. Während ich auf die Entscheidung des Tilt wartete, piepte das Anrufsignal. Ich hielt das Gerät so, dass die Optik mein Gesicht, nicht aber das Baby erfasste, leckte mir das Prün von den Zähnen und nahm das Gespräch entgegen.

»Hoffentlich ist es wichtig!« Üblicherweise stand der Klingelton selten still – jeder bettelte um die Dienste des »Klempners«, denn stets gab es etwas zu warten oder waren Hyperflussanlagen nachzujustieren. Dass sie mich lange genug in Frieden gelassen hatten, um meine Sucht zu stillen, glich einem Wunder.

Der winzige Holoprojektor warf das Bild einer dürren und unendlich blassen Figur in die Luft. »Du wirst in deinem Leben bald neuen Sinn erkennen, Wyopad«, behauptete sie.

»Mich freut es auch, deine Stimme zu hören Siypinde.« Ausgerechnet! Es war der dümmste Zeitpunkt, zu dem die Geschäftsführerin des Dunklen Hafens mich hätte kontaktieren können – mit dem gestohlenen Beutegut auf dem Arm und im Hinterzimmer des Diebs, den ich im Begriff war, damit zu erpressen.

Als hätte sie es geahnt! Vielen gruselte vor ihrer Intuition.

Jobarjog reckte ängstlich die Nase. Wenn es zuvor nicht verstanden hatte, in welcher Gefahr es schwebte – nun würde sich das ändern! Das konnte mir nur zum Vorteil gereichen.

Wie üblich fiel sie ohne Begrüßung über mich her: »Du wirst helfen, eine Entscheidung zu treffen, die unser aller Schicksal betrifft.« Jede ihrer Aussagen klang wie ein Orakelspruch. Wie sehr die Khassu Than mir damit auf die Schwanzspitze ging, wusste sie wohl. Manchmal glaubte ich, dass es ihr heimliche Freude bereitete.