Atomkraft und menschliche Freiheit - J. Robert Oppenheimer - E-Book

Atomkraft und menschliche Freiheit E-Book

J. Robert Oppenheimer

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Beschreibung

■ Atomare Sprengstoffe ■ Atomenergie als Zeitproblem ■ Offenheit und Aufgeschlossenheit ■ Die Physik in unserer Zeit ■ Der Triumph der Naturwissenschaft ■ Der Wissenschaftler und die Gesellschaft ■ Kunst und Wissenschaft: Ein Ausblick ■ Enzyklopädisches Stichwort: Neue Physik und Verantwortung ■ Literaturhinweise ■ Personen- und Sachregister

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J. Robert Oppenheimer

Atomkraft und menschliche Freiheit

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Über dieses Buch

■ Atomare Sprengstoffe

■ Atomenergie als Zeitproblem

■ Offenheit und Aufgeschlossenheit

■ Die Physik in unserer Zeit

■ Der Triumph der Naturwissenschaft

■ Der Wissenschaftler und die Gesellschaft

■ Kunst und Wissenschaft: Ein Ausblick

■ Enzyklopädisches Stichwort: Neue Physik und Verantwortung

■ Literaturhinweise

■ Personen- und Sachregister

Über J. Robert Oppenheimer

J. Robert Oppenheimer (1904–1967) war ein amerikanischer theoretischer Physiker deutsch-jüdischer Abstammung. Er gilt als «Vater der Atombombe».

Inhaltsübersicht

VorbemerkungI. Atomare SprengstoffeII. Atomenergie als ZeitproblemIII. Offenheit und AufgeschlossenheitIV. Die Physik in unserer ZeitV. Der Triumph der NaturwissenschaftVI. Der Wissenschaftler und die GesellschaftVII. Kunst und Wissenschaft: Ein AusblickEnzyklopädisches Stichwort: Neue Physik und Verantwortung von Walther Gerlach (Zur vorherigen Lektüre empfohlene Einführung in den Problemkreis, dem das Thema entstammt)1. Das Ende der klassischen Zeit der Physik2. Radioaktivität und Atomkernenergie3. Quantentheorie, Relativitätstheorie und Masse-Energiebeziehung4. Das erste ‹Atommodell›5. Rutherfords Atomkernmodell und Atomkernumwandlung6. Experimentelle Hilfsmittel7. Das Neutron und die Kernreaktionen8. Uranspaltung und Uranreaktor9. Die Gefahren der Kernenergietechnik10. Die Änderung in der Stellung des Physikers11. Der Missbrauch der Atomkernenergie und seine FolgenÜber den VerfasserLiteraturhinweisePersonen- und SachregisterPersonenregisterSachregister

Vorbemerkung

Die im vorliegenden Band zum ersten Mal in deutscher Sprache veröffentlichten Vorträge des großen amerikanischen Atomphysikers wurden bereits in den Jahren zwischen 1946 und 1954 gehalten. Trotzdem beanspruchen sie mehr als nur historisches Interesse; sie stellen einen weiteren Beitrag dar zu dem zur Zeit in Gang befindlichen Weltgespräch über die Atombombe. Was OPPENHEIMER hier über die Beziehungen zwischen Atomphysik und Politik, über die Verantwortlichkeit und über die Stellung des Physikers in unserer Zeit und unserer Welt sagt, ist heute noch so aktuell wie in dem Moment, als er es zum ersten Mal öffentlich äußerte. Besonders für Deutschland, das sich jetzt erst mit der ganzen Problematik der atomphysikalischen Entdeckungen und ihren bedrohlichen Folgen auseinanderzusetzen hat.

Wir haben darum Herrn Professor GERLACH, einen der sechzehn Unterzeichner des Göttinger Atom-Manifestes, um die Abfassung des Enzyklopädischen Stichwortes gebeten, in dem der bekannte Münchener Physiker die Gefahren dieser Entwicklung und die schwere Verantwortung des Atomphysikers in den Mittelpunkt stellt.

Ernesto Grassi

I. Atomare Sprengstoffe[*]

Das Folgende soll nicht mehr sein als ein kurzer Bericht über die Zukunft atomarer Sprengstoffe. Er muß leider unvollständig und sehr einseitig bleiben. Hoffentlich wird man mir aber wenigstens darin beipflichten, daß der Teil der Sache, den zu erörtern ich imstande bin, zwar nicht der unterhaltsamste, wohl aber der bedeutsamste ist.

Bei Durchsicht meiner Notizen fiel mir eine Geschichte ein, weder sehr neu noch sehr witzig, aber doch nicht ganz ohne Bedeutung. An der Universität München gab es einen Professor der Zoologie, der seine Gewohnheit, die Prüflinge über Würmer zu befragen, so weit trieb, daß die Kandidaten schließlich über keinen anderen Gegenstand als über Würmer zu arbeiten pflegten. Dann aber verblüffte er eines Tages einen von ihnen mit der Aufforderung: ‹Erzählen Sie mir etwas über Elefanten.› Der Prüfling antwortete: ‹Der Elefant ist ein großes Tier. Er hat einen wurmartigen Rüssel. Würmer kann man in folgende Klassen einteilen …› Hier werde ich mich nun eines ähnlichen Verfahrens bedienen.

Ich kann mich hier nicht über die voraussichtliche technische Entwicklung atomarer Sprengstoffe äußern. Als der Krieg vorbei war, erkannten wir, daß wir bisher nur die Oberfläche dieses Problems geritzt hatten. Zweifellos sind inzwischen gewisse Fortschritte in der Sache selbst wie in ihrem Verständnis erzielt worden. Aber das sind Dinge, die sich hier nicht erörtern lassen. Damit sie überhaupt jemals offen erörtert werden können, muß die Welt erst sehr viel anders und, in meinen Augen, sehr viel besser geworden sein.

Bisher ist jedenfalls von den Anwendungsmöglichkeiten atomarer Sprengstoffe die am meisten diskutierte und in ihrer überragenden Bedeutung am frühesten verwirklichte die des strategischen Bombardements großer Städte. Zweifellos gibt es auch bedeutsame Möglichkeiten ihrer taktischen Verwendung. Man spricht gelegentlich sogar davon, sie notfalls gegen Seefahrzeuge einzusetzen, aber Mangel an Kenntnis und Erfahrung sowie berufliche Schweigepflicht binden mir die Zunge. Umgekehrt hat man auch einiges über die Möglichkeit einer segensreichen Verwendung atomarer Sprengstoffe verlauten hören, so über die der Sprengung von Polareis oder der Kontrolle von katastrophenhaften Naturvorgängen, etwa von Wirbelstürmen, Erdbeben, vulkanischen Ausbrüchen. In atomaren Entladungen wird genug Energie frei, um derartigen vagen Mutmaßungen einen Hauch von Wahrscheinlichkeit zu verleihen. Schon die bisher gebrauchten Waffen haben eine Energie freigesetzt, die etwa einem Tausendstel der des Erdbebens von San Franzisko entsprach. Aber bekanntlich sind die durch atomare Entladungen hervorgerufenen Kräfte von sehr anderer Art als die bei Naturkatastrophen, wie Erdbeben und Wirbelstürmen, wirksamen: die Ausstrahlung und Radioaktivität, die jede stärkere atomare Entladung begleiten, müssen ihre nutzbringende Verwendung zum mindesten schwierig gestalten. Wenn man jemals von den Wohltaten der Kernkraftverwertung sprechen sollte, hat man diese Anwendungsmöglichkeiten in Wirklichkeit wohl nur ganz nebenbei im Auge.

Nein, es gibt wohl nur eine Zukunftsmöglichkeit atomarer Entladungen, der ich mit einer Spur von Begeisterung entgegenblicken kann: die ihres militärischen Nicht-Gebrauchs. Da an sich fast mit Sicherheit zu erwarten ist, daß sie in jedem totalen Krieg der Art, wie wir ihn letzthin selber durchlebt haben, zur Anwendung gelangen, ist die Hoffnung, daß es nie wieder Kriege geben möge wie den letzten, nichts weniger als bescheiden. Wie aber steht es um die Verwirklichung solcher Hoffnung?

Vor einigen Monaten durfte ich in einem dem Staatssekretär[*] verantwortlichen Ausschuß über Atomenergie mit einer Gruppe von Fachberatern zusammenarbeiten. Viele Wochen lang versuchten wir uns über das klarzuwerden, was gewöhnlich etwas geheimnisvoll mit ‹Zwischenstaatliche Kontrolle der Atomenergie› umschrieben wird; umschrieben insofern, als die wirkliche Aufgabe ja die Verhütung von Kriegen ist. Inzwischen sind unsere Schlußfolgerungen, aller geheimen oder vertraulichen Momente entkleidet, veröffentlicht worden, und zwar in der Absicht, der Allgemeinheit das Verständnis und die Erörterung der in Frage stehenden Probleme zu erleichtern, was angesichts ihrer Schwierigkeit um so notwendiger, angesichts der bisher geübten und noch weiter geübten Geheimhaltung vieler technischer Punkte freilich um so komplizierter war. Darum möchte ich hier versuchen, mit ein paar Bemerkungen den veröffentlichten Bericht noch zu ergänzen und einiges von dem deutlich zu sagen, was vorerst noch unausgesprochen bleiben mußte. Ich möchte also das Gleichgewicht der Akzente wiederherstellen, das im Verlauf der Freigabe jenes Berichts teilweise verlorengegangen sein mag.

Der Kern unseres Vorschlags bestand in der Empfehlung einer internationalen Behörde für atomare Entwicklung, die mit Erforschung, Entwicklung, friedlicher Verwertung von Atomenergie, dem Ausschluß von Atomwaffen aus jedem nationalen Rüstungsprogramm, mit Studien, Forschungen und der entsprechenden Kontrolle betraut werden sollte. Damit versuchten wir, zwei verschiedene Tatsachenkomplexe in förderlichen Einklang zu bringen, die beide seit langem bekannt sind und die nach allgemeiner Ansicht nicht unwesentlich dazu beitragen, das in Frage stehende Problem zu erschweren, wo nicht gar unlösbar zu machen.

Der erste dieser Tatbestände ist der, daß die wissenschaftlichen, technischen und industriellen Verfahren, die den sogenannten segensreichen Gebrauch der Kernkraft ermöglichen, offenbar nicht von denen zu trennen sind, die der Herstellung von Atomwaffen dienen.

Ebenso wird das gleiche Rohmaterial, Uranium, für die atomare Erzeugung von Elektrizität wie für die Herstellung von Atombomben benötigt. Die Elektrizität erzeugenden Kern-Kraftwerke mögen für die Herstellung von Bombenmaterial nicht ideal geeignet sein, aber in einer Notlage – und jeder Atomkrieg wäre eine Notlage – kann man sie immerhin verwendbar machen. Die verschiedenen, aus Uranium und Thorium gewonnenen spaltbaren Stoffe, die im bisherigen Energieprogramm eine so entscheidende Rolle spielen und auch schon für den Gebrauch der Kernkraft in Forschungsmeilern und für die Förderung von Naturwissenschaft und Medizin unentbehrlich sind, können mit mehr oder weniger Mühe in atomare Sprengstoffe umgewandelt werden. Dieselben physikalischen Grundkenntnisse, die auf dem einen Gebiet erlernt, erforscht und erweitert werden müssen, kommen auch dem anderen zustatten, obwohl es natürlich in der höheren Kunst der Bombenherstellung allerlei gibt, wofür man offenbar bisher noch keine andere Verwendung hat. Gewiß sind die Eigenschaften, die ein spaltbares Material zur Verwendung in Kraft- oder Forschungsmeilern brauchbar machen, nicht ganz die gleichen wie jene, die es für die Herstellung von Bomben empfehlen. Natürliches Uranium kann in einem Kraftwerk, kaum aber zur Herstellung einer Bombe verwendet werden. Ein mit der Isotope 235 beträchtlich angereichertes Uranium läßt sich in einem Meiler vielseitiger und wirksamer an; was aber noch nicht heißt, daß es auch zu Sprengstoff gemacht werden kann, zumindest nicht zu einem so wirksamen Sprengstoff, daß sich Mühe und Aufwand verlohnten. Selbst wenn Plutonium ‹behandelt› wird – wenn es völlig unexplodierbar sein soll, allerdings nur mit übermäßigen Kosten –, kann es bestenfalls ein verhältnismäßig unwirksamer Sprengstoff werden, der vorerst auch nur schwierig zu verwenden wäre. Natürlich kann sich alles das einmal ändern, wird sich sogar ändern, und keine Art der Überwachung hätte auch nur den geringsten Wert, die nicht Vorsorge für solche Änderung träfe.

Diese Unterschiede in den Erfordernissen für überwachten und explosiven Gebrauch der Kernkraft mögen, wenn sie rechtlich hinreichend anerkannt sind, eine Einzelgruppe davon zurückhalten, Atomwaffen aus Stoffen herzustellen, die zu friedlichem Industriegebrauch bestimmt sind. Sie könnten vielleicht auch Staaten, die sonst keine Möglichkeit der Ausnutzung von Atomenergie hätten, zögern lassen, ja, sie vielleicht entmutigen. Aber das ist nicht die eigentliche Frage: denn für jeden, der sich wirklich tätig auf solche Ausnutzung eingelassen hat, würden sie lediglich eine Schranke bedeuten, die so leicht zu überspringen wäre, daß sie – als Schranke – zur gefährlichen Illusion werden könnte. Ließe sich umgekehrt die Durchsetzung eines Verbots erzwingen, das allen Nationen die Betätigung auf atomarem Gebiet untersagte, und wäre es wirksam genug, eine plötzliche Umstellung auf Atomrüstung zu unterbinden, so wäre jenes Gebiet gleichzeitig für jede friedliche Bemühung unzugänglich geworden. Diese Tatsache, die durch weitere technische Entwicklungen kaum entkräftet werden wird, ist lange als eine fast entscheidende Schwierigkeit auf dem Wege zu internationaler Überwachung betrachtet worden. Sie hätte auch uns als solche erscheinen können, wenn es nicht eine noch größere Schwierigkeit gäbe. Denn selbst wenn die Entwicklung der Atomenergie für Friedenszwecke gänzlich verschieden wäre von der für den Krieg, selbst wenn allgemeine Übereinstimmung darüber herrschte, daß es keine friedliche Verwendungsmöglichkeiten der Kernkraft gäbe, die des Interesses oder der Mühe wert wären, so stünden wir immer noch der Tatsache gegenüber, daß die heutige Welt keine Einrichtung kennt, die das Verbot einer nationalen Herstellung von Atomwaffen durchzusetzen vermöchte. Im Lichte dieser Tatsache, die nach meiner Ansicht den innersten Kern der Frage berührt, hört die enge technische Gleichläufigkeit und enge Wechselbeziehung zwischen friedlicher und militärischer Verwendung von Kernkraft auf, eine Schwierigkeit zu sein und wird statt dessen zur Hilfe. Dies bedeutet leider nicht, daß sie uns bereits eine Lösung verbürgte. Es bedeutet aber, daß sie eine Grundlage für die Bemühung um eine gesunde Lösung schafft, die andernfalls nicht vorhanden wäre.

Ließe sich mit der Atomenergie nichts weiter anfangen als Bomben herzustellen, so wäre noch immer zwischen den Staaten eine Abmachung denkbar, dergleichen zu unterlassen. Freilich haben solche Verträge in der Vergangenheit selten dem Druck der Rivalität zwischen Staaten widerstehen können, die zum Kriege entschlossen waren. Auch ist es nicht wahrscheinlich, daß in dieser Hinsicht in Zukunft nach Einführung einer Waffe, deren Wirksamkeit, zumal im Fall eines überraschenden Angriffs, so überwältigend ist, eine Änderung eintreten wird. Aus diesem Grunde gibt es seit längerer Zeit zwei Vorschläge, um internationale Verträge durch eine gewisse Form internationalen Handelns zu ergänzen. Einer von ihnen zielt auf ein Verfahren mehrseitiger oder internationaler Einsichtnahme ab, dessen einzige Aufgabe der Versuch wäre, die Einhaltung solcher Abmachungen zu gewährleisten. Man könnte sich auch vorstellen, daß solch ein Verfahren arbeitsfähig wäre, wenn die Abmachungen weitgreifend genug wären und zum Beispiel einen völligen Verzicht auf Abbau und Aufbereitung von Uranium enthielten. Aber selbst in diesem Falle scheint es zweifelhaft, ob eine mit solcher Überwachung betraute Instanz über die Befugnisse, das Personal, die Geschicklichkeit, die Erfahrung, das Wissen oder die Ausdauer verfügen würde, um eine so öde, unfruchtbare Polizeiaufgabe durchzuführen; zweifelhaft, ob die Beziehungen zwischen dieser Instanz und den Nationen und Staatsbürgern, die sie polizeiartig überwachen soll, dazu angetan wären, den zum Kriege führenden Nationalismus zu vermindern oder den Staaten untereinander Vertrauen einzuflößen, die Sache der Welteinigung zu fördern oder als ein nützliches Vorbild für die Ausmerzung solcher oder vielleicht noch schrecklicherer Waffen der Massenvernichtung zu dienen. Man braucht deshalb vielleicht auch nicht zu bedauern, daß die Tür für diese Art internationalen Handelns nahezu ganz verschlossen ist durch die Unmöglichkeit, der Welt auf die Dauer die Gelegenheit zur Erforschung der wohltätigen Wirkungen der Kernkraft vorzuenthalten. Sobald solche Forschung den Staaten erlaubt ist, werden die technischen Schwierigkeiten und menschlichen Unzulänglichkeiten eines solchen zwischenstaatlichen Überwachungsplanes als der einzigen Sicherheitsvorkehrung unerträglich deutlich.

Der zweite Vorschlag für zwischenstaatliches Handeln zur Ergänzung des Verzichts der Nationen auf atomare Aufrüstung hat positiven Charakter. Er besagt, daß einer internationalen Behörde Herstellung und Besitz von Atomwaffen anvertraut werden solle. Obwohl dieser Vorschlag offenbar manches für sich hatte, so hat er doch zwei – wahrscheinlich verhängnisvolle – Schwächen. Die ernsthaftere: daß es nichts gibt, wofür oder wogegen eine internationale Instanz solche Waffen einsetzen kann oder könnte. Es sind keine Polizeiwaffen. Sie sind außergewöhnlich schlecht geeignet, eine Unterscheidung zwischen Unschuldigen und Schuldigen, oder auch nur, in noch so roher Form, eine Unterscheidung zwischen der Schuld von Einzelnen und der von Völkern zu ermöglichen: sie selbst sind – als Waffe – die äußerste Verkörperung der Vorstellungen von totalem Kriege. Die zweite Schwierigkeit, die in gewisser Weise von keiner Form zwischenstaatlichen Handelns zu trennen ist, aber in diesem Falle verzweifelt gegenwärtig bleibt, besteht darin, daß ein solcher Vorrat von Atomwaffen, so ernsthaft er auch für international erklärt werden und so scharfsinnig er auch über die Erde verteilt sein mag, dennoch wegen der fast sofortigen militärischen Vorteile, die ihr Einsatz verschafft, eine schreckliche Versuchung für einzelstaatlichen Zugriff bilden würde.

Immerhin tragen beide Beispiele der Notwendigkeit zwischenstaatlichen Handelns Rechnung, wie sie jeder Plan zur Ächtung von Atomwaffen voraussetzt. Insoweit, scheint mir, sind sie vernünftig. Tatsächlich würden in anderen Zusammenhängen das Studium – nicht die Herstellung – von Atomwaffen sowie die Überwachung als Mittel zur Verhinderung ungesetzlichen Abbaus von Uranium zu den wesentlichen Aufgaben einer internationalen Behörde gehören.

Nun aber ist es an der Zeit, sich der zweiten jener großen Schwierigkeiten zuzuwenden, die von Anbeginn als das Hindernis für eine wirksame internationale Überwachung angesehen wurden und auf die wir bereits hingewiesen haben: der Tatsache, daß in unserer heutigen Welt eine zulängliche Einrichtung fehlt, die solche Überwachung ausüben könnte, jedes Vorbild für solche Einrichtung, ja, auch nur ein annehmbares Muster der Vergangenheit, das als Vorform dazu dienen könnte. Aber gerade aus diesem Grunde stellt die Aufgabe eine so starke Herausforderung dar, werden wir von der Hoffnung angespornt, daß ihre Lösung solche Vorform und solches zu weiterer Anwendung geeignete Muster schaffen könnte. Es bedurfte nicht erst der Atomwaffen, um Kriege möglich, um sie schrecklich oder um sie total zu machen. Wenn es eine Atombombe nie gegeben hätte, nie hätte geben können, so würde in einem Zeitalter, in dem Wissenschaft und Technik jeden Krieg über das Erträgliche hinaus zerstörend und schrecklich gemacht haben, die Kriegsverhinderung noch immer unsere Aufgabe sein. Es gäbe den Blocksprenger, die Rakete, die V-2, die Brandbombe, den M-67 und ihre noch gefährlicheren Abwandlungen; es würde zweifellos auch die biologische Kriegführung geben. Alles das würde es geben, gibt es bereits. Aber die Atombombe, die zunächst eindrucksvollste der erprobten Waffen, die am unlöslichsten mit positiveren Entwicklungen verknüpft, am wenigsten mit privaten oder erworbenen Rechten oder einer langen nationalen Überlieferung belastet ist, muß aus diesen und anderen Gründen als der gegebene Ansatzpunkt gelten. Denn in ihrem Bereich bietet sich die Möglichkeit eines Überwachungsverfahrens, das sich auf die technischen und in tiefstem Sinne die menschlichen Wirklichkeiten stützt und mit diesen vereinbar ist. Hier gibt es eine Lösung, die man arbeitsfähig gestalten kann.

Man hat häufig erklärt, daß es ohne eine Weltregierung keinen ständigen Frieden geben könnte, ohne Frieden aber Atomkrieg geben müsse – was wahrscheinlich stimmt. Man hat auch bemerkt, es sei keine Ächtung von Waffen und keine Kriegsverhütung denkbar, solange internationales Recht auf die Angehörigen der verschiedenen Nationen nicht in gleicher Weise angewendet werden könne wie nationales Recht auf die Bürger eines einzelnen Staates; oder man hat auf die Tatsache hingewiesen, daß zwischenstaatliche Überwachung mit unbeschränkter nationaler Souveränität unvereinbar sei – was wohl gleichfalls zutrifft. Endlich hat man behauptet, daß Atomenergie sich nicht überwachen lasse, wenn die überwachende Instanz durch ein Veto gelähmt werden könne, wie vielfach der Sicherheitsausschuß der Vereinten Nationen. Auch dem muß man wohl zustimmen. Jedenfalls kann man wohl kaum umhin, der Meinung all derer beizupflichten, die eine Weltregierung, eine angemessene Übertragung staatlicher Souveränität auf sie und ein Recht, das auf alle Einzelpersonen aller Staaten anwendbar wäre, als wünschenswert hinstellen. Ich kann mich aber kaum mit denen einverstanden erklären, die versichern, daß all das im vollen und für das letzte Ziel erforderlichen Umfange sofort möglich sei.

Welche Beziehung hat aber nun der Vorschlag einer Internationalen Atomaren Entwicklungsbehörde, mit einem weitreichenden Monopol hinsichtlich der Atomenergie ausgestattet – welche Beziehung hat dieser unser Vorschlag zu den eben aufgeworfenen Fragen? Nach ihm soll es für das Gebiet der Atomenergie eine Weltregierung geben, soll auf diesem Gebiet auf nationale Souveränität Verzicht geleistet werden, soll kein nationales Vetorecht gelten, sondern allein internationales Recht. Wie ist all das aber in einer Welt von souveränen Staaten zu ermöglichen? Entweder durch Eroberung, die alle einzelstaatliche Souveränität zerstört: oder aber durch freiwilligen Teilverzicht auf diese Souveränität – ein Drittes gibt es nicht. Was hier nun vorgeschlagen wird, ist ein solcher Teilverzicht, der ausreicht, aber nur gerade ausreicht, um einer Atom-Entwicklungsbehörde zum Dasein zu verhelfen – einer Instanz, die die Funktion der Entwicklung, Auswertung und Überwachung ausüben kann, die lebens- und wachstumsfähig und in der Lage ist, die Welt gegen den Gebrauch von Atomwaffen zu schützen und ihr die Wohltaten der Kern-Kraft zugänglich zu machen.

Was immer auch geschehen mag: es wird wahrscheinlich doch in nicht allzu ferner Zukunft in dem dafür eingesetzten Ausschuß der Vereinten Nationen zur Erörterung der Frage der Atomenergie-Überwachung kommen. Sollten sich daraus der Vorschlag für eine Internationale Behörde und eine Satzung für diese Behörde ergeben, so würde beides schließlich den einzelnen Staaten zur Anerkennung vorgelegt werden. Jede Nation, ob klein oder groß, kann in Ausübung des Rechtes ihrer Souveränität solche Anerkennung verweigern. In solchem Falle gäbe es keine Atom-Entwicklungs-Behörde und damit meiner Ansicht nach wahrscheinlich auch keine vertrauenswürdige, wirksame internationale Überwachung der Atomenergie. Sollte andererseits eine Nation nach Schaffung der Behörde ihr souveränes Recht ausüben und sich von ihr zurückziehen oder es unterlassen, die wichtigsten Bestimmungen der angenommenen Satzung auszuführen, wäre es gleichfalls um eine atomare Entwicklungsbehörde geschehen, denn im Gegensatz zum Sicherheitsausschuß könnte sie wahrscheinlich ein Veto gegen ihre wichtigsten Bestimmungen nicht überleben. Sofern sie dagegen zum Dasein gelangt und soweit sie es behaupten kann, wird sie auf diesem Gebiete die internationale Souveränität verkörpern, deren Notwendigkeit so allgemein anerkannt worden ist.

Man wird vielleicht einwenden, daß unter solchen Bedingungen kein internationales Unternehmen gedeihen könne. Aber die Bedingungen selbst werden bis zu einem gewissen Grade vom Schicksal des Unternehmens abhängen. Seine Gründung wird ein Schritt sein, der, einmal erlernt, wiederholt werden kann, eine Verpflichtung, die, auf einem Gebiete übernommen, auf andere ausgedehnt werden kann. In diesem Falle muß freilich die Entwicklungsbehörde ein gesundes Eigenleben haben. Sie muß gedeihen, muß in technischer Hinsicht stark werden, der Menschheit nützlich sein, muß einen Mitarbeiterstab, einen inneren Aufbau und eine gewisse Handlungsfreiheit haben, auf die sie stolz sein darf. All das wäre nicht möglich, wäre nichts Nutzbringendes mit der Atomenergie verknüpft; wäre die Verhütung atomarer Aufrüstung die einzige Aufgabe dieser Behörde, wäre jede andere Betätigung technisch so abtrennbar und so getrennt von atomarer Aufrüstung, daß sie in nationalen Händen verbleiben könnte. In dem langen Ringen um eine Versöhnung nationaler und internationaler Souveränität kann freilich die friedliche Anwendung der Kernkraft nur eine Hilfe sein. Möglicherweise hätten wir in Amerika nicht einmal eine Bundesregierung, hätten nicht diejenigen ihrer Aufgaben, die weder auf sichere noch wirksame Weise von den Einzelstaaten bewältigt werden konnten, für die Gesamtbevölkerung unseres Landes eine gewisse Wichttigkeit.

Der Sachverständigen-Ausschuß des State Department [Auswärtiges Amt] erkannte die überragende Notwendigkeit, die geforderte Behörde mit einer Arbeit zu betrauen, die Begabungen anziehen, zusammenschließen, begeistern konnte. Er war sich aber auch nicht minder klar über die Gefahren eines allzu vollständigen, allzu unbeschränkten Monopols. Diese Gefahren sind zweifacher Art. Auf der einen Seite hat ein Monopol, das niemals der Kritik ausgesetzt ist, eine Neigung zu Auswüchsen, zur Erschlaffung und schließlich zu bürokratischer Inzucht. Wenn auf der anderen Seite kein lebendiger, echter Kontakt zwischen den Bemühungen einer solchen Behörde und der Tätigkeit von Wissenschaftlern, Ingenieuren und Geschäftsleuten besteht, die außerhalb dieser Behörde in staatlichen oder privaten Unternehmen arbeiten, dann gibt es auch keine Gewähr dafür, daß nicht viele wichtige Aufgaben versäumt werden. Ein allzu unumschränktes Monopol würde sowohl seinen eigenen Bestand als auch die Überwachungsfunktion gefährden, die eine Behörde der geschilderten Art ausüben muß.