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AUF DER INSEL DES GRIECHISCHEN MILLIARDÄRS von SARAH MORGAN
Chantal schwebt im siebten Himmel: Milliardär Angelos Zouvelekis nimmt sie mit auf seine malerische Privatinsel in Griechenland. Doch während sie bald stürmisch verliebt ist, beschuldigt er sie, eine Mitgiftjägerin zu sein. Kann sie ihn jemals von ihrer Unschuld überzeugen?
KLEINE INSEL – GROSSE SEHNSUCHT von ANN ROTH
Auf dieser kleinen Insel wird sie neu anfangen! Mit ihrem Sohn Jesse zieht Emmy nach Halo Island – und lernt dort den attraktiven Architekten Mac kennen. Er zieht sie unwiderstehlich an, und auch Jesse versteht sich wunderbar mit ihm. Schon träumt Emmy von einem Leben zu dritt, da zerstört Mac das Liebes-Märchen: Er wird die Insel bald verlassen ...
INSEL DER ZÄRTLICHEN VERSUCHUNG von NICOLA MARSH
Eine Woche muss Kristi für eine Reality-Show auf dieser einsamen Insel ausharren – und das auch noch mit ihrem Ex-Verlobten! Sieben Tage mit Jared auf einem unbewohnten Eiland bedeuten auch sieben Nächte unter einem atemberaubenden Sternenzelt, mit Wellen, die leise rauschen – und mit einem Mann, dem Kristi noch nie widerstehen konnte! Doch er hat ihr schon einmal das Herz gebrochen…
HAWAII – INSEL DER LIEBE von JOANNA NEIL
Palmen, Sand, azurblaues Wasser: Hand in Hand spaziert Amber mit ihrem Kollegen Ethan über den Traumstrand Hawaiis– sie ist dem Zauber der Insel genauso erlegen wie dem Mann an ihrer Seite. Doch warum ist Ethan in einem Moment leidenschaftlich und zärtlich - und plötzlich so abweisend und kühl?
MIT DIR AUF DER INSEL DER SEHNSUCHT von ANGELA BISSELL
Allein mit Nicolas César auf einer paradiesischen Insel im Mittelmeer– das ist die reinste Folter für die unscheinbare Marietta! Zwar beschützt der Securityboss sie vor einem gefährlichen Verfolger. Doch im Bann seiner unwiderstehlichen Ausstrahlung wünscht sich Marietta nichts anderes als seine Liebe. Aber was könnte ein Mann wie er, dem die Frauen zu Füßen liegen, an ihr finden?
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Seitenzahl: 995
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Titel
Inhalt
Auf der Insel des griechischen Milliardärs
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
Kleine Insel – große Sehnsucht
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
12. KAPITEL
Insel der zärtlichen Versuchung
COVER
IMPRESSUM
Insel der zärtlichen Versuchung
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
12. KAPITEL
13. KAPITEL
14. KAPITEL
15. KAPITEL
16. KAPITEL
17. KAPITEL
EPILOG
Hawaii - Insel der Liebe
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Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
Mit dir auf der Insel der Sehnsucht
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1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
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10. KAPITEL
11. KAPITEL
12. KAPITEL
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Contents
IMPRESSUM
Auf der Insel des griechischen Milliardärs erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2008 by Sarah Morgan Originaltitel: „Bought: The Greek’s Innocent Virgin“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA SOMMERLIEBE Band 29 - 2018 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Dorothea Ghasemi
Umschlagsmotive: ABBILGettyImages_minilocDUNGEN
Veröffentlicht im ePub Format in 08/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck
ISBN 9783733749903
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag: BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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„Ich habe sie gefunden, Angelos. Sie ist eine Göttin.“
Als er die Stimme seines Vaters hörte, unterbrach Angelos Zouvelekis seine Unterhaltung mit dem griechischen Botschafter und wandte sich um. „Wen denn?“ Dass sein Vater sich die Mühe gemacht hatte, an diesem Abend zu kommen, war ein gutes Zeichen, denn noch vor wenigen Monaten war er ein gebrochener Mann gewesen. Nachdem innerhalb von sechs Jahren auch seine zweite Ehe gescheitert war, hatte er sich völlig in seine abgeschiedene Villa zurückgezogen.
„Die perfekte Frau für dich.“ Ungläubig schüttelte er den Kopf, lächelte jedoch. „Ich frage mich, ob du wirklich mein Sohn bist. Hier wimmelt es nur so von schönen weiblichen Wesen, und du unterhältst dich mit langweiligen Männern in Anzügen. Was habe ich bloß falsch gemacht?“
Als Angelos den überraschten Blick des Botschafters bemerkte, entschuldigte er sich höflich bei ihm und nahm seinen Vater zur Seite. „Für mich geht es heute Abend ums Geschäft. Schließlich gebe ich diesen Ball jedes Jahr, damit die Reichen und Berühmten etwas von ihrem Vermögen herausrücken.“
Verzweifelt hob sein Vater die Hände. „Dir geht es immer nur darum. Und was hast du von deinen ganzen Milliarden? Du hast doch genug Geld und brauchst wirklich nicht mehr. Was du aber wirklich brauchst, ist eine gute Frau!“
Mehrere Gäste drehten sich in diesem Moment zu ihnen um, doch Angelos lachte nur. „Heute verdiene ich kein Geld, sondern gebe es weg, außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass du alle mit deiner unverblümten Art schockierst. Benimm dich, sonst rufe ich den Sicherheitsdienst“, fügte er augenzwinkernd hinzu. Im Grunde war er jedoch erleichtert, weil sein Vater endlich wieder die Energie aufbrachte, dieses leidige Thema anzuschneiden. „Und du brauchst mir auch keine Frau zu suchen.“
„Warum? Selbst schaffst du es ja nicht. Jedenfalls hast du immer nur Freundinnen, die keine guten Ehefrauen abgeben würden.“
„Gerade danach suche ich sie mir ja aus“, meinte Angelos leise, woraufhin sein Vater missbilligend die Stirn runzelte.
„Ich weiß. Und die ganze Welt ist ebenfalls darüber informiert, Angelos, weil man es in jeder Zeitung lesen kann. Alle paar Wochen hast du eine neue Geliebte, und immer sehen sie aus wie magersüchtige Models.“ Costas Zouvelekis stieß einen verächtlichen Laut aus. „Wie kannst du mit einer Partnerin glücklich sein, die nicht gern isst? Kochen diese Mädchen für dich? Nein. Genießen sie das Leben? Natürlich nicht, wenn sie am Hungertuch nagen. Sie sind vielleicht gut im Bett, würden sie sich jedoch um deine Kinder kümmern? Nein. Würden sie …?“
„Ich brauche keine Frau, die mich bekocht. Dafür habe ich Angestellte.“ Angelos überlegte flüchtig, ob es vielleicht doch ein Fehler gewesen war, seinen Vater zu dieser Veranstaltung einzuladen. „Und ich habe auch keine Nachkommen, die umsorgt werden müssen.“
„Bedauerlicherweise.“ Sein Vater stieß einen ärgerlichen Laut aus. „Ich wünsche mir aber Enkelkinder. Du bist vierunddreißig und immer noch Junggeselle, während ich mit meinen dreiundsechzig Jahren schon dreimal verheiratet war. Also, sieh zu, dass du mir Enkel schenkst, Angelos.“
„Ariadne hat dich schon zweimal zum Großvater gemacht.“
„Das ist etwas anderes. Sie ist meine Tochter, und du bist mein Sohn. Ich möchte die Söhne meines Sohnes in den Armen halten.“
„Ich heirate erst, wenn ich die richtige Frau finde.“ Angelos zog seinen Vater auf den Balkon, der den Ballsaal umgab. Auf keinen Fall wollte er denselben Fehler wie dieser machen und eine Ehe eingehen, die von vornherein zum Scheitern verurteilt war.
„So kannst du lange suchen! Und was machen wir überhaupt in Paris? Warum kannst du diesen Ball nicht in Athen geben?“
Angelos unterdrückte ein Gähnen. Auch dies war eins der Lieblingsthemen seines Vaters. „Weil es nicht der Nabel der Welt ist und ich überall Geschäfte mache.“
„Das ist auch etwas, was ich nicht verstehe. Musste ich Griechenland verlassen, um meine erste Million zu verdienen? Nein!“ Costas blickte in den Ballsaal. „Jetzt sehe ich sie nicht mehr.“
Fragend zog Angelos die Brauen hoch. „Wen denn?“
„Die Göttin. Sie war perfekt. Und nun ist sie verschwunden. Sie wirkte so weiblich und sanft und wäre sicher eine tolle Mutter. Ich sehe sie förmlich vor mir, mit deinen Kindern auf dem Schoß und Moussaka auf dem Tisch.“
Angelos’ Augen funkelten amüsiert. „Sag ihr das bloß nicht. Frauen haben heute ganz andere Ambitionen, als Babys zu bekommen und Männer zu bekochen.“
„Deine Freundinnen vielleicht“, bemerkte sein Vater ironisch, während er den Blick durch den Raum schweifen ließ. „Wenn du sie nicht haben willst, wäre ich vielleicht interessiert.“
Sofort wurde Angelos ernst. „Nicht schon wieder!“ Hatte sein Vater denn nichts dazugelernt? „Versprich mir, dass du nur mit ihr schläfst und sie nicht heiratest.“ Er nahm einen Orangensaft von dem Tablett eines vorbeigehenden Obers und tauschte es gegen das Champagnerglas seines Vaters aus.
„Du denkst immer nur an das Eine, aber ich habe mehr Respekt vor den Frauen.“
„Du solltest dir lieber eine etwas zynischere Haltung dem anderen Geschlecht gegenüber aneignen“, riet Angelos ihm. „Tara hat dich nach sechs Monaten verlassen und dann ausgenommen.“
Krampfhaft umklammerte Costas sein Glas. „Wir haben beide einen Fehler gemacht.“
Fehler? Angelos presste die Lippen zusammen. Tara sah das sicher anders, denn sie war jetzt reich.
Plötzlich wirkte sein Vater sehr verletzlich. „Sie wusste einfach nicht, was sie wollte.“
„Das wusste sie sogar ganz genau …“ Angelos verstummte. Sollte er seinen Vater noch weiter aufbringen, indem er ihm vor Augen führte, wie rücksichtslos Tara vorgegangen war? Wenn er es nicht tat, riskierte er womöglich, dass dieser erneut auf eine Frau wie sie hereinfiel.
Costas seufzte. „In einer Beziehung sollte man den Partner lieben und für ihn sorgen.“
Angelos war entsetzt. „Hast du in deinen letzten beiden Ehen überhaupt nichts gelernt?“
„Doch. Und zwar, dass man einer dünnen Frau nicht vertrauen kann.“ Das Temperament seines Vaters kam nun wieder durch. „Wenn ich das nächste Mal heirate, dann ein Vollweib.“
„Nach allem, was in den letzten sechs Jahren passiert ist, glaubst du noch immer an die Liebe?“
„Natürlich“, erwiderte Costas. „Ich habe deine Mutter vierzig Jahre lang geliebt.“
Angelos verfluchte sich für sein mangelndes Taktgefühl und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Sie lässt sich nicht ersetzen“, sagte er rau. „Was euch miteinander verbunden hat, war etwas ganz Besonderes.“ Ein solches Glück war so selten, dass er die Hoffnung aufgegeben hatte, es auch zu finden. Und mit weniger wollte er sich nicht zufriedengeben.
„Ich werde es wieder finden.“
Angelos konnte den Optimismus seines Vaters überhaupt nicht nachvollziehen. Frustriert strich er sich über den Nacken. „Bleib lieber allein. Es ist nicht so kompliziert.“
„Das werde ich nicht. Ich hasse es, allein zu sein. Und du solltest dir auch eine richtige Partnerin suchen.“
Angelos reichte es nun. „Mach dir um mich keine Gedanken. Ich habe eine Freundin.“
Argwöhnisch blickte Costas ihn an. „Hat sie eine gute Figur?“
„Sie ist perfekt.“ Angelos dachte an die attraktive Hollywoodschauspielerin, mit der er in der Vorwoche zwei aufregende Nächte verbracht hatte. Würde er sie wiedersehen? Wahrscheinlich schon. Aber heiraten? Ganz bestimmt nicht. In weniger als vier Wochen würden sie sich gegenseitig zu Tode langweilen.
Doch sein Vater blickte ihn schon hoffungsvoll an. „Und wann lerne ich sie kennen? Du stellst mir deine Freundinnen nie vor.“
Aus gutem Grund. „Wenn mir eine etwas bedeutet, werde ich dich mit ihr bekannt machen“, erwiderte Angelos besänftigend. „Jetzt möchte ich dir jedenfalls Nicole vorstellen. Sie leitet meine PR-Abteilung hier in Paris und isst für ihr Leben gern. Ihr beide habt euch bestimmt eine Menge zu erzählen.“ Dann führte er seinen Vater zu seiner Mitarbeiterin, machte die beiden miteinander bekannt und wollte sich dem nächsten Geschäftspartner zuwenden.
Und blieb beim Anblick der Frau vor ihm unvermittelt stehen.
Sie bewegte sich so, als würde das Haus ihr gehören. Ein leichtes Lächeln umspielte ihre glänzenden Lippen, als hätte irgendetwas oder – jemand sie amüsiert. Ihr blondes Haar war hochgesteckt, und ihr rotes Kleid fiel unter den vorwiegend schwarz gekleideten Leuten besonders auf.
Angelos dachte keinen Moment länger mehr an die Schauspielerin, sondern betrachtete die Fremde einen Moment lang und lächelte dann voller Genugtuung. Mein Vater würde sich freuen, dachte er, als er sich ihr näherte. Denn sie hatte verführerische Kurven und würde ihn gleich alles Geschäftliche vergessen lassen.
Ihm ging es allerdings nur ums Vergnügen, und die Unbekannte sah aus, als wäre sie dafür wie geschaffen.
Lächeln, gehen, lächeln, nur keine Panik …
Sie fühlte sich wieder wie damals auf dem Schulhof. Die Raufbolde umkreisten sie, während die Mädchen, die sie nicht mochten, hämisch und fasziniert zugleich zusahen und warteten, bis es passierte.
Die Erinnerung daran war so deutlich, dass die Gefühle der Angst und der Erniedrigung sie erneut überkamen. Auch nach all den Jahren holte die Vergangenheit sie immer wieder ein.
Sie versuchte, die ihr so vertraute Unsicherheit abzuschütteln, zumal dieser Teil ihres Lebens schon lange hinter ihr lag und es geradezu lächerlich war, jetzt daran zu denken.
Hier befand sie sich auch nicht auf dem Schulhof. Die streitlustigen Jungen mochten immer noch da sein, doch sie konnten sie nicht mehr sehen. Ihre Tarnung war perfekt. Oder etwa nicht? Sie hätte kein Rot tragen sollen, denn damit fiel sie zu sehr auf. Und wenn sie nicht bald etwas zu essen bekam, würde sie umfallen.
Betont lässig durchquerte Chantal den Raum. Selbstvertrauen ist alles, rief sie sich ins Gedächtnis. Mit Rot liegst du genau richtig. Lass dich nicht von ihnen einschüchtern. Sie kennen dich überhaupt nicht. Du siehst aus wie eine von ihnen, und niemand kann in dich hineinsehen.
Um sich abzulenken, spielte sie ihr übliches Spiel. Sie hatte es damals erfunden, um zu überleben. Ihr Leben war einem bestimmten Muster gefolgt. Ein neuer Schauplatz, neue Lügen. Wer würde sie an diesem Abend sein? Eine reiche Erbin vielleicht? Oder Schauspielerin? Ein Model? Nein, das nicht. Dafür war sie nicht dünn genug.
Chantal blieb stehen, um ihre Möglichkeiten zu überdenken. Es durfte nicht zu kompliziert sein. Allerdings hatte sie keine Angst davor, durchschaut zu werden, denn sie würde keinen der Anwesenden je wiedersehen.
Am besten war es, wenn sie sich als reiche Erbin ausgab, die unerkannt bleiben wollte, weil sie Angst vor Mitgiftjägern hatte. Sie wollte keine Aufmerksamkeit erregen und würde deshalb auch nicht in die Verlegenheit kommen, auf diesem Wohltätigkeitsball Geld spenden zu müssen.
Chantal ließ den Blick durch den wunderschönen Ballsaal mit der hohen Decke und den funkelnden Kronleuchtern schweifen. Exquisite Gemälde und kunstvolle Statuen setzten eindrucksvolle Akzente, doch sie bemühte sich um eine betont gleichgültige Miene, als würde sie derartige Dinge jeden Tag sehen.
„Champagner?“, fragte plötzlich jemand hinter ihr und riss sie damit aus ihren Gedanken.
Schnell wandte Chantal sich um. Vor ihr stand ein so umwerfend attraktiver Mann, dass sie augenblicklich weiche Knie bekam. „Arrogant“ war das erste Wort, was ihr einfiel. „Unwiderstehlich“ das zweite.
Seine dunklen Augen funkelten, während er sie interessiert betrachtete und ihr ein Glas reichte.
Unwillkürlich fragte sie sich, woran es lag, dass Männer im Smoking immer wie Götter anmuteten. Allerdings hätte dieser in jedem Aufzug gut ausgesehen. Er gehörte zu der Spezies, die sie unter anderen Umständen keines Blickes gewürdigt hätte.
Plötzlich verspürte Chantal ein erregendes Prickeln, das ihren ganzen Körper erfasste. Er hatte sie nicht berührt, ihr nicht einmal die Hand gegeben. Und dennoch … Er war gefährlich . Unwillkürlich wich sie einen Schritt zurück.
„Ich dachte, ich kenne jeden auf der Gästeliste, doch offenbar habe ich mich geirrt.“ Seine Art zu sprechen verriet das lässige Selbstvertrauen, das für die Reichen und Mächtigen so typisch war. Seine Stimme klang sanft und verführerisch.
Chantal, die noch immer nicht verstand, warum sie derart heftig auf diesen Mann reagierte, ignorierte den fragenden Ausdruck in seinen Augen. Sie würde ihm ihren Namen nicht nennen, denn sie stand nicht auf der Gästeliste und würde auch sicher nie zu einem Ereignis wie diesem eingeladen werden.
Fasziniert betrachtete sie seine perfekten Züge. Seine dunklen Augen funkelten jetzt amüsiert, und er sah sie an, als würde er gern mit ihr schlafen. Einen Moment lang stockte ihr der Atem.
Er war wirklich gefährlich. Zwischen ihnen knisterte es so stark, dass ihr ganz heiß wurde.
Chantal rief sich zur Vernunft. Mit einem Mann zu flirten war für sie tabu, weil sie niemanden an sich heranlassen durfte. „Offenbar haben Sie gern alles unter Kontrolle“, erwiderte sie.
„Ach ja?“
„Wenn Sie erwarten, dass Sie jeden Gast kennen müssten, schon.“
„Vielleicht bin ich auch nur wählerisch, wenn es darum geht, mit wem ich meine Zeit verbringe.“
„Nimmt man sich damit nicht die Chance, angenehm überrascht zu werden?“
Ein anerkennender Ausdruck trat in seine Augen. „Mich kann man nicht so leicht überraschen. Außerdem sind die Menschen sehr berechenbar.“ Seine Lippen waren sehr sinnlich, und bestimmt wusste er genau, wie man eine Frau mit einem Kuss verführte.
Sekundenlang verschlug es ihr die Sprache, und der Fremde ließ den Blick zu ihrem Mund schweifen, als würde er sich ähnlichen Fantasien hingeben.
„Sie widersprechen mir gar nicht?“ Nun glitt sein Blick zu ihrem Ausschnitt und dann zu ihrer Taille. „Erzählen Sie mir von sich. Vielleicht gelingt es Ihnen ja, mich in Erstaunen zu versetzen.“
Er wäre verblüfft gewesen, hätte sie ihm eröffnet, wer sie war und woher sie kam.
„Ich bin am Verhungern!“, sagte Chantal wahrheitsgemäß, woraufhin er lachte.
Einige Gäste wandten den Kopf, doch es kümmerte ihn anscheinend nicht. „Ist das alles?“
Sie blickte sich um und betrachtete die superschlanken Frauen in ihrer Nähe. „Es ist schon ein Knalleffekt, wenn man in dieser Gesellschaft zugibt, dass man gern isst. Ich sehe hier jedenfalls kein weibliches Wesen, das zugeben würde, dass es mit einer Schwäche für Schokotrüffel zu kämpfen hat.“
„Das sind doch alles keine richtigen Frauen. Wenn Sie Hunger haben, müssen Sie etwas essen.“ Neidisch verfolgte Chantal, wie der Fremde lässig die Hand hob, um einen Ober auf sich aufmerksam zu machen, und sie wünschte, sie wäre auch nur annähernd so selbstsicher wie er.
„Ich dachte, die Appetithäppchen seien nur Dekoration.“
„Um die Selbstbeherrschung der Gäste auf die Probe zu stellen?“
„Wenn das so ist, werde ich den Test nicht bestehen.“ Lächelnd reichte sie dem Ober ihr Glas und legte einige Kanapees auf ihre Serviette. „Danke. Die sehen köstlich aus.“ Nachdem der Ober sich verneigt hatte, ging er weiter.
„Und, warum sind Sie so hungrig?“ Der Blick des Fremden ruhte auf ihrem Haar. „Haben Sie den ganzen Tag nichts gegessen, weil Sie beim Friseur waren?“
Sie hatte den ganzen Tag nichts zu sich genommen, weil sie eine Doppelschicht als Kellnerin hinter sich hatte. Und weil sie gewusst hatte, dass sie bald etwas umsonst bekommen würde.
„So ungefähr.“ Chantal biss in ein Appetithäppchen. „Die sind wirklich lecker. Wollen Sie nicht auch eins probieren?“
Der Mann betrachtete ihre Lippen, und sofort durchfluteten heiße Wellen der Erregung ihren Schoß. Warum nur hatte sie trotz des überfüllten Ballsaals das Gefühl, dass nur sie und der Fremde sich dort befanden? Sie musste wirklich so schnell wie möglich von hier verschwinden.
Im nächsten Moment nahm er sich jedoch ein Kanapee von ihrer Serviette – eine seltsam intime Geste – und lächelte dabei so verführerisch, dass Chantal sein Lächeln unwillkürlich erwiderte.
„Sie haben recht. Die schmecken wirklich hervorragend.“ Nun hob er die Hand, um ihr sanft einen Krümel aus dem Mundwinkel zu entfernen. „Wollen Sie mir nicht Ihren Namen verraten?“
Sofort setzte ihr Herz einen Schlag aus. „Wenn ich das tue, müssen Sie mir Ihren auch verraten. Ich würde es jedoch viel spannender finden, wenn wir Fremde bleiben.“
Ihr Gegenüber schwieg einen Moment. „Sie wissen nicht, wie ich heiße?“
„Natürlich nicht.“
Das schwache Funkeln in seinen Augen verriet, dass er mit dieser Antwort nicht gerechnet hatte. „Also gut“, meinte er leise, „keine Namen. Wie würden Sie sich denn beschreiben?“
Als Hochstaplerin, Lügnerin und Betrügerin?
„Das Selbstbild weicht immer von dem Bild ab, das andere von einem haben“, wich Chantal aus. „Ich glaube aber, ich bin sehr … anpassungsfähig.“
„Sie wollen mir also nicht verraten, wer Sie wirklich sind?“
Daran wollte sie lieber nicht denken. Sie unterdrückte einen Schauder und setzte ein geheimnisvolles Lächeln auf. „Spielt es denn eine Rolle? Vielleicht bin ich ja eine Prinzessin. Oder Geschäftsführerin eines Unternehmens. Oder eine reiche Erbin, die inkognito bleiben möchte.“
„Diese Leute stehen alle auf der Gästeliste. Also, wer sind Sie? Eine Prinzessin, eine reiche Erbin oder Geschäftsführerin?“ Sein Tonfall war ironisch, sein Blick hingegen forschend. Es war höchste Zeit für sie, die Unterhaltung zu beenden und die Party zu verlassen. Dieser Mann war sehr scharfsinnig und würde bald merken, dass irgendetwas mit ihr nicht stimmte.
Ihre Vergangenheit lag wie ein Schatten über ihr und erinnerte sie ständig daran, dass sie nur eine Rolle spielte.
„Ich bin eine Frau, die sich nicht gern in irgendwelche Schubladen stecken lässt. Jeder ist selbst dafür verantwortlich, seinen Horizont zu erweitern.“
„Sie glauben also, ich würde Frauen kategorisieren?“
„Ja. Das tut doch jeder.“ Chantal tat so, als würde sie einem Gast auf der anderen Seite des Raumes zunicken. Leider wandte dieser ausgerechnet in dem Moment den Kopf und lächelte ihr zu. Verlegen drehte sie sich um. Sie musste so schnell wie möglich von hier verschwinden. „Ich lasse mich nicht gern abstempeln. Ich bin einfach … ich selbst.“
Inzwischen hatten sie die Appetithäppchen aufgegessen. Ihr Gesprächspartner nahm noch zwei Gläser Champagner von dem Tablett eines vorbeigehenden Obers und reichte ihr eins. „Allein die Tatsache, dass Sie hier sind, sagt eine Menge über Sie aus.“
„Wirklich?“ Entsetzt über die Vorstellung, dass er auch nur irgendetwas über sie wusste, trank Chantal einen Schluck.
„Ja.“ Gedankenverloren betrachtete er sie aus zusammengekniffenen Augen. „Die Eintrittskarten für diesen Ball sind sehr begehrt, und man muss sehr wohlhabend sein, um eine zu bekommen.“
Unwillkürlich musste sie an das schäbige Zimmer denken, das sie wenige Stunden zuvor verlassen hatte. Ihr Vermieter hatte die Miete erhöht, und in zwei Wochen würde sie obdachlos sein.
„Mit Reichtum kann man verschiedenste Dinge verbinden“, meinte sie leise, während sie unwillkürlich den Griff um den Stiel ihres Glases verstärkte. „Ist es Geld oder Gesundheit? Oder eine Familie, in der man geliebt wird und geborgen ist? Wenn man Reichtum als Privileg der Leute mit Geld betrachtet, riskiert man es, das Leben nicht in vollen Zügen zu genießen, oder?“
Sein Lachen klang zynisch. „Wenn Sie das wirklich glauben, sind Sie eine sehr ungewöhnliche Frau. Für die meisten Ihrer Geschlechtsgenossinnen ist Geld nämlich die Grundvoraussetzung für ein erfülltes Leben.“
Als Chantal merkte, dass viele Gäste sie beide nun unverhohlen musterten, verspürte sie einen Anflug von Panik. Hatte der Fremde sie etwa durchschaut? Mit zittrigen Fingern hob sie ihr Glas wieder an die Lippen. „Sie tun es schon wieder. Offenbar scheren Sie alle Frauen über einen Kamm.“
„Die meisten, die ich kenne, sind so“, erwiderte er trocken, und für einen Moment vergaß sie die Umstehenden und sah ihn neugierig an. Wie kam er zu dieser Einstellung?
Er war attraktiv, strahlte aber auch eine gewisse Härte aus, als würde er niemanden an sich heranlassen.
„Vielleicht verkehren Sie in den falschen Kreisen. Oder Sie haben etwas an sich, das einen bestimmten Frauentyp anzieht.“
„Ja, meine Brieftasche.“ Sein Lächeln war unglaublich sexy, und sein Humor faszinierte sie.
Tatsächlich machte die Unterhaltung ihr so viel Spaß, dass Chantal sich nicht dazu durchringen konnte, sie zu beenden. Dieser Fremde vermittelte ihr Selbstvertrauen, denn anscheinend fand er sie schön. Außerdem hatte es noch nie so zwischen ihr und einem Mann geknistert.
„Deswegen also starren die Leute uns schon an“, scherzte sie. „Sie fragen sich wohl, ob ich Sie gleich ausnehme.“
Daraufhin hob er unvermittelt die Hand und strich sich langsam übers Kinn. „Die Männer tun das, weil Sie die schönste Frau in diesem Raum sind.“
Das unerwartete Kompliment raubte ihr den Atem. „Wirklich?“, fragte sie betont lässig. „Und warum stehen sie dann nicht Schlange, um mit mir zu tanzen?“
„Weil Sie mit mir reden“, erwiderte er locker, aber mit einem besitzergreifenden Unterton.
Chantal versuchte das erregende Prickeln zu ignorieren, das sie überlief. Noch nie war sie einem so selbstsicheren Mann wie ihm begegnet, doch er war unerreichbar für sie. Sie spielte ein gefährliches Spiel, das sie so schnell wie möglich beenden musste.
Trotzdem fühlte sie sich dazu nicht in der Lage. Niemals zuvor hatte sie sich so lebendig gefühlt. „Das erklärt nicht, warum die Frauen mich anstarren.“
Das Funkeln in seinen dunklen Augen deutete darauf hin, dass er ihre Frage naiv fand. „Weil sie eifersüchtig sind und sich fragen, welcher Designer Ihr hinreißendes Kleid entworfen hat.“
Chantal wusste nicht, ob es seine verführerischen Handbewegungen oder seine Worte waren, die heiße Erregung in ihr aufflammen ließen.
„Mein Kleid ist ein Einzelstück, das speziell für mich entworfen wurde“, sagte sie wahrheitsgemäß. „Und ich habe das Gefühl, dass die Frauen mich ansehen, weil ich mit Ihnen rede.“
Das konnte sie ihnen auch nicht verdenken. Er war wirklich atemberaubend attraktiv. Sie fragte sich, aus welchem Land er wohl kam. Franzose war er jedenfalls nicht, und wie ein Engländer sah er nicht aus. Allerdings sprach er perfekt Englisch. Offenbar war er nur auf Eliteschulen gegangen.
Bei diesem Gedanken erwachte ihre alte Unsicherheit wieder. Deshalb machte Chantal sich klar, dass er zumindest in diesem Moment ihre Gesellschaft gesucht hatte. Ja, sie waren von atemberaubend attraktiven Frauen mit Modelfiguren umgeben, aber nur sie lächelt er an.
Vielleicht hatte es sich doch gelohnt hierherzukommen, und sei es nur, um diesen einen perfekten Augenblick zu erleben. In einer Gesellschaft, in der nur die Elite vertreten war, hatte er sie angesprochen. Wurde es daher nicht Zeit, ihre Unsicherheit zu überwinden?
„Sie sehen nicht mich, sondern meine Brieftasche.“ Der Fremde ließ die Hand sinken. Seine Augen funkelten zynisch.
Chantal lachte. Selbst wenn er völlig mittellos gewesen wäre, hätten die Frauen ihn angestarrt. „Die Lösung liegt auf der Hand.“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und flüsterte ihm ins Ohr: „Verschenken Sie Ihr Geld.“
Er wandte ein wenig den Kopf, sodass seine Lippen ihre Wange streiften. „Ist das Ihr Ernst?“
Er riecht wundervoll, dachte sie benommen, während sie ihm die Hand auf die Schulter legte, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. „Dann würden die Frauen Sie nicht als reichen Mann abstempeln, der noch zu haben ist.“
„Woher wissen Sie, dass ich noch zu haben bin?“
Chantal wich einen Schritt zurück. Sie fühlte sich herrlich beschwingt. Doch es war höchste Zeit, diesen Ball zu verlassen, sonst vergaß sie noch, wer sie war. „Wenn Sie es nicht wären, hätte mich Ihre Partnerin längst mit ihrem Besteck erdolcht.“
Wieder ruhte sein Blick auf ihrem Mund. „Sie finden also, ich sollte mein ganzes Geld verschenken?“
„Unbedingt. Erst dann wissen Sie, ob eine Frau sich wirklich für Sie interessiert.“
Als die Band einen Tango anstimmte, schloss sie für einen Moment die Augen. Es erinnerte sie an Buenos Aires.
Sie war zwei Monate durch Argentinien gereist und liebte die südamerikanische Musik. Instinktiv begann sie, sich leicht zu dem vertrauten Rhythmus zu bewegen. Daraufhin nahm der geheimnisvolle Fremde ihr das Glas aus der Hand, legte ihr die Hand auf den Rücken und zog sie an sich.
Sofort öffnete sie die Lider. „Was tun Sie da?“
„Ich tanze. Mit Ihnen.“
„Sie haben mich nicht gefragt.“
„Das mache ich nie, wenn ich die Antwort kenne. Pure Zeitverschwendung.“
„Ganz schön arrogant“, stellte Chantal leise fest und entlockte ihm damit ein Lächeln.
„Ich nenne es selbstsicher.“
„Übertrieben selbstbewusst.“ Lachend beugte sie den Kopf zurück, um ihren Tanzpartner anzublicken. „Ich hätte Nein sagen können.“ Sie spürte die Wärme seiner Hand, die auf ihrem bloßen Rücken lag. Hitzewellen durchfluteten sie.
„Das hätten Sie nicht getan.“
Er hatte recht. Sie hätte es nicht gekonnt.
Selbstvergessen gab sie sich den heißen Rhythmen dieses erotischen Tanzes hin und war sich überdeutlich der Kraft bewusst, die ihr Partner ausstrahlte. Der intime Körperkontakt machte sie ganz atemlos.
Der Fremde verstärkte den Griff um ihre andere Hand, bevor er sie noch enger an sich zog. Völlig im Einklang mit den exotischen Klängen, führte er sie über die Tanzfläche. Das Atmen fiel Chantal immer schwerer, weil er ihr so nahe war, aber gleichzeitig war sie wie berauscht von der überwältigenden Anziehungskraft zwischen ihnen, die sie von Anfang an gespürt hatte.
Es schien ihr, als wäre dies kein Tanz mehr, sondern ein … Liebesakt? Eng an den Fremden geschmiegt, folgte sie seinen Schritten. Seine Bewegungen verrieten eine Selbstsicherheit und eine Sinnlichkeit, die keinen Zweifel daran ließen, dass er ein fantastischer Liebhaber sein musste.
Allerdings würde er niemals mit ihr schlafen.
Doch in diesem Moment gehörte er ihr, und sie würde es bis zur letzten Sekunde auskosten. Während sie sich ganz den heißen Rhythmen hingaben, wurde ihr Körperkontakt immer intimer. Ihr Atem mischte sich mit seinem, und es knisterte immer stärker zwischen ihnen.
Chantal vergaß alle anderen Gäste um sich her. Für sie gab es nur noch diesen geheimnisvollen Fremden, während das, was zwischen ihnen geschah, längst über einfache Tanzschritte hinausging. Es war erotisch, leidenschaftlich und sehr intim. Obwohl sie ihm noch nie zuvor begegnet war, wusste sie instinktiv, was er von ihr wollte, und tat es auch.
Im einen Moment tanzten sie so eng aneinander geschmiegt, dass Chantal seinen Herzschlag spürte, im nächsten wirbelte er sie herum, und sie spürte, wie seine Hände verführerisch über ihre Hüften glitten. Mit seinem Knie schob er ihr den Rock ihres Kleides ein wenig hoch, und sein Atem fächelte ihren Nacken. Erschauernd fragte sie sich, wie es möglich war, so auf einen Mann zu reagieren, der nur für einen Abend ihren Weg kreuzte.
Vielleicht kann ich mich deshalb so gehen lassen, dachte sie und stieß einen erschrockenen Laut aus, als der Fremde sie sekundenlang aus dem Gleichgewicht brachte und dadurch zwang, sich an seinem Körper zu schmiegen. Noch nie hatte sie etwas so Sinnliches erlebt.
Als die Band schließlich einen anderen Tanz zu spielen begann, brauchte Chantal einen Weile, um in die Realität zurückzukehren und ihre Umgebung wieder wahrzunehmen.
Nachdem sie sich eine Ewigkeit, wie es Chantal schien, in die Augen geblickt hatten, ließ ihr Tanzpartner sie unvermittelt los und machte einen Schritt zurück. Dann betrachtete er sie mit einem seltsamen Ausdruck.
„Ich hole uns einen Drink.“ Seine Stimme klang merklich kühler als vor dem Tanz.
Verwirrt blinzelte sie, als der Fremde sich entfernte. Noch vor wenigen Minuten waren sie in einer ganz anderen Welt gewesen, und jetzt …
Chantal atmete einige Male tief durch, um sich zu fangen. Er wirkte wütend, warum aber? Immerhin hatte er sie aufgefordert. Noch während sie überlegte, warum er sich so verhielt, kam eine Frau auf sie zu.
„Ich bin Marianna Killington-Forbes“, stellte diese sich mit dem für die Oberschicht so typischen Tonfall vor und lächelte sie dabei kühl an. „Sie kommen mir irgendwie bekannt vor. Sind wir uns schon mal begegnet?“
Oh ja, das waren sie.
Chantal begann zu zittern. Sie fühlte sich erniedrigt und bloßgestellt, und ihre Vergangenheit schien wie ein Dämon vor ihr aufzusteigen. „Ich …“
„Sie spricht kaum Englisch, Marianna. Ich habe ihr gesagt, sie soll bei mir bleiben, aber wir wurden gerade durch die Menge getrennt“, ließ sich in dem Moment eine Männerstimme mit einem starken Akzent hinter Chantal vernehmen. Als sie sich umdrehte, sah sie sich einem älteren Mann gegenüber. Sie schätzte ihn auf Anfang siebzig, aber er war immer noch sehr attraktiv, und in seinen Augen lag ein liebenswürdiger Ausdruck. Lächelnd sagte er etwas in einer fremden Sprache zu ihr, bevor er ihre eiskalte Hand nahm und sie unter seinen angewinkelten Arm zog. „Möchtest du ihr noch etwas sagen, Marianna?“, wandte er sich kühl an Chantals Gegenüber. „Ich kann es ihr übersetzen.“
Die Frau presste die Lippen zusammen. „Mit Angelos hat sie sich offenbar bestens verständigt.“
„Jedoch auf eine ganz andere Art und Weise, wie du sicher gemerkt hast“, konterte er lächelnd.
Eifersucht flammte in ihrem Blick auf, bevor sie sich wieder an Chantal wandte. „Na, ich wünsche Ihnen viel Glück. Angelo erwartet von seinen Freundinnen ohnehin nie, dass sie mit ihm reden.“
Noch immer starr vor Entsetzen, beobachtete Chantal erleichtert, wie sie wegging. Marianna hatte sie zwar wieder erkannt, ihr Gesicht aber offenbar nicht genau einordnen können.
„Sie zittern ja“, stellte der Mann sanft fest.
Chantal klammerte sich an ihn und hoffte verzweifelt, ihr Tanzpartner würde nicht ausgerechnet in diesem Moment zurückkommen. Dann atmete sie tief durch und versuchte, sich zu beruhigen.
„Könnten Sie … noch eine Weile bei mir bleiben?“, fragte sie heiser. „Ich möchte jetzt nicht allein sein.“
„Das sind Sie auch nicht.“ Er legte die Hand auf ihre, sodass seine Körperwärme sich auf sie übertrug.
„Danke“, flüsterte Chantal. Am liebsten hätte sie ihn umarmt, so dankbar war sie ihm für sein Eingreifen. „Ich habe keine Ahnung, warum Sie das getan haben, ich werde es aber nie vergessen. Woher wussten Sie, dass ich Hilfe brauche?“
„Als sie auf Sie zugegangen ist, sind Sie aschfahl geworden. Ich dachte, Sie würden gleich in Ohnmacht fallen. Sie mögen sie nicht, stimmt’s?“
„Na ja, ich …“
„Es muss Ihnen nicht peinlich sein. Ich konnte sie noch nie ausstehen“, erklärte der Mann. „Ich frage mich, warum sie überhaupt eingeladen ist.“
Chantal musste an ihre unglückliche Schulzeit denken. „Ihr Vater ist sehr reich.“
„Wirklich? Offenbar hat er immer am Essen gespart.“ Er stieß einen abfälligen Laut aus. „Sie ist so dünn, dass man sich unweigerlich verletzt, wenn man mit ihr zusammenstößt.“
Trotz ihrer Unsicherheit musste Chantal lachen. Neugierig blickte sie ihn an. Er erinnerte sie irgendwie an jemanden. „Ich muss jetzt gehen …“ Doch als sie sich abwenden wollte, verstärkte er seinen Griff um ihren Arm.
„Dann denken diese Leute, sie haben gewonnen“, meinte er leise. „Wollen Sie das?“
Woher wusste dieser Fremde, wie ihr zumute war? „Alle starren mich an …“
„Lächeln Sie“, wies er sie ruhig an. „Und Kopf hoch. Sie haben genauso das Recht, hier zu sein, wie alle anderen auch.“ Bevor sie widersprechen konnte, führte er sie zu zwei freien Stühlen. „Setzen Sie sich, und leisten Sie einem einsamen alten Mann Gesellschaft. Ich hasse Veranstaltungen wie diese, weil ich mich immer fehl am Platz fühle.“
„Den Eindruck vermitteln Sie aber nicht.“
„Der Schein trügt manchmal, oder?“
Ihm war also bewusst, wie unwohl sie sich fühlte. Seltsamerweise beunruhigte es sie jedoch nicht, sondern erfüllte sie mit Dankbarkeit.
„Warum sind Sie eigentlich so nett zu mir?“
„Das bin ich nicht. Ich amüsiere mich nur mit der attraktivsten Frau im ganzen Raum.“
Chantal wünschte, ihre Hände würden aufhören zu zittern. „Wenn Sie solche Veranstaltungen verabscheuen, warum sind Sie dann hier?“
„Meinem Sohn zuliebe. Er macht sich Sorgen um mich, weil ich mich in letzter Zeit sehr zurückgezogen habe.“
„Bestimmt sieht er es nicht gern, wenn Sie Ihre Zeit mit mir verschwenden.“ Sie musste wirklich gehen – bevor Marianna sich erinnerte, wer sie war.
„Als Sie vorhin getanzt haben …“ Der Fremde blickte sie an, und in seinen Augenwinkeln bildeten sich Lachfältchen. „Sie beide waren völlig im Einklang miteinander: Nur ein Liebespaar kann so Tango tanzen.“
Ein Liebespaar?
Wie hatte Marianna den Fremden noch genannt? Angelos? Dann hatte sie also richtig gelegen. Er war kein Engländer. Verträumt fragte Chantal sich, wie es wohl wäre, von einem Mann wie ihm geliebt zu werden.
„Und selbst jetzt müssen Sie an ihn denken, stimmt’s?“ Ihr Gesprächspartner wirkte erfreut. „Sie bedeuten ihm etwas, das ist ganz offensichtlich. So, wie er Sie angesehen hat – und Sie ihn. Wie Sie sich zusammen bewegt haben … Die Körpersprache sagt mehr als tausend Worte. Es ist etwas Ernstes.“
Seine Bemerkung brachte sie unvermittelt auf den Boden der Tatsachen zurück. „Oh. Nein. Es ist nicht so, wie …“
„Ich könnte gut und gern Ihr Vater sein, trotzdem habe ich nicht vergessen, wie es ist, wenn man verliebt ist. Erzählen Sie mir, was Sie empfunden haben, als Sie ihm das erste Mal begegnet sind!“
Nach kurzem Zögern lächelte Chantal, denn der freundliche Ausdruck in seinen Augen wirkte vertrauenerweckend. Es war wirklich seltsam. Normalerweise war sie eher reserviert, doch nach fünf Minuten in seiner Gesellschaft hätte sie ihr Leben für jenen geheimnisvollen Fremden gegeben. „Ich fand ihn umwerfend“, gestand sie. „Er war charmant, klug und sehr offen.“
„Und sexy?“
„Oh ja, sehr.“ Damit niemand mithörte, sprach sie jetzt leise weiter. „Ich habe mich noch nie so stark zu jemandem hingezogen gefühlt.“
Der Mann nickte zufrieden. „Ich weiß. Und – sind Sie verrückt nach ihm?“
„Na ja.“ Hilflos zuckte sie die Schultern. „Ja, obwohl wir uns nicht einmal kennen …“
„Wenn ein Mann und eine Frau zusammengehören, dann wissen sie es sofort und nicht erst nach sechs Monaten oder sechs Jahren.“
Seine Worte verunsicherten sie, und sie überlegte einen Moment. Wenn der Fremde tatsächlich so reich war, wie sie vermutete, passten sie überhaupt nicht zusammen. Sie würde sich in seiner Welt niemals wohlfühlen. Außerdem würde er sie auch nicht dort haben wollen.
Schnell verdrängte sie diesen Gedanken und betrachtete den Mann an ihrer Seite. Noch immer erinnerte er sie an irgendwie an jemanden. „Wenn Sie so ein Experte für Körpersprache sind, was glauben Sie, warum er so wütend gewirkt hat?“
„Die Antwort liegt auf der Hand. Kein Mann gibt gern zu, dass er sich Hals über Kopf in eine Frau verliebt hat. Als ich meine kennengelernt habe, ging es mir genauso. Zu lieben macht einen Mann verletzlich, und das möchte ein starker Mann nicht sein. Ich habe gegen meine Gefühle gekämpft.“
„Und wie hat sie dann Ihr Herz erobert?“
„Sie hat getan, was die Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts immer machen, wenn sie etwas wollen. Reden und reden, bis der Mann kapituliert.“
Chantal lachte. „Sind Sie immer noch zusammen?“
„Wir hatten vierzig gemeinsame Jahre.“ Nun wurde er ernst. „Vor fünfzehn Jahren ist sie gestorben, und seitdem bin ich keiner Frau begegnet, die ihr das Wasser reichen konnte. Doch ich gebe die Hoffnung nicht auf. Und ich weiß immer noch, wie es ist, sich auf der Tanzfläche zu bewegen.“
Sein Tonfall rührte sie so, dass sie impulsiv aufstand und ihm die Hände entgegenstreckte. „Zeigen Sie es mir. Können Sie Walzer tanzen?“
„Ich bin dreiundsiebzig.“
„Es gibt keinen Mann hier im Raum, mit dem ich lieber tanzen würde.“
„Dann sind Sie eine mutige Frau, denn Angelos ist sehr besitzergreifend. Jetzt verstehe ich allerdings, warum Sie geschafft haben, was so viele vergeblich versucht haben. Es muss an Ihrem Kampfgeist liegen.“
„So viele?“, wiederholte Chantal stirnrunzelnd. „Wer?“
„All die anderen Frauen, die dort sein wollten, wo Sie heute Abend sind. An seiner Seite. In seinem Herzen.“ Plötzlich wurden seine Augen feucht, und ihr Magen krampfte sich zusammen.
„Sie kennen ihn gut, oder?“ Verzweifelt versuchte sie, sich ins Gedächtnis zu rufen, was sie gesagt hatte. „Sie hatten das gar nicht erwähnt.“
„Dann wären Sie vielleicht nicht so offen gewesen. Es war ein sehr aufschlussreiches Gespräch.“ Der Mann lächelte immer noch, und in dem Moment sah Chantal, wie ihr Tanzpartner mit finsterer Miene auf sie zukam.
Er blieb vor ihnen stehen und betrachtete drohend ihre ineinander verschränkten Hände.
Sofort entzog Chantal ihrem Gesprächspartner ihre Hände. Ihr Herz pochte wie wild. Warum sah er sie so an? Er konnte unmöglich eifersüchtig auf diesen älteren Herrn sein. Da sie nicht wusste, was sie sagen sollte, schwieg sie angespannt.
Missbilligend blickte er von ihr zu dem älteren Mann und zurück. Nach einer Ewigkeit, wie es ihr schien, straffte er sich und sagte:
„Wie ich sehe, haben Sie meinen Vater kennengelernt.“
Nachdem Chantal die Touristengruppe bedient hatte, setzte sie sich auf einen Stuhl an einem Tisch in der Nähe und blickte starr in die leere Kaffeetasse vor sich.
Obwohl seit dem Ball zwei Wochen vergangen waren, fühlte sie sich immer noch entsetzlich. Außerdem sie war tieftraurig, als hätte sie etwas ganz Besonderes verloren.
Was war nur mit ihr los? Warum konnte sie ihn einfach nicht vergessen? Ohne nachzudenken, nahm sie den zerknitterten Zeitungsausschnitt aus ihrer Rocktasche, den sie nun schon seit vierzehn Tagen bei sich trug. Unzählige Male hatte sie das Foto betrachtet. Nun wünschte sie, sie hätte hundert Exemplare der Ausgabe gekauft, damit sie sich auch noch an jenen einen perfekten Abend erinnern würde, wenn sie alt und grau war. An den perfekten Mann.
Ihr Herz klopfte sofort schneller, wenn sie daran dachte, wie sie mit ihm getanzt und wie es zwischen ihnen geknistert hatte. Doch nicht nur die überwältigende körperliche Anziehungskraft hatte sie veranlasst, noch länger auf dem Ball zu bleiben. Sie hatte ihn gemocht, war von seinen scharfsinnigen Bemerkungen, seiner Intelligenz und seinem trockenen Humor fasziniert gewesen.
Angelos Zouvelekis.
Durch den Zeitungsartikel wusste sie jetzt, wer er war; Milliardär und Philanthrop. Und Grieche. Eigentlich hatte es auf der Hand gelegen. Sein schwarzes Haar und der dunkle Teint hatten darauf hingedeutet, dass er in südlichen Gefilden lebte.
Sie hatte sich in einen griechischen Milliardär verliebt, der als eingefleischter Junggeselle und überaus erfolgreicher Geschäftsmann galt. Und damit hatte das Märchen für sie geendet, denn er war unerreichbar für sie.
Chantal blinzelte, um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. Hätte sie geahnt, wer er war, hätte sie den Ball vielleicht viel früher verlassen. Und sich in einen anderen Mann verliebt.
Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich. So schnell verliebt man sich nicht! Was sie empfand, war nur …
Sie konnte ihre Gefühle nicht ergründen, aber sie wünschte, sie wäre nicht mehr so niedergeschlagen. Außerdem hatte er ihr unmissverständlich zu verstehen gegeben, was er von ihr hielt. Er war furchtbar wütend gewesen. Offenbar hatte er herausgefunden, dass sie nicht zu dem Ball eingeladen gewesen war.
Verzweifelt schlug sie die Hände vors Gesicht. Wie hatte er sie genannt? Geldgierig, skrupellos und unaufrichtig. Vielleicht hatte sie es auch nicht anders verdient. Schließlich war es unehrlich gewesen, sich mit der Karte einer anderen Eintritt zu verschaffen. Und um alles nur noch schlimmer zu machen, hatte sein Vater dann seine Freude darüber zum Ausdruck gebracht, dass sein Sohn endlich eine Frau gefunden hätte, die er liebte.
Ihm von ihren geheimsten Träumen zu erzählen war der größte Fehler gewesen. Doch sie hatte Angelos’ Vater auf Anhieb gemocht, und er war so nett zu ihr gewesen. Chantal stöhnte leise. Warum hatte sie sich ausgerechnet ihm anvertrauen müssen?
Dann straffte sie sich und riss sich zusammen. Das alles gehörte der Vergangenheit an. Sie musste jetzt endlich positiv in die Zukunft blicken. In Paris konnte sie jedenfalls nicht bleiben. Vielleicht sollte sie an einen entlegenen Ort flüchten, wo sie Angelos Zouvelekis ganz bestimmt nicht begegnen würde.
Einen Moment lang saß sie da und versuchte, sich für ihren nächsten Schritt zu motivieren. Sie war in der glücklichen Lage, jederzeit an jeden belieben Ort reisen und in eine andere Rolle schlüpfen zu können, denn sie hatte keine Verpflichtungen und keine Familie, der sie Rechenschaft ablegen musste.
Chantal wartete auf das Prickeln, das sie jedes Mal bei der Aussicht befiel, sich selbst wieder neu zu erfinden, doch nichts passierte. Sie fühlte sich einfach nur leer.
„Chantal!“, brachte die Stimme ihres Chefs sie auf den Boden der Tatsachen zurück. „Ich bezahle Sie nicht fürs Herumsitzen. Wir haben Kunden. Stehen Sie auf, und bedienen Sie sie! Das ist meine letzte Verwarnung.“
Erschrocken sprang sie auf und stellte verlegen fest, dass sie sich an den Tisch gesetzt hatte, den sie eigentlich abräumen sollte. Schnell nahm sie die leere Tasse und die beiden Gläser, bevor sie in die Küche eilte.
„Sie müssen mehr arbeiten und weniger träumen.“ Der kleine, rundliche Inhaber des Cafés grinste unangenehm und betrachtete dabei unverhohlen ihre Brüste. „Es sei denn, Sie wollen sich für eine andere Beschäftigung bewerben.“
Chantal brauchte einen Moment, um die Sprache wiederzufinden. Dann sah sie ihn an. „Suchen Sie sich eine neue Kellnerin“, sagte sie heiser. „Ich kündige.“ Wütend nahm sie die lächerliche kleine weiße Schürze ab, die sie über dem schwarzen Rock hatte tragen müssen, und drückte sie ihm in die Hand.
Sie dachte nicht einmal daran, ihren Lohn zu verlangen, denn das Geld war ihr egal. Sie wollte nur noch von hier verschwinden, zumal Chantal, die Kellnerin, nie zu ihr gepasst hatte. Genauso wenig wie Chantal, das Zimmermädchen, und Chantal, die Barfrau.
Die Schatten der Vergangenheit holten sie wieder ein, und sie eilte nach draußen in den Sonnenschein, während die Schimpftiraden ihres ehemaligen Arbeitgebers ihr noch in den Ohren klangen.
Sie würde weiterreisen, an irgendeinen exotischen Ort, wo sie niemanden kannte. Vielleicht nach Ägypten. Sie konnte sich die Pyramiden ansehen und im Roten Meer schwimmen …
Inzwischen hatte Chantal sich ein wenig beruhigt und schlug den Weg zum Eiffelturm ein. Zahlreiche Straßencafés, die gut besucht waren, säumten den Boulevard. Die Bäume waren schon grün, und in den Brunnen sprudelte das Wasser und sorgte für angenehme Kühle.
Es war Mittagszeit, und außer Touristen waren viele schicke Pariserinnen mit ihren Kleinkindern unterwegs. Als ein blondes Mädchen stolperte und hinfiel, hob seine Mutter es hoch, um es zu trösten.
Chantal beobachtete die beiden einen Moment und verspürte einen Stich. Dann senkte sie schnell den Kopf und ging weiter. Sie war vierundzwanzig und viel zu alt, um ein Kind um seine Mutter zu beneiden.
Sie beschleunigte den Schritt und wich einer Gruppe von Teenagern auf Inlineskates aus, die sich gegenseitig aufzogen und fröhlich lachten. Ihr Anblick machte Chantal noch trauriger.
Keiner dieser Menschen wirkte unsicher oder fehl am Platz. Sie gehörten alle hierher.
Vor ihr erhob sich nun der Eiffelturm, doch Chantal würdigte ihn keines Blickes. Obwohl sie seit zwei Monaten in Paris lebte, hatte sie sich nicht einmal in die langen Schlangen eingereiht, um hinaufzusteigen. Sie hatte die bekannten Touristenattraktionen gemieden, um das eigentliche Paris zu entdecken. Jetzt war es allerdings Zeit, die Stadt zu verlassen.
Ohne sich Gedanken über ihr nächstes Ziel zu machen, eilte sie weiter, entschlossen, die letzten Stunden in dieser Metropole zu genießen, die sie inzwischen so liebte. Als sie schließlich an die Seine kam, blieb sie eine Weile am Ufer stehen und blickte auf das Wasser, das in der Sonne glitzerte. Hinter ihr herrschte wie immer dichter Verkehr, und man hörte viele Autofahrer hupen.
Es war ein typischer Tag in Paris.
Chantal überquerte den Fluss und ging zur Rue du Faubourg Saint-Honoré hoch. In diesem wohlhabenden und großbürgerlichen Stadtteil befanden sich die Luxusgeschäfte der bekannten französischen und italienischen Designer. Chantal blieb vor einem Schaufenster stehen, weil ihr ein Kleid besonders ins Auge fiel. Automatisch prägte sie sich den Schnitt ein und fragte sich dabei, warum viele Frauen bereit waren, astronomische Summen für derart schlichte Outfits auszugeben.
Das Kleid, das sie sich für den Ball genäht hatte, war gut angekommen, und niemand schien bemerkt zu haben, dass der Stoff aus dem Kaufhaus stammte.
Das Röhren eines PS-starken Motors riss sie aus ihren Gedanken, und als Chantal sich umdrehte, sah sie einen glänzenden schwarzen Lamborghini am Straßenrand halten.
Ihr Herz setzte einen Schlag aus, und plötzlich vergaß sie alles um sich her. Deshalb nahm sie auch nicht wahr, dass mehrere andere Frauen sich umgewandt hatten und fasziniert den Wagen betrachteten.
Sie kannte ihn. Vor zwei Wochen hatte sie ihn schon einmal gesehen – auf dem Ball, zu dem sie nicht eingeladen gewesen war. Er gehörte dem Mann, mit dem sie eigentlich nicht hätte tanzen dürfen. Dem Sohn des älteren Herrn, mit dem sie niemals hätte reden sollen.
Als er die Frau mit dem glänzenden blonden Haar und den unendlich langen Beinen vor dem Schaufenster sah, bremste Angelos abrupt. Ohne sich um das wütende Hupen der anderen Autofahrer zu kümmern, betrachtete er sie angestrengt.
War sie es? Hatte er sie endlich gefunden? Er kniff die Augen zusammen und stellte sie sich mit einer Hochfrisur und in einem Designerkleid vor. Und als ihr Blick dann seinem begegnete, war er sich ganz sicher. Selbst aus dieser Entfernung erkannte er ihre leuchtend blauen Augen, die ihn an jenem schicksalhaften Abend sofort in ihren Bann gezogen hatten.
Endlich hatte er sie gefunden. Eigentlich hätte er sich denken können, dass sie hier einkaufte. Zynisch fragte er sich, welcher Narr ihr das Geld gegeben hatte, das sie nun ausgeben würde.
Wut flammte in ihm auf, weil er sie überhaupt hatte suchen und seine Beziehungen hatte spielen lassen müssen. Nachdem Angelos den Motor ausgeschaltet hatte, sprang er aus dem Wagen, ohne auf das Parkverbotsschild und die Frauen auf dem Fußweg zu achten, die ihn bewundernd ansahen.
In diesem Moment interessierte ihn nur eine einzige, und er hätte beinah gelacht, als er den schockierten Ausdruck in ihren Augen bemerkte.
Er war genauso entsetzt, denn normalerweise mied er Frauen wie sie. Doch dank eines schicksalhaften Zufalls würde er ihr nun alles geben, wovon sie geträumt hatte. Sie hatte keinen Zweifel daran gelassen, was sie wollte, doch wenn er mit ihr fertig wäre, würde sie sich dafür verfluchen, dass sie ausgerechnet ihn ins Visier genommen hatte.
Aufgebracht presste Angelos die Lippen zusammen. Offenbar gehörte sie zu den Frauen, die ihr Leben damit verbrachten, sich von reichen Männern aushalten zu lassen. Und dass man ihn zum ersten Mal so über den Tisch gezogen hatte, machte ihn noch zorniger. Als er sie jetzt jedoch ansah, setzte sein Verstand sofort aus, und ungezügeltes Verlangen flammte in ihm auf.
Das lange blonde Haar, das ihr in weichen Wellen über die Schultern fiel, die vollen Brüste und ihre schmale Taille waren unglaublich verführerisch.
In den letzten beiden Wochen hatte er sich so in seine Wut hineingesteigert, dass er ganz vergessen hatte, wie schön sie war. Für ein Model war sie zu kurvenreich, trotzdem hätte jeder normale Mann sicher gern mit ihr geschlafen.
Schnell wandte Angelos den Blick von ihr ab und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Die letzten vierzehn Tage waren ihm wie eine Ewigkeit vorgekommen. Sobald er sich unter Kontrolle hatte, riskierte er wieder einen Blick in ihre Richtung. Diesmal glaubte er einen schuldbewussten Ausdruck in ihren Augen zu sehen. Doch er musste sich getäuscht haben, denn diese Frau besaß kein Gewissen.
„Isabelle“, sagte er mit einem verächtlichen Unterton.
Einen Moment lang sah sie ihn verwirrt an. „Isabelle?“, fragte sie heiser.
Obwohl er mit einer solchen Reaktion gerechnet hatte, wurde er wieder wütend. „Lassen Sie die Spielchen!“
„Aber ich bin nicht …“
„So nicht!“, stieß er hervor, mühsam um Fassung ringend, und beobachtete, wie sie daraufhin einige Schritte zurückwich. „Steigen Sie in den Wagen!“
Panik flammte in ihrem Blick auf. „Offenbar verwechseln Sie mich mit jemandem.“
Er nahm die Eintrittskarte aus seiner Hosentasche und zeigte sie ihr. „Wohl kaum. Wenn Sie das nächste Mal unerkannt bleiben wollen, lassen Sie Ihre Eintrittskarte nicht fallen.“
Starr betrachtete sie das Ticket. Anscheinend wusste sie nicht, was sie sagen sollte.
„Jetzt ist mir klar, warum Sie mir Ihren Namen nicht sagen wollten!“ Angelos beobachtete ihr Mienenspiel, das die unterschiedlichsten Gefühle verriet: Bestürzung, Verwirrung … Angst? „Und nun fahren wir.“
Noch immer betrachtete sie die Eintrittskarte. „Fahren? Wohin?“
„Heute ist Ihr Glückstag.“ Es fiel ihm sehr schwer, die Worte über die Lippen zu bringen.
Nun sah sie ihn an. „Ich habe wirklich keine Ahnung, wovon Sie reden.“
Ihr Verhalten stieß ihn so ab, dass er einen Schritt zurückwich. Dann musste er jedoch an seinen Vater und den Grund für sein Kommen denken. Leise fluchend strich er sich über den Nacken und fragte sich, ob dessen Zustand sich wohl verändert hatte.
Je eher er dies hinter sich brachte, desto schneller konnte er nach Griechenland zurückkehren und die Fortschritte seines Vaters selbst verfolgen. „Ich möchte unsere Bekanntschaft vertiefen, so verwunderlich es auch scheinen mag. Los, steigen Sie ein.“
„Ich muss Ihnen etwas sagen …“, begann sie.
Sie wirkte so jung und klang ein wenig verzweifelt, doch Angelos war zu aufgebracht, um Mitleid mit ihr zu empfinden. Aus Erfahrung wusste er, dass gerade junge Frauen oft besonders geldgierig waren. Sie wollten im Luxus leben, ohne sich dafür anzustrengen.
„Was Sie mir mitzuteilen haben, interessiert mich nicht. Diesmal rede ich , und ich möchte kein Publikum haben.“
Doch sie rührte sich nicht von der Stelle, und die Anzahl der Schaulustigen, die sich hinter ihr versammelt hatten, schien zugenommen zu haben. „Ich wüsste nicht, worüber wir reden sollten.“
„Das werden Sie früh genug herausfinden. Fahren wir also. Mein Hotel ist hier in der Nähe.“
„Ihr Hotel?“ Plötzlich wurde ihre Miene eisig. „Suchen Sie sich ein anderes Opfer, Mr. Zouvelekis. Ich gehöre nicht zu den Frauen, die mit fremden Männern auf deren Hotelzimmer gehen.“
Ihre Worte standen so im Widerspruch zu seinem Bild von ihr, dass Angelos nicht wusste, ob er lachen oder die Hände zu Fäusten ballen sollte.
„Mit fremden Männern?“, wiederholte er verächtlich. „Ich bin derselbe Fremde, mit dem Sie getanzt haben, und wenn Sie danach nicht Ihr wahres Gesicht gezeigt hätten, wären wir beide an jenem Abend im Bett gelandet.“
Offenbar wollte sie ihm widersprechen, aber es knisterte immer noch so stark zwischen ihnen wie auf dem Ball. Obwohl er ihr am liebsten den Hals umgedreht hätte, ertappte er sich dabei, wie er den Blick fasziniert zu ihren vollen Brüsten gleiten ließ, die sich unter ihrer weißen Bluse abzeichneten.
Dann riss er sich zusammen und sah ihr wieder in die Augen. „Selbst wenn ich Ihren Ruf nicht kennen würde, hätte Ihr Auftritt auf dem Ball mich davon überzeugt, dass es Ihre Spezialität ist, mit Männern in deren Hotelzimmer zu gehen.“
„Meinen Ruf?“, wiederholte sie erstaunt, woraufhin er sie warnend anfunkelte.
„Jetzt weiß ich, warum Sie sich mir nicht vorgestellt haben. Wenn Sie sich das nächste Mal einen Milliardär angeln wollen, sollten Sie unbedingt Ihren Namen ändern.“
Sie sah ihn mit großen Augen an, und plötzlich vergaß er alles, was er ihr hatte sagen wollen. Noch nie hatte er bei einer Frau so faszinierende Augen gesehen. Nun, da Isabelle so dicht vor ihm stand, bemerkte er die grünen Sprenkel darin. Und ihr Körper …
Angelos ballte die Hände zu Fäusten und unterdrückte das Verlangen, das in ihm aufflammte. Als ihm bewusst wurde, dass die Umstehenden ihren Wortwechsel gespannt verfolgten, legte er Isabelle den Arm um die Taille und zog sie an sich.
„Ich gebe Ihnen noch einen Tipp“, sagte er ihr leise ins Ohr und spürte dabei, wie sie sich verspannte. „Wenn Sie einen Mann von Ihrer Unschuld überzeugen wollen, sollten Sie kein Kleid tragen, das keine Wünsche offenlässt. Doch ich will mich nicht beschweren. Wenn wir schon nicht in der Lage sind, uns zu beherrschen, können wir unser Tun genauso gut genießen. Ich frage mich, welche Extras mit dem Kellnerinnenoutfit verbunden sind. Schlagsahne? Schokoladensoße?“
„Wovon reden Sie eigentlich?“
Er spürte, wie sie sich aus seinem Griff befreien wollte, und presste ihr die Hand auf den Rücken. Ihre Taille war erstaunlich schmal. Wie konnte eine Frau gleichzeitig so kurvenreich und so schlank sein?
„Von unserer neuen Beziehung, agape mou . Die Sie sich so sehnlich gewünscht haben.“
„Machen Sie keine Witze. Lassen Sie mich los.“
„Es gibt nichts, was ich lieber täte. Doch dank Ihnen sind wir beide in einer vertrackten Lage. Sie kommen jetzt mit, damit wir unsere Möglichkeiten abwägen können.“ Noch immer standen sie dicht aneinander geschmiegt da, und es fiel Angelos zunehmend schwerer, sich auf sein Vorhaben zu konzentrieren.
Es schien ihm, als wären Isabelle und er wieder auf der Tanzfläche. Der Duft ihrer Haut und ihres Haars machte ihn ganz benommen, und heißes Verlangen flammte in ihm auf. Offenbar spürte Isabelle die elektrisierende Atmosphäre auch, denn sie stöhnte leise.
„Warum sollte ich mit Ihnen fahren? Sie haben mir doch gesagt, Sie würden lieber enthaltsam bleiben, als den Rest Ihres Lebens mit einer Frau wie mir zu verbringen.“
Angelos verspannte sich. Genau das hatte er ihr an jenem Abend an den Kopf geworfen, und dass sie ihn nun daran erinnerte, führte ihm die gegenwärtige Situation umso deutlicher vor Augen.
„Ich habe nicht die Absicht, den Rest meines Lebens mit Ihnen zu verbringen. Doch ein paar Wochen schon.“
„Ein paar Wochen?“ Flüchtig schüttelte sie den Kopf. „Ich weiß immer noch nicht, was Sie damit sagen wollen, trotzdem lautet meine Antwort nein.“
„Bis jetzt habe ich Sie noch nicht gefragt. Entweder steigen Sie jetzt ein, oder ich helfe nach.“
„Glauben Sie wirklich, Sie können mich vor den Augen dieser Leute hier zwingen?“
„Nein. Ich gehe anders vor.“ Er beugte sich hinunter, um sie zu küssen und seinem ganzen Zorn freien Lauf zu lassen. Doch sobald sein Mund ihren berührte, hatte er sich nicht mehr unter Kontrolle und wusste, dass er den Geschmack ihrer Lippen niemals vergessen würde. Sie waren süß, verführerisch und gefährlich …
Verblüfft über seine heftige Begierde und aus Angst, völlig die Beherrschung zu verlieren, löste er sich von Isabelle. Als er ihr Gesicht betrachtete, stellte er fest, dass ihr Blick benommen und ihre Wangen gerötet waren. „Kein Pariser wird sich einmischen, wenn zwei Verliebte sich streiten, agape mou .“
Ohne auf ihre Antwort zu warten, nahm er ihren Arm und führte sie zum Wagen. Während er sie auf den Beifahrersitz schob, seufzte eine der Schaulustigen neidisch und wandte sich an ihre Begleiterin.
„L’amour“ , sagte sie.
Angelos lächelte grimmig, als er sich hinters Steuer setzte und den Motor anließ.
Von wegen, dachte er boshaft, während er Gas gab. Was er vorhatte, war alles andere als romantisch.
Was hatte er mit ihr vor?
Das Wohnzimmer seiner Penthouse-Suite war größer als ihre ganze Wohnung und bot einen herrlichen Ausblick über Paris. In einem Luxushotel wie diesem abzusteigen, konnten sich nur wenige Privilegierte leisten. Zu jedem anderen Zeitpunkt wäre Chantal begeistert gewesen, jetzt hatte sie allerdings keinen Sinn dafür.
Noch immer verspürte sie ein erregendes Prickeln und fühlte sich gleichzeitig hilflos, nachdem Angelos sie so verlangend geküsst hatte. Mit ihm Tango zu tanzen war schon erotisch gewesen, doch seine Lippen zu spüren …
Sie blickte sich um, denn sie hatte ganz weiche Knie und musste sich unbedingt hinsetzen, falls er sie wieder küsste.
Doch Angelos sah sie nicht einmal an, sondern blickte mit grimmiger Miene aus dem Fenster.
Unwillkürlich befeuchtete sie sich die Lippen, die immer noch leicht geschwollen waren. Natürlich war ihr klar, dass die intime Geste nur ein Ablenkungsmanöver gewesen war. Trotzdem hatte es genauso stark zwischen ihnen geknistert wie auf dem Ball.
War er deswegen so wütend auf sie? Chantal konnte es sich nicht erklären. An jenem Abend hatte sie seinen Zorn auf die Tatsache zurückgeführt, dass sie erschienen war, ohne eingeladen worden zu sein.
Und dann hatte er sie Isabelle genannt und ihr eine Eintrittskarte gezeigt, offenbar in der Annahme, es wäre ihre gewesen. Das Verrückte war, dass sie diese Isabelle nur flüchtig kannte.
Nun bereute sie natürlich, sich mit der Karte einer anderen Person Zutritt zu dem Ball verschafft zu haben. Während sie sich umblickte, fragte sie sich, ob sie damit gegen das Gesetz verstoßen hatte und womöglich verhaftet werden konnte, auch wenn sie nur für kurze Zeit die Identität einer anderen Frau angenommen hatte, um herauszufinden, ob sie inzwischen selbstsicher genug war, um sich unter die High Society zu mischen und sich nicht minderwertig zu fühlen.
Befangen und nervös zugleich stand Chantal da und überlegte, wie sie sich jetzt verhalten sollte.
Während der Fahrt zum Hotel hatte Angelos kein Wort mit ihr gewechselt und sie dann nur eisig aufgefordert auszusteigen. Da sie nach ihrer Ankunft in Paris einige Wochen dort gearbeitet hatte, war sie ihm mit gesenktem Kopf in den Lift gefolgt, in der Hoffnung, dass keiner der Angestellten sie erkannte.
Sie versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, welche Sehnsucht er mit seinem Kuss in ihr geweckt hatte. „Na gut, jetzt bin ich hier. Was wollen Sie mir sagen?“, wandte sie sich an ihn, sobald die Türen des Fahrstuhls sich geschlossen hatten. Dass er so angespannt und mit dem Rücken zu ihr dastand, beunruhigte sie. „Vielleicht sollte ich einfach gehen …“
Daraufhin drehte er sich zu ihr um. Seine Züge waren hart. „Dann hole ich Sie zurück.“
Obwohl seine Stimme verletzend geklungen hatte, spürte Chantal, wie zwiegespalten er war. Er hatte sie geküsst, schien es jedoch zu bereuen.
„Lassen Sie uns eins von Anfang an klarstellen“, sagte sie leise, „ich werde nicht mit Ihnen schlafen. Wenn Sie das wollen, können Sie mich also gleich gehen lassen.“
Angelos antwortete nicht, sondern kniff nur leicht die Augen zusammen.
Da sein Schweigen sie nervös machte, versuchte sie es noch einmal. „Sicher würde jede andere Frau, der Sie begegnen, sofort … Ich meine, Sie sehen gut aus, aber …“ Verlegen verstummte sie.
Es dauerte eine ganze Weile, bis er endlich etwas sagte. „Sehe ich etwa so aus, als würde ich eine Frau auf der Straße aufgabeln, wenn ich Sex will?“
So etwas sah man einem Mann nicht an. Allerdings behielt sie es lieber für sich. „Ich habe keine Ahnung, was für ein Mensch Sie sind, und ich will es auch nicht herausfinden.“
„Wirklich?“ Spöttisch zog Angelos eine Braue hoch. „Das soll ich Ihnen nach Ihrem gelungenen Auftritt auf dem Ball glauben?“
Sofort musste Chantal an den Tango denken, den sie zusammen getanzt hatten, und ihr Herzschlag verdoppelte sich. „Es war nur ein Tanz …“ Sie verstummte, als sie seinem Blick begegnete.
Und plötzlich spürte sie wieder die starke Anziehungskraft, die von Anfang an zwischen ihnen geherrscht hatte.
Der gefährliche Ausdruck, der in seinen Augen aufflackerte, bewies ihr, dass seine Gedanken in dieselbe Richtung gingen. Der intime Körperkontakt, als sie sich auf der Tanzfläche aneinandergeschmiegt hatten, das sinnliche Erschauen, die unterdrückte Leidenschaft und die Sehnsucht nach mehr …
Sie sahen sich so lange an, bis es vor Spannung knisterte.
Diesmal brach Angelos das Schweigen. „Locken Sie alle Männer so in die Falle?“, erkundigte er sich trügerisch sanft. „Tanzen Sie zuerst mit ihnen, damit sie erst probieren können, bevor sie Sie kaufen?“
Sein Zynismus stand in krassem Widerspruch zu der Sanftheit, die sie im Gedächtnis behalten hatte. „Man kann mich nicht kaufen, Mr. Zouvelekis.“
„Die Leute, die Sie auf der Tanzfläche gesehen haben, hatten bestimmt einen anderen Eindruck.“
Dabei hatte sie erstaunlicherweise nur ihn wahrgenommen, sich völlig dem Rhythmus der Musik und Angelos Bewegungen hingegeben und alles andere um sich her vergessen. Für ihn schien es dagegen nichts Besonderes gewesen zu sein, sondern nur so etwas wie ein Vorspiel zum Sex.