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Dieses Buch ist eine Zusammenfassung aller Projektideen, Gedanken und Texte des Literaturprojektes "Der Literathon" und der Lauf-, Schreib- und Kreativwerksta(d)tt "PoliS" in den Jahren 2018 bis 2020. Sie enthält ausgewählte Teezimmer-Gespräche zu philosophischen, literarischen und sportlichen Themen. Daneben gibt es Laufprojekte, Bilder und Urkundenideen sowie Schreibhilfen, die nach dem Prinzip des "Laufens mit Mehrwert" agieren und durch die der Leser sich auf eine Entdeckungslaufreise begeben und das Buch dafür als Vorlage verwenden kann. Es gilt das Prinzip des doppelten Angebots darzustellen und wechselseitige Plausibilitäten zu ermöglichen. Das Weltliche kann auch für das Christliche beeindrucken lassen und umgekehrt, ohne dass man jemand zu einer Überzeugung zwingt. Gleichzeitig ist das Projekt auch Ausdruck der Forschungsfreiheit und agiert wie ein digitales Forschungsinstitut, in dem jeder Besucher ein Dozent und Forscher sein kann.
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Seitenzahl: 276
Veröffentlichungsjahr: 2020
Auf Entdeckungslaufreise
Ausgewählte Themen, Teezimmer und Texte
Auf Entdeckungsreise I
Hannes Kerfack
© 2020 Hannes Kerfack
Autor: Hannes Kerfack und s. Literaturverzeichnis
Bilder: Hannes Kerfack und s. Bildunterschriften
Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359
Hamburg
ISBN: 978-3-347-08546-6 (Paperback)
ISBN: 978-3-347-08547-3 (Hardcover)
ISBN: 978-3-347-08548-0 (e-Book)
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Indem wir Lebenserfahrungen für Andere aufschreiben, wird die Erinnerung nach dem Leben eines Menschen immer bleiben. Die inneren Gedanken bleiben unsterblich.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Themen
1. Forschungsprojekt zur „Liebe“ zu (heiligen) Gegenständen als Teil der Objekt-Theologie
2. Die Grundkonzepte des Literathons und der Schreib- und Kreativwerksta(d)tt „PoliS“
3. Kunstprojekte
Teezimmer
1. Eine starke Persönlichkeit sein oder werden? - Wie geht das?
2. Du, der Läufer-Gott? Laufen zwischen Transzendenz und Immanenz, göttlicher und wirklicher Welt
3. Die relative Best(kilometerzahl)zeit 65
4. Lied-Meditation: „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ und der gewachsene LebensLauf
5. Predigten im Katastrophenfilm. Hoffnung angesichts einer ausweglosen Situation
6. Die Partei hat immer Recht? Religiöse Sprache in kommunistisch-sozialistischen Liedern
7. Läufer-Sein, Vegetarier-Sein, Vorbild-Sein. Spielarten des Seins zwischen Welt und Über-Welt
8. Buntes Teezimmer. Drei (übrig gebliebene) verschiedene Themen in jeweils 5 Minuten
9. Sich wie eine Tablette im Wasser auflösen? Vom Sinn (und Unsinn) der Feuer- und Seebestattungen
10. In Computerspielen fiktive (andere) Geschichte schreiben. Die Gestalten Georgios Volgin und Luca Flavius im Portrait
11. Alles Wololo und Ayoyou? Die Vielfalt der Religionsdefinitionen und ihr (Irr-) Sinn
12. Auferstanden aus Ruinen. Positive und negative Aspekte der DDR-Gesellschaft oder: War nicht alles schlecht?
13. Okkulte Philosophie
14. Akt und Sein bei Dietrich Bonhoeffer
15. Sterbehilfe. Eine Grundsatzentscheidung des PoliS-Parlaments auf dem Literathon
16. Die Hindenburg-Katastrophe von 1937
17. Ordination und Nicht-Ordination
18. Distanz und Nähe in sozialen Echokammern. Grenzen und Möglichkeiten des Literathons
19. Psycho-Tricks. Wie das Theologiestudium und andere Geisteswissenschaften durch „persönliche Angriffe“ den Geist schulen
20. Wissenschaft und Transparenz oder: Warum kann man einen Menschen nicht unbedingt mit einem Nymphensittich vergleichen?
21. Religionsunterricht. Was ist das und warum? 118
22. Umsatz contra Unternehmensethik? 122
Texte
1. Literarische Planwirtschaft - Chancen und Grenzen
2. Der Aufstieg des Augustus - Das „Ende“ der Römischen Republik
3. Lichtnahrung und Veganismus. Ein Problem der hinkenden, legitimierenden Argumentationsstruktur zwischen eigenem Ideal und gegenwärtiger Realität
4. Ein Traumtagebuch
5. Einmal um den Pluto laufen - Imaginäres Planetenumlaufen
6. Die vegan-lebenden Nymphensittiche und „Super-Sportler“
7. Die Reste-Rezepte und Tipps zum Geldsparen
8. In 80 Tagen (um die Welt) 1000 Kilometer laufen - Eine Verbindung von Literatur und Laufsport
9. Der None-PStop-Tag des Literathons
10. Der Adventskalender-Laufstreak
11. Der Lauf-Los-Topf
12. Eine Methode zu Erstellung von Trainingsplänen und Urkunden
13. Der Judas-Brief - Die Ambivalenz des Zweifel und Glaubens
14. Suizid-Gedanken - Thema der Krisen- und Notfallseelsorge
15. Abstand gewinnen - Eine Kernkompetenz theologischer und medizinischer Berufe
16. Die Macht der Imagination und Fiktion - Eine Chance der Seelsorge
17. Das Ende als neuer Anfang - Die Tempelzerstörungen in Jerusalem
18. Die entscheidende Szene aus „Quo vadis Graecus?“
19. Ein paar Schreibhilfen
20. Eine kurze Buchbesprechung zu „Pax Apocalypsis“
21. Die nostalgische Differenz - Ideal und Wirklichkeit
22. Macht und Ohnmacht - Ein ambivalentes und aufeinander aufbauendes Verhältnis
23. Chancen der universellen Liebe
24. Versuche mit der vegetarischen Ernährung
25. Den Sommer in das eigene Zimmer im Winter holen
26. Das eigene und fremde Zentrum
27. Selbstkrisenmanagement und Tipps zum wissenschaftlichen Arbeiten
28. Das Prinzip der didaktischen Gleichheit - Ein pädagogisches Konzept
29. Eine Sache des Vertrauens - Die Vertrauenskultur in Deutschland
30. Ungewöhnliche Schreibmotivationen - Schreiben und Laufen
31. Dialog in Fiktion - Ein Gespräch über Computerspielethik
32. Die Optimum-Gesellschaft - Grenzen und Freiheiten
33. Auf-Der-Stelle-Laufen gegen die C-Risis - Eine Idee, die in schweren Zeiten Mut macht
34. Weck die Leidenschaft (in Maßen) für Alles - Die Unternehmensphilosophie des Literathons
35. Epilepsie und Panikattacken? - Meine Erfahrungen damit und mögliche Lauflösungen
36. Der Montagsstress - Mit einem Blick auf meinen Tagesablauf
37. Schreibidee: Die Konter-Karten
38. LITERA-Nachrichtensendung
Nachwort
Literaturverzeichnis
Vorwort
Ich liebe mein Leben und Gott und alle seine Engel, in allen Formen, die er mir schickte, wenn ich nicht an ihn glaubte oder er mir verborgen war, auf der Suche nach einem Gott, der mich liebt und so nimmt, wie ich bin. Jedenfalls glaube ich daran und gibt mir unheimlich viel Kraft und Gewissheit. Ich erwarte nicht, dass auch andere daran glauben.
Und wenn ich über frühere Texte und Arbeiten von mir reflektiere, die ich in meiner Leidenschaft schrieb, dann habe ich manchmal das Gefühl, ich denke über ein anderes Ich nach. Später entdeckte ich meine Gefühle und meine Leidenschaft zum Laufsport wieder, indem ich mich Gott in allen seinen Facetten öffnete.
Viel wichtiger ist, dass die Leidenschaften mit der Kritik zusammen gedacht werden, und dass es auch so aufgeschrieben wird, dass es andere verstehen können. Das ist auch in der Religionspädagogik eine weit verbreitete Lesart (Kunstmann, Religionspädagogik)1 und das Bildung immer auch für Andere und kein Selbstzweck ist. Oft ist es notwendig, seine eigene Leidenschaft zurückzustellen, weil ein Anderer andere Leidenschaften und Gefühle hat, um ihnen zuzuhören und sie sich nicht zu versperren.
Denn zu viel Leidenschaft kann zu Verlegenheit führen, weil ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll. Manchmal vergisst man das im Unterbewusstsein. Aber darum geht es: Das, was ich weiß und mit meinem, wahrscheinlich einzigen, irdischen Leben weitergeben kann, auch Anderen geben. Dieses Buch ist ein Kreativ- und Sachbuch gleichzeitig. Es enthält Texte, die auf Grundlage des Konzeptes „Laufen mit Mehrwert“ entstanden sind. Grundzug dieses Konzeptes ist es, an einen bestimmten Ort zu flanieren, zu laufen, zu wandern oder zu gehen, um dann auf dem Weg oder während eines Besinnungshaltes seine Gedanken in einem Notizbuch niederzuschreiben, um sie dann Zuhause weiter zu entwickeln und möglicherweise zu einem Buch zu entwerfen. Dieses Buch kann daher auch für sich weitergeschrieben werden. Es enthält neben den Texten und Aufsätzen, Fragen und Anregungen, die auf einzelnen, weißen Seiten der Offenheit für sich (auf dem Weg) weitergeschrieben werden können. Es sind ausgewählte Texte. Ich habe nicht alle Texte und Projekte aufgenommen. Wahrscheinlich werden auch noch mehr Texte und Werke entstehen, die ich dann in die Reihe „Auf Entdeckungsreise“ aufnehme, auch von anderen Autoren. Das sind Lebenserfahrungen, die niedergeschrieben werden können, damit sie für immer leben können.
Neben Lebenserfahrungen gab es auch Sterbeerfahrungen. Im Mai und September 2016 starben mein Taufpate, der denselben Namen wie ich trug, und meine Oma. Und plötzlich trat nach den Worten „Hannes, dein Taufpate ist tot.“ oder „Oma ist tot.“ etwas los, was ich in dieser Form noch nicht kannte, auch nicht in dieser Menge und Dichte, dass plötzlich ein Begleiter im christlichen Leben gehen muss und ein Familienmitglied, die ich vor kurzem noch sprach oder im Krankenhaus besuchte. Sie waren noch da und jetzt nicht mehr. Warum? Du weißt als Theologe doch darüber Bescheid? Nein, bis dato noch nicht wirklich. Oder ich hatte keine Stellung dazu genommen, aus Angst oder auch dem Willen zur jugendlichen Unsterblichkeit.
Diese Erfahrungen greifen die Aufsätze zum praktischtheologischen Ernstfall auf. Zwar kenne ich die Trauerphasen, die ein Mensch durchläuft. Aber die Fähigkeit darüber, wissenschaftlich zu reflektieren, verhindert nicht, dass ich die Phasen selbst durchlaufe, mit allen Schmerzen und Tränen und den Gedanken, wie kostbar die begrenzte Lebenszeit doch ist. Ich glaube, an dieser Stelle brach eine neue Zeit an, sich mehr Zeit für die anderen „Leben“ zu nehmen und aus der eigenen Welt auszubrechen, aber sie dennoch nicht zu vergessen, wofür ich lebe und was ich so sehr genieße - Meditation, Stille und Schreiben. Doch das kann ich auch anderen weitergeben, damit sie mir vielleicht „Danke“ sagen können.
Ich schreibe meistens mit wenigen Vorbereitungen, aber aus vollem Herzen heraus, sodass der wissenschaftliche Anspruch in den Hintergrund tritt, aber ich liebe die Leidenschaft zum theologischen Gegenstand (ein Grundzug der Objekt-Theologie) und meinen Mut, mich mit schwierigen Themen auseinanderzusetzen.
Ich bedanke mich auch beim Tredition-Verlag und seiner Betreuung, dass die Anmerkungen zu den eingereichten Manuskripten immer kritisch und konstruktiv und daher nachvollziehbar waren und sie auch dafür gesorgt haben, dass ich nicht nur die einzelnen Anmerkungen durchging, sondern auch das gesamte Buch nochmal und nochmal überarbeiten konnte und die Anmerkungen für mich weiter und nachhaltig, auch für weitere Buchprojekte und mein Schriftsteller-Dasein, entwickeln konnte.
Hannes Kerfack, Sassnitz im Juni 2020
1 Ich verwende in diesem Buch auch viel Literatur von anderen Autoren, die ich weiter denke und entwickel. Im Literaturverzeichnis wird darüber Aufschluss gegeben. Kunstmann, Religionspädagogik, 1.
Themen
1. Forschungsprojekt zur „Liebe"2 zu (heiligen) Gegenständen als Teil der Objekt-Theologie
Grundlegende Gedanken
Während die Vorgedanken in mein theologisches Denken vom Gegenstand einführen, behandeln die folgenden, ausgewählten Aufsätze mehr praktisch-theologische und philosophische Themen in alle Richtungen, die nur gedacht werden können. Sie können auch noch weitergedacht werden: Wo gibt es noch solche Formen und Objekte der „Liebe“ beziehungsweise Zuneigung? Aufsätze und Ideen können gerne ergänzt werden. Z.B. gibt es in der religionswissenschaftlichen Diskussion noch die Frage nach dem „Masken-Fetisch“ im subsaharischen Afrika bei einigen indigenen Völkern. Daraus kann man noch weitere Gedanken entwickeln. Ich kann an dieser Stelle nur Gott danken und allen Menschen (es sind so viele), die mir in meinem Leben begegnen, dass sie mir ihr Herz öffneten, ich mit ihnen sprechen konnte, und für die (unentdeckten) Talente und Ideen, sowie die sprudelnden Gedanken und meine eigene Offenheit.
„Habe den Mut, ein Zeitzeuge deiner Zeit zu sein", schrieb ich einmal in einer Predigt im homiletischen3 Seminar. Ich bin kein hervorragender Theologe und manchmal zu leidenschaftlich bei der Sache, was nicht in die Vorlesung gehört, bin aber der Meinung, dass sich alle Theologen und damit auch Nicht-Theologen nicht hinter großen Persönlichkeiten verstecken müssen und sie sich als Vorbild nehmen können. Es ist unsere Lebenszeit, dessen Zeuge wir sein können, wenn wir nur ein Erdenleben wahrscheinlich haben, um die von Gott geschenkte Zeit zu erfüllen und nicht nur mit der Zeit der vergangenen und zukünftigen Persönlichkeiten. Auch wenn wir von diesen lernen, durch ihre Bücher, ihre Reden, was andere über sie berichtet haben, sind sie eine Bereicherung.
Keine Angst vor Minderwertigkeit und dem Sich-Klein-Machen oder Klein-Machen-Lassen durch Andere. Ich schreibe hier auch völlig aus meiner theologischen Leidenschaft heraus und versuche die Wissenschaft so gut wie möglich, wie mit kritischen Fußnoten, mitschwingen zu lassen. Das „Selbstverständliche ist das Erstaunliche."4 schrieb Klaus-Peter Hertzsch in seiner Überschrift von seinem Buch, wo Predigten und Meditationen von ihm gesammelt sind. Gerade im Einfachen, Naiven und Leichtgläubigen scheint sich eine enorme, theologische Kraft zu befinden.
Auch im Objekt, also auch wenn ich ein Buch lese, gibt es mir bedingungslos etwas, wenn ich es verstehen kann, wenn es mir zusagt, wenn ich Lust bekomme, es komplett durchzulesen. Ich schlage es auf und verschlinge es. Es will es ja auch. Bildung ist toll und eine Bereicherung des Lebens (Liebe zur Bildung) oder auch Liebe zum Leben und seinen schönen Möglichkeiten, auch als Projektionsfläche. Sowie hier in diesem Band, die Zeit, das Leben und die Bildung zu nutzen, für andere und mich zu schreiben. Dass ein Objekt daher ein lebloser Gegenstand ist, wage ich zu bezweifeln, wenn andere Menschen in ihren Büchern Gefühle niederschreiben und von sich selbst etwas Anderen geben, etwas er-zeugen, durch die Projektionsfläche eines Buches, für Andere. Das ist ja auch eine Aufgabe dieses Kreativbuches.
Dann kann ein Buch schon eine von Menschen geschaffene Seele haben, die Anderen und mir gut tun kann. Wobei es dabei weniger um ein Lebewesen aus Fleisch und Blut geht, das sich selbstständig weiterentwickeln, ernähren und fortpflanzen kann. Es pflanzt und ernährt sich durch den Bezug auf den Anderen weiter, der für das Objekt „Gefühle“ entwickelt und durch sich dann (als Wechselbeziehung) das weitergeben kann, was er im Buch über seine Gefühle niedergeschrieben hat.
Das Objekt, das Ich und der Andere sind eng miteinander als „Liebesbeziehung“ verbunden. Das Fleisch sind höchstens die blutigen, leidenschaftlichen Worte, aus denen ein Buch besteht, die aber wieder eine Projektionsfläche meiner „Liebe“ sind!
Im Nachhinein stellte man nach dem Attentat in Berlin 2016 fest, dass ein Bordcomputer, eine von Menschen installierte „Auto-Seele“ (Autos werden in Zukunft immer schlauer werden), Schlimmeres verhindert hat. Ein Gegenstand hat also immer etwas Menschliches durch den Menschen selbst, wobei wieder schwierig wird, wenn es sich bei dem vermeintlichen Gegenstand (also auch Tiere und sogar Pflanzen! - abgestuftes Lebewesen-Sein? Wie intelligent ist eine Pflanze oder ein Tier?) wirklich um ein Lebewesen handelt, das die Biokriterien wirklich erfüllt und selbständig leben und sich weiterentwickeln kann. Aber Menschen vermenschlichen auch Tiere, mal so mal so, aufgrund ihrer Gefühle zu diesen. Andererseits werden Tiere auch als „Objekte“ behandelt, denken wir an die Erfahrungen mit Tierzucht und co.
Es ist interessant, wie Menschen im vermeintlichen, toten „Gegenstand“ Selbstidentität stiften. Frei zu argumentieren und zu improvisieren kann eine enorme theologische Sprengkraft, besonders das Leichtgläubige, auslösen, aber es muss auch kritisch betrachtet werden. Leidenschaft und Kritik müssen zusammen gedacht werden. Ich war als Kind auch ein begeisterter RMS Titanic-Fan und ich wusste so gut wie alles darüber und gerade in dieses Schiff wurde auch Gottesebenbildlichkeit hinein projiziert, mit fatalen Folgen: Ein unverfügbarer Eisberg und Schaden am Rumpf (die schicksalhafte „6. Abteilung“. Bei 5 vollgelaufenen Abteilungen hätte sich das Schiff noch über Wasser halten können!), machte den Traum der Meere in dieser Zeit ein Ende. Aber Leidenschaft muss nicht von jedem geteilt werden. Als ich einmal im Gespräch mit einem Pastor war, der mich mit seiner theologischen Leidenschaft „zu textete“, kam das nicht bei mir an. Ich konnte ihm irgendwann nicht mehr zuhören. Das heißt: Man muss sich gegenseitig auch zuhören und gegebenenfalls seine Leidenschaft zugunsten eines gelingenden Gesprächs mit dem Anderen zurückstellen. Mutig war, dass ich dem Pastor das sogar sagte und er mit Verlegenheit darauf reagierte, welch schlaue Antwort ich wohl gab. Andererseits ist ein Feedback immer auch etwas „von oben herab“, sodass immer die Empathie im Blick bleiben muss und das Priestertum aller Gläubigen. Den Ehrenamtlichen eine „Chance“ geben, sich zu entfalten, mal eine Predigt halten usw. Das entlastet den Pastor ja auch, aber das muss gleichzeitig der verantwortlichen Kommunikation gegenüber einem Hörerkreis unterliegen. Das setzt eine gewisse Ausbildung, auch nur eine kurzzeitige oder „ein kurzer Blick“ auf das Manuskript voraus. Der alttestamentliche Aufsatz greift die Ambivalenz der Objektliebe auf. Die Auslegung der Geschichte vom goldenen Kalb zeigt das Spannungsfeld. Einerseits macht sich das Volk Israel seinen Gott in Form eines goldenen Kalbes aus den Ringen aus Ägypten, weil sie keinen Gott sehen, ihn nicht anfassen können. Das kann zermürbend sein. Also: Was ich mir nicht vorstellen kann, daran kann ich auch nicht glauben. Also mache ich mir etwas, woran ich glaube. Gott schickt Mose die zwölf Tafeln, um doch etwas in die Hand geben zu können, was man anfassen und lesen kann, sodass das goldene Kalb nicht anstelle Gottes verehrt wird. Neutestamentlich wäre die Frage nach dem Verhältnis von Sub- und Objekt im Kreuz und Sakrament Christi interessant. Also: Wie viel göttliches und wie viel menschliches Werk ist im Kreuz und daher auch im Abendmahl? Ist die Hostie ein menschliches Werk? Ja oder nein? Systematisch spielt die Tierethik und das Verhältnis zum vermeintlichen Objekt eine große Rolle. Wie viel Subjekt ist im Tier? Im praktischtheologischen Teil habe ich schriftliche Ergebnisse von Collagen aufgenommen. An eine umfassende, empirische Studie mit Fragebögen und Interviews habe ich mich nicht getraut. Denn ich glaube kaum, dass viele, die meinen nichtreligiös zu sein, dass sie zugeben wollen, dass sie doch „religiöser“ sind als sie selbst glauben. Religion ist seit spätestens der Aufklärung eine Privatsache geworden und die Kirche verliert oder gewinnt in anderer Gestalt an neuer Bedeutung. Objektliebe ist ein faszinierendes Thema, aber zugleich auch ein riskantes Thema, weil die Unterscheidungen zwischen Hetero- , Homu-, Bisexualität und so weiter immer noch weit verbreitet sind und durch die Behauptung, dass der Mensch alles lieben kann, in Grund und Boden gedrückt werden. Aber trotzdem gibt niemand zu, dass er seine Tasche, seine Schuhe (bei den Frauen) gerne mal vergöttert und ein Vermögen an Geld für sie ausgibt, teilweise egoistisch und „selbst ergötzend“. Daher ergibt sich die These: Die Menschen und Christen sind „objektliebender“ als sie es selbst zugeben würden, weil sich die Gefühle auf eine andere Art entladen (auch im möglichen, negativen Sinn), wo sie enthalten werden müssen. Das ist aber auch etwas Menschliches und total Wunderschönes: Gefühle zu haben. Gefühle zuzulassen, lassen Dämme brechen. Der Körper wehrt sich dagegen, weil er es einfach will und es tut weh, wenn Gefühle unterdrückt werden. So sind wir geschaffen von Gott mit Gefühlen, die auch widergöttlich missbraucht werden können. Sind die Gefühle ein menschliches oder göttliches Werk? Denken wir an den Sündenfall, so ist es etwas Menschliches, sich verführen zu lassen - menschliches Versagen oder göttliches Versagen? Der Baum war ja da, als geschaffenes Objekt Gottes. Oder ein gelingendes Scheitern für mehr Liebe auf der Erde? Es sind so viele Spannungsfelder und Fragen und ich kann sie in diesem Sammelband nur exemplarisch ausführen. Und ich finde, dass es eine Chance für mehr Liebe auf der Welt ist, für alle Menschen, wenn der Mensch erkennt, dass er alles lieben kann, solange es keine schädliche Liebe ist (Liebe zu Waffen und co.), wo wir wieder die Ambivalenz der Objekt-Theologie sehen, um den anderen Menschen ihre Gefühlswelt und Leben zu lassen. Erinnern wir uns an die Attentate von Nizza und Berlin im Dezember 2016, wo die physikalische Wucht der Geschwindigkeit eines Autos missbraucht wurde, um andere Menschen zu töten und schwer zu verletzen, als Mittel des Attentates. Vielleicht drückt das auch Zweideutigkeit aus. Religion und ObjektTheologie können missbraucht oder gebraucht werden. Es ist eine Frage der Deutung und der Interpretation. Diese sprechen ganz deutlich im Sinne der engemannschen Auredits5, was ich in die indirekten Sätze hinein interpretieren soll. In diesem Sinne kann ich nur sagen: Stehe zu deinen Gefühlen und was du magst. Es muss dir nicht peinlich sein. Es ist etwas Wunderschönes und Menschliches zugleich, was eine enorme Energie im Alltag und Beruf entfalten kann, wenn wir uns der Liebe Gottes in all seinen Facetten und seinen Engeln öffnen. Sich von Gott streicheln lassen, wenn das Göttliche in einem erkannt wird und in anderen, dann entfliehen wir der Demut hinein in die Freiheit des Lebens. Das hat wenig mit Selbstbezogenheit zu tun, denn das Doppelgebot der Liebe sagt: „Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst.“ Also: Wenn ich mich lieben kann, kann ich meine Liebe auch dem Anderen weitergeben, ohne vollkommen auf mich bezogen zu sein. Ich bin kein Narzisst dadurch, indem ich mich selbst gerne habe, ohne zu vergessen, dass es auch andere Menschen auf der Welt gibt.
Praktisch-theologische Collage
Das erste Fragment gehört zur Geschichte von Fabian, der Goldschmied, wo das Geldsystem kritisiert wird. Ich glaube, dass Geldgier auch eine Form der Objektliebe ist, von der ich mich abhängig machen kann, weil Glücksgefühle ausgelöst werden. Immer mehr haben wollen, hat etwas mit einer pathologischen Sucht (Sammelsucht) zu tun. Der Zins steuert zu dieser Sammlung ja immer mehr dazu. Der Film kritisiert die Funktion des Zinses-Zins und zeigt die Grenzen des Geldsystems auf, das Schulden dadurch in das Unermessliche steigen und die Hauptschuld nicht abgetragen werden kann. Folgen sind Armut, Kriege und soziale Ungleichheit, dessen Faktoren sich alle wechselseitig bedingen. Der Film führt dazu Beispiele an.6
Ein weiteres Beispiel für Objektliebe ist die Liebe zu Büchern. Sie verbindet mehrere Dinge. Erstens kann Objektliebe auch eine pathologische Sammelsucht bezeichnen. Denken wir an die „bibliophilen“ Autoren wie Goethe und Schiller, die dutzende Bücher in ihrem Leben angesammelt und geschrieben haben. Sie leben in ihren Büchern weiter. So ist die Frage, ob ein toter Gegenstand sich nicht „fortpflanzen“ kann, etwas hinfällig und relativ zu betrachten. Das Buch ist mein Freund (amicus inter amicos), auch wenn es ein relativ lebloser Gegenstand ist, so ist er doch lebendig durch das, was wir in die Bücher hineinschreiben. „Etwas von der Seele schreiben“ ist ein gutes Stichwort dafür, wie man es auch in Tagebüchern schreibt. Bücher werden durch die Namensschilder personifiziert. Ich identifiziere mich damit, indem ich meinen persönlichen Stempel dahinein setze (z.B. Exlibris).
Die „Liebe zum Laufen“, die ich in Läufer-Foren einmal gefunden habe, ist wahrscheinlich nicht nur eine Metapher, sondern eine Tatsache. Ich kenne das Gefühl nach dem Laufen, dass ich glücklich und ausgeglichen werde. Und es gibt Beispiele, dass Paare nach dem Laufen mehr Lust auf Sex haben, sodass da ein enger Zusammenhang mit den Glücksgefühlen liegt. Und wenn das Laufen ein sportlicher Gegenstand, ein sportliches Thema ist, dann ist es auch eine Hinwendung zu einem Gegenstand, der auch Gefühle bieten kann.
Die Schiffstaufe ist ein zivil-religiöses Fest. Das heißt: Es ist nicht explizit kirchlich orientiert, nimmt aber andererseits religiöse und liturgische Elemente auf. Fraglich ist, wenn wir Gegenständen so nahe stehen, also Schiffen z.B. durch die Namenstaufe Namen geben, ist es dann noch gerechtfertigt, dass es nicht auch andere alternative Kasualien und Formen der „Liebe“ geben könnte? Das Problem ist, denke ich, die Anerkennung. Während die Schiffstaufe in der Welt mit unterschiedlichen Formen weit verbreitet ist, so werden beim Thema „Liebe“ die Grenzen stärker. Der Ablauf hat interessante Parallelen zur christlichen Taufe. Es gibt einen Taufpaten (eine Frau), eine Kasualrede und den Sektschlag, mit dem das Schiff seine Namensidentität und einen Reisesegen erhält. Überall wo das Schiff hinfährt, soll es von Gott gesegnet sein. In diesem Sinne ist es nicht nur ein zivil-religiöser Akt, sondern eine religionshybride Erscheinung, in dem sowohl weltliche als auch religiöse Dinge miteinander verschmelzen und neu gedeutet werden.
Ein weiteres Beispiel: Da die Single-Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten immer größer werden, mehr Priorität auf die Karriere gelegt wird, kann die Arbeit auch zu einer Ersatz-Liebe werden. Ob die Arbeit als Gegenstand bezeichnet werden kann, ist eine Deutungsfrage. Aber wenn in der Theologie die Arbeitsgebiete vom Alten Testament, Neuen Testament usw., als Gegenstand des Studiums bezeichnet werden, dann kann das als Zuwendung zu einem Gegenstand verstanden werden. Da spielen auch geringe Selbstwertgefühle eine Rolle, die mit mehr Arbeit kompensiert werden möchten. Sie werden auch „Work-Alholics“ genannt, die freiwillig oder unfreiwillig (z.B. durch ständige Erreichbarkeit) mehr Arbeit verrichten. Kritisch ist daran die Burnout-Gefahr zu sehen, wenn das Gefühl für die Arbeit verschwindet, aber andererseits kann ich Anderen mit meiner Arbeit auch etwas von mir geben. Zwischen diesem Spannungsfeld stehen wir, denke ich.
Ich habe das Beispiel aus einer Vorlesung zur Kirchenkybernetik vergessen, wo der Professor uns einen Katholischen Gottesdienstablauf zeigte und der Priester das Buch des Evangeliums küsste, Liebe zum Evangelium und zu Gott über das Medium eines Buches. Es war aber eine Videoaufnahme. Wobei es sich dabei wahrscheinlich um eine symbolische und weniger leidenschaftliche Funktion handelt, das der Gottesdienst dem Evangelium und der Heiligen Schrift gewidmet ist.
Dann gibt es das „Bild“ eines Priesters bei der Betrachtung einer Hostie vor der Transsubstantiation (also Wesensverwandlung des Brotes und Weines zu Christus), die kein menschliches Werk ist, sondern ein durch Konsekration erzeugter (Weihung) göttlicher Gegenstand. Ich denke, dass die Liebe Gottes als geistliche Stärkung durch das Abendmahl da auch eine Rolle spielt. Im evangelischen Glauben tritt der Weihzustand hinter die Realpräsenz unter der gesamten Gemeinde („Christentum aller Gläubigen, aller Getauften“) zurück. Der Pastor ist in diesem Sinne ein Gemeindemitglied wie jeder andere. Er hat keine höhere Weihstellung vor der Gemeinde mehr. Keine Unterscheidung zwischen Klerus und Laien. Er ist nur durch die Ordination dazu befugt, die Sakramente ordnungsgemäß zu verwalten, wobei das Sakrament des Abendmahls jeder gläubige Christ im evangelischen Glauben u.a. spenden kann. Es besteht aber eine klare Unterscheidung zwischen dem Beruf, dem Amt, genauer gesagt, die Profession und dem Ideal. Bei der Elevation frage ich mich, also dem Hochhalten, dem Präsentieren des Kelches vor der Gemeinde und dem Altar: Sprechen wir zum Altar nicht auch über einen Gegenstand zu Gott? Im Altar und im Kelch ist das Göttliche. Es sind zwar von Menschen gemachte Objekte, aber das Göttliche wird da auch hinein projiziert. Es handelt sich an dieser Stelle wohl mehr um eine symbolische Objektliebe, genauso wie beim Buchkuss. Das bedeutet nicht, dass eine Liebe zum Abendmahl und zum Buch nicht auch Gefühle freisetzen kann. Abendmahl und Heil haben immer etwas haptisches und geschmackliches, um selbst Heil wirken zu lassen oder das diejenige Person, die das Abendmahl empfängt, ein „plausibles“ Heil erhalten hat.
Das ist wohl die größte Objektliebe der letzten Jahre geworden. In Windeseile verbreitete sich die „Digiphilie“ im Sinne des großen Erfolges des Smartphones. Der Smiley auf dem Smartphone zeigt, dass Smartphones Gefühle empfangen können (Emoticons in den Gesprächen) und dem Gesprächspartner daher auch bieten kann. Mir fiel in der Universitätsbibliothek auf, wie viele Studenten mehr Zeit auf Facebook und co. verbringen, seitenweise Texte schrieben und quasi in einer Abhängigkeitssituation waren, die sie von der eigentlichen Arbeit ablenkt. Also: Gefühle machen süchtig, weil sie Anerkennung bei Anderen vermitteln und diese unbedingt zu erlangen (aus Angst vor „Schuld und Strafe“ im privaten Bereich), um vielleicht von etwas anderen abzulenken, was Angst (Stress, Druck, Phobie) macht. Eine Moderatorin in einer Fernsehsendung über Objektliebe erinnert die Zuschauer daran, dass, wenn sie ihr Smartphone streicheln und wischen, dass sie ein bisschen „objektophil“ sind. Das ist aber auch eine Deutungsfrage, weil Objektliebe etwas ausschließliches hat. Ich würde aber Objektliebe nicht als „Krankheit“ bezeichnen, wenn diese Form der Digiphilie schon als „Volkskrankheit“ der Moderne bezeichnet wird.
Auch ein Religionshydrid: Animismus, Ahnenkult und ein Flugzeug. Manche Völker verehren in Melanesien Flugzeuge und Waren aus der westlichen Welt, weil sie nur überirdischem Ursprung sein können, weil die Eingeborenen sie selbst nicht herstellen können. Die fehlenden Waren werden dann immer eingeflogen. Sie werden auch als Boten der verstorbenen Ahnen aus dem Jenseits gedeutet. In diesem Sinne auch eine Hinwendung zu einem Menschen durch ein Objekt, dem Flugzeug.
Die verschriftlichte (objektive!) Predigt ist auch eine Spiegelfläche der Liebe zum Evangelium, zu Gott, zum Nächsten und zu mir Selbst. Denn über die Liebe Gottes, der Bibeltext und die Predigt als Projektionsfläche für die Liebe zur Theologie und Gott kann Anderen Liebe durch Gottes Wirken geschenkt werden. Es gibt in der Predigtlehre auch die Lesart, dass in einer Predigt die eigene, religiöse Bewegtheit weitergegeben werden kann. Ob die nun für den Hörer plausibel ist, ist abhängig von der jeweiligen Situation und dem jeweiligen Individuum (homiletische Situation). Hier sehe ich ganz klar, dass ich mit meinem Wissen und meiner Auslegung, Anderen etwas Gutes geben kann durch meine religiöse Bewegtheit und Gefühl. Auch beinhaltet die Liebe Gottes hier die Liebe in all ihren möglichen Facetten (Universalität und Dynamik der Liebe), wo der Hörer anknüpfen oder nicht anknüpfen kann. Denn Liebe kann auch in Hass und Anti-Liebe umschlagen, wenn sie untereinander fehlt. Gleiches gilt für die Projektionsflächen der Liebe Gottes im Hohelied Salomos und der Paulus Liebe zu Gott im 1. Kor 13.
Alttestamentlicher Zugang: Die Geschichte vom goldenen Kalb (Ex 32)
Textfassung (Zürcher Bibel), Ex 32, 1-11.14-16.19-20
1 Das Volk aber sah, dass Mose lange nicht vom Berg herabkam. Da versammelte sich das Volk um Aaron, und sie sprachen zu ihm: „Auf! Mache uns Götter, die vor uns herziehen! Denn dieser Mose, der Mann, der uns aus dem Land Ägypten heraufgeführt hat - wir wissen nicht, was mit ihm geschehen ist.“ 2 Da sprach Aaron zu ihnen: „Reißt die goldenen Ringe ab, die eure Frauen, eure Söhne und Töchter an den Ohren tragen, und bringt sie mir.“ 3 Da rissen sich alle die goldenen Ringe ab, die sie an ihren Ohren trugen, und brachten sie zu Aaron. 4 Und er nahm es aus ihrer Hand und bearbeitete es mit dem Meißel und machte daraus ein gegossenes Kalb. Da sprachen sie: „Das sind deine Götter, Israel, die dich aus dem Land Ägypten heraufgeführt haben!“ 5 Und Aaron sah es und baute davor einen Altar. Und Aaron rief und sprach: „Morgen ist ein Fest des HERRN.“ 6 Und früh am Morgen opferten sie Brandopfer und brachten Heilopfer dar, und das Volk setzte sich, um zu essen und zu trinken. Dann standen sie auf, um sich zu vergnügen.7 7 Da redete der HERR zu Mose: „Geh, steige hinab. Denn dein Volk, das du aus dem Land Ägypten heraufgeführt hast, hat schändlich gehandelt. 8 Schon sind sie abgewichen von dem Weg, den ich ihnen geboten habe. Sie haben sich ein goldenes Kalb gemacht und sich vor ihm niedergeworfen, ihm geopfert und gesagt: „Das sind deine Götter, Israel, die dich aus dem Land Ägypten heraufgeführt haben.“ 9 Dann sprach der HERR zu Mose: „Ich habe dieses Volk gesehen, und sieh, es ist ein halsstarriges Volk. 10 Und nun lass mich, dass mein Zorn gegen sie entbrenne und ich sie vernichte. Dich aber will ich zu einem großen Volk machen.“ 11 Da besänftigte der Mose den HERRN seinen Gott und sprach: „Warum, HERR, entbrennt dein Zorn gegen dein Volk, das du mit so großer Kraft und mit starker Hand aus dem Ägyptenland herausgeführt hast?“ 14 Da reute es den HERRN, das er seinem Volk Unheil angedroht hatte. 15 Mose aber wandte sich um und stieg hinab vom Berg, mit den zwei Tafeln des Zeugnisses in seiner Hand. 16 Und die Tafeln waren Gottes Werk, und Schrift war Gottes Schrift, eingegraben in die Tafeln. 19 Und als er sich dem Lager näherte, sah er das Kalb und die Reigentänze. Da entbrannte der Zorn des Mose, und er warf die Tafeln hin und zerschmetterte sie unten am Berg. 20 Dann nahm er das Kalb, das sie gemacht haben, und verbrannte es im Feuer und zerstampfte es, bis es Mehl war, und streute es auf das Wasser und ließ die Israeliten trinken.
Kurzkommentar
V. 1 greift wahrscheinlich den Unmut des Volkes Israel auf, nachdem Mose nicht vom Berg Sinai zurückkommt (Ex 24). Es liegen ja auch einige Kapitel dazwischen und es vergeht eine Menge Zeit, bis Jahwe (hebräisch für HERR) Mose die Gesetze auf dem Berg erläutert hat (Ex 24-31, Priester, Salböl, Opferkult, Tempelbau usw.). Dieser Unmut des Volkes führt dazu, dass die Israeliten sich Gott nicht vorstellen können, solange sie nichts Handfestes haben. Oder Warten kann unerträglich sein. Das Fehlende wird auf etwas anderes übertragen: Die Schaffung eines goldenen Kalbes aus goldenen Ringen aus Ägypten (V. 2-3). Gerade Aaron tut es, ein Weggefährte Mose, quasi als Gegenentwurf und -gestalt, als Rivale. V. 5 greift dann das auf: Das goldene Kalb ersetzt Jahwe nur im Sinne Mose, aber nicht im Sinne des Volkes Israel, das das goldene Kalb mit dem Gottes Namen gleichsetzt, obwohl es im Sinne Mose widergöttlich ist. (V. 7f.). Dass dann in V. 6 Opferformen für das goldene Kalb angewendet werden, zeigt einerseits, dass das Volk Israel, die in den vorherigen Kapitel aufgeführten Gesetze kennt, aber sie sie andererseits widergöttlich auf das goldene Kalb anwenden. Interessant ist in objektliebender Sicht, die Betonung des Vergnügens und der Reigentänze (V. 19). Hier wird ein großes Festspiel der Lust gezeichnet und gefeiert, dass der Mensch fähig ist, zu allem ein tiefes Gefühl der „Liebe“ aufzubauen. Wie das nun genau aussieht, ist wohl auch Sache der Intimität, was nicht genau beschrieben wird. Die Bibel lässt oft offene Räume der Interpretation. Ich stelle es mir so vor, wie, als Faust auf dem Hexentanzplatz ist. Gut ist das Lustspiel in den Augen Jahwes nicht, denn sein Zorn entbrennt über das Volk Israel (V. 10). Mose stellt eine „Totschlag-Frage“: Warum dieser Zorn Gottes, obwohl Jahwe das Volk Israel aus dem Land Ägypten befreit hat? (V. 13) Diese Frage führt zur Reue des Herrn im folgenden Vers. Aber gleichzeitig zeichnet sich ein Kompromiss ab. Obwohl Jahwe nicht zornig ist, kann er es nicht zulassen, dass das Volk Israel ihn durch ein goldenes Kalb ersetzt. So schickt er ihnen durch die Hand Mose doch etwas Fassbares, die 10 Gebote, womit sie sich nicht nur selbst lieben können, sondern ihre religiösen Gefühle zu Gott auch dem Nächsten und Gott weitergeben können. „Du sollst deinen Herrn ehren und keine anderen Götter haben neben dir.“ (1. Gebot). Diese Gebotstafeln sind ausdrücklich Gotteswerk und Schrift und kein Menschenwerk wie das goldene Kalb (V. 16). Aber wieder die Frage: Wie viel Gottes Werk steckt im goldenen Kalb? Hier erst mal gar nicht, was zum Tod führt, wenn goldenes Wasser getrunken wird (V. 20). Das Objekt der Gefühle führt zum Tod. Vielleicht darf man sich etwas einbilden, wenn die Gebote gehalten werden? An dieser Stelle führt es aber zur Strafe durch die Sünde Israels, gegen das erste Gebot gehandelt zu haben, wo ich aber zur Verteidigung sagen muss, dass diese Gebote in der Narration jedenfalls noch nicht handfest waren. Und dann bleibt eher das Risiko dafür, sich etwas einzubilden und das etwas ausbleibt. Menschen sind nach dem Sündenfall anders geworden und entwicklungsbedürftig, auch durch Schuld und Strafe.
Religionsgeschichtliche Einordnung und Argumentation
Das goldene Kalb greift die Ambivalenz der Objekt-Theologie als Objekt-Antitheologie genau auf. Hier wird etwas verehrt und von etwas gesprochen, was zu dem Widergöttlichen gehört. Gleichzeitig ist dem Menschen die Fähigkeit zum Einbilden und zur Phantasie gegeben, um die Sehnsucht