Aufwachen! - Robert Salmon - E-Book

Aufwachen! E-Book

Robert Salmon

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Beschreibung

AUFWACHEN möchte vor den Gefahren warnen, die den Erfolg der Schweiz bedrohen, und einen heilsamen Sensibilisierungsprozess fördern. Dieses Buch versteht sich als staatsbürgerliche Verpflichtung. Das Manifest nimmt teilweise Züge eines Pamphlets an. Die Neutralität, die direkte Demokaratie, die Arbeitsauffassung unserer Mitbürger, ihre Innovationsfähigkeit und ihre weise und vorsichtige Verwaltung sind nur einige der vielen Tugenden, die zu dem unbestrittenen Erfolg des aktuellen Modells beigetragen haben. Weniger klar ist, ob sich die Erfolgsrezepte der Vergangenheit auch in dr Zukunft noch endlos fortsetzen lassen können. Die Zeiten ändern sich mit schwindelerregendem Tempo, und die Schweiz wirkt heute wie eine im Ozean der Globalisierung verlorene Insel des Wohlstands, eifersüchtig beäugt und in Stücke gerissen. Dabei hängt die Zukunft des Landes auch von Außenstehenden ab, die unsere Mitbürger gar zu oft zu vergessen scheinen. Robert Salmon, ehem. Vize-Präsident und General Manager der Group L'Oréal, kennt die Schweiz sehr gut. Sesshaft in den Schweizer Alpen, verbringt Salmon die meiste Zeit auf Reisen, hält Vorträge und arbeitet als Autor. Christopher H. Cordey leitet eine Beratungsfirma. Er gründete das Sustainable Luxury Forum, Thinktank von Luxusmarken, NGOs und wissenschaftlichen Institution. Er lehrt an dem International Management in Kiew, an der Bussiness School Lausanne und der Grenoble Graduate School of Buiness.

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Seitenzahl: 93

Veröffentlichungsjahr: 2015

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HEIDI, WACH AUF! HEIDI REVEILLE-TOI!

Originaltitel: Heidi réveille-toi (aus dem Französischen von Corinna Doose)

©2014 by Europa Verlag AG Zürich

Lektorat: Moritz Kienast

Umschlaggestaltung und Satz:Christine Paxmann text • konzept • grafik

Datenkonvertierung eBook: CPI books GmbH, Leck

ISBN 978-3-906272-08-5

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Die Nutzung unserer Werke für Text- und Data-Mining im Sinne von §44b UrhG behalten wir uns explizit vor.

Ansprechpartner für ProduktsicherheitEuropa Verlage GmbHMonika RoleffJohannisplatz 1581667 Mü[email protected]

Robert Salmon &Christopher Cordey

Aufwachen!

Ist die Schweiz in die Falle ihres eigenen Erfolgs getappt?

«Die Schweizer stehen früh auf, aber sie erwachen spät.»

Willi Ritschard, ehemaliger Bundesrat (1973–

VORWORT

«Wenn man weiß, was man weiß, und sieht, was man sieht, darf man wohl das denken, was man denkt.»

SCHWEIZER SPRICHWORT

Heidi, wach auf! möchte vor den Gefahren warnen, die den Erfolg der Schweiz bedrohen, und einen heilsamen Sensibilisierungsprozess fördern. Dieses Buch versteht sich als staatsbürgerliche Verpflichtung. Unser Manifest nimmt bisweilen die Züge eines Pamphlets an. Es schreckt auch nicht davor zurück, angesichts gewisser Einstellungen unserer Mitbürger – teils sind sie zu selbstsicher, teils zu anfällig für nicht immer gerechtfertigten Druck von außen–«mit der Faust auf den Tisch zu schlagen».

Die Neutralität, die direkte Demokratie, die Arbeitsauffassung unserer Mitbürger, ihre Innovationsfähigkeit und ihre weise und vorsichtige Verwaltung sind nur einige der vielen Tugenden, die zu dem unbestrittenen Erfolg des aktuellen Schweizer Modells beigetragen haben.

Weniger klar ist, ob sich die Erfolgsrezepte der Vergangenheit auch in Zukunft noch endlos fortsetzen lassen können. Die Zeiten ändern sich mit schwindelerregendem Tempo, und die Schweiz wirkt heute wie eine im Ozean der Globalisierung verlorene Insel des Wohlstands, eifersüchtig beäugt und in Stücke gerissen. Dabei hängt die Zukunft des Landes auch von Außenstehenden ab, die unsere Mitbürger gar zu oft zu vergessen scheinen. Hiervon zeugen die zunehmend schweren Angriffe auf bestimmte Praktiken, die zum Wohlstand der Schweiz geführt haben, u.a. gewisse steuerliche Vorteile oder das Bankgeheimnis, die lange Zeit akzeptiert und geduldet wurden, nun aber nicht länger erwünscht sind.

Mit dem Finger auf eine kleine Nation in guter Verfassung zu zeigen, ist eine Übung, der sich so manches Land genussvoll hingibt. Dieses Ablenkmanöver der eigenen öffentlichen Aufmerksamkeit bewahrt diese Länder in vielen Fällen davor, sich mit ihren eigentlichen Problemen auseinanderzusetzen. Dabei sollten sie lieber vor der eigenen Türe kehren.

Tatsächlich ist die Europäische Union heute einer beunruhigenden Stagnation und einer gar zu technokratischen Handlungsweise ausgesetzt, und sie enttäuscht die Hoffnungen, die bei ihrer Gründung in sie gesetzt wurden. Das Glas ist halb voll, die Schwierigkeiten lassen es jedoch halb leer erscheinen. Es liegt auf der Hand, dass Brüssel als allzu weit von den Erwartungen der Bevölkerung entfernt empfunden wird.

Heidi, wach auf richtet sich demzufolge an alle sozial, wirtschaftlich und politisch Verantwortlichen, an aktive Bürger, an die aufstrebende Generation und an die Schweiz von morgen. Kurz, an alle, die den Status quo und die Rolle des Prügelknaben ablehnen und sich eine emanzipierte, zukunftsorientierte Schweiz wünschen. Das Ganze ist ein Echo auf die 2013 vom damals amtierenden Bundespräsidenten der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Ueli Maurer, gemachten Äußerungen, dass ihm die Schweiz heute wie David im Kampf gegen Goliath erscheine.

Der Besitzstand währt nicht ewig. Das Schweizer Kollektivgedächtnis hat noch die Erinnerung eines Landes vor Augen, das einst so arm war, dass die Menschen auswanderten und sich den Regimentern im Dienste der Könige von Frankreich oder des Papstes anschlossen.

Es erscheint uns sachdienlich, notwendig und fundiert, VORSICHT, GEFAHR! zu rufen. Eine tief greifende Infragestellung ist erforderlich, da Vorsicht bekanntlich besser als Heilung ist und die Vogel-Strauß-Politik – nicht sehen, nicht handeln – der Zukunft schon bald schaden könnte.

Beispielsweise sollte die durch die direkte Demokratie verursachte Langsamkeit nicht zu einem lähmenden Faktor in einer Welt werden, deren rasende Entwicklung eine höhere Reaktionsgeschwindigkeit erforderlich macht. Und was für eine Gewichtung hat schon ein klitzekleines Land angesichts der riesigen Zusammenschlüsse, die weltweit vor sich gehen?

Die immense Herausforderung der Schweiz liegt heute darin, die Mentalität einer abwartenden, allgemein eher hoffnungsvollen Bevölkerung ohne bedeutende materielle Sorgen zur Weiterentwicklung zu bringen. Besonders ihrer oft «goldenen» Jugend, die sich im staatsbürgerlichen Sinne nur wenig engagiert und sich nicht genug beachtet fühlt. Keine einfache Aufgabe, die jedoch für das Fortbestehen unseres Landes von höchster Bedeutung sein wird.

Viele glauben, die Schweiz sei Klassenbester, ein Wunderkind. Dabei wird es bis 2030 nicht mehr darum gehen, die aktuelle Situation aufrechtzuerhalten, sie fortwähren zu lassen oder zu verteidigen. Es wird um weitaus mehr gehen, wenn wir eine entschlossene, starke, stabile, sichere und selbstbewusste Schweiz wollen! Es geht darum, unsere Originalität zu behaupten, schnellere Entscheidungen zu treffen, den Pioniergeist neu zu entfachen, Risiken einzugehen und gemeinsam eine dynamische und überzeugende Vision zu entwickeln.

Kontinuierliche Bemühungen für zukunftsorientierte Analysen sind heute absolut unumgänglich. Eine systematische, strategische Frühaufklärung ermöglicht, Risiken vorherzusehen und drohende Krisen zu bewältigen. Eine Notwendigkeit, die noch oft unterschätzt zu werden scheint. Dieses Buch soll einige Anregungen hierfür geben.

Veränderungen müssen in Zeiten des Wohlstands eingeleitet werden. Die Geschichte beurteilt Politiker nicht nur nach der Wahrung bestimmter Errungenschaften oder der Einführung einer neuen «Mäßigung», sondern vor allem nach einer inspirierenden Vision, die viele unserer Mitbürger erwarten.

Wir sagen Nein zu einer Schweiz ohne Vision!

Wann wird es endlich ein Eidgenössisches Departement für Zukunftsangelegenheiten geben?

Kapitel 1

WILLKOMMEN IN HEIDILAND!

«So überragend ist die Schweiz gar nicht: Was würde ihr bleiben, wenn man ihr die Berge wegnähme?»

ANONYMUS

Es gibt zwei Möglichkeiten, einen Frosch zu kochen. Bei der ersten sollten Sie zunächst sicherstellen, dass sich kein Aktivist aus dem Umfeld von Brigitte Bardot oder PETA in der Nähe befindet, und dann werfen Sie die Amphibie direkt in einen Topf mit kochendem Wasser. Wenn Sie diese Option wählen, wird der Frosch alles versuchen, um aus dem Topf wieder herauszukommen.

Die zweite Möglichkeit besteht darin, den Frosch in denselben Topf zu legen, allerdings mit lauwarmem Wasser. Nun erhöhen Sie die Temperatur schrittweise. Anfangs fühlt sich der Frosch wohl, schläft langsam ein und lässt sich so schließlich kochen.

Diese von Peter M. Senge benutzte Parabel ist für manche Unternehmen und manche Wohlstandsstaaten symptomatisch, die sich vom Erfolg einschläfern oder regelrecht «benebeln» lassen. Die Reaktionen dieser Unternehmen erinnern zum Teil an die des Frosches im anfangs lauwarmen Wasser: Sie reagieren einfach nicht auf die stattfindenden Veränderungen. Einbußen im Hinblick auf Wettbewerbsfähigkeit und Leadership sind vorprogrammiert, ein schleichendes Dahinsiechen könnte folgen, und das alles, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu werden. Lauern diese Fallstricke des Erfolgs nicht auch im Heidiland?

Die Schweiz ist ein bezauberndes kleines Land mitten in Europa, das von Selbstzweifeln gequält wird. Eine Insel des Wohlstands mit ihren wunderschönen Alpenlandschaften, atemberaubenden Seen, reizvollen Villen und Dörfern. Ein Ort, an dem alles bestens funktioniert. Ein Land, in der die Kriminalität zwar zunimmt, jedoch im Zaum gehalten wird. Kaum vorhandene Arbeitslosigkeit. Ein Schlupfwinkel für multinationale Konzerne, die von der Ruhe des sozialen Friedens angezogen werden, zudem Sozialabgaben, die viermal niedriger sind als zum Beispiel in Frankreich. Nicht zu vergessen die extrem attraktive Steuerpolitik – für jeden mit Verhandlungsgeschick – und eine Infrastruktur, die gegenwärtig noch zu den Top 5 gehört.

Die Schweiz zeigt dennoch erste Anzeichen von Müdigkeit durch den demografischen Stress, dem das «kleine Land der Mitte» im Lauf der Zeit ausgesetzt war.

Die Schweizer sind dafür bekannt, seriös, erfinderisch, streng, wohlerzogen und fleißig zu sein. Es müsste eigentlich ein kleines Paradies auf Erden sein, dessen Umfeld sich permanent weiterentwickelt und wo die Globalisierung für völlig neue Gegebenheiten sorgt. Nur leider wird die Zukunft nicht aus der Fortsetzung der Vergangenheit und unserer Gewohnheiten bestehen. Gerhard Schwarz und Urs Meister von der Denkfabrik Avenir Suisse nennen das «Aufruhr im Paradies».

Der Zusammenhalt dieses Landes erscheint einzigartig, wenn wir bedenken, dass drei entscheidend unterschiedliche Kulturen (und mit der rätoromanischen Kultur sogar vier) – die alemannische, französischsprachige und italienische Schweiz – hier relativ harmonisch zusammenleben. Gewiss gibt es Reibungen, aber die ausgefallene, dreistufige Struktur auf föderaler, kantonaler und kommunaler Ebene macht es möglich, einen Großteil der aus diesen kulturellen Unterschieden entstehenden Konflikte zu vermeiden.

Die Schweiz und ihre Einwohner haben eine regelrechte Abneigung gegen Konflikte. Die Suche nach Kompromissen ist ein tief verankerter Charakterzug der Schweizer Seele.

Das beste Beispiel hierfür ist das berühmte Einspruchsrecht für Studenten, die sich bei einem Wettbewerb oder einer Prüfung schlecht beurteilt oder benotet fühlen. Ein imposantes fachkundiges Gremium kann einberufen werden, um ihrer Forderung eventuell Folge zu leisten. Ein Aspekt, der vielen unsinnig erscheint.

Das Land ist wohlhabend und wird beneidet, aber alles wurde dafür konzipiert und ist darauf ausgerichtet, festzuhalten, zu verharren, zu reproduzieren – und damit wahrscheinlich eine Weiterentwicklung zu verhindern. Veränderungen erdulden, anstatt die Zukunft zu gestalten! Auch wenn wir zugeben müssen, dass das bisher sehr gut funktioniert hat.

Es breitet sich allerdings eine dumpfe Sorge in dieser verstörten, sich ungemein schnell ändernden Welt mit wachsenden Ungerechtigkeiten aus, in der die neue Normalität Flüchtigkeit heißt. Eine Welt, die obendrein mitten in einer europäischen Union am Rande des Nervenzusammenbruchs liegt, die von Jugendarbeitslosigkeit zermürbt wird und den Aufstieg nationalistischer Bewegungen kaum noch kontrollieren kann. Dieses zerrüttete Europa erscheint heute wie eine technokratische Struktur, die viel zu weit von den Realitäten ihrer Mitgliedsländer entfernt ist, ohne Vision und unfähig, die Herausforderungen dieser so komplex gewordenen Welt anzunehmen.

Was aber wird aus der Schweiz, wenn ihr hauptsächlicher Partner Europa auseinanderbricht? Was wird aus der Schweiz, wenn Frankreich, ihr drittgrößter Handelspartner, keinen Mut zu Reformen findet und von der Liste der Großmächte verschwindet?

Die Globalisierung, der unaufhaltsame wirtschaftliche und politische Aufstieg der aufstrebenden Märkte, der von den allgegenwärtigen Technologien stimuliert wird, machen neue innovative Ansätze dringend erforderlich, auf die viele Länder jedoch nicht richtig vorbereitet zu sein scheinen.

Willkommen in Heidiland!

Willkommen im Land des tipptopp Tadellosen und Großartigen, im Land der UBS, FIFA-Ethik, der Vortrefflichkeit und Überqualität, vom «Warum etwas ändern, wenn alles gut läuft» und «Wir sind die Besten»!

Ist die Schweiz in die Falle ihres eigenen Erfolgs getappt?

Kapitel 2

EINIGE TATSACHEN ÜBER DIE SCHWEIZ VON GESTERN. WAS ABER WIRD AUS DER SCHWEIZ VON HEUTE?

«Eine Hälfte der Schweiz ist die Hölle, die andere das Paradies.»

VOLTAIRE

Die Neutralität, die lange ein unbestrittener Vorteil war, hat die Schweiz zu einem ruhigen und friedlichen Zufluchtsort mitten in einem Europa gemacht, das über Jahrzehnte und sogar Jahrhunderte hinweg von Rivalitäten und Kriegen zerrüttet wurde. Jedes Land zog einen Nutzen daraus, einen tröstlichen Hafen des Friedens vor der Haustür zu haben. Heute hat diese Neutralitätsidee stark an Relevanz eingebüßt: Einerseits durch die Weiterentwicklung der Welt, andererseits durch den Aufbau der Europäischen Union, die den Kontinent jetzt vor Konflikten wie den beiden vergangenen Weltkriegen oder dem Kalten Krieg schützt.

Bereits vor der schweren Bank- und Finanzkrise im Herbst 2008 stellten sich die Schweizer Journalisten Fragen über die Position des Landes auf dem Schachbrett der Welt und über die Rolle, die dieses attraktive Einwanderungsland mit 9,5Millionen Einwohnern bis 2030 in Zukunft spielen könnte. Handeln oder erdulden?