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Augenblicke mit mir weist uns wirksame Wege für unser persönliches Wachstum und bereitet den Weg für ein Verständnis des nondualen Vedanta. In diesem Buch werden ausgewählte Schriften des indischen Swami Dayananda vorgestellt, die das Jahrtausende alte Wissen des Vedanta in leicht verständlicher Weise vermitteln. Besonders in unserer modernen Zeit mit ihren vielen Belastungen, Stress und Ängsten werden hier Möglichkeiten aufgezeigt, die zu einem besseren Verständnis von sich selbst und der Interaktion mit der Welt führen. So können wir unser Leben frei von Stress und Sorgen und voller Mitgefühl leben.
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Seitenzahl: 206
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Vorwort von Neema Majmudar und Surya Tahora
Vorwort der Herausgeber und Übersetzer
„Stressfreies Leben“
„Freiheit in Beziehungen“
„Aktion und Reaktion“
„Ishvara in unserem Leben“
Zu den Herausgebern
Die Übersetzung der folgenden vier Publikationen ins Deutsche ist ein wichtiger und hilfreicher Beitrag. Sie stellen in einer klaren und verständlichen Sprache die Lehrtradition des Vedanta von Swami Dayananda Saraswati, einem angesehenen zeitgenössischen traditionellen Lehrer des Advaita (Nicht-Dualität) und Sanskrit-Gelehrten, für ein breiteres Publikum zugänglich dar.
Zugleich verdeutlichen diese Texte, dass Advaita Vedanta ein Mittel der Erkenntnis ist, um die wahre Natur von uns selbst, der Welt und der Ursache des Universums zu entdecken, und nicht wie so oft im Westen dargestellt, eines der Systeme der indischen Philosophie ist.
Die Worte des Vedanta sind, wenn sie von einem qualifizierten Lehrer richtig gehandhabt werden, in der Lage, uns unsere wahre Natur erkennen zu lassen. Damit erfüllen sie die Sehnsucht, die jeder Mensch hat, mit sich und der Welt im Reinen zu sein und mit Klarheit, mitfühlendem Engagement und Freude zu leben.
Die Übersetzer, Karl Eulner und Kurt Schröter, haben mit uns viele Jahre lang Vedanta studiert. Sie haben den speziellen Hintergrund und die Qualitäten, die erforderlich sind, um sowohl den Wortlaut als auch den Charakter dieser Bücher über Nicht-Dualität von Swami Dayananda Saraswati mit Tiefe und Präzision zu erfassen.
Wir empfehlen dieses Buch allen deutschsprachigen Suchenden und Lesern, die die Kraft des Vedanta entdecken wollen, um einen nachhaltigen Wandel in ihrem Leben zu bewirken.
Neema Majmudar und Surya Tahora
Mumbai, 07. November 2022
Mit diesem Buch wollen wir einer interessierten Leserschaft diese weitgehend unbekannten Texte von Swami Dayananda zu Verfügung stellen, die auf Mitschriften von Vorträgen beruhen. Wir meinen, sie sind elementar für das Verständnis von uns selbst, der Welt, dem Sinn des Lebens und für unser persönliches Wachstum. Wir sind keine professionellen Übersetzer, lernen jedoch seit den 80iger Jahren intensiv von englischsprachlichen indischen Lehrern.
Wir sind beide seit einigen Jahrzehnten spirituell Suchende und haben unterschiedliche Traditionen studiert. Insbesondere durch unsere Vedanta Lehrer Neema Majmudar und Surya Tahora haben wir die inspirierenden Texte von Swami Dayananda kennen und schätzen gelernt. Er lehrt in einer leicht verständlichen und lebendigen Weise die non-duale Wirklichkeit. Diese Klarheit und überzeugende logische Argumentation konnten wir woanders nicht finden.
Unser Dank gilt vor allem unseren Lehrern Neema und Surya für ihr brillantes und unermüdliches Teaching in der Tradition von Swami Dayananda. Sie haben uns in die Weisheit des Vedanta eingeführt, unser Verständnis erweitert und uns mit ihrem Wissen den Weg geebnet, die nun vorliegenden Texte von Swami Dayananda zu übersetzen.
Dieses Buch ist vollkommen in Eigenarbeit entstanden, von der Übersetzung seiner Vorträge aus dem Englischen bis hin zum Lektorat. Wir haben die Texte mehrmals übersetzt und verbessert, um den Gedanken von Swami Dayananda gerecht zu werden und den Lesern ein flüssiges Leseerlebnis zu vermitteln.
Mit den hier vorliegenden Texten von Swami Dayananda sprechen wir Menschen an, die an persönlichem Wachstum und dem Verständnis ihrer eigenen Natur und der Natur der Ursache des Universums interessiert sind. Wir haben für dieses erste Buch vier Schriften ausgewählt, die uns im Umgang mit unseren alltäglichen Herausforderungen helfen können, entspannter und gelassener mit diesen Situationen umzugehen.
Der erste Text, „Stressfreies Leben“, hilft uns zu verstehen, wie wir entspannter und ohne Stress in unserer westlichen Gesellschaft leben können. Dieses Wissen ist umso wichtiger, da Stress immer mehr zu der wesentlichen Ursache von Krankheit wird.
Der zweite Text, „Freiheit in Beziehungen“, zeigt uns Möglichkeiten auf, wie wir in Beziehungen frei und trotzdem verbunden sein können. Wenn wir verstehen, dass wir niemals den anderen, sondern nur uns selbst ändern können, haben wir die wesentliche Grundlage für Freiheit in Beziehungen gelegt.
Der dritte Text, „Aktion und Reaktion“, erläutert wie wir alltägliche Automatismen und Reaktionen verringern und bewusstere Antworten auf unsere vielfältigen Herausforderungen finden können.
Der vierte Text, „Ishvara in unserem Leben“, erklärt die ursachenlose Ursache des Universums, die wir Ishvara nennen. Er bietet praktische Anleitungen, wie wir dieses Verständnis in unseren Alltag bringen können, wie wir uns auf Ishvara beziehen und in diesem Wissen mehr und mehr entspannen können.
Wir wünschen allen Lesern, dass dieses alte Wissen zu einem entspannten, ruhigen, klaren Geist und einem tieferen Verständnis der Wirklichkeit beiträgt.
Da man tagtäglich mit der Welt interagieren muss, führt dies unweigerlich zu Stress. Befindet man sich jedoch in Harmonie mit dem, womit man konfrontiert ist, dann gibt es keinen emotionalen Stress. Solange man das gerne tut, was man zu tun hat, entsteht kein Stress!
Jedoch kann man etwas mögen, aber wenn man sich dadurch schuldig oder traurig fühlt, steht man unter Stress. In der indischen Gesellschaft ist es zum Beispiel mit einem Stigma versehen, wenn jemand gerne Alkohol trinkt. Infolgedessen wird sich dieser Mensch aufgrund seines Alkoholkonsums schuldig fühlen und in seiner Familie wird dies zu Problemen führen, zu Stress.
Da man unweigerlich mit der Welt interagieren muss, ist Stress eine natürliche Konsequenz. Man muss sich auf die Welt beziehen, Leben bedeutet sich auf die Welt zu beziehen. Im Schlaf dagegen lebt man auch, aber man bezieht sich auf nichts. Im Koma ist es ebenso. Im Traum bezieht man sich auf die Objekte von denen man träumt, jedoch ohne zu erkennen, dass diese nur eigene Projektionen sind.
Ich beziehe mich und deshalb lebe ich. Sobald ich morgens aufwache, beziehe ich mich auf die Welt. In Beziehungen kann ich jedoch entweder in Harmonie oder in Disharmonie sein. Falls ein anderer der Ursprung von Disharmonie ist, kann ich gelassen bleiben, wenn ich einen sicheren inneren Raum in mir selbst habe. Daraus folgt, um ein stressfreies Leben führen zu können, muss man lernen, die Fähigkeit für ein harmonisches Leben zu entwickeln. Dafür sollte man einen inneren Raum entwickeln, um sich davor zu schützen, ein emotionales Opfer von störenden Handlungen und Verhalten anderer zu werden.
Halte die Außenwelt außen
Das größte Problem besteht darin, dass es sehr schwer ist, die Außenwelt außen zu halten. Wenn ich die äußeren Dinge außen lassen kann, dann kann ich mich objektiv und leidenschaftslos auf sie beziehen, auf sie antworten. Jedoch erlaube ich Ihnen öfter als gewünscht, mich zu beeinflussen, wodurch ich diese Situationen verinnerliche. Wenn ich von drei Personen jeweils einen ihrer Namen rufe, antwortet der Betreffende. Wenn ich jedoch „Dummkopf!“ rufe, dann reagieren alle Drei gleichzeitig. Warum?
Dieses Beispiel zeigt, dass wir Vieles unreflektiert ertragen und angenommen haben. Mit einer sehr wichtigen Feststellung am Ende des fünften Kapitels der Bhagavad Gita1 leitet Krishna seinen Vortrag über Meditation im sechsten Kapitel ein:
„Um ein Meditierender zu werden, muss man zuerst eine entsprechende Haltung entwickeln - und zwar bevor man versucht zu meditieren.“ Wir benutzen heutzutage Meditation zur Entspannung. Die Wahrheit ist jedoch, dass erst ein entspannter Mensch meditieren sollte. Es ist hilfreich, dass wir alle unsere eigenen Definitionen von Meditation haben und deshalb können wir alle meditieren.
Die klassische Definition von Meditation
Traditionell wird Meditation definiert als eine bewusste mentale Aktivität, die auf Ishvara, die Ursache des Universums, ausgerichtet ist.
Jede andere Aktivität ist nur eine Vorbereitung für das Meditieren. Krishna erläutert einen vorbereitenden Schritt: „Die Menschen und Objekte, mit denen du sehr persönlich verbunden bist, sind alle außerhalb von dir.“ Krishna führt aus, dass es zwingend notwendig ist, alle Situationen, Menschen und Objekte außerhalb zu halten, um für die Meditation bereit zu sein. Dann stellt sich natürlich die Frage: „Wenn sie ohnehin bereits außerhalb von mir sind, wer bin ich, um sie außerhalb zu halten?“ Du kannst nicht etwas außerhalb halten, das bereits im Außen ist. Aber die Gita verdeutlicht folgende Tatsache: Obwohl Menschen und Objekte für unsere Sinneswahrnehmungen außerhalb sind, können einige davon zur Ursache von Besorgnis und Frustration werden. Diese manifestieren sich in unserem Geist und sind damit auch in uns.
Man kann den Tag mit folgender Übung beginnen:
„Ich visualisiere eine Bergkette, einen blauen Himmel, den Ozean und Dinge, die ich mag und zu denen ich einen Bezug habe - ohne Ansprüche. Ich bin in Frieden und Harmonie mit ihnen, so wie sie sind. Ich habe keine Absicht mit dieser Bergkette. Ich habe keine Absicht mit dem blauen Himmel, mit den Bäumen und Vögeln. Ich habe überhaupt keine Absicht mit all diesen natürlichen Situationen und Objekten.“
Ein bewusster Wechsel der inneren Haltung in Bezug auf andere Menschen macht uns großzügig und gelassen. Wenn man sich in dieser Weise auf Menschen bezieht dann kann man sich wahrscheinlich hin zu einer zufriedenen empathischen Persönlichkeit entwickeln.
Vergegenwärtigt man sich die wichtigsten Menschen in seinem Leben, mit denen man sehr persönlich verbunden ist, wie Vater, Mutter, Geschwister, Liebste, Kinder etc., dann versteht man, dass man diese Menschen nicht so objektiv annehmen kann, wie eher unbekannte Menschen, nämlich frei von Vorurteilen hinsichtlich der Hautfarbe, Rasse oder Religion.
Meiner Ansicht nach sind es gerade diese bedeutsamen Menschen in meinem Leben, die ich nicht annehmen kann, so wie sie sind. Ich wünsche mir, dass sie anders wären. Beispielsweise wünsche ich mir die Gewohnheiten, Verhaltensmustern etc. meiner Eltern wären anders. Als Kind fühlte man sich vernachlässigt und erlebte Schmerz, Traurigkeit und Ärger. Diese Gefühle bleiben in einem Menschen, solange sie nicht verarbeitet sind. So entstehen bestimmte Vorstellungen über jeden, auf den ich mich beziehe.
Jede verheiratete Person möchte, dass der Ehepartner sich etwas ändert. Die Absicht, sich gegenseitig zu verändern, bindet das Ehepaar dauerhaft. Dreiundsiebzig Jahre sind vergangen und sie sind weiterhin dabei, sich gegenseitig ändern zu wollen. Das bedeutet, dass die Ehe überhaupt noch nicht begonnen hat. Das ist typisch für Verheiratete. Die Wahrheit ist jedoch, dass niemand einen anderen verändern kann! Krishna versuchte Duryodhana2 zu verändern und das Ergebnis war Krieg. Er konnte Duryodhana nicht verändern. Alles, was man tun kann, ist zu versuchen, den anderen Menschen zu helfen sich zu verändern. Wenn es mir gelingt, jemand anderem ein angemessenes Verständnis zu ermöglichen, wird eine Veränderung in ihrer oder seiner Lebensweise einfacher.
Ich habe auch Vorstellungen über Politiker, Ökologen und viele andere Menschen. Konsequenterer Weise sind diese Personen nicht länger außerhalb, sondern sie sind in meinem Geist. Die unerfüllten Wünsche, Anforderungen und Erwartungen lassen mich hilflos werden, wodurch Frustration entsteht. Diese werden zu einer ständigen Quelle von Stress.
Den inneren Raum in sich entdecken
Klar ausgedrückt: Es gibt keinen Stress, sondern nur einen gestressten Menschen. Stress im Sinne von Belastung existiert nur für eine Struktur, z.B. ein Gebäude. Eine Brücke wird belastet. Dieser Körper wird belastet. Das ist hier aber nicht unser Thema. Wir sprechen über den gestressten Menschen, den Menschen, der sich selbst stresst. Der gestresste Mensch ist derjenige, der frustriert ist, der nicht in Harmonie mit seiner Welt leben kann. Wenn man sich auf die Welt bezieht, bringt das grundsätzlich Stress mit sich, dann gibt es keinen Weg aus dem Stress. Ich kann nicht aufhören mich auf die Welt zu beziehen, deswegen kann ich der Welt nicht entkommen. Natürlich kann ich bestimmte Beziehungen beenden, jedoch auch das bringt Stress mit sich. Ich muss mich beziehen. Deshalb gibt es nur einen Ausweg, den inneren Raum zu entdecken und zu nutzen, während ich mich auf andere beziehe.
Ich unterscheide mich von allen Rollen, die ich spiele
Wir müssen uns in unserem Leben auf unterschiedliche Menschen beziehen: Auf Vater, Mutter, Sohn, Tochter, Geliebte etc. Man muss sich auf diese Personen beziehen. Man ist Sohn oder Tochter des Vaters. Man ist Sohn oder Tochter der Mutter, aber es gibt einen kleinen Unterschied. Der Sohn des Vaters unterscheidet sich vom Sohn der Mutter. Da man sich auf unterschiedliche Menschen bezieht, muss man auch unterschiedliche Rollen spielen. Man spielt die Rolle des Ehemanns oder der Ehefrau, des Vaters oder der Mutter, des Onkels, des Bruders, der Schwester etc. Ich benutze das Wort „Rolle“, unabhängig davon, ob man gerade Vater und Sohn oder Mutter und Tochter ist. Wenn ich sowohl Tochter als auch Mutter bin, bedeutet das, ich bin eine Tochter mit Bezug zu meinen Eltern und eine Mutter mit Bezug zu meinem Kind. Deshalb bin ich die Eine, die in all diesen Rollen ist. Wenn das so ist, dann muss ich sicherlich verschieden von all diesen Rollen sein. Wenn ich mich von den Rollen unterscheide, kann ich jede von ihnen übernehmen. Die Annahme einer vorgegebenen Position wird als Rolle bezeichnet.
Das Beispiel eines Schauspielers und seiner Rolle
Nehmen wir das Beispiel eines Schauspielers (A), der die Rolle eines Bettlers (B) spielt. Der Schauspieler spielt seine Rolle so gut; kein wirklicher Bettler kann so gut betteln wie der Schauspieler. Der Schauspieler hat die raffiniertesten Feinheiten des Bettelns gelernt und aufgegriffen und wird dramaturgisch durch die Hintergrundmusik unterstützt. Dagegen hat der echte Bettler keinerlei Hintergrundmusik! Der Schauspieler jedoch kann der beste Bettler auf der Bühne sein. Gleichzeitig agiert der Schauspieler aus einem inneren Raum heraus, der aus der gesamten Rolle das Drama macht, das nicht nur den Schauspieler erfreut, sondern auch das Publikum. Es ist ein Raum der aus dem Verständnis entstanden ist, dass ich die Rolle habe, sie jedoch nicht bin! Kommt der Bettler auf die Bühne, muss auch der Schauspieler da sein. Spricht der Bettler, spricht auch der Schauspieler - die gesamte Anatomie des Bettlers ist die des Schauspielers. Anders gesagt, B. ist A., hierzu gibt es keinerlei Kompromiss, jedoch gleichzeitig ist A. unabhängig von B.. Er nimmt absichtlich die Rolle des Bettlers an, in dem Wissen, das er ein Bettler sein wird. Tatsächlich akzeptiert er die Rolle mit dem Wissen, dass es ihn für ein oder zwei Stunden bereichert, ein Bettler zu sein.
Was bedeutet das? Das bedeutet, dass es eine persönliche Identität gibt: B. (Rolle des Bettlers) ist A. (Schauspieler), aber A. ist nicht B. Das ist etwas ganz anderes.
Die Bewusstheit der Rolle ist hier die einzige Distanz - physisch, räumlich und zeitlich ist A. nicht getrennt von B. A. wird nicht beeinflusst vom tragischen Schicksal des Bettlers. Je nach Drehbuch erleidet der Bettler eine Menge Beleidigungen, aber A. nimmt diese alle an, ohne in irgendeiner Weise davon berührt zu sein. Außerdem soll er aufgrund des Drehbuchs Tränen fließen lassen, was ihm hervorragend gelingt. Er gratuliert sich selbst: „Ich weinte so wunderbar“. Nicht nur er, sondern auch sein Freund, der im Zuschauerraum saß und hinterher auf die Bühne kam, um zu gratulieren, fühlte sich gut. Er sagt: „Du hast so toll geweint, wunderbar! Wie hast du das gemacht?“ Nicht nur der Schauspieler weiß, dass A. frei von B. ist, auch der Freund weiß, dass B. nicht A. ist. Der Raum zwischen A. (der Person) und B. (der Rolle) ist ein dauerhafter Raum. Das Gleiche gilt für das wirkliche Leben.
Die einfache, natürliche, bewusste Person ‚Ich‘ ist frei
Jeder hat seine Vorlieben und Abneigungen, unabhängig davon ob man es weiß oder nicht. Wenn jemand sagt, er ist unwissend, dann bedeutet das, dass er Wissen hat. Warum? Weil jemand so viel Wissen hat, zu sagen „Ich bin unwissend.“ Man ist unwissend hinsichtlich dessen, was man nicht weiß und ist wissend bezogen auf das, was man weiß. Aus diesem Grund ist man weder wissend noch unwissend. Man kann sagen, dass es eine Sichtweise ist. Aber eine Sichtweise ist nicht die wirkliche Sicht. Deshalb ist es sehr wichtig zu verstehen, dass man entweder unwissend oder wissend ist, hinsichtlich dessen, was man weiß oder nicht weiß. Ähnlich ist es, dass ich ein Genießer bin, hinsichtlich dessen, was ich mag und in Bezug zu dem was ich nicht mag, bin ich jemand, der etwas ablehnt.
Jede Rolle ist voller Herausforderungen
Jeden Tag trage ich so viele „Hüte“, spiele so viele Rollen, jedoch ich bin frei von allen Rollen. Rollenspiele können sehr ermüdend und anstrengend sein, wenn ich keinen inneren Raum beim Spielen habe. Keine Rolle ist frei von Schwierigkeiten oder Hindernissen, sowohl auf der Bühne als auch im wirklichen Leben.
Jeder Rolle, ob es die Rolle des Vaters, der Mutter, eines Sohnes, einer Tochter etc. ist, existiert nicht ohne Probleme. Die Rolle der Mutter funktioniert nicht ohne Herausforderungen, vor allem in der heutigen Zeit. Sogar wenn das Kind nur zwei oder drei Jahre alt ist, benötigen die Eltern eine Erlaubnis für einen Platz in einem Kindergarten. Das ist eine echte Herausforderung. Die Eltern brauchen dafür ein Empfehlungsschreiben. Es ist merkwürdig, doch so ist es nun mal. Als Mutter hast du Herausforderungen. Tatsächlich haben alle Rollen Herausforderungen. Alle diese Herausforderungen schlagen in Frustration um, wenn sie nicht gemeistert werden und führen dadurch auch zu Stress.
Deshalb sage ich, dass du eine natürliche, einfache Person bist, eine bewusste und entspannte Person. Um diese Tatsache zu erkennen, braucht es keine Zeit, sondern Aufmerksamkeit und Einsicht.
Das ist es, was du bist, eine einfache, natürliche, bewusste Person. Diese Person ist nicht der bedürftige Mensch. Mit offenen Augen bist du ein Sehender, mit offenen Ohren bis du ein Hörender - mit anderen Worten, du bist ein einfacher, bewusster Mensch. Der bewusste Mensch ist es, der ein Denker wird, ein Sehender, ein Hörender, ein Unzufriedener, ein Spaziergänger, ein Unterhalter, ein Vater, eine Mutter etc. Wenn man diese Tatsache berücksichtigt, dass „Ich“ nur ein einfacher, bewusster Mensch ist, kann man viele Rollen spielen und den entsprechenden Drehbüchern des Lebens folgen.
Es kann keine unterschiedliche Auffassung darüber geben, dass man diese einfache, bewusste Person ist, die frei ist. Der Mensch ist frei von der Rolle, aber die Rolle ist nicht frei vom Menschen. Solange man das nicht erkennen kann, gibt es Verwirrung: Beide, die Rolle und der Mensch, werden als Einheit wahrgenommen. Wenn diese Unterscheidung nicht bewusst ist und Rollen voller Herausforderungen sind, kann man Stress nicht vermeiden. Die Rolle gehört zum Schauspieler, der Schauspieler jedoch ist frei von der Rolle. Ich bin frei!
Gib den Anderen die Freiheit, zu sein, wie sie sind
Du kannst Stress vermeiden, indem du die Menschen und die Probleme nicht internalisierst, sondern sie im Außen lässt und ihnen die Freiheit gewährst, zu sein was sie sind. Lass den Vater in deiner Akzeptanz und Liebe sein. Gestatte dem Anderen so frei zu sein, wie er ist. Jeder kann so sein wie er oder sie ist, unabhängig vom familiären, sozialen und kulturellen Hintergrund, welche das Verhalten von Menschen prägen. So unangenehm oder beunruhigend dieser Mensch jedoch wirkt, wie ungebührlich er auch sein mag, es liegt immer am persönlichen Hintergrund desjenigen der Hilfe braucht.
Verständnis vermeidet Stress
Du kannst sehr verständnisvoll sein, doch das bedeutet nicht, dass man anderen Menschen erlaubt dich herum zu schubsen. Du musst eine Grenze zwischen dir und der Person ziehen, mit der du zu tun hast. Du besitzt eine Toleranzschwelle. Deine Möglichkeiten sind begrenzt, hinsichtlich deiner Zeit und Fähigkeiten, die du geben kannst. Durch dieses Verständnis kannst du eine innere Grenze ziehen und handelst innerhalb dieser Grenze. Du erlaubst weder dir noch anderen diese Grenze zu überschreiten. Du kannst dem Anderen immer sagen, dass du leider aufgrund deiner eigenen Begrenzungen nicht in der Lage bist, seine Erwartungen zu erfüllen. Du kannst das freundlich erklären, ohne einen Abwehrmechanismus im Anderen auszulösen.
Du musst lernen, dich von Stress fernzuhalten. Du musst tatsächlich ein achtsames Leben führen. Du solltest jedem, der dir persönlich nahesteht, seine Freiheit zugestehen. Du findest in dir genug Raum, um Mitgefühl und Liebe zu entwickeln. Mit diesen Qualitäten wirst du feststellen, dass es dort überhaupt keinen Raum für Stress gibt. Hier beschäftigen wir uns mit dem Problem des emotionalen Stresses. Physischer Stress ist unvermeidbar. Das Problem des emotionalen Stresses möchten wir hier erläutern. Im achtsamen Umgang mit emotionalem Stress können wir vielleicht auch den physischen Stress verringern.
Beziehungen können freudvoll gelebt werden, wenn du den anderen die Freiheit zugestehst, so zu sein wie sie sind!
Du solltest den Menschen die Freiheit zugestehen, so zu sein wie sie sind. Ich behaupte: Man ist in einer Beziehung so frei, wie man dem Anderen die Freiheit zugesteht! Je mehr Freiheit du anderen gibst, umso freier bist du in diesen Beziehungen. Du brauchst keine Freiheit von einer Beziehung. Wenn du Freiheit von einer Beziehung brauchst, dann wirst du dich auf jemand anderen beziehen und dann brauchst du wiederum Freiheit von dieser Beziehung. Das zeigt, dass es ein grundsätzliches Problem gibt.
Du musst dich ohnehin immer beziehen, da das Sich-Beziehen das menschliche Leben ausmacht. Du brauchst Freiheit in der Beziehung und diese Freiheit ist immer vorhanden. Sie wird jedoch niemals deine Freiheit sein, solange du nicht lernst, anderen zuzugestehen, zu sein wie sie sind. Gestehst du anderen diese Freiheit zu, kannst du vielleicht auch der anderen Person helfen sich zu ändern, weil es keine Spannungen mehr gibt. Möchtest du jedoch jemanden ändern ohne sie oder ihn zu verstehen, können diese Versuche als Angriffe aufgefasst werden.
Beziehungen sind nur dann stressfrei, wenn du anderen Menschen die Freizeit zugestehst, zu sein wie sie sind, solange nicht deine Grenze überschritten wird. Diese Grenzen musst du schützen. Du hast keinen Grund Beziehungen zu meiden, wenn du darin Freiheit findest. Deswegen ist der Rat der Gita so wichtig: „Die äußeren Objekte außerhalb von dir zu halten.“
Stelle dir einmal vor, du kaufst eine Fahrkarte, um zu verreisen, damit du dich von Leuten fern halten kannst. Doch wusstest du, dass es eine Menge blinder Passagiere gibt, die mit dir reisen? Das sind genau die Leute, von denen du dich fern halten wolltest. Doch tatsächlich reisen sie in deinem Geist ohne Fahrkarte mit und belästigen dich weiter!
Das Leben ist eine ständige Folge von Entscheidungen
Als Individuum muss ich Entscheidungen treffen. Entscheidungen im Leben zu treffen gehört zu den allerschwersten Dingen. Manchmal sind sie sogar schmerzvoll. Es ist hilfreich zu verstehen, dass du das Ergebnis aller deiner Entscheidungen bist.
Das Gāyatrī-Mantra3, in das in Indien ein acht Jahre altes Kind eingeweiht wird, wurde ursprünglich als Gebet benutzt. Es beinhaltet jedoch Wesentliches, das verstanden werden sollte. Das Mantra sagt:
„Möge das Göttliche in meinem Herzen bleiben, welches allwissend und frei von Ignoranz ist, so wie die Sonne, frei von Dunkelheit ist. Möge mein Geist erleuchtet werden, um angemessen zu denken und so klare Entscheidungen zu treffen.“
Dein Leben ist eine Abfolge von Entscheidungen, die dich zu dem Menschen gemacht haben, der du heute bist. Es ist nicht immer möglich, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Deshalb bedeutet das Gebet: „Möge ich angemessen entscheiden, um zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein.“
Tatsächlich ist dies das umfassendste Gebet in einem Satz.
Das Aufschieben ist eine Ursache von Stress
Du solltest ohne Verzögerungen entscheiden. Du kannst verschieben, aber Aufschieben ist eine Gewohnheit, die zu Stress führt. Wenn du dich entschließt, eine Entscheidung aufzuschieben, dann ist das völlig in Ordnung. Du bist gerade wütend und solltest etwas entscheiden. Du entscheidest dich, nicht zu entscheiden. Das ist eine umsichtige Überlegung. Wenn du im Ärger etwas entscheiden solltest, dann führe diese Entscheidung nicht aus. Halte es in der Schwebe. Schreibe einen Brief, aber schicke ihn nicht ab. Schreibe den Brief erneut, wenn du dich beruhigt hast. Vielleicht ist es gut zu schreiben, wenn du ärgerlich bist, aus Ärger zu handeln ist sicherlich schlecht. Du solltest verstehen, dass du diesen Brief nicht losschicken solltest.
Bewusstes Aufschieben ist keine Ursache für Stress, eine Verzögerungstaktik jedoch schon. Du schiebst es hinaus: „Ich werde es morgen erledigen!“ Die Schriftstücke auf deinem Schreibtisch stapeln sich. Später verschwinden sie in der Schublade. Deshalb ist dein Schreibtisch mit Schubladen ausgestattet! Bleiben die Schriftstücke auf dem Schreibtisch, führt der ständige Anblick dieser Papiere dazu, dass du dich schuldig oder schlecht fühlst. Deswegen wirfst du sie in die Schublade, damit die Schreibtischoberfläche immer leer bleibt. Du kannst jedoch nicht dein Wissen, dass es dort noch unerledigte Schriftstücke gibt, loswerden. Sie sind fortwährend in deinen Gedanken und verursachen Stress. Deshalb hilft Aufschieben nicht. Wenn du Entscheidungen zu treffen hast, dann solltest du die unangenehmsten Dinge zuerst erledigen. Jemand sagte einmal: „Swamiji, ich verfolgte deine Vorträge über das Aufschieben. Sie sind wunderbar, ich werden diese Vorschläge ab nächster Woche umsetzen.“ Das ist typisch für jemanden, der Erledigungen aufschiebt. Man wird dadurch Beziehungen verlieren, Freundschaften - man verliert vielleicht sogar seine Arbeit. Aufschieben ist die schlimmste Ursache für Stress!
Mit Hilflosigkeit umgehen können
Wir können lernen mit Situationen, in denen wir uns hilflos fühlen, besser umzugehen. In der heutigen Welt mit Internet und E-Mails kommen wir sehr viel häufiger als früher in Situationen, in denen wir uns hilflos fühlen. Wir möchten zum Beispiel, dass Politiker nicht korrupt sind. Aber einige dieser Leute sind schamlos, absolut schamlos. Korruption ist ein Problem - es ist ein großes Problem! Viele Probleme lassen sich hieraus ableiten. Wenn dieses Problem gelöst ist, können wir alle weiteren Probleme planvoll angehen. Anderenfalls verfehlen weitere Herangehensweisen das Ziel. Es macht uns hilflos, dass die Führer unserer Länder korrupt sind. Stress ist die Folge. Die Boulevardpresse schockt uns täglich mit großen Überschriften über die Ereignisse auf die wir keinen Einfluss haben und lässt uns so Tag für Tag hilflos fühlen. Das führt zu Stress! So erleben wir viele Situationen von Hilflosigkeit - wirtschaftlich, familiär, gesellschaftlich etc.
Stress verschwindet, wenn man sich in schwierigen Situationen nicht hilflos fühlt sondern damit umgehen kann.