Auswirkungen des Spendensystems der DDR auf das Spendenverhalten in Ostdeutschland heute - - Susanne Tharun - E-Book

Auswirkungen des Spendensystems der DDR auf das Spendenverhalten in Ostdeutschland heute - E-Book

Susanne Tharun

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Beschreibung

In dieser Master-Arbeit werden 30 Jahre nach der deutsch-deutschen Wiedervereinigung Ursachen für das Spendenverhalten der Ostdeutschen gesucht und gefunden. Welche Motivation benennen DDR-Sozialisierte für ihr Spendenverhalten heute? Wie haben sie das Spendensystem in der DDR erlebt? Wie können NGO das Herz potentieller Spender im Osten erobern? Auf diese Fragen finden Fundraising-Praktiker und Interessierte im Fazit der Forschungsarbeit Antworten. Im theoretischen Teil werden beide deutsche Staaten in ihrer geschichtlichen Entwicklung beleuchtet. Bei der weiteren Betrachtung der Spendensysteme wird schnell deutlich, dass die Geheimnisse des zentral gelenkten und bislang nicht erforschten Spendenwesens der DDR nur schwer ans Licht zu holen sind. Mit der friedlichen Revolution verschwand die vorgegebene "Antiimperialistische Solidarität" und die neuen Bundesbürger machten sich in den "Spenden-Dschungel" auf. Im empirischen Teil wird die qualitativ gestützte Forschungsmethodik besprochen und ausgewertet. Die Experteninterviews wurden mit Partnern unterschiedlichster politischer und sozialer Prägung geführt, um den Durchschnitt der ostdeutschen Gesellschaft abzubilden.

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Seitenzahl: 164

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Masterarbeit

AuswirkungendesSpendensystemsderDDRaufdasSpendenverhaltenin Ostdeutschlandheute

EineFragederSozialisation?

vorgelegt an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen

Master-Studiengang Fundraising-Management und Philanthropie (M.A.)

betreut durch Herrn Dr. Kai Fischer

vorgelegt am 14. August 2020

1 Einleitung

Eingangs zwei Hinweise: Für eine gute Lesbarkeit werden nur männliche Bezeichnungenverwendet, obgleich immer Frauen mitgemeint sind. Der Begriff „Ostdeutsche“ bezieht sichaufalle,dieaufdemGebietderehemaligenDDR,auchnachderWiedervereinigung,geboren sind.

IstderOstdeutscheeinSpendenmuffel?StatistikenbelegenesmitZahlen,derOstdeutschespendet weniger und seltener als der Westdeutsche. Die Presse versucht es mit Sozialisationseffekt, geringerer Religionszugehörigkeit und dem Wohlstands- und Einkommensgefälle zwischen Ost und West zu erklären. Fachliteratur beziehungsweise Forschungsergebnissesind kaumzufinden.

DieseArbeituntersuchtdieAuswirkungendesSpendensystemsderDDRaufdasSpenden-verhalten in Ostdeutschland heute. Da die Zahlen bekannt sind, wird hier der Weg über dieGeschichte des Spendensystems der DDR, dessen mögliche Folgen bis heute und die Sozialisation der DDR-Geborenen untersucht, also die menschliche Komponente, die unsFundraisernimSpendenalltagallzubekanntist.WennmanzudeminderDDRgeborenundFundraiser ist, ist es ein Muss die Hintergründe zu erforschen, um die Fundraising-PraxisaktivundfürdieostdeutscheZielgruppemaßgerechtgestaltenzukönnen.ZielderArbeitistes, die ForschungslückemitdenErgebnissenzuschließen.

Ziel dieser Masterarbeit ist es, die Auswirkungen des Spendenwesens der DDR zu analysieren,umneueErkenntnisseüberdenSpenderimOstenzugewinnen,wieerticktundwieer erreicht werden kann. Um dieses Ziel zu erreichen, wird die Forschungsfrage gestellt:

Welchen Einfluss hat das Spendenwesen der DDR auf das Spendenhandeln der BevölkerungindenostdeutschenBundesländernheute?UnterZuhilfenahmezweierTeilfragenwer-denAntwortengesucht.WelcheAuswirkungenhateinzentralgelenktesSpendenwesenaufdie Spendenmotivation?

Motivation ist eine Grundvoraussetzung beim Spenden. Was aberpassiert,wennderSpendergarnichtintrinsischspendenkann,weilerkeineWahlhat,keinefreie Wahl bei der Organisation und keine freie Wahl des Spendenzwecks. Stumpft er ab?Kann er nach einem Systemwandel, quasi „ungelernt“ ein begeisterter Spender werden?

Und:WieverändertsichdieSpendenmotivation beifreierWahlderNRO?

Die zu klärenden Hypothesen sollen konkrete Ergebnisse für die Beantwortung der Forschungsfrage liefern: Wenn das Spendenwesen in der DDR nicht zentralistisch organisiertgewesen wäre, dann würden die Ostdeutschen heute die Unterstützung von sozialen Be-langen nicht als Aufgabe des Staates sehen. Je unfreiwilliger und intransparenter Spendenin der DDR waren, desto schwieriger gestaltet sich heute der Beziehungsaufbau durch dieNROund diedamitverbundeneSpendenbereitschaft.

FürdieempirischeForschungwerdenExperteninterviewsmitoffenenFragengeführt.Interviews mit Menschen, die in der DDR geboren wurden und noch heute ihren Lebensmittel-punkt im Osten der Republik haben. Darüber hinaus ist bei der Wahl derer eine absoluteDiversität beabsichtigt um möglichst viele Perspektiven zu ermitteln. Die Auswertung derLeitfadengeführtenInterviews erfolgtmithilfe derQualitativenInhaltsanalyse.

Die vorliegende Arbeit ist folgendermaßen aufgebaut: Das erste Kapitel bildet den theoretischenRahmen.AnhandeinerLiteraturanalysewirddieAusgangssituationzudenThemen,Geschichte,PolitikundSpendenaktivitäteninbeidendeutschenStaatenerörtert.DaszweiteKapitel bespricht die Methodik, also das Forschungsdesign, das Sampling der Datenerhebung, die Auswertung der Ergebnisse, die Diskussion und die Beantwortung der Forschungsfrage. Das Fazit bildet als letztes Kapitel eine Zusammenfassung der Ergebnissesowieeinen Ausblickab.

1.1 Deutschland zwischenKapitulationund Staatengründung

Die Siegermächte, USA, Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion, teilten nachKriegsende am 8. Mai 1945 das besetzte Gebiet in vier Zonen auf. USA, Großbritannienund Frankreich übernahmen den westlichen Teil, die spätere Bundesrepublik Deutschland. Der Ostteil, die künftige Deutsche Demokratische Republik, ging an die Sowjetunion. Auch Berlin als ehemalige Hauptstadt wurde in vier Sektoren, unter Herrschaft der Alliierten, aufgeteilt (vgl. Sontheimer/Bleek 1997: 17 ff). Folglich standen sich, abhängig von der Gesinnung der jeweilig besetzenden Siegermacht, Demokratie und Diktatur gegenüber. Ein wirtschaftlicherStrukturwandelnach 1945wardieFolge(vgl. Hüttmann2012:7ff).

AufderPotsdamerKonferenzimAugust1945beschlossendiegroßenSiegermächte,außerFrankreich,dieweiterenGeschickeDeutschlands.Manwarsicheinig,dassDeutschlandanderEntfachungeinesweiterenKriegesgehindertwerdenunddieentstandenenKriegsschädenwiedergutmachenmuss(vgl.Pötzsch1998:39ff).Die durchdeninPotsdamgebildet-en Kontrollrat vereinbarten Reparationen und Demontagen sollten die Wirtschaft derartschwächen,dassderStandvon1932,alsodemHöhepunktderWeltwirtschaftskrise,wiedererreicht wird. Die westlichen Alliierten nahmen sich jedoch nur ein Drittel der vereinbartenProduktionsmittel. Anders sah es in der SBZ aus. Einige Industriezweige mussten Demontagen bis zu 80 Prozent hinnehmen. Hunderte Großbetriebe wurden in SAG umgewandeltund produzierten somit ausschließlich für die Sowjetunion. Pötzsch fasst die Situation zusammen:„DieBevölkerungdessowjetischbesetztenTeilsDeutschlandshatdamitproKopfeinVielfachesdessenaufbringenmüssen,wasdieBevölkerungderdreiWestzonenanReparationengeleistethat.“ (1998:40f).

In den Westzonen wurden die Grundlagen für den deutschen Föderalismus geschaffen.Fortan wurde für die drei Westzonen der demokratische Aufbau vorangetrieben und eineVerfassungausgearbeitet(vgl.Sontheimer/Bleek1997:24ff).

Im Gegenteil zu der Schaffung einer bürgerlich-liberalen Demokratie im kapitalistischenWirtschaftssystemdesWestens,wurdengrundlegendeÄnderungeninderSBZangestrebt.DiesozialeundwirtschaftlicheEntwicklungnachsowjetischenVorstellungen,inklusiveEnteignungen von Grund und Betrieben, ging einher mit der Erstarkung der Kommunisten. ImApril 1946 wurde die sozialistische Einheitspartei SED, eine kommunistische Partei nachsowjetischemMuster,gegründet.

DieinOstundWestsichtbargrundlegendverschiedenenInteressenmachtendieGründungzweier deutscher Staaten unabdingbar. Sontheimer und Bleek führen weiter aus, dass diedeutsch-deutsche Teilung das Produkt des Kalten Krieges (1949 bis 1989/90), zwischendenBesatzungsmächten,war.(1997:24)

Dieser kurze geschichtliche Überblick zeigt die Bedingtheit der unterschiedlichen Entwicklungender ZonennachderKapitulationindirekterAbhängigkeitzuden Besatzernauf.

1.2 DieBundesrepublikDeutschlandbiszurWiedervereinigung

1.2.1 GeschichteundPolitischesSystem

DerhierbeschriebenekurzeÜberblickdientzurErläuterungmöglicherParallelenoderauchGegensätze zur Geschichte der DDR. Im Zentrum der Ausführungen stehen SozialisationundfinanzielleVoraussetzungenderBürgeralsHinleitungzum Spendenverhaltenheute.

EineKriegsfolgewardieInflation.IhrbegegnetemaninderwestlichenBesatzungszonemitder Währungsreform1 am 2. Juni 1948 (vgl. Pötzsch 1998: 63 ff). Mit Ludwig Erhard alsWirtschaftsministerentschiedmansichfürdieEinführungdersozialenMarktwirtschaft. „Wohlstand für alle“, auf Basis von Steuergesetzen und Gesetzen gegen WettbewerbsbeschränkungzurUnterbindungvonMachtkonzentration,soPötzschweiter(1998:91ff),alsobasierend auf einem Ordnungssystem, was nicht auf staatlich geplante und gelenkte Zentralverwaltungswirtschaft,wieindenkommunistischenStaatenüblich,aufbaut(vgl.Sontheimer/Bleek 1997:121).

ZeitgleichmitderWährungsreformverabschiedetederamerikanischeAußenministerGeorgeC.MarshalleininternationalesHilfsprogramm,denMarshallplan.Umeinwirtschaftlich und politisch stabiles Europa zu sichern, musste die westdeutsche Wirtschaft florieren.Von 1948 bis 1952 erhielt Westdeutschland einen Kredit sowie Hilfslieferungen. Später einigte man sich auf eine teilweise Tilgung des Kredites. Der Marshallplan war nicht nur dasTicket zurück in die Staatengemeinschaft und auf den Weltmarkt, er war, wenn auch wissenschaftlich nicht belegt,eineZutatfürdas„Wirtschaftswunder“(Pötzsch1998: 51f).

Am 23. Mai 19492 wurde die Bundesrepublik Deutschland gegründet (Pötzsch 1998: 80 ff).Mit Ende der 1950er Jahre wuchsen die Spannungen zwischen Ost und West. Infolgedessen begann am 13. August 1961 der Bau der Mauer sowie die Errichtung der Grenze. DieAuswirkungenwarenweitreichend(Hüttmann2012:19f).

Die Betrachtung der Einkommenssituation mit Gründung der BRD zeigt, dass der vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer 1949 mit monatlich rund 237 Deutsche Mark anfangs weniger als sein „Kollege“ im Osten verdiente. Bis zur Wiedervereinigung stiegen die Durchschnittseinkommen im Westen auf 3.340 DM erheblich an (Statista GmbH 1990). In der DDR lag 1989 das Durchschnittseinkommen bei 1.300 Mark der DDR.

1.2.2 Entstehung des Spendenwesens der BRD als Grundlage des heutigen Fundraisings

WichtigeVoraussetzungenfürdasSpendenwesenschafftediebundesdeutscheSozialpolitik. Die steuerliche Absetzbarkeit von Spenden3, die Wettbewerbsbeschränkung4 oder werbewirksame Beteiligung durch Politiker bei Spendenaufrufen waren nur einige staatlich gelenkteEinflüsse(Lingelbach2009:80).SofördertensiealsSchirmherren5dasSpendenwesen und brachten damit bestimmten Organisationen einen Wettbewerbsvorteil. BeworbeneEinrichtungenwarenfreieWohlfahrtsverbände,derDeutscheAusschussfürdenKampfgegen den Hunger oder das Müttergenesungswerk. Besonders ragte 1958 die politische Unterstützungfürdas Kuratorium Unteilbares Deutschlandheraus.6 (ebd.104ff).

Mit den beginnenden 1950er Jahren wuchs das staatliche Interesse an nichtstaatlichenSpendenaktivitäten7.StaatlicheEtatswurdenentlastet,denSpitzenverbänden (AWO,Caritas,ParitätDRK,Diakonie,ZWST.)wurdeeine besondere Stellung zugebilligt und das sozialmoralische Milieu gestärkt. Die Beeinflussung desSpendenmarktesdurchstaatlicheInstanzenbestandnichtzuletztinderSozialpolitikansich und an Finanztransfers an bestimmte Wohltätigkeitsorganisationen (Lingelbach 2009:79 f).

Mithilfe von Steuervergünstigungen förderte oder beeinflusste der Staat die Spendentätigkeit. Das Einkommens- und auch das Körperschaftssteuergesetz sahen für Spenden, Zuwendungen und Mitgliedsbeiträge Steuervergünstigungen bis zu einer Höchstgrenze von 5Prozent des steuerpflichtigen Einkommens vor. Die steuerbegünstigten Sammler waren ab1949 klar definiert. Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege, Fürsorge für Verfolgte,Flüchtlinge,VertriebeneundKriegsopfer,RettungausLebensgefahr,FörderungdesSports,der Kunst und der internationalen Verständigung waren die begünstigten Zwecke (Lingelbach2009:103).

Die Einführung sozialer Sicherungssysteme ließen bei der Bevölkerung den Schluss zu, dass es kaum noch Bedürftige gäbe und diese durch Steuer- und Versicherungszahlungen unterstützt würden. Die Spender wandten ihre Unterstützung folglich anderen Zwecken, wie Natur- und Umweltschutz und der Unterstützung ausländischer Bedürftiger, zu. Mit Verabschiedung des Bundessozialhilfe- und des Jugendwohlfahrtgesetzes 1961 erlangte das Subsidiaritätsprinzip in der sozialen Arbeit wieder (Wie in der Weimarer Republik (ebd.).) an Bedeutung. Der Staat überließ den freien Wohlfahrtsverbänden die Erledigung sozialer Dienste und unterstützte sie mit öffentlichen Mitteln. Die mittlerweile zu Dienstleistungsunternehmen herangewachsenen Verbände waren somit unabhängig von privaten Spendengeldern (Lingelbach 2009: 106 ff).

BrotfürdieWeltundMisereorhattenzurAufgabe,notleidendenMenschen„HilfezurSelbst-hilfe“ zu ermöglichen. Darüber hinaus sollten die dekolonialisierten Länder damit von demWegindenKommunismusabgehaltenwerden.BeideKollekten-AktionenwareneinMeilensteinimbundesdeutschenSpendenmarkt,dasiedieBevölkerungzunennenswertenSpendensummen animierten, indem der Spendenzweck akzeptiert und die Träger als seriös anerkannt waren. Lingelbach stellt als bedeutende Wettbewerbsvorteile der Kirchen die Möglichkeit der Sammlung im Rahmen der Gottesdienste heraus. Zudem genießen die Kirchenein Grundvertrauen was auch trotz Entkirchlichung ab den 1960er Jahren den Spendenzulauf anwachsen lies(Lingelbach 2009:136f).

HilfenfürLänderderDrittenWeltbrachtenInteressenskonflikteundMachtkämpfeinnerhalbbestimmter Länder mit sich. Engagement für ethnisch und religiös geteilte Gebiete, Kriegsregionen,ehemaligeKolonialgebieteundLänder,jenseitsdesEisernenVorhangs,konnten einer Instrumentalisierung nicht entgehen9. Die Politisierung der bundesdeutschen Spendenaktionen wirktesichEndeder1960erJahreaufdasSpendenwesenausundbewirkteinden1970erJahreneinenZuwachsanParteimitgliedernundbeiderWahlbeteiligung (Vgl.hierzu:Knoch(2007:9ff).)Das politische Interesse der Bevölkerung wuchs. Auch kirchliche Organisationen agierten politischerundthematisiertenMenschenrechteals„Gottesrechte“.(Lingelbach2009:304f).

DiewachsendePolitisierungbrachteneueOrganisationenhervor.Indenspäten1960erund1970er Jahren entstanden, oft lokalen Ursprungs, Organisationen mit politischen Spenden-zwecken. Diese Gruppen erhofften sich eine strikte Reform der Entwicklungshilfepolitik10.Brot für die Welt wurde vorgeworfen, nur die Symptome der Armut nicht die Ursachen zubekämpfen und nur die revolutionären Kräfte zu unterstützen. Den konfessionellen Organisationen schlug Skepsis der Bevölkerung entgegen, da die Missionsarbeit als Politisierungim SinnederwestlichenKapitalisierung gedeutetwurde (Lingelbach 2009:306f).

Inden1980erJahrenprägtediestaatlicheEntwicklungspolitikeinwirtschaftlichesInteresseaus.DiestaatlicheFörderungderNROwuchsschnelleralsdieSpendeneinnahmen.MitderAufforderungandieNROsichaktivanderentwicklungspolitischenArbeitzubeteiligen,wardieHoffnungandieEntwicklungdesDrittenSektorunübersehbar(Olejniczak1999:141).

1.2.2.1 Rolleder Medien

Die Medien spielen eine maßgebliche Rolle für das Spendenwesen. Aus Sicht der Organisationen fungieren sie nicht nur als Türöffner, sie können auch durch kritische Berichte dasGegenteil bewirken. Der potenzielle Spender kann sich wiederum über Notstände und dieSeriositätvonNROinformieren,umeineEntscheidungzutreffen(Lingelbach 2009:22f).

Kritische Berichte, etwa wegen Veruntreuung der Spendengelder und zu hohen Verwaltungskosten, warnten die Spender. Zahlenmäßig waren die Negativberichte überschaubarund kaum gegen die Wohlfahrtsverbände gerichtet. Dies stellte wiederum einen WettbewerbsvorteilfürdieWohlfahrtsverbändedar(Lingelbach 2009:209f).

Mit der Liberalisierung des Spendenmarktes und Aufhebung des bundesdeutschen Sammlungsgesetzes erstarkte der Einfluss der Medien. In den auslaufenden 1960er Jahren er-langten die Medien einen, den Spendenmarkt regulierenden Einfluss. Die Werbung in denMedien, wie Berichterstattungen oder Anzeigen, waren für den Bekanntheitsgrad aus-schlaggebend. Aus dem Schatten der Wohlfahrtsverbände traten in den Medien teils jungeOrganisationen11mitSpendenaufforderungenhervor.AuchdieFernsehberichterstattunger-reichteimmermehrMenschen.SchockbilderausKatastrophen-oderKrisengebietenindenPrintmedien bewirkten einen intensiveren Hilfsimpuls. Direkte Nennung einer OrganisationinBezugaufUnglückemultipliziertedas Spendenaufkommen(Lingelbach2009:276f).

Die Medien, zunehmend auch die sozialen Netzwerke, bringen die Katastrophen-MeldungensehrnahandenRezipientenunderzielenmitihrenBildernOhnmachtundMitleid.Herausforderung für Berichterstatter und Redakteure ist der Brückenschlag zwischen Aufklärungspflicht12 und Wecken emotionaler Betroffenheit. Sie tragen die Verantwortung für dieAuswahlder zuübermittelndenInformationen (Moke/Rüther2013:171ff).

1.3 DieDeutscheDemokratischeRepublik

1.3.1 GeschichteundPolitisches System

Die Betrachtung der Geschichte der DDR - samt Ideologie und Sozialisierung der Bürger -wird näher erläutert, da hier mögliche Ursachen und Auswirkungen der Weltanschauungeines Großteils derOstdeutschen Anfangdes 21.Jahrhundertszuvermuten ist.

Vor der Gründung der DDR versuchte die SED vergeblich durch die Volkskongressbewegung13dieGründungderBRD,zugunsteneineseinheitlichenStaates,zuverhindern (Pötzsch 1998: 72 ff). Die aus Einheitslisten hervorgegangene „Provisorische Volkskammer“gründete am 7. Oktober 1949 den ersten „Arbeiter- und Bauernstaat“14. Trotz, dass formaleineMehrparteienlandschaftexistierte,warunterdemSchutzderSowjetunion,dieSEDdieführendeKraft(Mählert2017:25ff).

PolitischeundwirtschaftlicheHerausforderungenunddamiteinhergehendeUnzufriedenheitder Bevölkerung brachten die SED- und Staatsspitze dazu, gegen die eigene BevölkerungdenKaltenKriegzueröffnen.DieaufgebrachteBevölkerungbracham17.Juni1953in700Städten und Gemeinden zu Demonstrationen und Streiks auf. Zu den ökonomischen ForderungenwurdenRufenachDemokratie,EinheitundfreienWahlenlaut.Sieflankiertenden

„Arbeiteraufstand“15, welcher durch russische Panzer gestoppt wurde. 10.000 Festnahmenund 55 Menschenleben waren die negative Bilanz - aus der „Faschistischen Provokation“vonaußen-wie der SED-Apparatproklamierte(Mählert 2017:29ff).

Mit dem Jahresbeginn 1960 setzte die SED-Regierung, nach sowjetischem Vorbild, dieMassenkollektivierung von Bauern durch. Sie wurden gezwungen, Ackerland, Betriebsteile und -vermögen in die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften einzubringen.16Die Versorgungslage verschlimmerte sich und die Unzufriedenheit der Bevölkerung erreichte ein Niveau, das auch die Zahl der Republikflüchtlinge17 drastisch steigen ließ. Folglich begannen im August 1961 Volkspolizei, NVA und Betriebskampftruppen mit dem BauderBerlinerMauer18umein„AusblutenderDDR“zuverhindern(Pötzsch1998:156ff).Der nun erreichte Wendepunkt in der Geschichte der DDR nötigte die SED-Führung, die Wirtschaft voranzubringen, um die Bevölkerung milde zu stimmen. Die Loslösung von der starren, zentralen Planwirtschaft brachte einen nennenswerten Aufschwung mit sich. Der Lebensstandard verbesserte sich spürbar. Ende der 1960-er Jahre wurde das „Experiment“abgebrochenunderneutderWegindiezentralePlanwirtschafteingeschlagen(ebd.).

Die marxistisch-leninistische Staats- und Rechtsauffassung schloss eine neutrale Rechtsordnung aus. Die in der DDR-Verfassung verankerten Grundrechte (Art. 27 – 29) wie Freiheit, Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit wurden durch die Strafgesetzgebungdes SED-Regimes stark eingeschränkt (Mihr 2002: 33 f). Mit dem Beitritt in die UNO, 1973,erkannte die DDR die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte19 offiziell an, obwohl dieSEDeinanderesMenschenrechtsverständnishatte.„DamitunterstrichendieIdeologen, dass es allein der politischen Elite der DDR oblag, festzulegen, welche Rechte dem einzelnenDDR-BürgerzustandenundwieflexibelsiejenachpolitischerStimmungzuhandhaben waren.“ (Mihr 2002: 37). Auch die KSZE-Schlussakte von Helsinki aus dem Jahr 1975 beinhaltete wesentliche politische Menschenrechte und hatte weitreichende Folgen für denStaat. Die Bevölkerung bestand auf Reisefreiheit, Informationsfreiheit und Familienzusammenführungen. In den darauffolgenden Jahren regierte die SED mit einer Strafrechtsreform20.DieÄnderungvon1979hatteeineBeschneidungderpolitischenFreiheits-undMenschenrechtezumInhalt. Zuwiderhandlungenwurden vomMfS geahndet(ebd.).

Der „gemeinsame antiimperialistische Kampf" sowie die „solidarische Unterstützung" dernationalen Befreiungsbewegung gelten als immerwährende Grundprinzipien der Außenpolitik21,22 des zweiten deutschen Staates, die tatkräftige Solidarität23 mit der nationalen Befreiungsbewegungals„Herzenssache"einesjedenBürgersinderDDR(vgl.Spanger/Brock1987:159).

In den 1970er Jahren nahmen die DDR-Bürger erst durch die westliche MedienberichterstattungKenntnisvondenauchinderDDRgültigenMenschenrechtsverträgenund-abkommen. Folglich forderten immer mehr Bürger ihre Rechte ein. Sie forderten nicht allein Demokratie, tausende stellten Anträge auf die „Entlassung aus der DDR-Staatsbürgerschaft“.