Autor sucht Verleger - Wilhelm Ruprecht Frieling - E-Book

Autor sucht Verleger E-Book

Wilhelm Ruprecht Frieling

0,0

Beschreibung

Jahrhundertelang mussten Autoren auf der Suche nach einem Verleger die Rolle von Bittstellern einnehmen, um den Traum vom eigenen Buch zu verwirklichen. Im 21. Jahrhundert wird das grundlegend anders. Durch die digitale Revolution werden Verfasser unabhängig und zum Herrn ihrer eigenen Werke. Jedem, der schreibt, steht endlich der Buchmarkt offen. Die Macht der bisherigen Gatekeeper scheint gebrochen. Schlüssel für die Öffnung der Buchwelt ist der weltweite digitale Konsum. Der Eroberung des Musik- und Videomarkts folgt die Digitalisierung von Drucksachen, deren aktueller Höhepunkt die E-Book-Revolution darstellt. Damit schlägt die Stunde der Independent-Autoren. Denn die Erfindung des Elektrobuchs sowie die Bereitstellung mächtiger Vertriebsplattformen gibt jedem, der gern schreibt, Unabhängigkeit und lässt ihn künftig selbstbestimmt und frei handeln. Das Blatt wendet sich damit zugunsten der Autoren, und selbst renommierte Verlage kommen spürbar ins Schwanken. Verleger suchen verbissen nach unverbrauchten Talenten im Internet. Sie spüren Begabungen auf, die bislang von ihnen ignoriert wurden. Autoren nutzen die Chancen dieser Entwicklung und gewinnen dabei.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 142

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Ein Leben mit Büchern

Ich mag Bücher. Mein gesamtes Leben habe ich mit Büchern verbracht, und ich gedenke, es mit diesen wundervollen Zeitzeugen zu beschließen. Stets habe ich vom Schreiben geträumt und Energie investiert, um meinen Traum vom eigenen Buch zu verwirklichen. Als ich ihn verwirklicht hatte, träumte ich weiter und wollte mehr, und es wurden mehr und mehr Titel. Ich schrieb und veröffentlichte und bin dennoch an einem Punkt angekommen, wo ich brechen könnte, wenn ich mir anschaue, wer und was derzeit den Markt überschwemmt.

Die großen Verlage suchen sich Gesichter, die Onkel Otto und Tante Trude von der Guckkastenbühne kennen, geben ihnen ein mehr oder weniger sinnloses Thema und veröffentlichen die halbgaren Ergebnisse zwischen zwei Buchdeckeln.

»Wollen Sie ein Buch über das Abnehmen schreiben«, wird ein Gast aus der Kochsendung gefragt, »oder lieber eins über Depressionen«?

Dann lädt der eine Moderator den anderen in seine Show ein und rühmt nach dem Prinzip, wonach eine Hand die andere wäscht, dessen Kopfgeburt. Im Ergebnis wird manche Partie des Werkes verkauft, der Überhang landet auf dem Marktplatz der Resteverwerter. Selbst drittklassige Moderatoren, die aus einer Live-Sendung wie »Zimmer frei« davonliefen, weil sie sich als Analphabeten entlarvt sahen, veröffentlichen mittlerweile Bücher.

Trotz dämmernder Wirtschaftskrise und geplatzter Finanzblase werden mehr Buchtitel denn je veröffentlicht. Die geschwinde Entwicklung der Technik trägt dazu bei, die Herstellungspreise zu senken und das Einzelrisiko zu minimieren. Es kann deshalb immer schneller Frischfleisch auf den Marktplatz der Sensationen geworfen werden, ohne dass es zu nennenswerten Verlusten kommt. Im Gegenteil: Es wird sogar Gewinn gemacht, zumal die Titel blöder und anspruchsloser werden.

An diesem Absturz ins niveaulose Nichts setzte ein Kritiker wie der mittlerweile im Bücherhimmel thronende Marcel Reich-Ranicki an, der die Annahme eines Fernsehpreises verweigerte: Ein immer primitiver werdendes Fernsehprogramm wirkt sich deutlich in andere kulturelle Bereiche aus und spiegelt sich voll in der Buchproduktion wider. Die Schnittmenge der beiden Medien ist ein wachsender Müllberg.

Was ist das überhaupt für ein wunscherfüllender Traum, ein Buch veröffentlichen zu wollen? Historisch betrachtet, war es eine kulturelle Großtat, ein Buch zu verfassen und zu veröffentlichen. Deutschland wurde damit zum Land der Dichter und Denker. Es gehörte, schon weil es anfangs mit der Hand, später mit der mechanischen Schreibmaschine erstellt wurde, erst einmal eine gewaltige Portion Zeit dazu, einen umfangreichen Text auf Papier zu bringen und Stück für Stück zu redigieren.

Meine ersten Texte schrieb ich mit einer mechanischen Reiseschreibmaschine, zwischen die Blätter wurde ein färbendes Kohlepapier gelegt, um Durchschläge zu erhalten. Hatte ich mich nur einmal vertippt, musste die Seite neu geschrieben werden. Alternativ wurde später eine Flasche hochgiftiges Tipp-Ex gezückt, der Schreibfehler weiß übertüncht und neu getippt. Da dies aber deutlich sichtbar war, kam es für mich nicht in Frage, und ich begann wieder von vorn mit der elenden Tipperei.

Glücklich schätzten sich Autoren, die über ein Maschinenfräulein verfügten oder es, wie weiland Karl May, heirateten, weil Ehefrau Nummer eins sich weigerte, die Manuskripte des Gatten zu lesen. Im Zeitalter elektronischer Textverarbeitung wirkten derartige Erlebnisse wie der Kampf der Steinzeitmenschen gegen die Nachfahren des Tyrannosaurus Rex. Doch technische Überlegungen beantworten nicht die Frage, wie ein gutes Buch entsteht.

Wie entsteht ein gutes Buch?

»Wie schreibe ich eigentlich ein gutes Buch«, fragt Sabine Gerolts aus Remscheid. – Im Laufe meines Lebens bin ich so oft mit dieser Frage konfrontiert worden, dass ich selbst auf die Suche nach einer Antwort ging. Ich war es leid, immer antworten zu müssen: »Keine Ahnung. Woher soll ich es denn wissen?« Denn die Fragesteller antworteten darauf meistens: »Sie haben doch selbst mehrere Dutzend Bücher verfasst und damit Erfolg gehabt. Also müssen Sie es doch wissen!«

Ich begann nachzudenken, ob ich alles einem gütigen Schicksal überlassen habe. Aus diesem Prozess entstand eine Reihe von Ratgebern für Autoren.

Die meisten, die fragen, wie man ein gutes Buch schreibt, träumen davon, einen fetten Roman zu schreiben. Einen Roman, der seinen Lesern schlaflose Nächte bereitet, ihn in Fieberträumen immer wieder zu dem Text greifen lässt und seinen Autor unsagbar reich macht. Es fallen Namen wie Joanne K. Rowling, die sieben Bände um den Zauberlehrling Harry Potter schrieb und damit zur Multimillionärin wurde.

Kaum jemand weiß, dass die Schöpferin der Potter-Welt den ersten Roman der Serie, »Harry Potter und der Stein der Weisen«, im Juni 1997 in einer Startauflage von lächerlichen 500 Exemplaren veröffentlichte. 500 Exemplare!

Der Welterfolg stellte sich erst später ein. Aktuell wurde die gesamte Buchreihe um den Zauberlehrling weltweit über 500 Millionen Mal verkauft und in 80 Sprechen übersetzt. Damit war Rowling die erste Schriftstellerin der Weltgeschichte, die mit ihren Werken eine Milliarde US-Dollar verdiente. 2018 landete sie mit einem Einkommen von 54 Millionen Dollar auf Platz 2 der weltweit bestbezahlten Autoren.

ABER: Sie hat hart dafür lernen und arbeiten müssen.

Jüngere Schreibwütige zitieren gern Amanda Hocking, eine ehemalige Altenpflegerin aus den USA, die Vampirromane verfasst und diese als E-Books veröffentlichte. Obwohl ihre ersten Texte mit Rechtschreibfehlern gespickt waren, machten ihre Fans sie quasi über Nacht um zehn Millionen Dollar reicher und berühmt. So schwer kann es kaum sein, mit dem Schreiben Erfolg zu haben und ein gutes Auskommen zu finden, lautet die Schlussfolgerung aus der Erfolgsgeschichte der Autorin.

Menschen, die vom Schreiben träumen, werden von diesen Geschichten angesteckt. Sie schauen in den Spiegel und sagen selbstbewusst: »Was die schaffen, das schaffe ich auch«. Zuversichtlich setzen sie sich vor ein leeres Blatt Papier oder schalten ihren Computer an, öffnen ein Textprogramm und fangen an.

Unter Umständen gibt es das eine oder andere Naturtalent, das in einem gewaltigen Schreibrausch einen Roman zu Papier bringt, vor dem sich die Leserschaft in Zukunft verneigt. Wenn Sie zu diesen Talenten zählen, dann geben Sie das vorliegende Buch wieder zurück, denn ich kann nicht helfen. Ich erarbeitete meine Texte stets hart und kämpfte um jede Sprosse auf der Erfolgsleiter.

Andere kauen auf ihren Bleistiften, werfen den alles entscheidenden ersten Satz und schaffen einen zweiten. Dann kratzen sie sich am Kinn, raufen sich die Haare und gehen erst einmal in die Küche, um sich eine Tasse Kaffee oder Tee zu bereiten, die Inspiration schenken soll. Aber zwischen Schreibtisch und Küche verschwindet der kreative Fluss der Worte.

Wiederum andere entwerfen konzentriert Seite um Seite. Sie schreiben am ersten Tag eine komplette Eröffnungsszene oder ein Kapitel. Das spornt an, täglich wird weiter gearbeitet, Zeile um Zeile wächst das Werk still vor sich hin. Doch nach drei, vier Wochen, vielleicht auch erst nach einigen Monaten, versiegt der Strom. Es entsteht eine Leere, der Workflow stoppt. Es geht nicht weiter.

Der Autor fängt an, den bisher erarbeiteten Text gründlich zu lesen, er entdeckt Schwächen und Bruchstellen, findet Ungereimtheiten, fehlerhafte Bilder oder einen neuen Ansatz zum Thema. Im Ergebnis entsteht Frust, alles dauert zu lange, und der große Wurf will nicht so recht gelingen. – ja, wie soll er auch?

Unserem fiktiven Autor fehlt eine entscheidende Voraussetzung für sein Werk: Er hat das Handwerk des Schreibens nicht gelernt. Er setzt sich hin, erklärt sich zum Schriftsteller und legt los. Würde er so ein Haus bauen, ein Auto reparieren oder einen Garten anlegen? Wohl kaum, denn er hat es nicht gelernt.

Auf die Welt des Autors übertragen bedeutet dies, so hart es klingt: Unser fiktiver Autor kann möglicherweise überhaupt nicht schreiben. Er hat sich nicht einmal der Kopf darüber zerbrochen, ob es zum Schreiben ebenso wie bei Hausbau, Motorreparatur und Gartenbau grundlegender Kenntnisse und Fähigkeiten bedarf. Er legt los und erwartet ein Wunder.

Doch Wunder sind Raritäten …

Kann man Schreiben lernen?

Gut schreiben zu können, ist eine Kunst. Da Kunst vom Verb »können« stammt, ist eine gewisse Könnerschaft Grundvoraussetzung für eine Schreibe, die mitreißt und Leser in ihren Bann schlagen kann. Ich meine damit eine handwerkliche Grundausbildung, die zwingend durchlaufen werden muss, will man nach weiteren Gesellenjahren sein Können vervollkommnen und zur Meisterschaft bringen.

Niemand möchte gern erneut die Schulbank drücken oder in verstaubten Hörsälen sitzen. Das ist anstrengend, das ist mühsam. Bequemer ist, im sonnigen Garten zu sitzen, die Gedanken fließen zu lassen und zu Papier zu bringen. Es scheint schließlich recht einfach, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen und daraus ein größeres Werk zu formen, um sich dann möglichst rasch im Beifall der Leser sonnen zu können.

Ich kenne zahlreiche Autoren, die es geschafft haben, ein formal abgeschlossenes Werk zu schreiben und es zu veröffentlichen. Der eine oder andere mag zuvor bei der Suche nach einem geeigneten Verlag graue Haare bekommen haben. Einige haben ihre Spardose geplündert und sind zu Dienstleistern gegangen, die ihr Buch kostenpflichtig veröffentlichten. Andere haben sich zu Selbstverlegern aufgeschwungen und ihre Bücher drucken oder als E-Book verbreiten lassen. Doch bald darauf saßen sie wie die Schamanen in der Wüste, trommelten, sangen und tanzten, um den Regengott zu bitten, die Himmelspforten zu öffnen. Doch der Regen, sprich: die Leser, sie blieben aus.

Diejenigen Autoren hingegen, die sich zuvor mit dem Handwerk des Schreibens auseinandergesetzt hatten, standen besser da. Sie waren meist auch weitaus erfolgreicher. Deshalb halte ich es für konsequent, als erste Antwort auf die Frage, wie man ein Buch schreibt, zu sagen: Erlernen Sie zuerst einmal das Schreiben. Schauen Sie, ob es Regeln gibt, die weiterhelfen, ob Techniken zur Verfügung stehen, die beflügeln, ob Instrumente existieren, die bei der Arbeit helfen.

Es gibt Schreiblabore, Autorenwerkstätten, Schreibschulen, Kreativkurse an Volkshochschulen und viele weitere Möglichkeiten, sich mit dem Regelwerk des Schreibens vertraut zu machen. Wer das erforderliche Kleingeld hat, kann einen Schreibtrainer oder Coach verpflichten, der ihn begleitet. All das kann im konkreten Einzelfall nützlich und angemessen sein. Doch erstens gibt es diese Angebote nicht überall, zweitens kosten sie oft Geld, und drittens werden sie höchst unterschiedlich bewertet. Dabei gibt es einen Weg, sich kostenlos mit den Grundregeln zu beschäftigen und dabei zu lernen.

Kostenlos ist es, jeden Tag ein Stündchen zu lesen. Diese Art des Lernens ist nicht nur ortsunabhängig und gratis; sie macht darüber hinaus Spaß! Es existiert keine bessere Schule des Schreibens, als von anderen Autoren zu lernen. Damit meine ich keineswegs, Autoren zu imitieren oder ihren Stil nachzuahmen.

Mit Lernen meine ich das intuitive Aufnehmen eines Textes und das Analysieren seines Handlungsgerüstes, das Betrachten der Figuren samt ihres Auftretens und Abgangs im Text, die Beobachtung des Umgangs mit Dialogen sowie des Einsatzes von Stilmitteln, Satzbau, Färbung und Musikalität.

Für einen solchen bewusst gewählten ersten Schritt in die Welt des Schreibens sind fette Romane eher ungeeignet und oft zu unübersichtlich. Optimal geeignet sind kurze Geschichten, die in einem Rutsch gelesen und in aller Ruhe betrachtet, beleuchtet, gedreht und gewendet werden können.

Ich mag Mark Twain. Lange bevor dieser Autor mit seinen Weltbestsellern »Tom Sawyer« und »Huckleberry Finn« berühmt wurde, schrieb er kurze Erzählungen. Diese trug er mit großem Effekt als Stand-up-Comedian frei improvisierend vor. Wilde Übertreibungen und Lügengeschichten prägten den oft grotesken und satirischen Charakter seines Frühwerks.

Mark Twain verbrachte jede freie Minute in öffentlichen Bibliotheken und las Klassiker. Er betrieb ein systematisches Selbst-Bildungsprogramm, das er in seinen Artikeln und Geschichten anwandte. Mit 30 Lenzen wurde er erstmals bekannt durch eine Humoreske unter dem Titel »Der berühmte Springfrosch von Calaveras«. Erst Jahrzehnte später schlug er mit seinen Abenteuerbüchern zu, und zuvor kaufte er sogar eine Beteiligung an einer Zeitung, um die eigene Bekanntheit zu fördern.

Warum erwähne ich Mark Twain? – Aus meiner Sicht ist er ein Beispiel für einen Vollblutschreiber, der systematisch vorging. Er bildete sich am Werk anderer Autoren, er las unentwegt, sezierte, analysierte und verglich. Dann begann er mit kleinen Episoden und Geschichten, um sich zu üben. Nach langen Gesellenjahren schrieb er umfangreichere Stücke, um beim Roman zu landen.

Ray Bradbury ist ein Autor, den ich ebenfalls seit Jahrzehnten lese und zitiere, weil ich von ihm und seinen Techniken gelernt habe. Der Verfasser von »Fahrenheit 451« und anderen großen Romanen erzählt gern selbst, welch langer Weg ihn zum Verfassen seiner Romane führte.

Der Spezialist für Zukunftsliteratur begann mit kurzen Texten, die überschaubar waren und möglichst in einem Rutsch geschrieben werden konnten. Er las unentwegt und bildete sich selbst fort. Im Ergebnis schrieb er mehr als 30 Bücher, 600 Geschichten, Drehbücher, Storyboards und kassierte dafür jeden nur denkbaren Literaturpreis. Einige seiner Theorien zum Thema Schreiben veröffentlichte er in der Sammlung »Zen in the Art of Writing«.

Bradburys dringende Empfehlung lautet, auf keinen Fall mit einem umfangreichen Werk zu beginnen, wenn nicht jahrelange Übung im Notieren kürzerer Geschichten und Erzählungen vorhanden ist. Er ist ein überzeugter Verfechter der Entwicklungstheorie des Schreibens.

Aus Bradburys Sicht wächst der Autor, wenn er mit kurzen und überschaubaren Artikeln beginnt. Mein eigener Werdegang, ich begann mit ultrakurzen journalistischen Texten in einer Schülerzeitung, bestätigt diese Theorie.

Stephen King, den König der Horrorliteratur, rufe ich als dritten Autor in den Zeugenstand. Er bringt seine Auffassung in seinem Werk »Das Leben und das Schreiben« in zwei simplen Thesen auf den Punkt:

»Erstens: Um gut zu schreiben, muss man die Grundlagen beherrschen (Wortschatz, Grammatik, Stilistik) und die dritte Ebene des Werkzeugkastens mit dem richtigen Werkzeug bestücken. Zweitens: Zwar kann man aus einem schlechten Schriftsteller keinen begabten und aus einem guten Schriftsteller kein Genie machen, doch ist es mit sehr viel harter Arbeit, Hingabe und Unterstützung im richtigen Moment durchaus möglich, von einem begabten zu einem guten Autor zu werden.«

King gehört zur aussterbenden Generation der Schriftsteller, die zuerst Lesen und Schreiben lernten. Er meint: »Bekäme ich fünf Cent für jeden Menschen, der mir gesagt hat, er wolle gerne Schriftsteller werden, habe aber keine Zeit zum Lesen, könnte ich mir ein ganz ordentliches Steak leisten. Darf ich Tacheles reden? Wenn Sie keine Zeit zum Lesen haben, haben Sie auch keine Zeit zum Schreiben (und auch nicht das Werkzeug). So einfach ist das. Lesen ist das Kreativzentrum im Leben eines Schreibers. Ich habe immer ein Buch dabei und finde immer wieder Gelegenheit, meine Nase hineinzustecken. Man muss sich nur angewöhnen, in kleinen wie in großen Einheiten lesen zu können. Wartezimmer beispielsweise wurden eigens für Bücher erfunden!«

Der Buchmarkt öffnet sich

Weltweit wird zunehmend digital konsumiert. Menschliche Leistung wird durch rechnergestützte Maschinen abgelöst und enorm beschleunigt. Mit künstlicher Intelligenz bestückte Apparate erwachen zu eigenem Leben und lernen eigenständig und schnell. Fahrzeuge mit alternativen Antriebskräften hängen stinkende Benzinkutschen ab. Blutjunge Garagenunternehmen fressen eingefahrene Traditionsunternehmen. Ganze Bibliotheken finden in einem Taschenrechner Platz.

Werden wir uns täglich neu bewusst: Wir sind Zeugen eine der größten Explosionen in der Sozialgeschichte der Menschheit. Kein früheres Jahrhundert hat unsere Medienlandschaft stärker verändert und scheinbar Unmögliches ermöglicht.

Ältere Semester erinnern sich: In einem erbitterten Formatkrieg um das Videoformat in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren setzte sich VHS gegenüber Betamax und Video 2000 / VCR durch und übernahm damit den Videomarkt.

Beim großen Streit über die Zukunft des Farbfernsehens ging es 1987 um die Normierung des Fernsehbildes. Zwischen dem 1966 entwickelten französischen System Secam, das vom Ostblock übernommen wurde und dem westeuropäischen PAL kam es zu einem Kampf der Welten.

Die Eroberung des Musikmarkts erfolgte über die Veränderung der Hardware vom klassisch-gespulten Tonband über die Kassette hin zum Chip in miniaturkleinen Sendeanstalten für die Westentasche. Die Musik selbst wurde von Schallplatte und CD bis hin zur digitalen Aufbewahrung der Audiodateien in einer Cloud genannten virtuellen Wolke geparkt, die auf Serverparks in den USA auf Abruf wartet.

Es folgte die Digitalisierung der Schrift für den Massengebrauch, deren aktueller Höhepunkt die 2011 durch Amazons Kindle ausgelöste E-Book-Revolution darstellt. Parallel lief die Veränderung der Druckindustrie, die mit dem Begriff Book on demand das bedarfsgerechte Herstellen von kleinsten Auflagen für kleine Münze gestattet.

Spätestens damit schlug die Stunde der eigenständig denkenden Autoren. Denn die Erfindung des Elektrobuches sowie die Bereitstellung potenter Vertriebsplattformen schenkt jedem, der gern schreibt, Unabhängigkeit und lässt ihn selbstbestimmt und frei handeln. Das war zu Zeiten, in denen Bücher ausschließlich aus Papier und anderen Bedruckstoffen hergestellt wurden, unvorstellbar.

Die digitale Revolution ändert die Stellung der Autoren und geistigen Urheber. Jahrhundertelang hatten sie auf der Suche nach einem Verleger die Rolle von Bittstellern eingenommen, um den Traum vom eigenen Buch zu verwirklichen. Nun ist das grundlegend anders. Durch die Digitalisierung werden Verfasser unabhängig und zum Herrn ihrer eigenen Werke.

Das Blatt wendet sich zugunsten pfiffiger und innovativer Autoren, und selbst renommierte Verlage kommen spürbar ins Schwanken. Verleger suchen verbissen nach unverbrauchten Talenten im Internet. Sie spüren anhand von Verkaufslisten Begabungen auf, die bislang von ihnen ignoriert wurden. Autoren nutzen die Chancen dieser Entwicklung und gewinnen dabei.

Jedem, der schreibt, steht der gesamte Buchmarkt damit offen.

Eigeninitiative ist Trumpf

D