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Tausende E-Book-Autoren schauen täglich in die »Charts« von Amazon und hoffen darauf, dass ihr Buch raketenmäßig abhebt und sich zu einem Bestseller entwickelt. Die sich stündlich aktualisierenden Verkaufslisten des weltgrößten Buchhändlers gestatten exakte Kontrolle der Absatzentwicklung. Doch nur wenigen Autoren ist es vergönnt, nach oben zu kommen und sich zu einem Top-Autor zu entwickeln. Es liegt daher nahe, dass diejenigen, die es geschafft haben, sich über die Gründe und Methoden ihres Erfolges austauschen. Frieling versucht, in persönlichen Exklusivinterviews mit 28 deutschsprachigen Top-Autoren zu ergründen, wie E-Books erfolgreich verkauft werden können. Dieses inzwischen in neunter Auflage vorliegende Buch lässt ausschließlich Autoren zu Wort kommen, die selbst bewiesen haben, Spitzenumsätze zu erzielen.Die in ungewöhnlicher Offenheit geführten Zwiegespräche gestatten einen intimen Einblick in das Denken und Handeln derjenigen, die Amazons Bestsellerlisten anführen. Die Befragungen der Top-Autoren ergeben Tipps, Tricks und Techniken für jeden, der schreibt und vermitteln auch über erzielte Verkaufszahlen klare Aussagen. Auf unterhaltsame Weise erfährt der Leser viel über die Autoren, über ihre Bücher und ihren individuellen Weg zum erfolgreichen Selfpublisher seit der Einführung des Amazon Kindle im April 2011.
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Seitenzahl: 330
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April 2011: Kindle startet im deutschsprachigen Raum
Ruprecht Frieling: Zehntausend verkaufte E-Books sind keine Hürde
30 lange Jahre war ich als Verleger und Autor im klassischen Holzbuchverlag hauptberuflich aktiv. Nachdem ich 2003 meinen Verlag in jüngere Hände abgab und das Hamsterrad des kommerziellen Verlagswesens verließ, fand ich neuen Zugang zum Büchermachen: Die faszinierende Welt des digitalen Publizierens entfaltete sich wie eine Blume am Morgen. Ein neues, farbenprächtiges Kapitel der Geschichte des Buchhandels öffnete sich.
Ruprecht Frieling schildert eigene Erfahrungen:
Ich suchte und fand Innovationen wie die beeindruckend leistungsstarke Espresso-Buchmaschine in London, über die ich in meinem Buch »Autor sucht Verleger. Die digitale Alternative« berichte. Ich testete und schrieb in Blogs über Print on Demand und Book on Demand im Selbstversuch. Ich fuhr auf Tagungen und Kongresse und diskutierte dort meine Erfahrungen. Nun bedurfte es nur eines klitzekleinen Anstoßes, um vollständig in die Welt der elektronischen Bücher einzutauchen. Im April 2011 war es dann endlich so weit. Der Knoten platzte. Die deutsche Kindle-Plattform stand sperrangelweit offen.
Von meinen eigenen Büchern stellte ich diejenigen, deren elektronische Verwertungsrechte bei mir lagen, in den deutschen Kindle-Shop ein. Ich freute mich riesig darüber, einen relativ teuren Titel wie meine Autobiografie »Der Bücherprinz« nun wesentlich preiswerter als E-Book anbieten zu können. Auch meine Reportagebände »Angriff der Killerkekse«, »Marsmenschen auf Malle« und »Das Depot des Teufels« nahm ich mit an Bord. Jeden Tag strahlte ich aufs Neue über sonnige Absatzzahlen, die ich mit den identischen Titeln in gedruckter Form nicht erreichte. Mir wurde klar: Im Stückumsatz überholt das digitale Buch die Printausgabe.
Bei meinen Begegnungen mit Autoren auf Buchmessen, Lesungen, Seminaren und Fortbildungen fielen mir die detaillierten Fragen der Gesprächspartner und Zuhörer auf. Sie interessierte das fachliche Know-how der Verlagsbranche, das mir durch meinen Berufsweg in Fleisch und Blut übergegangen war. Vor allem Hintergrundinformationen waren gefragt. Es machte mir Freude, mein Wissen zu teilen und weiterzugeben.
Das Know-how der Branche ist Gold wert
Als immer mehr Fragen zum elektronischen Publizieren auf mich einprasselten, war die Zeit reif: Ich begann, die Antworten aufzuschreiben. So entstand mein systematischer Ratgeber zum Thema Kindle. Er trug den Titel »Kindle für Autoren oder: Wie veröffentliche ich ein E-Book auf Amazon.de?«
Meine Zielgruppe für die Publikation lag klar vor mir: Es sind Autoren, die selbst digital publizieren wollen. Es sind Verfasser, die bislang noch im Holzbereich verlegen und sich für Elektrobücher interessieren. Es handelt sich um Menschen, die darüber nachdenken oder davon träumen, ein Buch zu schreiben, jedoch noch nicht wissen, wie es zu veröffentlichen ist.
Offenbar gelang es mir, diese Zielgruppe auch zu erreichen, denn bereits im Juni 2011 schoss »Kindle für Autoren« ohne fremde Hilfe auf die vordersten Plätze der Amazon-Bestenliste. Das Do-it-yourself-Buch behauptete sich bei knapp 10.000 Verkäufen im ersten Kindle-Jahr mehr als 150 Tage in den Amazon Top-100-Verkaufscharts. Folge ich Amazons Leserstimmen und den vielen Fünf-Sterne-Rezensionen, dann handelte es sich sogar um DEN Ratgeber des Jahres. Ein steiler Aufstieg für einen kleinen Testballon!
Nischen finden und besiedeln
Zugkräftige Titel, attraktive Themen und mitreißende Texte entscheiden auch bei Elektrobüchern letztlich alles. Vielleicht könnte ich mit Veröffentlichungen in den Abteilungen Thriller, Fantasy, Horror oder Erotik größere Erfolge erzielen? – Derartiges wäre bestimmt möglich. – Doch in diesen Genres bin ich nicht daheim.
Schuster, bleib bei deinen Leisten, heißt es auch für Autoren. Wer etwas gut kann, sollte es pflegen und ausbauen. Authentizität ist angesagt. Meine Domäne sind Sachbuch und Reportage. Warum soll ich im Mainstream baden und irgendetwas publizieren, nur weil es gerade cosy ist?
Kein Leser greift freiwillig erneut zum Buch eines Autors, dessen Stil ihn bereits einmal gelangweilt hat. Der Leser will gut unterhalten werden, und ein Buch kommt dann an, wenn dessen Verfasser sein Thema beherrscht und im Kopf seiner Leser spazieren geht.
Es wird künftig sogar noch wichtiger, Qualitätsarbeit zu liefern, denn im E-Book-Bereich weht ein scharfer Wind. Der Wettbewerb findet nachvollziehbar und öffentlich statt. Das liegt am Transparenzverständnis des modernen Lesers. Dieser ist es als Digital Native gewohnt, seine Meinung in Rezensionen, Foren und Blogs zu formulieren und zu diskutieren.
Handwerk und Kunst des Schreibens
Schreiben ist Handwerk, das wird es auch in absehbarer Zukunft bleiben. Die Digitalisierung und Kindle verändern dies bislang nur insofern, als jeder Text schnell und ungeprüft zum E-Book verwandelt werden kann. Dies bedeutet für Autoren, die selbst veröffentlichen, eine ständige Gratwanderung zwischen Anspruch und Freiheit. E-Books bieten jedem die Chance, seinen Text unzensiert öffentlich feilzubieten. In dieser Chance liegt zugleich ein hohes Risiko.
Im Unterschied zu Veröffentlichungen großer Verlage, die vermeintliche Sicherheit eines Lektorats und Korrektorats suggerieren, arbeitet der E-Booker auf sich allein gestellt und bewusst juryfrei. Ihm allein obliegt die Sorgfaltspflicht bei Auswahl, Bearbeitung und Aufarbeitung seines Werkes, will er sein Publikum überzeugen und begeistern. Begeisterung aber ist der Schlüssel zum Schreiben UND zum Lesen. Ein Autor, der es schafft, den Funken auf seinen Leser überspringen zu lassen, kann im Publikum einen Steppenbrand entzünden.
Für Autoren ist die Veröffentlichung Traumziel. Dennoch ist die Veröffentlichung eines E-Books erst die halbe Miete. Denn jeder Autor möchte erleben, dass seinem Buch Flügel wachsen und es viele Leser findet.
Dabei hat derjenige gute Karten, der ausgezeichnet vernetzt ist. Bücher werden nicht allein dadurch verkauft, dass sie erhältlich sind. Es sei denn, der Autor ist eine in jeder Talkshow präsente prominente Figur oder bedient zufällig im richtigen Moment einen Hype.
Kein Verkauf ohne Reklame
Ansonsten garantiert das Einstellen in einen E-Book-Store und die bloße Verfügbarkeit bei Amazon noch keinen Cent Umsatz. Dies spüren viele E-Booker, die jeden Tag hoffnungsvoll ihre Verkaufsberichte aufrufen: Mehr als die Hälfte der Autoren verkauft weniger Bücher als er Finger an den Händen hat.
Zum Erfolg eines E-Books gehört Reklame. Die besten Promoter eines E-Books sind sein Verleger und sein Autor. Handelt es sich um eine Personalunion, dann liegt die volle Last auf den Schultern des Autors. Wer nun die Börse zückt und Anzeigen oder Werbespots für viel Geld schaltet, hat damit vielleicht Erfolg. Die Erfahrungen amerikanischer Erfolgsautoren sprechen indes dagegen. Besser ist es, auf denjenigen sozialen Gemeinschaften aufzubauen, in denen man aktiv ist und über sein Buch berichtet, Leseproben vorgestellt und Erfahrungsaustausch gesucht hat.
Es gilt, in Kanälen des Social Media eine Gemeinde oder einen Fanklub aufzubauen, die sich auf neue E-Books freuen, sie erwerben und die frohe Kunde verbreiten helfen.
Gute Bücher sind wie salziges Wasser: Je mehr der Leser davon trinkt, desto mehr will er davon haben. Der Zuspruch zufriedener Leser gibt dem Autor Aufwind.
Ein gutes Buch sagt das, was der größte Teil seiner Leser denkt oder fühlt, ohne es formulieren zu können. Ein mittelmäßiges Buch hingegen verkündet lediglich, was jeder X-Beliebige sagt.
Deshalb ist die Publikumsreaktion der wichtigste Antrieb des Autors: Sie hilft ihm, erfolgreich weiter zu schreiben und diejenigen Bücher zu verfassen, auf die sein Publikum hofft.
Emily Bold: Ich gefalle mir in der Rolle der unabhängigen Autorin
Emily Bold wurde 1980 in Bayern geboren, wo sie mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern lebt. Da sie im Kindesalter jedes Buch verschlang, lag der Gedanke nahe, selbst irgendwann einen Roman zu verfassen. Ihren Entschluss setzte sie 2008 in die Tat um und schrieb mit »Gefährliche Intrigen« ihren ersten historischen Liebesroman. Ihr zweites Werk ist »The Curse-Vanoras Fluch«, ein »All-Age«-Roman. »Mitternachtsfalke - Auf den Schwingen der Liebe« – wieder ein historischer Liebesroman – war Emilys dritter Roman, der im Dezember 2011 erschien.
Ruprecht Frieling interviewt Emily Bold:
Hallo Emily, alles klar für unser Gespräch über eine der erfolgreichsten E-Bookerinnen des Jahres 2011? Kinder in den Schrank gesperrt, Mann in die Küche befohlen?
Der Mann schafft Geld ran und wie ich mir die Kinder vom Hals halte, sage ich lieber nicht. Aber es kann losgehen!
»Emily Bold« – das klingt nach einem Pseudonym, das bewusst amerikanisch/international gewählt wurde.
Genau. Romantik wird nur den amerikanischen Kolleginnen zugestanden. Darum dieser kleine Trick!
Du hast dir gleich zu Beginn deiner schriftstellerischen Karriere eine spezielle Autorenidentität zugelegt?
Ja, ich habe mal gelesen »ein Verlag macht keine Bücher, sondern Autoren«. Dem stimme ich zu, daher ist mein eigentliches Projekt »Emily Bold« und erst im zweiten Schritt die Bücher. Der Leser will den Autor kennenlernen können, das sehe ich durch die vielen Kontaktanfragen über die Homepage.
Deine Vorgehensweise erinnert mich an die berühmte Emily Brontë und ihren Bestseller »Wuthering Heights«. Die Dame wählte mit »Ellis Bell« bewusst ein männliches Pseudonym, um im Buchmarkt bestehen zu können, und wurde durch weltweiten Erfolg in ihrer Vorgehensweise bestätigt.
Na, gegen weltweiten Erfolg hätte ich sicher nichts einzuwenden.
Würdest du denn gern wie Emily Brontë in die Literaturgeschichte eingehen?
Das muss ich nicht. Ich will niemanden beeindrucken, sondern nur unterhalten. Literatur ist so ein großes Wort, mit vielen glänzenden Facetten und ich hoffe, eine davon reflektiert meine Geschichten und meine Leser. Das wäre mir genug der Ehre.
Emily Bold möchte Marke sein und misst Erfolg am Umsatz?
Keine Ahnung, wie man Erfolg misst. An Preisen, Auszeichnungen, Leserrezensionen, Verkaufszahlen? Ich wünsche mir Erfolg und sehe »Emily Bold« als eine Art Marke oder ein Gesamtkunstwerk. Um den reinen Umsatz geht es mir dabei nicht, wobei es schön wäre, genügend Bücher zu verkaufen, um die Zeit zu haben, mehr schreiben zu können.
Auf deiner »Emily-Bold«-Autorenseite von Amazon werden zahlreiche weitere Romane aufgezählt, die in dein Genre passen. Die Autorinnen nennen sich Teresa Medeiros, Christine Merrill, Terri Brisbin und Emma Wildes. Wurden diese Titel alle von dir verfasst?
Nein. Warum Amazon die mir zuordnet, verstehe ich nicht.
War auf meiner Autorenseite anfangs auch so. Das lässt sich mit einer Mail an den Kundendienst von Amazon reparieren.
Danke für den Tipp. Ich habe derzeit »nur« drei Bücher, die ich mein eigen nennen kann.
Bei deinen E-Books »Gefährliche Intrigen« und »Mitternachtsfalke – Auf den Schwingen der Liebe« packen nackte Muskelmänner schlanke langhaarige Mädchenfrauen. Ist damit alles über den Inhalt gesagt? Sind es Nackenbeißer für LeserInnen, die von einer unerfüllten Liebe träumen, die sich auf »Triebe« reimt?
(lacht) Es verspricht im Grunde schon, was die Leserin erwartet. Starke Männer, heldenhafte Taten und natürlich Leidenschaft und Liebe, die der Klebstoff sind für die spannende Reise, auf die ich meine Protagonisten schicke. Ich nenne das zielgruppenorientiert …
Ergo ist die Zielgruppe eindeutig weiblich …
Bei den von dir genannten Büchern schon, bei »The Curse – Vanoras Fluch« nicht unbedingt. Dieses Buch erreicht eine deutlich größere Zielgruppe. Es ist ein All-Age Roman, der einen Hauch Fantasy enthält.
Können Männer deine Bücher lesen und verstehen?
Verstehen? – Denke schon, aber ob sie die romantische Vorstellung meiner Leserinnen teilen, was das Idealbild eines Kerls angeht, ist fraglich. Mein Mann muss die Bücher ja probelesen und sein Kommentar war: Wenn alle Liebesromane so sind, sind sie besser als ihr Ruf. Und »The Curse« findet er ohnehin toll, weil es sehr viel von mir persönlich widerspiegelt und noch dazu in Schottland spielt. Wir haben dort vor zehn Jahren unsere Flitterwochen verbracht.
Ich stelle mir Emily Bold gerade als junge Frau Anfang dreißig mit dunklem wallendem Haar vor, die darauf wartet, dass ihr Traumprinz sie in seine starken Arme schließt, sobald er aus der Muckibude heimkommt, wo er schwere Gewichte stemmt, die seinen Bizeps stählen.
(lacht) So stelle ich mir Emily Bold auch vor. Die Realität weicht MINIMAL davon ab. Wir leben auf dem Land, stemmen unsere Kinder und sparen uns den Weg in die Muckibude. Allerdings ist mein Mann tatsächlich mein Traumprinz.
In jedem literarischen Werk steckt ein persönliches Stück seines Verfassers. Wie viel Prozent Alter Ego enthalten denn die Protagonistinnen von Emily Bold?
Puh, was für eine Frage. Samantha Watts kommt mir schon sehr nahe. Sie ist zwar schüchtern, aber mutig und stellt sich ihrem Schicksal und kämpft um das, was ihr wichtig ist. Emma Pears ist jung und daher etwas unreif. So sehe ich mich (zumindest heute) nicht. Und Julia Hayes ist impulsiv. Davon hätte ich gerne etwas ab, bin ich doch sehr bedacht in allem, was ich tue.
Puh, was für eine ehrliche Antwort! – Die Schubladisierung ist ja eine der Leidenschaften von Kritikern und Rezensenten. Empfindest du die Bezeichnung »Schmachtromane« als Herabwürdigung?
Nein, überhaupt nicht. Wir schmachten meiner Meinung nach zu wenig! Sehnen wir uns nicht im Grunde alle danach, etwas zu begehren, jemandes Liebe zu gewinnen, oder das Glück fest bei uns zu halten? Was fühlen wir dabei? Wir schmachten. Warum sind Filme wie »Pretty Woman« ein Dauerbrenner? – Weil sie genau dieses Gefühl in uns wecken. Ich wünschte, ich könnte ähnlich berühren.
Deine Leser scheinen berührt. »Dieses Buch macht SÜCHTIG!« heißt es in einer Rezension.
Ich finde es unglaublich, welches Feedback ich erhalte. Das macht mich unheimlich glücklich!
Lass uns ein wenig zurückschauen: Hat Emily Bold schon als kleines Mädchen ein Poesiealbum mit dickem Vorhängeschloss mit Herzensangelegenheiten gefüllt?
Ja, und ich habe es heute noch! Hoffe aber, meine Töchter finden es nie, denn sie würden sich über ihre Mami sicher wundern …
Hier lasse ich mal meiner Fantasie keinen freien Lauf …
(lacht) Ist vielleicht besser …
Gab es denn eine erste Veröffentlichung, einen Leserbrief in einer Zeitung, ein Gedicht in einer Anthologie oder ging es gleich mit Romanen los?
Ich hatte vor »Gefährliche Intrigen« nichts veröffentlicht. Mit dem Kindle-Programm begann mein Einstieg in die Welt der Worte.
Keine Ochsentour durch die Verlage, null Bettelbriefe, Absagen, Enttäuschungen. Nie auf der Buchmesse getingelt, um Kontakte zu knüpfen, bei Agenten angerufen …
Doch. Ich habe an genau vier große Publikumsverlage mein Skript gesendet und einige Agenturen angeschrieben. Von den Verlagen kam nichts zurück und von den Agenturen hagelte es Absagen. Meine Geschichte ließe sich nur schwer vermitteln und Liebesromane wären Nackenbeißer, an die sich keiner herantraut. Ich hatte mir von KDP lediglich erhofft, die Lektoratskosten wieder einfahren zu können. Das hat sich inzwischen erledigt (lacht).
Es gehört Mut dazu, gleich einen Roman zu veröffentlichen, der vielleicht als Schmonzette und Kitsch abgestraft wird. Das passt schlecht zum Bild vom schüchternen Mädchen Samantha Watts. Angst oder Bedenken vor negativer Resonanz sind dir doch bestimmt kein Fremdwort …
Nein. Ich nehme mir Kritik zu Herzen. Aber die von Anfang an tollen Verkaufszahlen haben mein Selbstvertrauen gestärkt.
Wie bist du auf Amazon und die Kindle-Plattform aufmerksam geworden?
Das war mein Mann. Ich habe mich anfangs gegen seinen Vorschlag gewehrt, das doch mal zu probieren. Da ist sie nämlich wieder, die schüchterne Emily.
Vorbild Amanda Hocking?
Toll, was sie erreicht hat, aber Vorbilder habe ich nicht. Zumindest nicht in der Form, dass ich versuche, deren Erfolg nachzueifern. Es gibt viele Autoren, die mich bewegen, aber Vorbilder habe ich eher in meinem Umfeld, das sind meine Familie und Freunde. Sie sind mir, was Liebe, Treue und Vertrauen angeht, auch immer eine Quelle der Inspiration.
»Gefährliche Intrigen« waren im Jahr 01 der Kindle-Zeitrechnung (2011) fast 200 Tage in den Top 100, wenn ich richtig gerechnet habe. Das ist ein traumhaftes Ergebnis für einen Newcomer!
Absolut! »Traumhaft« trifft es auf den Punkt.
Das bedeutet 200 Tage besoffen vor Glück ob der virtuellen Blumensträuße, Interviewanfragen, Fernsehauftritte …
Kann man so sagen. Ich hoffe, dass es so weitergeht. Und so viel Aufmerksamkeit, wie du denkst, wurde mir dann auch nicht zuteil.
RTL hat dich interviewt und bei Twitter folgt dir ein fester Fanklub. Hattest du mit einem derartigen Erfolg gerechnet, und wie erklärst du dir selbst diesen Sprung von null auf hundert?
Messen wir Erfolg jetzt an Twitter? Sagen wir einfach, ich bin überrascht, welche Wellen Emily Bold geschlagen hat. Nein. Damit hab ich nicht gerechnet. Es war witzig, ich habe mich beim Finanzamt als »freischaffend« gemeldet und fragte, was zu beachten sei. Die Auskunft lautete: Wenn Sie über 400 Euro im Jahr kommen, dann … Ich: Nein, niemals! Dazu müsste ich ja 200 Bücher verkaufen. Das schaff ich ja nieeeee!
Belagern mittlerweile Agenten und Verleger das Haus und bitten um die Printrechte an deinen »Nackenbeißern«?
Nein, so ist das nicht. Zwar hat ein großer Verlag Interesse an »The Curse« angemeldet, und die prüfen das Skript, aber Antwort habe ich noch keine. Ich selbst suche nicht mehr nach einem Verlag. Meine E-Book-Rechte würde ich ohnehin nicht abtreten. Das macht mich für Verlage uninteressant.
Da bin ich nicht sicher … Könntest du dir denn vorstellen, alles abzugeben und nur noch zu schreiben? Das ist doch das klassische Selbstbild des Schriftstellers.
Nein, auf keinen Fall! Ich denke, dieses Selbstbild ist überholt, um nicht zu sagen, veraltet. Ich gefalle mir in der Rolle der unabhängigen Autorin.
Als Autorin bist du damit zugleich Verlegerin. Das bedeutet zusätzliche Arbeit.
Brauchst du mir nicht zu sagen! Es ist ein Vollzeitjob, aber es macht so viel Spaß! Und mein Mann unterstützt mich.
»The Curse – Vanoras Fluch« ist als Holzbuch in deinem Shop erhältlich. Allerdings mit einem – Pardon – wesentlich unprofessionellerem Cover als dein Elektrobuch.
Die Cover mache ich selbst. Wie ja fast alles andere auch. Ich ließ die Taschenbücher drucken, ehe ich den Coverwechsel vornahm. Leider ist Papier ja nicht so flexibel wie E-Ink.
Chapeau für die professionellen E-Book-Cover! Gibt es denn einen Außenlektor oder Korrektor?
Für mich als Fränkin ist das absolut unentbehrlich. Meine letzten beiden Bücher hat Nadja Leitner lektoriert und einen guten Job gemacht! Einige andere Indies vertrauen ihr ebenfalls.
Was muss ein Selfpublisher alles einkaufen? Lektorat – Artwork – Pressearbeit?
Für die Cover verwende ich Bilder von iStock und bearbeite die dann mit Photoshop. Das Lektorat muss natürlich bezahlt werden. Pressearbeit? – Mache ich nicht. Ich beschränke mich auf soziale Netzwerke und meinen Blog. Meine Artikel für ebook-fieber.de sind das Einzige, was ich nebenher mache.
Der deutschsprachige Markt ist begrenzt. Amazon öffnet auch den US-Markt, in dem Liebesromane hoch im Kurs stehen. Planst du Übersetzungen ins Englische?
Die Übersetzung für »The Curse« ist in Arbeit, wird aber leider noch etwas dauern. Bin allerdings skeptisch. Ob dieser Markt nicht schon so voll ist, dass mich da niemand findet? Einen Versuch ist es wert. Wir werden sehen.
Bücher werden nicht dadurch verkauft, dass sie veröffentlicht werden. Wer sozial vernetzt ist, hat bessere Karten. Wie hast du dich so bekannt gemacht, dass deine Titel Bestseller wurden?
Ich habe keine Ahnung, es passierte von selbst. Vielleicht war »Gefährliche Intrigen« das richtige Buch zur richtigen Zeit. Nennen wir es doch Schicksal – oder um weniger dick aufzutragen – Glück.
Bist du auf anderen Plattformen erhältlich, im iBook-Store habe ich dich beispielsweise nicht gefunden.
Da war ich bereits. Nachdem ich den Distributionspartner gewechselt habe, um auch bei Thalia und Weltbild erhältlich zu sein, ist es aktuell dort nicht erhältlich. Sollte aber in wenigen Tagen wieder dort angeboten werden. Meine E-Books gibt es dann fast überall.
Im zweiten Jahr des Kindle-Zeitalters wird alles schwieriger. Täglich werden neue Titel auf den Markt geworfen, viele Autoren wollen in deine Fußstapfen treten. Was machst du, um oben zu bleiben?
Weiterschreiben und den Kurs halten. Niemand wird ewig an der Spitze bleiben können, aber ich werde es zumindest versuchen (lacht). Geneigte Leser wären ein guter Anfang.
Jürgen Schulze: Investieren und offen für Neues sein
Diplom-Ökonom Jürgen Schulze arbeitete zwanzig Jahre im IT-Bereich. Mitte 2011 vereinte er seine Leidenschaft für Literatur und sein IT-Wissen im eigens neu gegründeten »Null Papier Verlag«. Er veröffentlicht ausschließlich auf digitalen Wegen und ist spezialisiert auf die Aufbereitung gemeinfreier Bücher. Es werden nicht nur Bücher aus öffentlichen Quellen verarbeitet, sondern lektoriert, in die neue Deutsche Rechtschreibung übertragen, kommentiert und größtenteils auch illustriert.
Ruprecht Frieling interviewt Jürgen Schulze:
Zählst du gerade die E-Book-Einnahmen?
Das mache ich immer morgens nach dem Frühstück, ich bin statistikverrückt. – Stürmt es bei euch auch so?
»Gib mir ein Fenster und ich starre stundenlang hinaus«, schreibt Stephen King in seiner Autobiografie … ist bei mir genauso. Aber ich schaue ausnahmsweise mal hinaus: Jawohl, es stürmt …
Kings Biografie in Silberpapier? Die habe ich auch – sogar gelesen.
Null Papier, Sir. Ich habe das Buch digital gelesen …
Touché!
Einer der erfolgreichsten deutschen E-Booker des Jahres 2011 ist erstaunlicherweise kein Autor, sondern ein Verleger: Jürgen Schulze und sein Null Papier Verlag. Das bist du!
Ja, ich war früh dabei. Daher mein Pioniervorsprung. Offensichtlich haben es die Autoren in Deutschland noch nicht erfasst. Aber das kommt ja jetzt massiv.
Wann hast du das erste Mal darüber nachgedacht, dich in die Welt der digitalen Bücher zu wagen?
Das war im März 2011. Ich komme aus der IT-Welt und bin neugierig auf digitale Spielzeuge. Deshalb hatte ich mir den Kindle-Reader aus den USA kommen lassen und war überwältigt vom Komfort und der Lesequalität. Als Fingerübung habe ich dann »Max und Moritz« digital erstellt. Zufällig muss ich dann wohl auf das Selbstveröffentlichungsportal von Kindle gestoßen sein, das zu dem Zeitpunkt noch keine deutschen Bücher führte – zumindest nicht offiziell …
… und auf einmal hat das jemand gekauft … dann noch einer … und noch einer …
Im Mai 2011 fasste ich den Entschluss, vollberuflich in E-Books zu machen. Dann habe ich bei meiner Firma den Hut genommen. Nebenberuflich lässt sich das Arbeitspensum nicht bewältigen.
Vorher hast du keine Bücher geschrieben oder verlegt?
Nein, aber immer mit dem Gedanken gespielt, selbst zu schreiben.
Du bist Diplom-Ökonom und hast 20 Berufsjahre Erfahrung im IT-Bereich. Das klingt bezogen auf die Geschäftsidee E-Books wie eine Lizenz zum Gelddrucken.
Als Ökonom möchte ich antworten: »Pioniergewinne einstreichen, investieren, Rationalisierungspotenziale suchen und offen für Neues sein«.
Folgt jetzt eine professorale Vorlesung?
Entspricht der Realität. Ich sehe meine Bücher als Investment und die Einnahmen als Zins. Und ich liebe Bücher …
Deine Geschäftsidee ist faszinierend simpel: Du suchst dir gemeinfreie Werke, also Bücher, deren Autoren mindestens 70 Jahre tot sind, und verwandelst sie in gebrauchsfähige E-Books.
Ja. Aber ich feile eine Menge dran herum. Zum Beispiel scanne ich teilweise Bücher in Frakturschrift ein. Dann kommen Korrekturen. Bisweilen Übertragungen aus dem Plattdeutschen ins Hochdeutsche. Manchmal auch in die neue deutsche Rechtschreibung. Dann müssen Illustrationen gescannt und eingearbeitet werden, es gibt Fußnoten …
Der bislang größte Knaller ist »Grimms Märchen«, die 2011 rund 180 Tage in den Top 100 von Amazon standen.
Einfach unglaublich …
Hattest du nur annähernd mit diesem Erfolg gerechnet?
Nein, mit dem Erfolg hätte ich nie gerechnet. Meine Frau und ich waren Weihnachten in Paris und ich bin die ganze Zeit mit meinem Android-Handy herumgelaufen und hab geguckt, ob ich immer noch auf Platz 1 der Amazon-Bestenliste war …
Nur Matthias Matting lag vor dir …
… Weihnachten aber nicht …
Aber im Jahresgesamtergebnis bei den Einzeltiteln …
Grimm Märchen waren nur eine Fingerübung. Die erste Auflage hat mich ca. eine Woche gekostet, die mittlerweile dritte schon zwei.
Ich stelle mir die Umsetzung der teilweise gewaltigen Umfänge unglaublich arbeitsintensiv vor. Das kann nur ein Workaholic leisten, der Tag und Nacht vorm Rechner hockt.
Ja, dem ist so. Zum Glück liebe ich es, ich werde auch nicht schnell müde am Rechner dank jahrelanger IT-Erfahrung …
Der Legende nach sitzt du daheim sogar mit dem iPod auf dem Klo …
… erwischt! Und mit einem Tablet oder Kindle im Bett …
Na, wenn du die Kamera nicht abschaltest …
Oh, die Kamera … gar nicht daran gedacht … hoffentlich ist da kein Trojaner drauf …
Da saß wohl eher ein Trojaner davor, und der hat Enormes geleistet: Die erste vollständige und überarbeitete digitale Dracula-Version • Eine Sammlung der Werke von Edgar Allan Poe • Die erste vollständige und überarbeitete digitale Version des Struwwelpeter • Das aktuell umfangreichste Englisch-Deutsch-Lexikon für Amazon Kindle … Wie viele Bücher hast du 2011 insgesamt online gestellt?
73 Titel.
Dreiundsiebzig Bücher in einem Dreivierteljahr? – Hilfe! Ich interviewe einen Wahnsinnigen …
… ist doch harmlos!
Wärter!!!
Die Arbeit ist erstaunlich abwechslungsreich. Eine Menge Recherche gehört dazu, und ich lerne viel. Die Korrekturen bekommen was wie Zen. Man genießt dann nur leider die Texte nicht mehr, da sie zu Wortflüssen zerfasern.
Und wie viel tausend Titel sind für die kommenden Jahre geplant?
Keine Ahnung. Ich werde wohl bei dem Output bleiben. Aber ich möchte mich auch mal an Neuveröffentlichungen heranwagen.
Das bedeutet, du möchtest auch NICHT gemeinfreie Werke verlegen?
Klar. Den Ehrgeiz dürfte wohl jeder Verleger haben.
Das ist abhängig vom jeweiligen Geschäftsmodell.
Ich bekomme auch ab und an Manuskripte herein. Nur leider noch nichts, was sofort druckreif wäre.
Die Qualität der Einsendungen ist selten so, dass man sich länger damit befassen möchte.
Na ja, ich danke den Schreibern immer für ihr Vertrauen. Ich weiß das zu schätzen. Und meist schreibe ich ein, zwei Seiten Tipps dazu. Nur Fantasy-Sachen kann ich nicht mehr sehen.
Mit den Klassiker-Editionen bist du auf der sicheren Seite.
Stimmt. Das macht das Marketing einfacher. Habe gestern mal bei Google nach »Anna Karenina« gesucht. Da erscheint meine Webseite mit dem Buch auf Platz 7.
Leo Tolstoi winkt dir aus der Gruft zu …
Ja, ich habe eine Mission … gute Bücher für kleines Geld …
Verlegst du eigentlich auch fremdsprachige Werke, oder hast du dich auf Klassiker in deutscher Sprache spezialisiert?
Ich habe drei Bücher auf Englisch. Aber da ist der Zug abgefahren. Die Konkurrenz in USA ist zu groß. Und Deutsch ist nun einmal meine Muttersprache.
Balzac bei Amazon.fr; Cervantes bei Amazon.es – da gibt es doch endlos viele Optionen.
Klar habe ich darüber schon nachgedacht. Aber ich spreche kein Französisch und mein Spanisch ist dafür nicht gut genug.
Dabei bist du selbst ein gebürtiger Spanier …
In Spanien aufgewachsen, aber mit sieben Jahren nach Deutschland gekommen und laut Schulzeugnis mit starkem Akzent in der ersten Grundschulklasse behaftet. Das wurde dann soweit nivelliert, dass vom Spanischen nichts mehr übrig blieb … zum Schreiben und Korrekturlesen reicht es nicht.
Zu deiner Erfolgsgeschichte: Wirf mal eine Zahl in den Raum, wie viele Bücher aus deinem Programm in 2011 insgesamt über den virtuellen Tresen gegangen sind.
Moment mal. Lass mich mal checken … Kein Witz, habe ich selbst noch nicht geprüft, mich interessieren nur Tagesstatistiken.
Von meinem »Wie veröffentliche ich ein E-Book auf Amazon.de oder Kindle für Autoren« wurden in 2011 knapp 10.000 Exemplare verkauft. Da müssten deine Grimmschen Märchen deutlich darüber liegen.
Von »Grimms Märchen« würde ich sagen: Ca. 25.000 verkaufte Exemplare.
Respekt!
Der »Rest« insgesamt ca. 30-40.000, also rund 60-70.000 Bücher … aber nagel mich nicht fest.
Und alle einheitlich zu 99 Cent das Stück?
Nicht alle. Ich habe ein Lexikon für € 2,99 und einige Kinderbücher mit so vielen Bildern, dass Amazon mich dazu zwingt, diese Titel für mindestens € 1,99 anzubieten. Sonst würden die auch 99 Cent kosten.
Höhere Preise wegen der Dateigröße?
Ja, genau.
Preispolitik bei E-Books ist ein spannendes Thema. Ich erlebe verzweifelte Autoren, die für 3,99 kein Stück verkauft haben und ihr Buch auf € 0,99 setzen, um den »Durchbruch« zu erzielen.
Qualität setzt sich durch. Auch hier. Oder gerade hier. Die Wege im digitalen Marketing sind schnell. Gute Bücher sprechen sich schnell herum.
Damit ist es also keine Frage des Preises? Warum dann nur € 0,99?
Warum soll ich mehr als 99 Cent verlangen, wenn ich ein Drittel davon einsacken kann? Das ist mehr, als jeder Papierverlag bezahlt. Klar, es ist pro Stück lächerlich wenig. Aber das ist nicht dem Medium geschuldet, sondern der Tatsache, dass wir in Deutschland noch ganz am Anfang stehen.
Viele verkaufen zu niedrigen Preisen, um die Schwelle so niedrig wie möglich zu halten und aufgrund der Gratiskultur im Netz, da zumindest bei uns kaum jemand bereit ist, für Leistung zu zahlen.
Genauso sehe ich das auch. Die Leute denken »Oh, digital, das kann man nicht anfassen, dann kann es auch nichts wert sein« … diese Auffassung muss aus der Steinzeit stammen.
Manche Kommentare zu E-Books bei Amazon sind voll lächerlich. Da beschweren sich Leute über Bücher, die gedruckt 160 Seiten Umfang hätten, dass sie zu wenig für ihre 99 Cent bekommen – draußen gibt es dafür nicht mal einen Kaffee.
Ich habe schon Beschwerden gehabt von Leuten, die meinten: »Der Schwan, auf dem Hänsel in dem Bild über den See reitet, ist weiß. In der Geschichte ist der aber schwarz.« Zack: Schon gibt es eine schlechte Bewertung bei Amazon. Das ist schon komisch.
Siehst du Chancen einer Veränderung, handelt es sich um erste unbeholfene Zuckungen im Umgang mit Elektrobüchern?
Dem kann man nur mit Qualität und Aussitzen begegnen. Denn auf Dauer setzt sich Qualität immer durch. Und zum Glück wagt es noch keiner, über Tolstoi zu meckern. In ein paar Jahren hat sich das eingespielt. Wer einmal auf dem Kindle liest, der fasst gedrucktes Papier nicht mehr so gern an. Wohl gemerkt, das gilt nur für Belletristik, nicht für Bildbände oder aufwendige Kinderbücher …
Amazon wollte mal deine Ausgabe von Grimms Märchen blocken, weil eine Software im historischen Text »Thurm« statt »Turm« gefunden hat. Das ist auch ziemlich kurios …
Als IT-ler bin ich das gewöhnt. Eine dumme Software sucht nach Fehlern. Was mich enttäuscht ist, dass das kein Mensch gegenliest. Der hätte das bemerkt. Wahrscheinlich war das auch ein Inder in einem outgesourcten Supportcenter. Ich konnte das aber schnell klären, und Amazon lässt in solchen Fällen auch mehrere Tage Zeit zum Reagieren. Die vierte Auflage wird aller Wahrscheinlichkeit nach von mir komplett in die neue Deutsche Rechtschreibung übertragen werden. Das wird ein hartes Stück Arbeit. Aber dann gibt es wenigstens kein Meckern mehr, weder von Lesern noch von einer Software. Dabei werde ich darauf achten, dass dem Charakter der verwendeten Ursprungssprache kein Leid geschieht.
Du bist über Amazons Kindle-Store hinaus auf anderen Verkaufsportalen aktiv. Wo sind deine Prioritäten?
Bald schon werden meine Bücher bei allen wichtigen Plattformen in Deutschland erscheinen. Vertragsverhandlungen mit Dienstleistern waren erfolgreich. Also auch iBook, Hugendubel, Mayersche, Libri, buch.de dürften in den nächsten Tagen soweit sein. Aber das sind logistische Anstrengungen, die nicht ohne Weiteres zu stemmen sind.
Besonders Apples iBook-Store ist bislang eine ziemliche Hürde.
Da habe ich bisher nur Grimms Märchen untergebracht, weil es noch zu viel Handarbeit war. AmazonsKindle beliefere ich natürlich selbst. Für die anderen nutze ich Dienstleister. Das wäre sonst nicht allein zu schaffen. Abgesehen davon, dass diese Shops es Einzelpersonen gar nicht ermöglichen. Ich verkaufe sogar über meine Webseite. Wie gut, wenn man Programmierer ist!
Es wird bisweilen über die Unterschiede zwischen den Käuferschichten von Amazon und Apple gesprochen. Kannst du dazu eine Aussage treffen?
Im iBook-Store muss alles hübscher verpackt sein. Und ich verstehe nicht, wie jemand ein Buch auf einem LCD lesen kann, obwohl mein Märchenbuch in Farbe wirklich wunderschön aussieht.
Habe ich schon mehrfach auf dem iPhone in der U-Bahn gemacht.
Früher habe ich auf dem Weg zur Arbeit auch häufiger was auf dem Android gelesen. – »Früher!« Oh Gott, das ist gerade mal zehn Monate her … »Ultra Short Term Nostalgia: Heimweh nach der allerjüngsten Vergangenheit: ›Gott, letzte Woche sah die Welt noch so viel besser aus.‹« – Douglas Coupland.
Let’s talk about Technik: Mit welchen Programmen formatierst du deine Bücher?
Jutoh. Das ist ein Spezialprogramm für E-Books. Wenn es ganz »schlimm« wird, dann fummele ich direkt im HTML und erzeuge die Bücher dann mit »Kindlegen« über die Kommandozeile.
Mit dem Programm erstellst du dann die berühmt-berüchtigten Inhaltsverzeichnisse?
Ja, die sind wirklich wichtig. Schließlich habe ich bei Grimms Märchen 250 Geschichten und bei Grimms Sagen sogar fast 600. Da ist man schon allein mit dem Erstellen der Inhaltsverzeichnisse einen Tag beschäftigt.
Ich habe mir seinerzeit dein Märchenbuch gekauft und war hell begeistert. Du hast sogar blitzschnell auf meine Anregung reagiert, ein Abbildungsverzeichnis mit aufzunehmen. So stelle ich mir zeitgemäßes E-Book-Machen vor.
Ja, genau so. Darum bitte ich auch auf der zweiten Seite jedes Buches direkt mit Angabe meiner E-Mail-Adresse um Kritik.
Und wie oft bist du schon angeschrieben worden?
Tja, nicht oft, komischerweise. Lass es zehn Mal sein. Entweder sind alle Leser glücklich – was ich hoffe – oder sie kommen nie über die zweite Seite (lacht). Deutsche tun sich schwer mit Lob. Da wird Leistung als Selbstverständlichkeit hingenommen. Man hat ja dafür bezahlt, aber das ist schon okay.
Gibt es werbliche Aktivitäten, die du zur Unterstützung deiner Bücher unternimmst oder überlässt du alles dem Selbstlauf und dem Beschwören aus der Ferne?
Nein, keine Werbung. Dazu fehlt mir die Zeit, um das richtig »rund« zu machen. Und irgendwelche Dienstleister will ich damit nicht beauftragen, dafür wäre es mir zu wichtig. Ich poste auf meiner Website/Blog und lass ab und an mal ein Tweet los. Ich lasse meine Bücher für mich sprechen. Privat bin ich ein Feind von Werbung.
Social Communities scheinen auch nicht dein Ding zu sein.
Ich kann mich nicht vierteilen. Wenn die Frage lautet: Schreibe ich einen 500-Wörter-Artikel, wie toll doch der Kindle ist, oder scanne 400 Seiten Buchklassiker ein, dann fällt meine Wahl lieber auf Letzteres.
Bislang waren wir als Spinner verspottete Pioniere, inzwischen kommen sogar Großverlage auf den Geschmack. Was willst du tun, um auch künftig oben auf der Suppe zu schwimmen?
Weitermachen wie bisher. Ich habe das Glück, aufgrund meiner Ausbildung vieles selbst machen zu können. Und ich bin nicht gierig, daher die 99 Cent. Damit bin ich zufrieden. Und in den nächsten Jahren kommen dann Neuveröffentlichungen hinzu. Der Rest wird sich geben. Und am Ende kommt sowieso alles anders. Vor einem Jahr hätte ich auch ja auch nicht gedacht, dass ich das mal machen würde.
Schicksal oder Fügung?
Glück des Tüchtigen. Irgendwann ist jeder an der Reihe!
Schöner Schlusssatz! Gibt es noch einen Aspekt, den du gern erwähnen möchtest?
Mal nachdenken …
Dazu haben Elektroverleger keine Zeit …
(lacht) Stimmt, mir fällt auch nichts mehr ein. Machst du denn für dein Buch auch ein Interview mit dir selbst?
Uff, wie soll ich denn das bewerkstelligen? – Nee, ich interviewe die aktuellen Top-Indies. Mit mir gibt es genügend Interviews im Netz. – Aber wie geht es mit dir weiter?
Mittelfristig den Job von Mallorca aus machen. Schriftsteller in aller Welt besuchen, ein geachteter Verleger werden und ca. 2020 den ersten Nobel-Preis-Autoren verlegen.