Barracoon - Zora Neale Hurston - E-Book

Barracoon E-Book

Zora Neale Hurston

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Beschreibung

Die Publikationssensation: Die bisher unveröffentlichte Lebensgeschichte des letzten amerikanischen Sklaven

Barracoon“ ist der einmalige Zeitzeugenbericht des letzten Überlebenden des Sklavenhandels, der 2018 in den USA erstveröffentlicht wurde und dort wegen seiner berührenden, ungeschminkten Erzählung und authentischen Sprache Aufsehen erregte und zum Bestseller wurde. „Barracoon“ erzählt die wahre Geschichte von Oluale Kossola, auch Cudjo Lewis genannt, der 1860 auf dem letzten Sklavenschiff nach Nordamerika verschleppt wurde. Die große afroamerikanische Autorin Zora Neale Hurston befragte 1927 den damals 86-Jährigen über sein Leben: seine Jugend im heutigen Benin, die Gefangennahme und Unterbringung in den sogenannten „Barracoons“, den Baracken, in die zu verkaufende Sklaven eingesperrt wurden, über seine Zeit als Sklave in Alabama, seine Freilassung und seine anschließende Suche nach den eigenen Wurzeln und einer Identität in den rassistisch geprägten USA.

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Seitenzahl: 258

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Zum Buch

Barracoon ist der einmalige Zeitzeugenbericht des letzten Überlebenden des Sklavenhandels, der 2018 in den USA erstveröffentlicht wurde und dort wegen seiner berührenden, ungeschminkten Erzählung und authentischen Sprache Aufsehen erregte und zum Bestseller wurde. Barracoon erzählt die wahre Geschichte von Oluale Kossola, auch Cudjo Lewis genannt, der 1860 auf dem letzten Sklavenschiff nach Nordamerika verschleppt wurde. Die bekannte afroamerikanische Autorin Zora Neale Hurston befragte 1927 den damals 86-Jährigen über sein Leben: seine Jugend im heutigen Benin, die Gefangennahme und Unterbringung in den sogenannten »Barracoons«, den Baracken, in die zu verkaufende Sklaven eingesperrt wurden, seine Zeit als Sklave in Alabama, seine Freilassung und seine anschließende Suche nach den eigenen Wurzeln und einer Identität in den rassistisch geprägten USA.

Zur Herausgeberin

Deborah G. Plant lebt als unabhängige Wissenschaftlerin und Schriftstellerin in Florida. Sie ist die Autorin von Every Tub Must Sit on Its Own Bottom: The Philosophy and Politics of Zora Neale Hurston (1995) und Zora Neale Hurston: A Biography of the Spirit (2007) sowie die Herausgeberin von The Inside Light: New Critical Essays on Zora Neale Hurston (2010).

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ZORANEALEHURSTON

BARRACOON

Die Geschichte des letzten amerikanischen Sklaven

Herausgegeben von Deborah G. Plant

Aus dem Englischen von Hans-Ulrich Möhring

Die Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel Barracoon: The Story of the Last »Black Cargo« bei Amistad/HarperCollins Publishers.Die Arbeit des Übersetzers an diesem Buch wurde vom Deutschen Übersetzerfonds gefördert.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.Copyright © der Originalausgabe 2018 The Zora Neale Hurston TrustCopyright © des Vorworts 2018 Alice WalkerCopyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2020Penguin Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 MünchenRedaktion: Karen NölleUmschlaggestaltung: Büro Jorge Schmidt, MünchenUmschlagabbildung: © Erik Overbey Collection, The Doy Leale McCall Rare Book and Manuscript Library, University of South Alabama. Colorization by GluekitSatz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, München978-3-641-25816-0www.penguin-verlag.de

Woran ich aber schwer zu schlucken hatte, war die unabweisliche Tatsache: Meine eigenen Leute hatten mich verkauft, und die Weißen hatten mich gekauft … Das machte mir den universellen Charakter von Habgier und Ruhmsucht klar.

Zora Neale Hurston, Dust Tracks on a Road

Barracoon: Das Wort barracoon geht zurück auf Spanisch barracón (gleichbedeutend mit barraca) und heißt »Bude, Baracke«. Der Begriff bezeichnet Baulichkeiten zur Internierung von Afrikanern, die nach Europa oder Amerika verkauft und verschifft werden sollten. Diese Baulichkeiten, auch Faktorei, Gefängnis, Kerker, Pferch oder Zwinger genannt, wurden in Küstennähe errichtet. Es konnte sich dabei um einen notdürftigen »Sklavenschuppen« handeln, um ein solides »Sklavenhaus« oder gar eine »Sklavenfestung«, wo Afrikaner in die Kellerverliese unter den Quartieren europäischer Verwalter gesteckt wurden. In Sklavenbaracken eingesperrte Afrikaner waren entführt, in Stammeskriegen und Raubzügen erbeutet oder aus dem Hinterland und dem entfernteren Landesinneren quer über den Kontinent herbeigeschafft worden. Viele starben in den Barracoons, weil sie beim Eintreffen an der Küste körperlich völlig am Ende waren oder weil sich die Ankunft eines Schiffes einfach zu lange hinzog. Manche starben in der Zeit, die sie warten mussten, bis das Schiff voll war, was drei bis sechs Monate dauern konnte. In den Jahren, in denen der Handel trotz Verbot und Verfolgung weiterging, konnte es sein, dass die Gefangenen mehrere Monate lang eingesperrt an der Küste festsaßen.

Inhalt

Vorwort

Einleitung zu dieser Ausgabe

BARRACOON

Vorwort

Einleitung

Kapitel I

Kapitel II

Kapitel III

Kapitel IV

Kapitel V

Kapitel VI

Kapitel VII

Kapitel VIII

Kapitel IX

Kapitel X

Kapitel XI

Kapitel XII

Anhang

Kinderspiel der Takkoi oder Attako

Geschichten, die Kossula mir erzählte1

Der Affe und das Kamel

Geschichte von Jona

»Now Disa Abraham Fadda de Faitful«

Die Löwenfrau

Ausschnitt aus Kapitel VI des Originals

Nachwort

Gründer und ursprüngliche Bewohner von Africatown*

Dank

Dank des Zora Neale Hurston Trust

Dank von Deborah G. Plant

Glossar

Anmerkungen

Quellen

Über die Autorin

Vorwort

Die uns lieben, lassen uns mit unserem Schmerz nie allein

Zu Barracoon – Die Geschichte des letzten amerikanischen Sklaven

Die uns lieben, lassen uns mit unserem Schmerz nie allein. Sie zeigen uns unsere Wunde, und zugleich eröffnen sie uns, dass sie das Heilmittel haben. Barracoon – Die Geschichte des letzten amerikanischen Sklaven ist dafür das beste Beispiel.

Ich weiß nicht, ob es jemals einen härteren Lesestoff für diejenigen unter uns gegeben hat, die wir in der Pflicht stehen, die Vorfahren zu tragen, uns im täglichen Leben überall dort in der Welt für sie einzusetzen, wohin sie in Ketten gebracht wurden. Und wo sie, als Sklaven grausamer oder neugieriger oder gleichgültiger weißer Menschen (mit wenigen Ausnahmen), abgeschnitten von ihrem wirklichen Leben in einem prekären Schwebezustand existierten und wo auch wir noch darum kämpfen müssen, uns unsere Menschlichkeit zu bewahren und uns trotz allem Bösen, das wir mit ansehen oder am eigenen Leib erleben, des Lebens zu freuen.

Wenn man Barracoon liest, versteht man sofort, welches Problem viele Schwarze, vor allem schwarze Intellektuelle und politische Führer, vor Jahren damit hatten. Es benennt schonungslos die Gräueltaten, die afrikanische Völker aneinander verübten, lange bevor angekettete Afrikaner traumatisiert, krank, desorientiert, ausgehungert als »schwarze Fracht« auf Schiffen im höllischen Westen eintrafen. Wer mag sich das maßlos grausame Verhalten der »Brüder und Schwestern« eingestehen, die unsere Vorfahren als Erste gefangen nahmen? Wer wollte in aller fürchterlichen Detailgenauigkeit wissen, wie afrikanische Häuptlinge zielgerichtet Afrikaner von benachbarten Stämmen fingen, wie sie Eroberungskriege provozierten, um Menschen – Männer, Frauen, Kinder – , die nach Afrika gehörten, für den Sklavenhandel zu erbeuten? Und dies auf so abscheuliche Art und Weise, dass es einen noch 200 Jahre danach bei der Lektüre vor Grauen und Jammer schaudert. Dies ist, machen wir uns nichts vor, mehr als quälend zu lesen.

Uns wird die Wunde gezeigt.

Zora Neale Hurstons Genie jedoch hat abermals ein Meisterinnenwerk geschaffen. Was ist ein Meisterinnenwerk? Es ist die weibliche Sicht, der Teil des Gebäudes, ob aus Stein oder Geist, ohne den das Ganze eine Lüge ist. Und wie sehr haben wir unter dieser Lüge gelitten: Die Afrikaner wären nur Opfer des Sklavenhandels gewesen, nicht selbst daran beteiligt. Die arme Zora. Schließlich war sie Anthropologin! Eine Tochter von Eatonville, Florida,1 wo die Wahrheit zählte: was wirklich geschehen war, was jemand tatsächlich erlebt hatte. Und so setzt sie sich zu Cudjo Lewis. Sie teilt Pfirsiche und Wassermelonen mit ihm. (Wie viele Generationen von Schwarzen hätten nie zugegeben, dass sie gern Wassermelonen essen!) Sie holt die grausige Geschichte aus einem der Letzten heraus, die sie noch erzählen können. Wie schwarze Menschen nach Amerika kamen, wie sie von Schwarzen und Weißen behandelt wurden. Wie schwarze Amerikaner, selbst versklavt, die Afrikaner verspotteten und ihnen damit das Leben noch viel schwerer machten. Wie die Weißen ihre »Sklaven« einfach als Maschinen behandelten. Aber Maschinen, die man auspeitschen konnte, wenn sie nicht genug produzierten. Nicht schnell genug. Maschinen, die man, wenn einem danach war, verstümmeln, vergewaltigen, töten konnte. Maschinen, die man ohne das leiseste Schuldgefühl fröhlich betrügen konnte.

Und dann die Geschichte von Cudjo Lewis’ Leben nach der Befreiung. Wie er sich über die »Freiheit« freut, wie er mithilft, eine Gemeinschaft zu gründen, eine Kirche, wie er sein eigenes Haus baut. Seine zärtliche Liebe zu seiner Frau Seely und ihren gemeinsamen Kindern. Die schrecklichen Todesfälle, die folgen. Wir sehen einen Mann, der sich in seiner Einsamkeit nach Afrika verzehrt, nach seiner Familie, und müssen plötzlich erkennen, dass er etwas ausspricht, wovor wir mit aller Macht die Augen verschließen: wie sehr auch wir uns in diesem immer noch fremden Land verzehren, verzehren nach unserer wahren Kultur, nach unserem Volk, unserer einzigartigen Verbindung zu einem ganz bestimmten Verständnis der Welt. Und dass dies, wonach wir uns verzehren, wie in Cudjo Lewis’ Fall, für alle Zeit dahin ist. Doch wir sehen noch etwas anderes: den Adel einer Seele, die fast bis zur Auslöschung gelitten hat, und immer noch ringt sie darum, heil zu sein, gegenwärtig, großzügig. Stärker zu lieben, tiefer zu verstehen. Cudjos Weisheit wird gegen Ende seines Lebens so deutlich, dass Nachbarn ihn bitten, in Gleichnissen zu ihnen zu sprechen. Und er tut es. Schenkt Frieden.

Hier ist das Heilmittel:

Mag einem das Herz brechen, im Augenblick kann es auch Freude geben. Und weil der Augenblick, in dem wir leben, alle Zeit ist, die es letztendlich gibt, können wir weiterleben. Es mag sein, und oft ist es so, dass uns jeder Mensch, der uns lieb ist, genommen wird. Trotzdem. Von Augenblick zu Augenblick sehen wir unsere Bohnen und unsere Wassermelonen wachsen. Wir pflanzen. Wir jäten. Wir ernten. Wir teilen mit Nachbarn. Wenn eine junge Anthropologin mit zwei Schinken auftaucht und uns einen schenkt, lassen wir ihn uns schmecken.

Das Leben, unerschöpflich, wie es ist, geht weiter. Und wir genauso. Mit unseren Wunden geschlagen, mit unseren Heilmitteln beschenkt.

Es ist eine erstaunliche, eine sagenhafte Reise, auf der wir in Amerika sind. Sie ist so bemerkenswert, dass man dafür nur dankbar sein kann, so grotesk sich das anhören mag. Vielleicht ist unser Planet dazu da, dass wir das außerordentliche Wunder des Lebens schätzen lernen, das selbst unser Leid umgibt. Dass wir Ja sagen lernen, und sei es mit weinenden Augen.

Alice Walker

März 2018

Einleitung zu dieser Ausgabe

von Deborah G. Plant

Am 14. Dezember 1927 bestieg Zora Neale Hurston um 15:40 Uhr an der New Yorker Penn Station den Zug nach Mobile, um mit dem letzten bekannten überlebenden Afrikaner des letzten amerikanischen Sklavenschiffs, der Clotilda, eine Reihe von Interviews zu führen. Er hieß Kossola, wurde aber Cudjo Lewis genannt.1 Fünfeinhalb Jahre lang war er in Plateau-Magazine Point, Alabama, als Sklave gehalten worden, von 1860 bis zu dem Tag, an dem Soldaten der Nordstaaten ihm mitteilten, er sei frei.2 Kossola verbrachte den Rest seines Lebens in Africatown (Plateau). Hurstons Fahrt nach Süden war eine Fortsetzung der Feldforschungen, die sie im selben Jahr begonnen hatte.

Oluale Kossola hatte die Gefangennahme durch dahomeische Krieger, die Barracoons in Ouidah (Whydah) und die Mittelpassage überstanden. Er war versklavt worden, er hatte den Bürgerkrieg und die problematische Wiedereingliederung der Südstaaten in die Union (Reconstrution) durchlebt, und er hatte die Rassentrennung der Jim-Crow-Zeit (siehe Glossar) erduldet. Er hatte eine neue Ära anbrechen sehen, in der es zum Ersten Weltkrieg und zur Weltwirtschaftskrise kam. Die folgenschweren Ereignisse von Kossolas eigener kleiner Welt spielten sich im großen Rahmen des Weltgeschehens ab.

Als Kulturanthropologin, Ethnografin und Volkskundlerin war Zora Neale Hurston an seinen Erfahrungen sehr interessiert. »Ich wüsste gern, wer du bist«, erklärte sie Kossola, »und wie du ein Sklave wurdest und zu welchem Teil von Afrika du gehörst und wie es dir als Sklave erging und wie du als freier Mann zurechtgekommen bist.« Kossola ließ ihre Fragen auf sich einwirken und hob dann ein tränenüberströmtes Gesicht. »Danke, Jesus! Kommt jemand und fragt nach Cudjo! Ich will jemand erzählen, wer ich bin, und eines Tages geht er vielleicht nach Afrikaland und sagt meinen Namen, und jemand da sagt: ›Ja, Kossula, den kenn ich.‹ «3

Über einen Zeitraum von drei Monaten hinweg besuchte Hurston Kossola. Sie brachte Pfirsiche aus Georgia, Schinken aus Virginia, spätsommerliche Wassermelonen und Insektenpulver mit. Die Geschenke waren ebenso sehr eine Entwicklungshilfe für ihre entstehende Freundschaft wie ein Mittel, um Kossolas Erinnerungen aufzuhelfen. Sein Leben war zum großen Teil »eine Abfolge von Trennungen«.4 Leckerbissen können schmerzlindernd wirken. Kossola vertraute darauf, dass Hurston seine Geschichte erzählen und der Welt mitteilen würde. Andere hatten Kossola interviewt und darüber geschrieben – mit dem Fokus auf ihn oder allgemeiner auf die Gemeinschaft von Überlebenden in Africatown. Aber nur Zora Neale Hurston führte ausgiebige Gespräche, aus denen ein ganzes Buch mit einer umfassenden Schilderung von Kossolas Leben entstand. Als Titel schwebte ihr abwechselnd »Barracoon: The Story of the Last ›Black Cargo‹ « und »The Life of Kossula« vor. Wie schon bei den anderen Interviews hoffte Kossola, die Geschichte, die er Hurston anvertraute, möge sein Volk erreichen, dem er immer noch nachtrauerte. Der Abbruch aller Verbindungen bereitete ihm einen Kummer, der ihn niemals verließ.

Herkunft

Kossola wurde um 1841 in der Stadt Bante geboren, dem Zentrum der Isha, einer Untergruppe des westafrikanischen Volkes der Yoruba. Er war das zweite Kind von Fondlolu und diese wiederum die zweite der drei Frauen seines Vaters. Seine Mutter nannte ihn Kossola, was bedeutet »meine Früchte gehen nicht mehr verloren« beziehungsweise »meine Kinder sterben nicht mehr«.5 Seine Mutter hatte nach Kossola noch vier Kinder, und in seiner Großfamilie hatte er zwölf weitere Geschwister. Fondlolus Name macht sie als eine Frau kenntlich, die in den Orisha-Dienst (siehe Glossar) eingeweiht worden war. Sein Vater hieß Oluale.6 Obwohl der Vater nicht königlicher Abstammung war, wie olu (»König« oder »Häuptling«) vermuten lassen würde, war Kossolas Großvater ein Amtsträger im Dienst des Königs ihrer Stadt und besaß Land und Vieh.

Mit vierzehn wurde Kossola als Soldat ausgebildet, was bedeutete, dass er Jagen, Lagerbauen und Spurenlesen lernte, ferner Bogenschießen und Speerwerfen. Diese Ausbildung bereitete ihn auf die Einführung in die Männergeheimgesellschaft vor, die oro hieß. Dieser Bund war verantwortlich dafür, in der Stadt für Recht, Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Die Isha-Yoruba von Bante lebten in einer Agrargesellschaft und waren ein friedliches Volk. Junge Männer in der Kriegskunst zu unterweisen war eine strategische Verteidigungsmaßnahme gegen aggressive Nachbarn. Mit neunzehn unterzog sich Kossola der Initiation zur Eheschließung. Diese Riten kamen jedoch nie zum Abschluss. Es war das Jahr 1860, und die Welt, die Kossola kannte, fand ein jähes Ende.

Transatlantischer Handel

Mitte des neunzehnten Jahrhunderts war die atlantische Welt bereits in das afrikanische Hinterland vorgedrungen. Und obwohl Großbritannien bereits 1807 den internationalen Menschenhandel mit Afrikanern abgeschafft hatte, meistens als »transatlantischer Sklavenhandel« bezeichnet, und obwohl die USA 1808 dem Beispiel gefolgt waren, gelang es europäischen und amerikanischen Schiffen weiterhin, Häfen an der westafrikanischen Küste anzulaufen und dort ihre nunmehr illegalen Geschäfte zu treiben. Gesetze waren verabschiedet und Verträge unterzeichnet worden, doch die Verschleppung von Afrikanern aus ihrer Heimat nach Amerika ging noch ein halbes Jahrhundert weiter. Frankreich und die USA unterstützten das britische Bestreben, den Handel zu unterbinden. Die praktische Durchführung jedoch lag hauptsächlich bei den Briten; die nordamerikanischen Patrouillen waren halbherzig, und mit abolitionistischen Zielen hatten sie meistens wenig im Sinn.7

An den lukrativen Menschenhandel gewöhnt und bestärkt durch die relative Leichtigkeit, mit der sie Käufer für ihre Beute finden konnten, machten Afrikaner, die an dem Handel verdienten, damit weiter. Die Fon aus Dahomey standen unter den afrikanischen Völkern, die sich dem Verbot widersetzten, an erster Stelle. Nicht nur begriffen sie die Versklavung ihrer Gefangenen im Inland als wesentlichen Bestandteil ihrer Sitten und Gebräuche, der Verkauf dieser Gefangenen ins Ausland verschaffte ihrem Königreich zudem Wohlstand und politische Vormacht. Um für einen ausreichenden Sklavennachschub zu sorgen, brach der König von Dahomey Kriege vom Zaun und führte Menschenjagden durch, die allein dem Zweck dienten, das königliche Gefängnis zu füllen.

König Gezo von Dahomey brach den 1852 von ihm geschlossenen Vertrag zur Abschaffung des Sklavenhandels und nahm 1857 seine Kriege und Raubzüge wieder auf. Berichte über seine Unternehmungen erreichten die Zeitungen von Mobile, Alabama. Am 9. November 1858 meldete ein Artikel, der König von Dahomey treibe in Ouidah einen schwunghaften Handel.8 Dieser Artikel erregte die Aufmerksamkeit von Timothy Meaher, einem Sklavenhalter, der wie viele amerikanische Befürworter der Sklaverei den transatlantischen Handel wieder aufleben lassen wollte. Trotz des gesetzlichen Verbots beschloss Meaher, illegal Afrikaner ins Land einzuschmuggeln und zu versklaven. Auf Betreiben von Meaher rüstete William Foster ein von ihm gebautes Schiff, die Clotilda, für den Transport der »Schmuggelware« aus. Im Mai 1860 nahm er Kurs auf die Bucht von Benin. Nachdem Foster und seine Männer sechs Wochen lang Unwetter ausgestanden hatten und patrouillierenden Schiffen entkommen waren, ging die Clotilda im Hafen von Ouidah vor Anker.

Barracoon

Von 1801 bis 1866 wurden schätzungsweise 3 873 600 Afrikaner im Austausch gegen Gold, Feuerwaffen und andere europäische und amerikanische Handelsgüter verschleppt. Von diesen wurden ungefähr 444 700 von der Bucht von Benin aus verschifft, die Dahomey unterstand.9 In der Zeit von 1851 bis 1860 wurden ungefähr 22 500 Afrikaner deportiert. Einhundertzehn von ihnen wurden in Ouidah von der Clotilda an Bord genommen, darunter Kossola – eine Transaktion zwischen Foster und König Glele. 1858 war König Gezo auf der Rückkehr von einem seiner Feldzüge durch einen Schuss tödlich verwundet worden. Sein Sohn Badohun folgte ihm auf dem Thron nach. Er nannte sich Glele, was »der schreckliche Löwe des Waldes« oder »Schrecken im Busch« bedeutet.10 Um den Tod seines Vaters zu rächen wie auch um viele Menschenopfer für anstehende traditionelle Zeremonien zusammenzubringen, verstärkte Glele die Raubzüge. Unter dem Vorwand, die Weigerung des Königs von Bante, seinen Forderungen nach Getreide und Vieh stattzugeben, hätte ihn beleidigt, überfiel Glele die Stadt.

Kossola beschrieb Hurston das Gemetzel, das Dahomeys berüchtigte Kriegerinnen noch vor Morgengrauen unter den verschlafenen Einwohnern anrichteten. Wer durch eines der acht Stadttore zu entkommen versuchte, wurde von den dort postierten männlichen Kriegern enthauptet. Kossola erinnerte sich mit Schrecken daran, wie die abgeschlagenen Köpfe an den Gürteln der Krieger hingen und wie diese am zweiten Tag den Marsch unterbrachen, um die Köpfe zu räuchern. In den Rauchwolken konnte er die Köpfe seiner Angehörigen und Nachbarn nicht ausmachen. »Man kann sich gut vorstellen, dass nur wenige dabei allzu genau hinschauten«, schrieb Hurston mitfühlend.11

Zusammen mit vielen anderen, die von den dahomeischen Kriegern gefangen genommen worden waren, wurden die Überlebenden des Massakers von Bante, »in Astgabeln gejocht und aneinandergekettet«,12 in die Gefängnisse von Abomey getrieben. Nach drei Tagen wurden sie in die Barracoons von Ouidah nahe der Bucht von Benin überführt. In den Wochen seiner Haft war Kossola verängstigt und im Ungewissen über sein Schicksal. Vor ihm lag die donnernde Brandung eines Ozeans, den er noch nie gesehen hatte. Hinter ihm lag alles, was ihm Heimat gewesen war. Dort in den Barracoons wie später in seinem Haus in Alabama war Kossola zwischen zwei Welten gebannt, und in keine gehörte er ganz.

Kossola, Hurston, Charlotte Mason und Barracoon

Im September 1927 hatte Hurston Charlotte Osgood Mason kennengelernt, eine Mäzenin mehrerer Vertreter der sogenannten »Harlem Renaissance«, und sich vertraglich an sie gebunden. Mason finanzierte Hurstons Projekt, noch einmal zu ausführlichen Gesprächen mit Kossola nach Alabama zu fahren, und sie unterstützte die Studien, die Hurston unternahm, während sie Barracoon zur Veröffentlichung fertig machte. In einem Brief vom 25. März 1931 an Mason schreibt Hurston: »Meine Arbeit geht gut voran.« Sie berichtet, sie habe einige Passagen umschreiben müssen, aber ihr fehlten »zum Abschluss des Ganzen nur noch wenige Absätze. Dann noch ein letztes Mal abtippen.« Sie gibt an, was sie verändert hat, und teilt die neuen Ergebnisse ihrer Studien mit: »Ich fand in der Bibliothek sogar eine Schilderung des Raubzuges, wie Kossula ihn dargestellt hat. Auch den Stammesnamen. Er stand nicht auf den Karten, weil der ganze Stamm von den dahomeischen Truppen ausgelöscht wurde. Der König, der sie besiegte, bewahrte den Schädel von Kossulas König sorgsam auf, weil er ein besonders würdiger Gegner war.«13

Hurston und Mason tauschten sich mehrere Jahre lang über die mögliche Veröffentlichung von Barracoon aus. Da sie wollte, dass Hurston finanziell auf eigenen Füßen stand, bestärkte Mason sie darin, Barracoon wie auch das Material, aus dem einmal Mules and Men werden sollte, zur Publikation fertig zu machen. Charlotte Mason betrachtete sich nicht nur als Mäzenin schwarzer Schriftsteller und Künstler, sondern auch als Hüterin des schwarzen Volksguts. Sie sah es als ihre Pflicht an, dieses vor Weißen zu schützen, die »bei sich selbst nichts Interessantes mehr zu erforschen« fanden und deshalb, wo sie nur konnten, Material an sich rissen, »das rechtmäßig ganz und gar einer anderen Rasse gehört«. Auf Anraten von Alain Locke und Mason bat Hurston Kossola und seine Familie, »ja nicht mit anderen Volksgutsammlern zu reden – Weißen zweifellos – , die nach seiner und ihrer Meinung ›nicht nur von dem vorliegenden Projekt, sondern von dieser ganzen Bestrebung zur Wiederentdeckung unseres Volksgutes völlig ferngehalten‹ werden sollten«.14

Masons Unterstützung von Hurstons Arbeit an Barracoon ging so weit, dass sie Kossola Geld zukommen ließ. Mason und Kossola kommunizierten schließlich direkt miteinander, und für ihn wurde sie eine »liebe Freundin«. Wie ein Brief vermuten lässt, hatte er finanziell zu kämpfen. Es war Mason zu Ohren gekommen, dass Kossola Auszüge aus seinem Exemplar von Hurstons Text benutzt hatte, um regionale Zeitungen zu finanziellen Zuwendungen zu bewegen. Weil Mason deswegen in Sorge war, diktierte Kossola einen Brief an sie:

Liebe Freundin du hast vielleicht in der Zeitung über meine Geschichte erfahren. Aber das ist über drei Jahre her, dass ich Leuten erlaubt habe, sie zu nehmen und daraus zu kopieren. Das war nur, damit sie mir helfen. Aber niemand hat so viel für mich getan wie du. Der Herr wird dich Segnen und wird dir ein langes Leben schenken. Wo es keinen Abschied mehr gibt, in Christus dein Cudjo Lewis.15

Wie Mason Hurstons professionelle Interessen zu wahren suchte, so blieben beide Frauen um Kossolas Wohlergehen besorgt. Als Hurston entdeckte, dass er von Mason angewiesenes Geld nicht erhielt, ging sie der Sache nach. Sie informierte Mason über den Stand der Dinge:

Ich habe Claudia Thornton geschrieben, dass sie das mit Kossula und überhaupt nachprüft. Ich habe auch das Postamt in Plateau gebeten, alle Briefe zu überprüfen, die Cudjoe Lewis aus New York bekommt.16

Neben solchen Aufklärungsbemühungen fuhr Hurston fort, das Manuskript zu überarbeiten. »Zweite Fassung von Kossula ganz fertig und so gut wie getippt«, schrieb sie am 12. Januar 1931 an Mason. Am 18. April war sie enthusiastisch: »Endlich kann sich ›Barracoon‹ deinem Blick stellen.«17 Um sich für Masons Unterstützung erkenntlich zu zeigen, widmete Hurston ihr das Buch und begann, es bei Verlagen einzureichen. Im September 1931 dachte sie über ein Angebot von Viking nach: »Viking Press fragt abermals nach Life of Kossula, aber in Sprache statt Dialekt. Es liegt hier, und ich weiß, wie du darüber denkst, und wenn ich ihnen antworte, dann nur mit deiner Zunge.«18 Der Dialekt war für die Geschichte ein wesentlicher und authentifizierender Faktor. Einem solchen Eingriff wollte Hurston sich nicht fügen. Vielleicht war es so, wie Langston Hughes in The Big Sea schrieb, dass »wir Neger … nicht mehr en vogue« waren. Verlage wie Boni und Viking waren jedenfalls nicht willens, in der Zeit der Weltwirtschaftskrise mit »Negro material« ein Risiko einzugehen.19

Der Griot

Enttäuschung scheint in der Mitteilung der Historikerin Sylviane Diouf anzuklingen, Hurston habe Barracoon bei verschiedenen Verlagen eingereicht, »doch es fand nie einen Abnehmer und ist bis heute nicht veröffentlicht«.20 Hurstons Manuskript ist ein historisches Dokument von unschätzbarem Wert, wie Diouf bemerkt, und darüber hinaus eine außerordentliche literarische Leistung, auch wenn es zu ihren Lebzeiten keine Abnehmer fand. Zora Neale Hurston gelang es darin, einen schriftlichen Text so zu gestalten, dass die Mündlichkeit des gesprochenen Wortes bewahrt bleibt. Ohne sich selbst in die Erzählung einzuschalten, erschuf sie etwas, was einige Theoretiker unter den Begriff »Oratur« fassen. Gegen die Kritik ihres Biografen Robert Hemenway, der Barracoon als Hurstons Nachschöpfung von Kossolas Erfahrung bezeichnet, wendet die Anglistin Lynda Hill ein: »Durch ein bewusstes Zurücktreten vermeidet sie es, auf natürliche oder naturalistische Weise ihren eigenen Standpunkt darzustellen, und lässt Kossula ›seine Geschichte auf seine Weise erzählen‹.«21

Zora Neale Hurston machte es sich nicht nur zur Aufgabe, Artefakte der afroamerikanischen Volkskultur zu sammeln, sie ließ auch nicht mit sich verhandeln, wenn es um ihre authentische Darbietung ging. Obwohl sie den von der westlichen wissenschaftlichen Forschung geforderten Standpunkt des objektiven Beobachters ablehnte und für eine teilnehmende Beobachtung eintrat, nahm sie in ihre Methodik doch auch ethnographische und volkskundliche Verfahren auf. Die Haltung der teilnehmenden Beobachterin ermöglichte es ihr, Volksgut zu sammeln »wie ein neuer Besen«22. Wie Hill betont, ging arbeiten und lernen bei Hurston Hand in Hand, was letztlich bedeutete, dass sie nicht einfach ihre Mentoren kopierte, sondern ihre eigene Vorgehensweise entwickelte.

Eingebettet in den Erzählfluss von Barracoon sind ethnografische und volkskundliche Aspekte, die Hurstons Methodik erkennen lassen und Kossolas Geschichte als seine eigene beglaubigen, nicht als Produkt von Hurstons Fantasie. Die Geschichte wird überwiegend in der ersten Person aus Kossolas Perspektive erzählt. Zur Aufzeichnung bedient sich Hurston seiner mundartlichen Redeweise und schreibt seine Worte, wie er sie für ihre Ohren ausspricht. Die Sätze folgen seinen syntaktischen Rhythmen und erhalten seine idiomatischen Ausdrücke und wiederkehrenden Redewendungen. Hurstons Methoden respektieren Kossolas eigenes Erzähltalent, das »in der afrikanischen Erde verwurzelt« ist. »Es ließe sich schwerlich behaupten, sie hätte Kossulas Sprache und damit seine sich nach und nach herausschälende Person komplett erfunden«, bemerkt Hill.23 Und ebenso schwerlich ließe sich behaupten, sie hätte die in Kossolas Lebensgeschichte wiedergegebenen Ereignisse erfunden.

Hat Hurston ihre Vorstellung davon, wie eine Geschichte zu erzählen ist, so hat Kossola seine. Beispielsweise hat sie anfangs wenig Geduld mit Kossolas Ausführungen über seinen Vater und seinen Großvater. Aber mit seiner Sprichwortweisheit korrigiert er ihre Einstellung: »Wo ist das Haus, wo die Maus der Herr ist?«24

In Dust Tracks on a Road hadert Hurston mit Kossolas Zurückhaltung. Doch die Geduld, mit der sie seine Geschichte aus ihm herausholt, ist im Text offensichtlich. Beharrlich sucht sie ihn wieder auf, selbst wenn Kossola sie missgestimmt fortschickt. Nicht immer mag er erzählen, wenn sie kommt, sondern arbeitet lieber im Garten oder repariert den Zaun. Und manchmal geht ihre Zeit mit ihm dafür drauf, dass sie ihn mit dem Auto in die Stadt fährt. Manchmal verliert er sich in seinen Erinnerungen.

Solche einzelnen Momente im Text festzuhalten, strukturiert nicht nur den allgemeinen narrativen Fluss der Ereignisse, sondern zeigt auch die Verhaltensmuster ihres Informanten auf. Da Hurston sich nicht allein als Beobachterin versteht, ist sie aktiv an dem Prozess beteiligt, »Kossola seine Geschichte erzählen zu helfen«. »In der Niederschrift seiner Geschichte«, sagt Hill, »romantisiert Hurston nichts und unterstellt auch in keiner Weise, aus einem Leid, wie Kossola es erlebt hat, könnten Ideale wie persönliche Erfüllung oder umfassende Selbstentfaltung erwachsen.

Hurston interpretiert seine Ausführungen nicht, höchstens wenn sie einen Übergang von einem Interview zum nächsten herstellt, in ihren Fußnoten und wenn sie am Schluss resümiert.«25 Die Geschichte, die Hurston bekommt, wird so dargeboten, dass sie, die Gesprächspartnerin, so gut wie verschwindet. Der Erzählraum, den sie schafft, damit Kossola sein Herz ausschütten kann, ist heilig. Statt sich selbst als gebildete und fragende Kulturanthropologin, forschende Ethnografin oder auktoriale Erzählerin in die Erzählung hineinzudrängen, übt Zora Neale Hurston mit ihrem stillen Zuhören das Amt einer Priesterin aus. In diesem Raum gibt Oluale Kossola seine Geschichte von epischem Ausmaß an sie weiter.

Editorische Bemerkung

Zora Neale Hurstons Einleitung zu Barracoon wurde in Orthografie, Interpunktion, Grammatik und Gebrauch heutigen Gepflogenheiten angeglichen. Auch für Eigen- und Ortsnamen wurde eine heutige Schreibung gewählt. In der Arbeit an der Einleitung zu ihrem Werk bemühte Hurston sich redlich, die Quellen nachzuweisen, die sie heranzog, um die Erzählung in einen größeren Zusammenhang zu stellen. So erklärt sie in ihrem Vorwort: »In den historischen Angaben stütze ich mich auf das Journal of Negro History und die Unterlagen der Mobile Historical Society.« Auch in ihrer Einleitung erwähnt sie die Verwendung solcher »Unterlagen«. Hurston bedient sich stellenweise Emma Langdon Roches Historic Sketches of the South, aber sie bezieht sich nicht direkt darauf, und die Art, wie sie daraus und aus anderen benutzten Quellen zitiert, ist inkonsequent. Überall, wo zweifelhaft ist, wie sie Paraphrase und Zitat handhabt, habe ich die Stelle als direktes Zitat behandelt und dieses entsprechend nachgewiesen.

Was die Erzählung selbst betrifft, so habe ich zur Erstellung eines endgültigen Textes das Originaltyposkript mit früheren maschinen- und handschriftlichen Fassungen verglichen. Kleinere Korrekturen am Text wurden aus typografischen Gründen, zum Zweck der Verdeutlichung oder zur Beseitigung offensichtlicher Tippfehler vorgenommen. Ansonsten ist der Text so geblieben, wie Hurston ihn hinterlassen hat. In den Anmerkungen hinten habe ich hier und da Dinge erklärt oder vollständige bibliografische Angaben für Quellen nachgereicht, die Hurston in ihren eigenen Anmerkungen erwähnt. Solche erklärenden Zusätze sind als »Anmerkungen der Herausgeberin« kenntlich gemacht und in eckige Klammern gesetzt. Alle anderen Anmerkungen sind im ursprünglichen Manuskript enthalten. Hurstons Nachweise und Fußnoten sind ebenfalls den Gepflogenheiten angeglichen worden.

Deborah G. Plant

Die »Tür ohne Wiederkehr« im Maison des Esclaves (Sklavenhaus) auf der Insel Gorée vor Senegal an der westafrikanischen Küste. Über dem Durchgang steht: »Herr! Gib meinem Volk, das so sehr gelitten hat, die Stärke, groß zu sein« (Joseph Ndiaye).

Mit freundlicher Genehmigung von Deborah G. Plant und Gloria Jean Plant Gilbert

BARRACOON

FürCharlotte MasonMeine Patenmutter und die eine Mutter aller Urvölker, die mit den Göttern im All um die Herzen der Unbelehrten besorgt ist

Vorwort

Dies ist die Lebensgeschichte von Cudjo Lewis, von ihm selbst erzählt. Sie erhebt keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit, entspricht aber im Ganzen recht genau den Tatsachen. Wenn ihm nach 67 Jahren die Details ein wenig verschwimmen, darf man ihm das sicherlich nachsehen. Die beigegebenen Zitate aus den Werken von Reisenden in Dahomey sollen nicht den Eindruck einer gründlich dokumentierten Biographie erwecken, sondern sein bemerkenswertes Erinnerungsvermögen unterstreichen.

Drei Schreibweisen finden sich für sein Volk: Attako,Taccou und Taccow. Aber Lewis’ Aussprache ist wahrscheinlich korrekt. Deshalb verwende ich im Buch durchweg die Form Takkoi.

Eine Frau von unendlich großem Verständnis für die Urvölker gab mir den Auftrag, diese Geschichte zu besorgen. Dahinter stand der Gedanke, eher auf die essenzielle Wahrheit zu zielen als auf faktische Genauigkeit, die so häufig irreführend ist. Daher durfte er seine Geschichte auf seine Weise erzählen, ohne interpretierende Einmischung.

In den historischen Angaben stütze ich mich auf das Journal of Negro History und die Unterlagen der Mobile Historical Society.

Zora Neale Hurston

17. April 1931

Einleitung

Der afrikanische Sklavenhandel ist das dramatischste Kapitel in der Geschichte der Menschheit. Aus dem Grund hat sich massenhaft Literatur darum angehäuft. Unzählige Bücher und Aufsätze sind darüber geschrieben worden. Hinzu kommt noch das reiche Erzählgut, das auf dem Atem von Sprachlosen über die Meere und Länder der Welt wehte.

Diejenigen, die das Halten von Sklaven aus den verschiedensten Gründen rechtfertigen, haben ihre Sicht der Dinge dargestellt, darunter etliche Sklavenschlepper, die mit ihren Großtaten im Handel mit fleischlicher Konterbande geprahlt haben. Diejenigen, die sich voll Abscheu davon distanzieren, haben in gewichtigen Wälzern ihre Stimme dagegen erhoben.

Alles, was schriftlich und mündlich dazu geäußert wurde, hatte zu tun mit Schiffen und Rationen, mit Segeln und Wetter, mit Finten und Piraterie und Abenteuern zwischen Wind und Wasser, mit eingeborenen Königen und harten Verhandlungen um sündhafte Geschäfte für beide Seiten, mit Stammeskriegen und Sklavenfaktoreien und blutigen Massakern und allen Machenschaften, die es braucht, um einen Barracoon mit jungen Afrikanern in der ersten Phase ihrer Verwandlung von Menschen in Vieh zu füllen, mit Verladung und Ernährung und Hunger und Atemnot und Pest und Tod, mit Gestank auf dem Sklavenschiff und Meuterei von Besatzung und Fracht, mit dem Überbordwerfen der Fracht vor den Geschützen britischer Kreuzer, mit Auktionen und Verkäufen und Gewinnen und Verlusten.