Basics der Systemischen Strukturaufstellungen - Renate Daimler - E-Book

Basics der Systemischen Strukturaufstellungen E-Book

Renate Daimler

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Beschreibung

Eine verständliche Einführung in die Arbeitsweise der Systemischen Strukturaufstellungen

Strukturaufstellungen geben uns die Möglichkeit, sowohl im persönlichen als auch im beruflichen Kontext eigene und fremde Systeme besser zu verstehen. Die wichtigsten Grundlagen dieser populären neuen Methode werden übersichtlich und anhand vieler Beispiele aus der Praxis vermittelt: systemische Grundsätze, die häufigsten Formen der Strukturaufstellungen sowie die entscheidenden Techniken und Haltungen.

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Seitenzahl: 683

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Renate Daimler

Basics der Systemischen Strukturaufstellungen

Eine Anleitung für Einsteiger und Fortgeschrittene

mit Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © 2008 Kösel-Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Cover: Gerald Wahl / Kaselow Design, München

Covermotiv: Brigitte Smith

Illustrationen: Matthias Varga von Kibéd

ISBN 978-3-641-25038-6 V003

www.koesel.de

Inhalt

Eine Geschichte

Vorwort

Ein Schuhlöffel

Gebrauchsanleitung für das Buch

Was sind Systemische Strukturaufstellungen?

Wurzeln und Quellen

Welche Art von Wirklichkeit wird abgebildet?

Repräsentierende Wahrnehmung

Struktur und System

Best of Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd

Die systemischen Grundsätze als Basis für eine Systemische Strukturaufstellung

Systemorientierungen

Inhalte zu den Systemorientierungen im Detail

0.Das Prinzip der Nichtleugnung

1.Das Recht auf Zugehörigkeit

2.Die Anerkennung der zeitlichen Reihenfolge

3.Die Anerkennung des höheren Einsatzes für das Ganze

4.Der Vorrang von höheren Leistungen und Fähigkeiten

Systemische Ausgleichsprinzipien

1.Der Ausgleich im Guten sollte ein vermehrter sein

2.Der Ausgleich im Üblen sollte ein verminderter sein

3.Ein allzu exakter Ausgleich sollte vermieden werden

4.Der Schuldner hat ein Recht auf Mahnung

5.Der Gläubiger wird schuldig am Schuldner, wenn er ihm die Mahnung verweigert

6.Der Ausgleich des Schuldners sollte in der »Währung« des Gläubigers erfolgen

7.Der eigentliche Ausgleich liegt in der Anerkennung der Ausgleichsverpflichtung

8.Die Ausgleichsleistung wird nur wirksam als Ausdruck dieser Anerkennung

9.Die Verweigerung der Ausgleichsleistung hebt die Wirkung einer schon erfolgten Anerkennung der Ausgleichsverpflichtung wieder auf

10.Wird der Ausgleich mit der Ausgleichsleistung verwechselt, verkommt er zu einer bloßen Bezahlung

Ausgleich als Konstruktion

Wozu brauchen BeraterInnen Wissen über Hirnforschung?

oder »Führen als erfolgreiche Navigation im Dickicht eigener und fremder Synapsen« – Ein Beitrag von Gerald Hüther

Die häufigsten Formate der Strukturaufstellungen

Das Wunder und die Lösungen

Die Lösungsaufstellung

Die Zielannäherungsaufstellung

Das Lösungsgeometrische Interview

Die Neunfelder- und Zwölffelderaufstellung

Das Dilemma und seine Auswege

Das Tetralemma und die Tetralemmaaufstellung

Die multiple Entscheidungsaufstellung

Die Grundwerte und ihre Klärung

Die Glaubenspolaritätenaufstellung

Die Wertpolaritätenaufstellung

Das Innen- und Außenleben eines Problems

Die Problemaufstellung

Das, worum es vielleicht auch noch geht

Die Aufstellung des ausgeblendeten Themas (AAT)

Die Suchprozessintervention

Der Körper und seine Sprache

Die Körperstrukturaufstellung

Die Körperaufstellung

Die Symptomaufstellung

Die Körperstrukturaufstellung als Aufstellung ohne Aufsteller

Die Prototypischen Strukturaufstellungen (PTA)

Die Drehbuchstrukturaufstellung (DBSA)

Einige Beispiele von Drehbuchstrukturaufstellungen

Die Drehbuchstrukturaufstellung im Theaterbereich

Die Drehbuchstrukturaufstellung im Organisationsbereich

Die Gliederungsstrukturaufstellung, gezeigt am Beispiel eines Buchprojektes

Die Supervisionsaufstellung

Wichtige Anwendungsbereiche

Organisationsstrukturaufstellungen (OSA)

Häufige Themen und Formen für die Arbeit in und mit Organisationen

Veränderungsprozesse und Systemische Strukturaufstellungen

Konfliktmanagement und Systemische Strukturaufstellungen

Kündigungsmanagement und Systemische Strukuraufstellungen

Die Hierarchieebenenaufstellung HEA

Die Teamstrukturaufstellung TSA

Die Projektstrukturaufstellung PSA

Großgruppenstrukturaufstellungen

Organisationsinterne Strukturaufstellungen

Familienstrukturaufstellungen (FSA)

Die einzelnen Schritte bei einer Familienstrukturaufstellung

Familienstrukturaufstellungen in Kombination mit anderen Formaten

Interpretation und Deutung von Bildern in der Familienstrukturaufstellung

Speziellere Formen

Die Logostrukturaufstellung

Die Traumstrukturaufstellung

Vierzig Tipps für eine geglückte Strukturaufstellung

Ablauf einer Systemischen Strukturaufstellung

Die Alter-Ego-Methode (Arbeit mit jüngeren Anteilen)

Allparteilichkeit als vielgerichtete Parteilichkeit

Anordnungsprinzipien (Umstellen von RepräsentantInnen)

Arbeit mit Unterschieden

Arbeit mit Skalen und Zahlen

Auftragsklärung

Bühnenbeleuchtung

Deutungsebenen

Echo geben

Einrollen, Entrollen

Einzelarbeit mit Bodenankern

Fokus und Multifokales Aufstellen

Freie Elemente

Gewaltfreie Kommunikation

Grundsätzliche Interventionen: Stellungsarbeit, Prozessarbeit, Test

Hypnotherapeutische Elemente

Kataleptische Hand

Kontexttrennung bei Überlagerungen – die fünf V

Kontextüberlagerungs-Aufhebungsritual

Komplexitätsreduktion, angemessene Vielfalt

Konstruktivismus

(Das rosa) Krokodil im Raum

Lösungen

Orte

Rest der Welt

RepräsentantInnen

RepräsentantInnenkategorien

Rituelle Sätze und Gesten

Rollenrückgabestrukturaufstellungen

Schlussbild und Neuanfang, Ankern des Lösungsbildes

Strukturebenenwechsel

Systematisch ambiges Arbeiten (Mehrdeutigkeit)

Systemische Abschlussfrage

Verdeckte Aufstellungen

Vom passenden Zeitpunkt

Wissenschaftlicher Nachweis

Wunder

Wunder und Alltag

Wunder an der Leine

Zeitdehnungsritual

Zeitlinien

Literatur

Über die AutorInnen

Eine Geschichte

Damals, als alles begann, wussten die beiden noch nicht, dass sie die Landschaft der Aufstellungsarbeit in Europa – und darüber hinaus – prägen werden.

Damals waren sie einfach ein Paar, das sich am Abend von den Ereignissen des Tages erzählte. Insa Sparrer von ihren Erkenntnissen als Psychotherapeutin, Matthias Varga von Kibéd von seinen mathematischen Formeln und logischen Abhandlungen, die er für seine StudentInnen an der Universität in ungarischer Leidenschaft mit buntem Leben füllte.

Das Eine war vielfältig und interessant, das Andere ebenso. Und je länger sie darüber sprachen, desto klarer wurde für sie: Es gab ein Beides. Nicht nur als Ehepaar, auch in ihrer Arbeit.

Und so begann ein Experiment, das sich mit den Jahren zu etwas entwickelte, was richtungsweisend wurde. Nach und nach wurde systemische Arbeit in Formen gegossen, nach und nach gab es eine klare Grammatik, die eine völlig neue Zugangsweise zu Systemen und ihrer Struktur ermöglichte. Man konnte die Themen, die aufgestellt wurden, abstrakt benennen und niemand musste wissen, was mit Das Eine gemeint war. Es genügte, dass es dazu Das Andere gab, einen Gegensatz, der häufig zum Dilemma führte. Und dann kam Beides und schon fand sich vielleicht eine übersehene Verbindung. Es konnte aber auch sein, dass es um Keines von Beidem ging, um etwas, woran unsere KundInnen und KlientInnen* bisher noch nicht einmal gedacht hatten. Und so wurde in einem kreativen Prozess eine alte Struktur aus der indischen Logik in ein Aufstellungsformat übersetzt. Um jedem Schubladendenken vorzubeugen, fügten die Entwickler und Gründer der Systemischen Strukturaufstellungen noch eine fünfte Positionhinzu, ein Element aus der buddhistischen Logik, das den Prozess unterstützte und sich frei durchs Bild bewegen durfte.

In den Jahren, in denen eine Vielzahl solcher Formate entstand, gab es einen regen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus ähnlichen, aber auch aus ganz anderen Feldern. Und so kam es, dass viele Impulse in die transverbale Sprache der Systemischen Strukturaufstellungen einflossen und sie ergänzten.

Heute werden Systemische Strukturaufstellungen an Universitäten gelehrt, füllen Konferenzsäle, und die Zahl derer, die an dieser »transverbalen Sprache« interessiert sind, kann längst nicht mehr beziffert werden.

Die Zeit des Lernens hört dennoch nicht auf. Weder für die Entwickler und Gründer noch für uns, die wir von ihren immer wieder neuen Erkenntnissen profitieren und selbst neue Entdeckungen machen.

Die Systemischen Strukturaufstellungen sind ein Ozean, dessen Tiefe uns umso mehr bewusst wird, je mehr wir davon wissen und je mehr wir damit arbeiten.

Ich bin voller Dankbarkeit und Freude, dass Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd sich nach unserem ersten gemeinsamen Buch Das Unsichtbare Netz. Erfolg im Beruf durch systemisches Wissen erneut zu einer Zusammenarbeit mit mir bereit erklärt haben.

Es war auch diesmal wieder aufregend, anregend und anstrengend zugleich, die kostbaren Zeitfenster gut zu nützen, die wir uns zwischen ihren eigenen – fast rund um die Uhr – stattfindenden Seminaren nehmen konnten. Und so haben wir wieder an sehr kreativen Orten gearbeitet. Am Münchner Hauptbahnhof, am Wiener Westbahnhof – hier bin ich, weil wir mitten in einem sehr wichtigen Text waren (Struktur und System), mit Matthias und seinem »kleinen« Gepäck in den Zug gestiegen und einfach bis Salzburg mitgefahren (und vom gegenüberliegenden Bahnsteig wieder zurück). Wir haben uns auf Flughäfen, in ruhigen und lauten Kaffeehäusern, in diversen Seminarzentren, an der Hafenmole von Piran und in Insas und Matthias’ Wohnung in München getroffen.

Aus diesen besonders kostbaren Tagen in München, voller intensiver Arbeit und herzlicher Gastfreundschaft, nehme ich ein Bild mit, das mir unvergesslich bleiben wird: Wir sitzen über den Systemischen Grundsätzen und ringen gemeinsam um Genauigkeit und Verständlichkeit. Die Reinigungsfrau der beiden läutet, sie wird begrüßt und ist auch schon wieder vergessen. Irgendwann kommt sie ins Wohnzimmer. Wir reden weiter und später brüllen wir – ohne es zu bemerken –, als sie den Staubsauger einschaltet. Als sie mit vielen Entschuldigungen beginnt, rund um unsere Füße zu saugen, fällt uns auf, dass wir besser flüchten sollten. Ins Büro. Der Schreibtisch ist meterhoch von Büchern »bewohnt« (jeder, der Matthias näher kennt, weiß, dass ich nicht übertreibe), hier hat selbst mein kleiner Laptop keinen Platz. Insa und Matthias bieten mir galant einen Riesenkoffer, den sie schon für die nächste Reise gepackt haben, als Tisch an und schon geht es mit dem nächsten Absatz weiter.

Einige Monate später beginnt das »Textfinale« im Garten unseres Lieblingsgriechen, bei dem wir unser gemeinsames »Büro« eingerichtet hatten. Dagmar Olzog, unsere engelsgeduldige, mehr als kompetente Lektorin, bespricht zwischen Vorspeisenplatten und Knoblauchbrot mit uns Texte, während Matthias einen wunderschönen Cartoon nach dem anderen zeichnet. Es war in der 92. Minute und schon spät, wir waren längst ins Lokal übersiedelt, als Österreich während der Europameisterschaft ein Ausgleichstor gegen Polen schoss. Ich wusste bis dahin nicht, dass die Logostrukturaufstellung und Fußball so gut zusammenpassen. Jedenfalls war es der Augenblick, in dem ich meinen Laptop zuklappen konnte, weil unser Buch (fast) fertig war.

Seit diesem Tag sind inzwischen ein paar Jahre vergangen. Die »Basics«, wie Insa und Matthias unsere gemeinsamen Bemühungen liebevoll nennen, haben ihren Weg inzwischen auch in andere Anwendungsgebiete gefunden.

Danke für Eure Großzügigkeit, Eure Freundlichkeit und Eure Freundschaft.

 

*In diesem Buch werden wir abwechselnd von Kundinnen und Klientinnen sprechen, gemeint sind aber immer beide Gruppen, weil sich Systemische Strukturaufstellungen in jedem Feld einsetzen lassen.

Vorwort

von Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd

 

 

Als wir 1989 die ersten Formate von Systemischen Strukturaufstellungen entwickelten, hatten wir uns schon weit über ein Jahrzehnt mit Formen der Ericksonschen Hypnotherapie und des NLP, mit logischer Sprachanalyse und Paradoxientheorie befasst. Die logischen und sprachanalytischen Methoden bildeten zunächst also unsere Grundlage, bis wir 1982/83 den Ansatz der Schule von Milwaukee durch Steve de Shazer kennenlernten. Er war auch für fast ein Vierteljahrhundert einer unserer wichtigsten Lehrer (und Freund), im vergangenen Jahrzehnt gemeinsam mit seiner Frau Insoo Kim Berg. 1986 bis 1988 trafen wir dreimal Virginia Satir, deren wunderbare Menschlichkeit, präzise Beobachtung, Inspiration und Weisheit uns zutiefst beglückte und unsere Arbeitsweise entscheidend veränderte. Nachdem wir 1989 die (u.a. auf Ruth McClendon, Leslie Kadis und Thea Schönfelder zurückzuführende) Familienaufstellungsarbeit von Bert Hellinger und die Arbeit mit dynamischen Skulpturen in der hypnosystemischen Arbeit von Gunther Schmidt kennengelernt hatten, entwickelten wir, unter Einbeziehung zentraler Ideen aus dem transgenerationellen Ansatz von Ivan Boszormenyi-Nagy, eine umfangreiche Grammatik und Methodik der Strukturaufstellungsarbeit als einer rein konstruktivistischen Aufstellungsform.

Die Strukturaufstellungsarbeit hat als eigenständige Interventionsmethode inzwischen eine Vielzahl von Anwendungen in Therapie und Beratung, Supervision und Coaching, Mediation und Förderung von Lernprozessen sowie im kreativen Bereich gefunden. Wir sehen Strukturaufstellungen als eine transverbale, das heißt von ganzen Personengruppen als Modellsystem gesprochene Sprache. Die Verbindung von Transverbalität mit Ericksonscher Arbeit, dem lösungsfokussierten Ansatz und Mitteln der logischen Sprachanalyse erlauben es, diesen Ansatz auf immer neue Anwendungsgebiete auszudehnen – denn, wie Wittgenstein über die Grenze der Sprache im Vorwort seines Tractatus schreibt: Diese Grenze wird nur von innen gezogen werden können. In diesem Sinne geht Strukturaufstellungsarbeit weit über eine bloße Methode hinaus.

Renate Daimler hat als eine der ersten dieses Verfahren schon 1997 bei uns kennengelernt und unsere vierjährige Ausbildung in der Methode abgeschlossen. Sie arbeitet seit vielen Jahren engagiert und sachkundig mit Systemischen Strukturaufstellungen und gibt sie an BeraterInnen weiter. Renates Wunsch war es, mit diesem Buch, den Basics der Systemischen Strukturaufstellungen, allen, die am Erlernen dieses Verfahrens interessiert sind, einen leicht verständlichen Überblick an die Hand zu geben, der den dazugehörigen Lernprozess fruchtbar unterstützen und begleiten kann. Dazu hat sie uns immer wieder die Zustimmung abgerungen, dass an manchen Stellen auf Details im Interesse der Zugänglichkeit verzichtet werden darf. Wir sind zuversichtlich, dass diese Bemühungen den LeserInnen zugutekommen werden. Darüber hinaus aber werden auch Laien durch die Basics von Renate Daimler einen Einblick in die Sprache und Anwendung der Strukturaufstellungen gewinnen können.

Wir haben die klare und lebendige Sprache von Renate schon bei der Zusammenarbeit an unserem gemeinsamen Buch mit erzählten Fallbeispielen zu Organisations-Strukturaufstellungen Das unsichtbare Netz sehr zu schätzen gelernt und uns daher mit Freude bereit erklärt, an diesem Buch mitzuwirken und einige Cartoons zum Schmunzeln beizusteuern.

Die LeserInnen werden hier nicht nur einen detaillierten Überblick über die wichtigsten systemischen Grundsätze der Strukturaufstellungsarbeit in ihrer Anwendung auf Familien und Organisationen finden, sondern auch eine Darstellung der Grammatik der Hauptformen der Strukturaufstellungen.

Darüber hinaus finden sich Details zu einigen neueren, bisher nur in Seminaren behandelten Strukturaufstellungsformaten wie den Traumstrukturaufstellungen und den Gliederungsstrukturaufstellungen, Neues zu Drehbuchstrukturaufstellungen und Logostrukturaufstellungen und eine Darstellung von Renate Daimlers spezieller Art der Suchprozessinterventionen.

Dass es Renate Daimler gelungen ist, mit Zustimmung von Gerald Hüther einige seiner faszinierenden und für StrukturaufstellerInnen höchst relevanten Gedanken zur Forschung über die Wirkung innerer Bilder in den Band mit aufzunehmen, halten wir für eine besonders erfreuliche Bereicherung. Die Zusammenfassung von Peter Schlötters Forschungsergebnissen zu den Grundzügen der repräsentierenden Wahrnehmung stellt einen weiteren besonders nützlichen Abschnitt dieses Buches dar.

Die Vielzahl der Fallbeispiele, großenteils aus der Aufstellungspraxis von Renate Daimler, und ein langes Kapitel mit »Vierzig Tipps für eine gelungene Strukturaufstellung« runden dieses Buch in gelungener Weise ab.

Liebe Renate, wir freuen uns sehr über Deinen beständigen großen Einsatz und Deine gute und verantwortungsvolle Umgangsweise mit der Strukturaufstellungsarbeit!

Und Ihnen, liebe LeserInnen, wünschen wir eine nützliche und vergnügliche Lektüre der Basics und gute Fortsetzung in der Praxis in der Außenwelt!

Ein Schuhlöffel

Wir waren in der Pionierphase der Ausbildung für Systemische Strukturaufstellungen am SySt-Institut in München ein kleines Grüppchen und hatten noch kaum Bücher. Damals, 1997, wurde die Basis für dieses Buch gelegt. Ich schrieb Hunderte von Seiten persönlicher Skripten und als ich sie Jahre später, am Beginn meiner eigenen Lehrtätigkeit, wieder las, kam die Erinnerung zurück, was EinsteigerInnen in die Methode brauchen. Das war mein Leitfaden für die Lehrgangsunterlagen, die ich für meine eigenen StudentInnen entwickelte, wunderbar unterstützt von den Büchern Ganz im Gegenteil von Matthias Varga von Kibéd und Insa Sparrer und Wunder, Lösung und System von Insa Sparrer, die inzwischen erschienen waren.

Basics der Systemischen Strukturaufstellungen baut auf dieser Grundlage auf und profitiert vom Luxus, dass Insa Sparrer inzwischen das herausragende Grundlagenbuch Systemische Strukturaufstellungen, Theorie und Praxis verfasst hat, ein Wunderwerk an tiefem Wissen zu unserer transverbalen Sprache.

Gleichzeitig haben die beiden GründerInnen mich dabei unterstützt, dass der Text die Methode trotz aller Reduzierung auf das Wesentliche sinnvoll wiedergibt.

Die herrlichen Cartoons von Matthias Varga von Kibéd, die er während des Mittagessens so ganz nebenbei gezeichnet hat, sind all jenen vertraut, die je ein Seminar bei ihm erlebt haben und seine weltmeisterlichen Flipcharts genießen durften.

An dieser Stelle möchte ich mich auch ganz besonders bei den TeilnehmerInnen meines allerersten Lehrgangs in Wien und Bregenz bedanken: Doris Gmeiner und Ursula Turek, die mir nicht nur geholfen haben, die Lehrgänge aufzubauen, sondern auch daran teilgenommen haben und die damals die meisten meiner Lehrgangstexte auf Verständlichkeit gelesen haben: Andrea Überbacher Kloiber, Andreas Müller, Anita Bertsch-Gauch, Anita Weber-Gallusser, Bettina Längle Steiner, Caroline Schneider, Claudia Kappel, Dieter Sckell, Ernst Feistauer, Ewald Kunst, Gabriele Gamsjäger, Georg Breiner, Gudrun Obertuefer, Irene Gruber-Begusch, Julia Schwärzler, Marcella Zauner-Grois, Nicole Lauchart, Rena Schier und Silvia Kollmann. Sie haben mich durch ihre unzähligen klugen Fragen dabei unterstützt, noch besser zu verstehen, worüber ich schreiben soll. Während wir unser gemeinsames Jahr mit Lernen zugebracht haben, haben sich meine Texte mehr als verdoppelt und sind mit jedem neuen Lehrgang und weiteren interessanten Fragen von TeilnehmerInnen weiter gewachsen.

Mein Freund und Kollege Max Berghe von Trips hat mir nicht nur den Rücken gestärkt, wenn ich ob der Komplexität der Materie manchmal verzagt war, er hat mich bei unseren vielen Telefonaten und langen Spaziergängen im Englischen Garten mit guten Ideen versorgt und mir immer wieder Material zur Verfügung gestellt. Viele andere großzügige Menschen haben immer wieder Teile dieser Texte auf Verständlichkeit gelesen und/oder mir Mitschriften aus Seminaren zur Verfügung gestellt. Dank auch an Dagmar Olzog, sie hat wieder die Geduld und das Interesse aufgebracht, in dieses komplexe Thema als sachkundige Lektorin einzutauchen. Besonders bedanken möchte ich mich auch bei den beiden Wissenschaftlern Gerald Hüther und Peter Schlötter. Sie haben mich großzügig und unkompliziert bei meinen zu ihren jeweiligen Sachgebieten gehörenden Texten unterstützt.

Die Geduld, mit der mein Mann Carl die Geburtswehen zu diesem Buch ausgehalten hat, verdient mehr als ein Dankeschön ...

Dieses Buch erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es versteht sich als »Schuhlöffel« in den weiten Ozean der Systemischen Strukturaufstellungen. Es soll eine Anleitung sein, die eine Vertiefung durch die »Schatzkammern« der Bücher der GründerInnen umso empfehlenswerter macht, damit das stabile Boot auf dem Ozean mit der Zeit zu einem Luxusdampfer heranwachsen kann.

Gebrauchsanleitung für das Buch

•Wir verwenden, um Platz zu sparen, immer den Begriff KundInnen oder KlientInnen, gemeint sind immer beide.

•Wir haben uns für eine gendergerechte Sprache engagiert, dort, wo es sprachlich zu kompliziert wurde, bitten wir um Verständnis.

•Alle praktischen Beispiele zur Erläuterung der Theorie stammen aus unserer Lehrtätigkeit und aus unserer Praxis.

•Wir haben Abkürzungen gewählt für unsere Namen, für häufig zitierte Therapieformen und Buchtitel, damit der Lesefluss möglichst wenig unterbrochen wird:

 

Insa Sparrer

ISp

Matthias Varga von Kibéd

MVvK

Renate Edelbauer-Daimler

RED

THERAPIEFORMEN:

Solution Focused Therapy

SFT

Solution Focused Brief Therapy

SFBT

Systemische Strukturaufstellung(en)

SySt

BUCHTITEL:

Ganz im Gegenteil (MVvK/ISp)

GiG

Wunder, Lösung und System (ISp)

WLS

Systemische Strukturaufstellungen. Theorie und Praxis (ISp)

SyStTP

Einführung in Lösungsfokussierung und Systemische Strukturaufstellungen (ISp)

ELf

Tractatus logico-philosophicus. Logisch-philosophische Abhandlungen (Wittgenstein)

TLP

Einführung in die systemische Organisationstheorie (Simon)

EsO

Einführung in die hypnosystemische Therapie und Beratung (Schmidt)

HTB

Das unsichtbare Netz (RED/ISp/MVvK)

UN

Was sind Systemische Strukturaufstellungen?

Systemische Strukturaufstellungen sind eine »transverbale Sprache«, ein modernes Interventionssystem, das uns ermöglicht, in der Beratung ganz neue Wege zu gehen. Wir erleben durch die räumliche Darstellung von Themen durch sogenannte RepräsentantInnen zunächst den »Ist Zustand« eines Systems aus Sicht unserer jeweiligen KlientInnen und KundInnen und können dann durch hilfreiche Interventionen neue Sichtweisen und Handlungsoptionen erforschen.

Das Bild zeigt uns aber auch, ob im abgebildeten System etwas fehlt, und macht uns so auf eventuelle »hidden agendas« und »ausgeschlossene Themen« aufmerksam, deren Beachtung zur Lösung eines Problems günstig sein könnte. Wobei wir an dieser Stelle SYSTEME wörtlich nehmen können, denn die klaren, zum Teil abstrakten Aufstellungsformate der Systemischen Strukturaufstellungen und eine verständliche Grammatik erlauben uns, jede Art von Zusammenhang zu betrachten, sei es eine Organisation, ein Projekt, ein Logo, Arbeitsabläufe, Visionen, innere Anteile, Familien, Körperorgane, Symptome, homöopathische Mittel, Drehbücher, Romane usw.

»SySt ermöglichen uns, Modelle, die wir uns von der Welt bilden, als sichtbare Bilder nach außen zu projizieren. Diese äußeren Bilder können verändert werden. Die Veränderungen wirken dann über die KlientIn wieder zurück auf das System, das wir abbilden. Mithilfe von SySt können wir Systeme simulieren, um Veränderungsprozesse einzuleiten und mögliche Auswirkungen zu testen«, schreibt Insa Sparrer in Systemische Strukturaufstellungen (S. 9).

Diese Möglichkeit, Systeme zu simulieren, entsteht durch eine Fähigkeit von uns, die die beiden Gründer mit dem Begriff »repräsentierende Wahrnehmung« beschreiben. Das bedeutet, dass wir, obwohl wir ein System, also z.B. eine Familie, ein Unternehmen usw., nicht kennen, in der Lage sind, spontan Unterschiede in unserer Körperwahrnehmung zu spüren und zu benennen, wenn wir zum Symbol für etwas werden.

Beeinflusst von den Gruppensimulationsverfahren, der systemischen Therapie, der lösungsfokussierten Arbeit und der Hypnotherapie (siehe S. 71 und 368), haben Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd eine geniale Verbindung zwischen den unterschiedlichen Ansätzen geschaffen und sie durch eigenständige Neu- und Weiterentwicklungen als Strukturen ins Bild gesetzt.

Was macht die Systemischen Strukturaufstellungen zu einem attraktiven Beratungsansatz?

•Die Vielfalt der Strukturaufstellungsformate und eine klare Grammatik bilden einen sicheren Hintergrund für die Arbeit mit Systemen jeglicher Art.

•Wir haben die Möglichkeit, die Struktur von Systemen zu beleuchten und auf unterschiedlichen Ebenen zu betrachten (siehe S. 33 und 417).

•Die systemischen Grundsätze, so wie sie von den Gründern der Methode weiterentwickelt und zum Teil neu definiert wurden, geben uns ein gutes Leitsystem und verstehen sich nicht als »Regeln«, die eingehalten werden müssen, sondern als passende Handlungsmöglichkeiten, die der Verbesserung der Situation dienen (siehe S. 39).

•In einer Haltung, in der wir »GastgeberInnen« des Prozesses und nicht »MacherInnen« sind, verpflichten wir uns der vielgerichteten Parteilichkeit (siehe S. 321) und der Absichtslosigkeit. Das heißt auch, dass wir uns keine Vorstellungen über ein »richtiges« Ergebnis unserer Beratung machen, weil es »richtig« und »falsch« in diesem Ansatz so nicht gibt (siehe S. 386).

•Unsere KundInnen und KlientInnen sind – ganz im Sinne der lösungsfokussierten Arbeit – ExpertInnen für ihr System und wir gehen davon aus, dass ihnen schon alle Möglichkeiten zur Klärung ihres Anliegens zur Verfügung stehen. Unsere Aufgabe ist es, diese Möglichkeiten mithilfe ihrer »Expertise«, also dem Wissen über das Problem und die schon vorhandenen Ressourcen, herauszufinden.

•Wir machen uns keine starken Hypothesen darüber, welches Strukturaufstellungsbild wir im Raum sehen und welche Hintergründe zu dieser Frage auftauchen werden. »Hypothesen sind wie Vögel, die deinen Kopf umkreisen, doch erlaube Ihnen niemals, dass sie in deinem Haar Nester bauen«, meint Matthias Varga von Kibéd in Umwandlung eines Satzes von Tschuang-tse. Diese Enthaltsamkeit hat den Vorteil, dass wir durch unsere »Vorurteile« das Bild nicht einschränken oder falsch deuten (siehe S. 341).

•Der Prozess des »Bilder in den Raum«-Stellens ist kein intellektueller, bei dem unsere KlientInnen »darüber nachdenken«, was sie darstellen möchten. Im Gegenteil: Wir fördern das intuitive Aufstellen durch sogenannte »tranceinduzierende Gedankenunterbrechungen« aus der Hypnotherapie (z.B. durch Veränderung der Stimme und gezielte Pausen beim Sprechen), die es leichter machen, »aus dem Kopf herauszugehen« (siehe S. 368).

•Wir glauben nicht, dass »objektive« Tatsachen erkannt werden können, daher gibt es auch nicht »das richtige« Aufstellungsbild. Wir betonen, dass das jeweilige Bild ein Ausschnitt, »Fokus« (siehe S. 359), aus der Perspektive unserer KlientInnen und niemals das objektive Gesamtbild einer Situation ist. Das hilft uns auf der einen Seite, das Anliegen unserer KlientInnen immer im Auge zu behalten, auf der anderen Seite wissen wir auch immer, dass es den sogenannten »Rest der Welt« gibt (siehe S. 392). Wir gehen davon aus, dass wir immer die Möglichkeit haben, unser Weltbild neu zu konstruieren. Wie diese Konstruktion aussieht, kann sehr unterschiedlich sein. Daher gibt es bei uns auch nicht »das richtige Lösungsbild« (siehe S. 386).

•Wir verzichten daher auch auf Zuschreibungen von Eigenschaften im Sinne von: »Ein Systemelement IST so oder so.« Wir beobachten lediglich Relationen, Strukturen, Kontexte und Dynamiken, in denen sich ein Systemelement so oder so verhält. »Eigenschaften sind Gäste, die ein Zimmer bei uns beziehen« (MVvK, mdl.).

•Wir bitten unsere KlientInnen um Kooperation während der Strukturaufstellung und bleiben in ständigem Blickkontakt mit ihnen. Wir freuen uns über Vorschläge, Fragen, Wünsche, Umformulierungen. Auf diese Weise verlieren wir auch während der Strukturaufstellung das Anliegen der KlientInnen nicht aus den Augen und gelangen zusätzlich zu hilfreichen Informationen.

•In der Systemischen Strukturaufstellung geht es nie um die Darstellung von absoluten Werten, sondern um Unterschiedsbildung im Sinne von Veränderung in Richtung Lösung. Das aufgestellte Bild ist also eine Externalisierung eines inneren Bildes unserer KlientInnen, das wir so verändern können, dass sich die RepräsentantInnen des dargestellten Systems danach meist wohler fühlen.

•Die Frage nach Unterschieden macht es uns möglich, auf Deutungen und inhaltliche Zuordnungen weitgehend zu verzichten. »Es ist wichtiger, dass ein Prozess stattfindet, denn Veränderung geschieht durch Erfahrung, nicht durch Deutung« (ISp/MVvK, mdl.). In diesem Sinne ist das Erleben von Lösungsbildern ein wichtiger Teil der möglichen Veränderung. Die Deutung kommt, wenn überhaupt, von unseren KlientInnen. Wir gehen davon aus, dass das System, wenn inhaltliche Informationen für unsere KlientInnen wichtig sind, sie zum passenden Zeitpunkt freigibt und »die Nachricht zu ihnen kommt«. Manchmal wollen uns KlientInnen zu einer Deutung motivieren. Wir entziehen uns dieser Versuchung, weil es dabei zu starken Fehlinterpretationen kommen kann, die zum Teil auch Schaden anrichten können.

•Wir fördern die Mehrdeutigkeit von Bildern, indem wir abstrakte Formen wählen können, die gleichzeitig auf unterschiedlichen Ebenen wirken können. Es können Familienmitglieder, Organe, Mitglieder eines Unternehmens »verdeckt« gleichzeitig angesprochen werden. Die Lösung kann so auch auf mehreren Ebenen wirksam werden (siehe S. 423).

•Die ausgeprägte Lösungsfokussierung der Systemischen Strukturaufstellungen hat den Vorteil, dass sich »der Aufenthalt in der Problemzone« bewusst möglichst kurz gestaltet. Wir stellen auch immer die lösungsfokussierte Frage: »Was ist gut, was kann so bleiben?«. Wir stellen Ressourcen, Ziele und das Wunder und andere, meist freie Elemente, zur Unterstützung des Prozesses auf.

•Wir verzichten auf die negative Deutung von Abweichungen von sogenannten Standardanordnungen des Aufstellungsbildes (siehe S. 322). Aus der Praxis der Aufstellungsarbeit haben sich Anordnungen von sogenannten »Standardbildern« ergeben – also wer steht rechts, links, was bedeutet dahinter, davor, einander gegenüber usw. Diese Ideen können uns helfen, Handlungsmöglichkeiten zu verfolgen, wie günstigerweise umgestellt werden kann. Daraus abzuleiten, dass eine Verbesserung nur dann möglich ist, wenn die Anordnung diesen »Regeln« folgt, widerspricht der kurativen Auffassung der Systemischen Strukturaufstellungen. Abweichungen von Standardordnungen können in der Vielfalt der Möglichkeiten, was als heilsam erlebt wird, manchmal günstig sein.

•Wir betrachten Handlungen nicht als kausal bedingt. Systeme sind aus der Sicht von SySt für Menschen praktisch niemals kausal erklärbar, weil stets zu viele Faktoren eine Rolle spielen. »Zu glauben, wir wüssten, was die ›objektive Wirklichkeit‹ bei einem Problem ist, würde bedeuten, dass wir annehmen, dass eine objektive Wirklichkeit erkennbar ist.« (ISp/MVvK, mdl.).

•Wir haben die Möglichkeit, mit der sogenannten kataleptischen Hand (siehe S. 374) zahlreiche Interventionen und Tests durchzuführen und können dadurch sowohl genauer, als auch effizienter arbeiten.

•Wir können jederzeit systematisch ambig arbeiten, das bedeutet, dass wir mehrere Systemebenen gleichzeitig ansprechen können, ohne sie explizit benennen zu müssen. So kann ein Ritual mit dem Vorgesetzten manchmal ebenso z.B. implizit als Ritual mit dem Vater verstanden werden, also etwa: »Ich anerkenne jetzt, dass du vor mir da warst.« Oder noch knapper: »Du vor mir, ich nach dir« (siehe S. 421).

•Das sogenannte »Pacing«, bei dem wir auf die Sprache und die Wortbilder unserer KlientInnen eingehen, gehört ebenso zur Strukturaufstellungsarbeit wie die Verwendung von positiven hypnotherapeutischen Induktionen (siehe S. 368).

•Wir verzichten auf Provokation und auf das Abbrechen von Aufstellungen und folgen der Arbeitsweise von Virginia Satir, die sich dem liebevollen Umgang mit KlientInnen verschrieben hat. Wenn es so scheint, dass es an einer Stelle jetzt nicht mehr weitergeht, vertrauen wir darauf, dass unsere KlientInnen, KundInnen, ob bewusst oder unbewusst, im – für sie passenden Tempo – ihren ureigensten Weg gehen. Wir können dann zum Beispiel sagen: »Und in diesem Augenblick ist dies vielleicht der nächste passende Schritt.« Auch eine Neuverhandlung des Kontrakts ist möglich, bei dem im Konsens mit der Klientin, dem Klienten entschieden wird, später oder in einer Einzelsitzung das Thema wieder zu beleuchten. Ein Strukturaufstellungsbild ist für uns niemals eine abgeschlossene Handlung, sondern ein »Bild, das wir einrollen können, es mit nach Hause nehmen und uns überraschen lassen können, wie es sich weiterentwickelt hat, wenn wir es nach einiger Zeit wieder ausrollen und betrachten« (MVvK, mdl.).

•Wir gehen davon aus, dass unsere KlientInnen grundsätzlich kooperativ und mit ihrer eigenen Weisheit ausgestattet sind, und betrachten Widerstand als nützlichen Hinweis des Systems, dass wir z.B. etwas übersehen haben oder zu schnell vorgegangen sind. Auch in dem Sinne, dass es an manchen Stellen dem System mehr dient, nicht zu pushen und weiterzuarbeiten, sondern kleinere, und damit »besser verdauliche« Schritte zu gehen.

•Die Möglichkeit der vollständig verdeckten Arbeit ohne jeden Inhalt macht es uns möglich, selbst mit sehr heiklen Themen zu arbeiten; insbesondere kann so die Schweigepflicht sorgsam gewahrt werden. Wir können auch das Vorinterview ohne jedes inhaltliche Wissen durchführen. Was wir brauchen, ist das Anliegen und die Anzahl und Reihenfolge oder hierarchische Zuordnung der Systemmitglieder, die von den KlientInnen nur mit Buchstaben benannt werden können. Das bedeutet, dass wir die Fragen stellen, z.B. »Und wer gehört noch dazu? Und gehört noch jemand anderer dazu? Und gibt es noch jemanden, der Ihnen an dieser Stelle einfällt?« usw. Die Antworten finden nur im Inneren unserer Klienten statt und werden mit einem Buchstaben versehen. Wir haben dann einen Systemausschnitt, z.B. eines Unternehmens, im Bild, die RepräsentantInnen können wir mit A, B, C usw. anreden (siehe S. 423).

Wurzeln und Quellen

Im Detail Systemische Strukturaufstellungen. Theorie und Praxis, S. 23 ff

Welche Art von Wirklichkeit wird abgebildet?

Das Erleben, dass in Systemischen Strukturaufstellungen etwas auf bedeutsame Weise abgebildet wird, stellt sich für die meisten Menschen, die eine ernsthafte Form dieser Arbeit kennengelernt haben, in kürzester Zeit ein. Wir bekommen Zugang zu Aspekten der uns umgebenden Wirklichkeit und der für uns relevanten internen Bereiche.

Gerade der Umstand, dass die dabei entstehenden Ideen und Einsichten für unsere KundInnen und KlientInnen (wie meist sogar auch für die ZuschauerInnen) recht eindrucksvoll sind, verleitet gelegentlich dazu, die Art der abgebildeten Wirklichkeit misszuverstehen. Dieses Missverständnis kann dazu führen, Aufstellungen wie eine Art Mikroskop, Fernrohr oder Indizienbeweis für familiäre und berufliche Zusammenhänge zu verstehen. Diese Art von Deutung ist aus unserer Sicht nicht legitim.

In der Systemischen Strukturaufstellung haben wir eine andere Auffassung von der Art der abgebildeten Wirklichkeit. Am leichtesten wird diese Auffassung durch die Kenntnis von fiktiven Systemen, z.B. Drehbuchstrukturen, nachvollziehbar. Da Drehbuchstrukturaufstellungen, die ja meist nicht von historischen/realen Personen handeln, in keiner Weise weniger lebendig, intensiv und anrührend ablaufen wie Strukturaufstellungen für »echte« Teams und »echte« Familien, wird deutlich, dass Intensität von Gefühlen und innig anrührende Bilder keinerlei Nachweis für die reale Existenz der betreffenden Personen und Abläufe darstellen. Auch Kontextüberlagerungen (siehe S. 378) samt intensiven Aufhebungsritualen zwischen RepräsentantInnen fiktiver Gestalten, z.B. in einem Drehbuch, ließen sich vom äußeren Erscheinungsbild her nicht von denen für reale Personen unterscheiden.

Andererseits zeigen Zehntausende von Strukturaufstellungen durch die Reaktionen der KlientInnen die Nichtbeliebigkeit der auftauchenden Bilder und die häufig verblüffende Präzision, mit der sich neue Deutungsideen bei unseren KlientInnen ergeben.

Wie kann diese Unverbindlichkeit einerseits und diese Präzision der Darstellung andererseits miteinander vereinbart werden?

In der Systemischen Strukturaufstellung gehen wir davon aus, dass primär Externalisierungen innerer Bilder erfolgen. Die Grundlage dieser inneren Bilder geht jedoch offensichtlich über das den KlientInnen bewusst Zugängliche hinaus und umfasst Beziehungsqualitäten und Hinweise, bei denen sogar die Annahme, sie wären subliminal, also unter der bewussten Wahrnehmungsschwelle vermittelt worden, nicht haltbar scheint. Hier spricht die Erfahrung mit der Praxis von Aufstellungsarbeit im Allgemeinen und dem verdeckten, syntaktischen Vorgehen bei den Systemischen Strukturaufstellungen im Besonderen für die Annahme, dass wir unter geeigneten Bedingungen Zugang zu implizitem (verborgenem) systembezogenen Wissen haben. Diese erstaunliche menschliche Fähigkeit haben wir mit dem Begriff der repräsentierenden Wahrnehmung (siehe S. 27 und 429) zu charakterisieren versucht.

Wir möchten dabei betonen, dass repräsentierende Wahrnehmung aus unserer Sicht streng genommen ein natürliches Gruppenphänomen ist, das nur durch die Resonanz der repräsentierenden Empfindungen der einzelnen RepräsentantInnen zusammen mit der Bedeutungsgebung der KlientInnen entsteht. Der Klient verfügt über die Zuordnungen, nicht jedoch über die Empfindungsunterschiede, die RepräsentantInnen hingegen verfügen über die Empfindungsunterschiede, bei der verdeckten Arbeit jedoch nicht über die Bedeutungszuordnungen. Erst die Verbindung beider macht aber die Wahrnehmung aus. Darin liegt auch die besondere Bedeutung der repräsentierenden Wahrnehmung für ein tieferes Verständnis für die Art der abgebildeten Wirklichkeit von Strukturaufstellungen.

Repräsentierende Wahrnehmung

Der Begriff der »Repräsentierenden Wahrnehmung«, den Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd für dieses Gruppenphänomen geprägt haben, ist inzwischen zum allgemeinen Begriff für etwas geworden, dessen Wirkungsweise sich bislang noch nicht vollständig erklären lässt.

Er beschreibt die Fähigkeiten von RepräsentantInnen, in einer Aufstellung körperliche Wahrnehmungen und Gefühle zu entwickeln und zu verbalisieren, die zum Thema des aufgestellten Systems passen. Manchmal können Themen, die sie darstellen, RepräsentantInnen auch an Eigenes erinnern, das dazu in Resonanz geht.

Die Frage »WIE funktioniert das?«, hat zu einer Reihe von Erklärungsversuchen geführt, die jedoch noch kein schlüssiges Gesamtbild erlauben (siehe S. 429).

Wir haben es jedenfalls mit einem Gruppenphänomen zu tun, für das es inzwischen hier zumindest einige wissenschaftliche Nachweise gibt, DASS es funktioniert. Mit der Unsicherheit, dass wir letztendlich noch nicht wissen, warum es funktioniert, werden wir wohl zunächst weiter fertig werden müssen. Insa Sparrer meinte dazu schon vor Jahren: »Vielleicht haben wir einfach die Frage falsch gestellt? Wir gehen immer davon aus, dass wir voneinander getrennt sind und diese Verbindung erst herstellen müssen. Es könnte doch sein, dass wir an sich miteinander verbunden sind und es eher darum geht, diese Verbindung nicht zu stören, sondern sie zu fördern, indem wir gute Bedingungen dafür schaffen, dass sie ungestört wirken kann.«

Die Repräsentierende Wahrnehmung, die wir als natürliche Fähigkeit verstehen, wird durch unterschiedsbetonte Fragen gefördert. »Sie besteht natürlich in gewissem Maße schon vor der Befragung der RepräsentantInnen. In einer Systemischen Strukturaufstellung fragen wir jedoch schon im ersten Bild unterschiedsbezogen, also z.B. ›Was hat sich für dich geändert, als du in dieses Bild gekommen bist, und was wurde anders, als die anderen dazukamen?‹. Die bei anderen Aufstellungsformen verbreitete Frage ›Wie fühlen Sie sich?‹ oder ›Wie geht es dir?‹ lädt stärker zu Vermischungen mit dem eigenen Hintergrundsystem der RepräsentantInnen ein; die unterschiedsbezogenen Fragen fördern eine größere Unabhängigkeit des Bildes von der spezifischen Auswahl der RepräsentantInnen«.

Die Unterschiede, die durch die spontane Veränderung der körperlichen Empfindungen, der Selbst- und Fremdwahrnehmung entstehen, sobald RepräsentantInnen für ein System ausgewählt und aufgestellt werden, sind also das, was uns in der Systemischen Strukturaufstellung interessiert. Zu Anfang also ganz konkret: der Unterschied zwischen dem, wie RepräsentantInnen sich vorher gefühlt haben, noch ehe sie in der Rolle waren, und dem, was inzwischen für sie – eben als Unterschied zu vorher – aufgetaucht ist. RepräsentantInnen äußern aus Sicht der Systemischen Strukturaufstellungen keine »fremden Gefühle«, sondern lediglich Unterschiede zu ihren vorigen Empfindungen.

(Unterschiede freilich, die sich mit hoher Regelmäßigkeit für die KlientInnen zu einem sinnvollen Gesamtbild ihrer Situation zusammenfügen, also die Repräsentierende Wahrnehmung erzeugen.)

Dieser Aspekt muss deswegen so hervorgehoben werden, weil er uns erlaubt, von Interpretationen und Deutungen wegzukommen im Sinne dessen, dass wir immer nur wissen müssen, ob es unseren RepräsentantInnen schlechter, besser, anders oder gleich wie vorher geht, seit wir das Bild z.B. umgestellt haben.

Damit ein für unsere KlientInnen passendes Ergebnis möglich wird, müssen Aufstellungsbilder für sie auf der einen Seite hinreichend vertraut sein, damit sie ihr eigenes System wiedererkennen, auf der anderen Seite müssen sie mehr zeigen, als nur das »alte Problembild«: »Diese Verbindung von Vertrautheit und Überraschendem ist entscheidend für die Nutzbarkeit der Bilder in Modellsystemen, denn ohne hinreichende Vertrautheit wäre das Bild nicht anschlussfähig, ohne hinreichende überraschende Neuheit andererseits wäre es, da irrelevant, nicht wert, erzeugt zu werden«, schreibt Matthias Varga von Kibéd in Aufstellungsarbeit revisited (S. 203).

Wichtig erscheint uns hier auch, dass die Bilder, die wir durch repräsentierende Wahrnehmung gewinnen, nur »Modellsysteme« erzeugen und keine objektiven Wirklichkeiten. Wir sehen ein Bild aus der inneren Landschaft unserer KlientInnen und vielleicht noch einiges darüber hinaus, aber wir können niemals behaupten, dass das »die Wahrheit über das dargestellte System« sei.

In diesem Sinne werden auch nur Beziehungsqualitäten von Systemelementen untereinander hergestellt und keine objektiven Zuschreibungen von Charaktereigenschaften gemacht. Eine dargestellte Person »ist nicht so«, sie verhält sich allenfalls in Bezug auf die gestellte Frage (den Fokus, den wir auf etwas richten, siehe S. 359), in einer bestimmten Weise.

Um generell repräsentierende Wahrnehmung zu erfragen, ist es daher nützlich, sich von der Idee zu entfernen, dass wir den »Ist-Zustand« erfragen können und damit eine objektive Wirklichkeit erschaffen: Matthias Varga von Kibéd schreibt dazu in Aufstellungsarbeit revisited:

»1.Man beachte, dass kein Bezug genommen wird auf Befindlichkeiten der Systemelemente, sondern nur auf Befindlichkeitsänderungen.

2.Ebenso wird kein Bezug genommen auf Dynamiken (die wir als Muster mit einem kausal-erklärenden und/oder mythologischen Anteil auffassen), sondern nur auf (beobachtbare) Choreographien und (testbare und erfragbare) Veränderungstendenzen« (S. 202).

Ein Beispiel dafür wäre, dass wir z.B. in einer Körperstrukturaufstellung die Repräsentantin der Lunge des Sohnes, die stark auf den verstorbenen Vater bezogen ist und sich von ihm bedroht fühlt, an einen passenden Platz zum Körpersystem des Sohnes stellen, jedoch natürlich nicht behaupten, dass die Lungenerkrankung des Sohnes aus Loyalität zum Vater, der an Lungenkrebs starb, resultiere.

Die repräsentierende Empfindung

Der Unterschied von repräsentierender Wahrnehmung und repräsentierender Empfindung lässt sich am klarsten an einer verdeckten Aufstellung verdeutlichen. Hier verfügt nur der Klient selbst über die Zuordnungen der RepräsentantInnen zu den repräsentierten Personen (oder anderen Bedeutungen) in der Außenwelt. Der Klient hat jedoch nicht selber die Empfindung aller RepräsentantInnen. Die Repräsentanten ihrerseits haben die Empfindungsunterschiede, ohne die Zuordnungen zu kennen (da die Aufstellung verdeckt ist). Die GastgeberInnen schließlich müssen weder über das eine noch über das andere verfügen, um die Aufstellung sachgerecht leiten zu können. Daher hat bei einer verdeckten Aufstellung niemand als Einzelperson zugleich die relevanten Empfindungen und Zuordnungen. Beides aber wäre für eine Wahrnehmung erforderlich.

Wegen der Möglichkeiten, verdeckt aufzustellen, sollten daher Aufstellungen generell differenzierter betrachtet werden, indem wir den RepräsentantInnen genauer gesagt nur repräsentierende Empfindungen zuschreiben; ferner indem wir dann davon sprechen, dass sich die repräsentierenden Empfindungen der Repräsentanten für den Klienten durch die ihm verfügbaren Zuordnungen zu einem Gesamtbild verbinden. Erst dieser Prozess kann streng genommen dann repräsentierende Wahrnehmung genannt werden. So gesehen verfügt also nur die Aufstellung als Ganzes (repräsentierende Empfindungen, Klient mit Anliegen und der von GastgeberInnen gehaltene Raum) über repräsentierende Wahrnehmung.

Die repräsentierende Wahrnehmung in der Einzelarbeit

Wenn wir also nur als Gruppe über die repräsentierende Wahrnehmung verfügen, wie kann dann eine Beratung in der Einzelarbeit funktionieren?

Hier gehen die KlientInnen in die Bodenanker und sind genauso RepräsentantInnen, so, als ob sie das Original nichts anginge, und können mühelos dem eigenen Fokus gegenüber eine abwertende Haltung einnehmen. Wenn die KlientInnen schließlich im Lösungsbild stehen, dann haben sie ja nicht nur die Erfahrung aus ihrer eigenen Rolle und ihrer eigenen Person, sondern auch die Erinnerung der Erfahrungen aus den anderen Rollen und damit den anderen Personen.

In diesem Sinne kann in der Einzelarbeit eine Vergleichzeitigung des nacheinander Erlebten für unsere KlientInnen entstehen. Unser Gedächtnis kann also einen internen Gruppenkörper konstruieren, um dieses nacheinander Erlebte simultan verfügbar zu machen – ein körperliches Modell des sozialen Erlebens.

Diese Form der repräsentierenden Wahrnehmung in der Einzelarbeit kann im gewissen Masse vollwertig sein, so wie ein interner Dialog manchmal die Funktion eines externen Dialogs erfüllen kann, ohne dass darüber jemals der externe Dialog an sich überflüssig würde.

Struktur und System

»Die Idee, wir stellten Systeme in den Raum, ist aus Sicht der Systemischen Strukturaufstellungen nicht wirklich zutreffend. Denn eigentlich stellen wir die Struktur von Systemen auf. Welche Teile des Systems in einer Struktur dann auftauchen bzw. gesehen werden, hängt vom Thema und den Absichten ab und ist nicht einmal immer vorhersehbar.« (MVvK) Was kompliziert erscheint, erklärt sich unter anderem durch die prototypische Aufstellungsarbeit (S. 184 ff.).

Wir können also z.B. gemeinsam mit einem Kunden den Plan fassen, die Auswirkungen einer finanziellen Transaktion aufzustellen. Ob wir dann im Bild diesen Bereich auch sehen, ist nicht unbedingt gewährleistet. Es könnte auch sein, dass die Repräsentantin des risikoreichen »Termingeschäfts« sich wie ein ängstlicher, kindlicher Anteil des Kunden äußert und damit die Auswirkungen dieser finanziellen Transaktion auf einer ganz anderen Systemebene sichtbar werden.

Das erklärt auch, warum es sich als günstig erweist, auf persönliche Deutungen zu verzichten. Wir können und müssen nicht wissen, ob z.B. bei einem Strukturebenenwechsel (siehe S. 417) ein Familienmitglied, ein innerer Anteil, ein Ereignis aus der Vergangenheit usw. auftaucht. Es genügt, dass wir uns dafür engagieren, einen passenden Platz für dieses Element zu finden.

»Wer jedoch meint, in einer Aufstellung würde immer ein konkretes System gestellt, weil wir das so geplant haben, irrt aus Sicht der Strukturaufstellungen auf eine durchaus folgenreiche Weise. Natürlich gibt es den Wunsch unserer KlientInnen, über ein für sie wichtiges System, z.B. eine Organisation, ein Team, den Körper, die Familie, in einer für sie wichtigen Frage etwas zu erfahren. Und natürlich zeigt die Erfahrung mit Strukturaufstellungen, dass sie als Modellbildungen, kunstfertig gehandhabt, sehr geeignet sind, KlientInnen zu neuen Einsichten zu führen.

Wer jedoch meint, durch das Aufstellen von RepräsentantInnen sei das konkrete System, um das es dem Klienten geht, aufgestellt worden, fasst dies meistens so auf, als sei NUR DIESES System dargestellt worden und nicht ebenso gut ein anderes, konkretes, ihn angehendes System mit analoger Struktur.

Wir würden freiwillig auf einen Teil des Reichtums in einem Bild verzichten, wenn wir nicht auch beachten, dass es implizite Lernerfahrungen enthält, die wir von einem Bereich in den anderen übertragen können. Es entstehen dann blinde Flecken für nützliche Analogien. Wir sehen, wenn wir Aufstellungsbilder so einschränken, nur eine Seite eines Klappbildes. Wir hören die Musik, als seien die Obertöne elektronisch herausgefiltert worden. Wir nehmen die Metapher wie eine wörtliche Beschreibung und fangen womöglich an, nur das durch Worte Festschreibbare für wirklich zu halten.

Strukturaufstellungen verhalten sich zu einer solchen Auffassung von Systemischen Aufstellungen wie die abstrakte Malerei zur gegenständlichen. Sie erfordern eine Entwicklung neuer Sehgewohnheiten, ohne dabei die früheren Perspektiven zu leugnen oder zu entwerten.« (MVvK)

EIN BEISPIEL

Wir stellen den Repräsentanten einer Führungskraft und seinen Vorgesetzten, mit dem er Autoritätsprobleme hat, in den Raum. Wir haben also den Fokus und ein zweites Systemelement, von dem wir die Idee haben, dass es sich um den Vorgesetzten handelt.

Was aber, wenn der Chef wie der Vater spricht und klar wird, dass wir hier in einer Szene aus der Familie gelandet sind? Haben wir dann wirklich das berufsbezogene System aufgestellt? Oder handelt es sich nicht eher um eine Struktur, die wir aufstellen und die sich dann auf unterschiedlichen Ebenen in verschiedenen Systemen zeigen kann?

Die verdeckte Strukturaufstellung, bei der wir die Inhalte des Aufgestellten nicht kennen müssen (siehe S. 423), macht den Unterschied zwischen System und Struktur noch deutlicher.

EIN BEISPIEL

Angenommen, wir stellen drei RepräsentantInnen in den Raum: den Fokus der Klientin und zwei weitere Systemelemente. Dann haben wir zunächst eine abstrakte Struktur im Raum, von der wir nicht wissen, welches konkrete System, das heißt welche Strukturebene der Klientin sich darin zeigen wird. Die beiden Systemelemente, die hier z.B. dem Fokus gegenüberstehen, könnten innere Anteile, Personen aus der Familie oder dem Berufsfeld, Symptome oder Körperteile usw. sein. Sie gehören zwar alle in verschiedener Hinsicht zur Klientin (zu ihrem Familiensystem, ihrem Körpersystem usw.), aber welches konkrete System gerade dargestellt wird, welche Strukturebene ihres Anliegens sich gerade zeigt, bleibt offen. Wie gut hörbar die anderen Ebenen dabei mitschwingen und wie weit manchmal eine Zeitlang in einer Aufstellung nur eine Strukturebene im Vordergrund steht, wechselt häufig während der Strukturaufstellung.

Natürlich kann für die Klientin eine dieser Strukturebenen, eines dieser konkreten Systeme, so sehr in den Vordergrund treten, dass für sie in diesem Moment die Strukturaufstellung dieses und NUR dieses konkrete System abzubilden scheint.

EIN BEISPIEL

In einer Strukturaufstellung zum Thema Kreativität taucht hinter dem Fokus des Klienten ein Element auf, das ihm Erfolg durch Kreativität wünscht, den es selber nicht hatte. In diesem Augenblick wissen wir nicht, wen oder was dieses Element darstellt. Die potenzielle Mehrdeutigkeit dieses Elements ist also grundsätzlich gegeben.

Das Element könnte aber natürlich vom Klienten eindeutig als Vater erkannt und benannt werden. Von der Struktur her aber, und damit den Möglichkeiten, die dieses Bild enthalten könnte, wäre es ebenso denkbar, dass es sich um die gesamte männliche Ahnenreihe, die männlichen Vorfahren der Familie der Mutter oder noch jemand anderen, der ihm etwas Wichtiges mitgegeben hat, handeln könnte. Daher geschieht es auch gar nicht selten, dass zu einem späteren Zeitpunkt KlientInnen noch andere, erweiterte Deutungen für das Aufstellungsbild finden. Diese erweiterte Deutung kann sich durchaus auch auf eine andere Strukturebene beziehen. So könnte z.B. jemand bei der Betrachtung eines problematischen Umgangs mit einem jüngeren Geschwister etwas von der Art und Weise wiedererkennen, wie er mit seinen eigenen kindlichen Anteilen oder den Bedürfnissen seines Körpers umgeht.

Best of Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd

Diese Aussagen von Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd wurden von mir in den letzten zehn Jahren gesammelt:

•Strukturaufstellungen geben uns einen Raum, in dem die Themen wohnen können.

•Führen in einer Strukturaufstellung heißt: Ich schütze den Raum und fördere, dass Resonanz stattfindet.

•Es ist wichtig, immer ein Mitlernender, eine Mitlernende zu sein. Wer das auf Dauer nicht beachtet, dessen Lernfähigkeit nimmt Schaden.

•Wir kooperieren mit unseren KlientInnen aus einer Haltung des Nichtwissens heraus.

•Das Nachdenken über das Problem unterstützt das Problem.

•Man kann niemals genug Zeit damit zubringen, über das Wunder zu reden.

•Lernprozesse werden durch Fehleinschätzungen menschlicher Bedürfnisse verhindert.

•Man kann nicht aufstellen, ohne sein eigenes Weltbild infrage zu stellen.

•Wir glauben nicht an »die richtige Struktur«. Wir glauben daran, dass das Wesentliche sich von selber durchsetzt.

•Der Umstand, dass etwas in einem Strukturaufstellungsbild im Vordergrund steht, heißt nicht, dass der Hintergrund nicht wichtig ist.

•Zu glauben, dass das Laute wichtig ist, ist ein Irrtum.

•Symptome können eine missglückte Kommunikation mit dem Körper sein.

•Wir können uns immer entscheiden, ob wir mit dem Auge der Trennung oder mit dem Auge der Verbindung schauen.

•Die Festschreibung der erreichten Zukunft als Endbild erschwert die Idee, dass danach etwas Neues beginnen kann.

•Die Metaebene ist das Ausfegen eines Raumes und ein Schutz, wenn wir die Pole dazu aufstellen.

•Betrachte eine Beschreibung als falsch, wenn sie nicht wertschätzend ist. (Nach Virginia Satir)

•Wenn wir meinen, dass wir wüssten, was »Last auf den Schultern« bedeutet, haben wir uns geirrt. (Zu Deutungen von Äußerungen von RepräsentantInnen)

•Wenn wir in ein fremdes System hineingehen, wäre es nicht sinnvoll, so zu tun, als hätten wir eine klare Landkarte.

•Wir haben tausend Fehler frei, solange wir uns der Missachtung enthalten.

•Nachahmung von etwas, was wir schätzen, ist eine sinnvolle Übergangsphase zur Meisterschaft.

•Ein guter Lehrer ist einer, dem die Schüler auf die Schultern steigen.

•Um aus einer maximalen Überforderung herauszukommen, sollte man sich am besten entspannen.

•Eigenschaften sind unsere Gäste, und wir können uns überlegen, ob wir sie darum bitten möchten, möglichst lange zu bleiben, oder ob sie nur kurz zu Gast sein sollen.

•Wenn einer oder eine in einer Gruppe übt und es läuft schief, dann müssen sich die, die nicht üben, fragen, was sie unterlassen haben, um den Übenden zu unterstützen.

•Kritik ohne Lösungsvorschläge ist destruktiv.

•Wenn es Konkurrenz im Raum gibt, muss man etwas finden, was stattdessen da sein sollte.

•Wenn du in eine Aufstellung gehst, trägt dich die Aufstellung. Es ist absurd zu glauben, dass man beim Anleiten einer Aufstellung etwas tut, »was man kann«.

•Wir sollten immer so tun, als ob wir eine Frage zum ersten Mal hören – um sie so vom Ballast der Vergangenheit zu befreien.

•Wenn ein Klient oder eine Klientin ein Symptom nennt, dann ist die größte Kunst, das Vorverständnis über das Symptom zu vergessen.

•»Wer gehört zum System des Anliegens?«, ist eine Frage, die uns davor bewahrt, das Anliegen unserer KundInnen aus den Augen zu verlieren.

•Jemand, der einen Rat gibt, kann auch gleichzeitig vermitteln, dass der andere nicht in der Lage ist, selbst zu handeln. Er sieht ihn oft in einer Position der Schwäche.

•Achtet darauf, ob ihr den Rapport stört, und stellt die Verbindung nicht infrage, denn sie ist da.

•Wenn jemand einen Satz nicht sagen kann, lass uns so tun, als ob es einfach ein Experiment wäre, und dann anschließend überprüfen, ob es nach dem Aussprechen besser oder schlechter ist.

•Zum Wunder gehört auch, dass wir uns auf neue Weise schützen lernen.

•Und während du noch das Alte machst, darf das Neue wachsen (das ist kein Rückfall!).

•Die achtungsvolle Verabschiedung ist wichtig, sonst melden sich Themen leichter wieder.

•Manche Fragen erhöhen die Chance, dass etwas geschieht, was nicht nützlich ist.

•Wenn ich zu jemandem sage, ich vergebe dir, dann sehe ich seine Augen nicht mehr auf gleicher Höhe.

•Das Maß an Richtigkeit ist keine inhaltliche Richtigkeit, es braucht nur eine passende Richtigkeit.

•Wir betrachten unangenehme Eigenschaften als etwas, was auftaucht, weil das Licht in einer bestimmten Weise darauf fällt.

•Mit jeder Aufstellung, die endet, beginnt etwas Neues.

•Wir können zwar einem Menschen gegenüber Dankbarkeit empfinden, aber eigentlich ist dabei der Mensch nur der Bote. Und das ist schon sehr ehrenvoll ...

•Das Erlernen einer Sprache braucht Zeit. Wir sprechen sie nicht, indem wir ein paar Sätze aus einem Wörterbuch lernen. Ähnlich ist es auch mit den Systemischen Strukturaufstellungen. Zu wissen, was ein Tetralemma ist, genügt noch nicht, um diese transverbale Sprache zu verstehen und anzuleiten.

Die systemischen Grundsätze als Basis für eine Systemische Strukturaufstellung

»Wenn wir uns darauf einigen können,dass es eine Vielfalt von Facetten dieser Grundsätze gibt,die in ihrer Komplexität hier nicht erfasst werden können,dann macht diese Aufzählung Sinn.« (UN, S. 198)

Die Systemischen Grundsätze sind ein verlässlicher Leitfaden bei allen unseren Beratungen. Während wir ein Gespräch führen, laufen sie als Hintergrundwissen immer mit.

Sie ermöglichen uns, »kunstfertige Fragen zur Unterbrechung von leidvollen Mustern« (MVvK, mdl.) zu stellen. Die bei den Systemischen Strukturaufstellungen verwendeten Grundsätze beruhen zum Teil auf Erfahrungen, die über Jahrzehnte von unterschiedlichen Therapieschulen gemacht wurden. Eine besonders wichtige Rolle spielt dabei der Ansatz von Ivan Boszormenyi-Nagy, auf den einerseits die Idee der Wichtigkeit generationsübergreifender Muster (transgenerationelle Solidarität) und andererseits die Betonung von Ausgleichsbedingungen in menschlichen Beziehungssystemen zurückgehen (der Ausgleich von Geben und Nehmen). Diese Ideen von Ivan Boszormenyi-Nagy wurden einerseits in der Heidelberger Schule von Helm Stierlin, Fritz Simon, Gunthard Weber und anderen aufgegriffen und weitergeführt; andererseits wurden sie von Bert Hellinger (Schuld und Unschuld aus Systemischer Sicht) und in der Ausdehnung auf Anwendungen auf Aufstellungen im Organisationsbereich von Gunthard Weber aufgenommen und weitergeführt.

Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd haben die Systemischen Grundsätze vervollständigt, systemtheoretisch umdefiniert und auf soziale Systeme im Allgemeinen und darüber hinaus anwendbar gemacht. Sie ordnen die Grundsätze im Unterschied zu einigen anderen Schulen in ein konstruktivistisches Weltbild ein, sehen sie also weder normativ im Sinne von Vorschriften noch deskriptiv im Sinne von Beschreibungen, sondern kurativ, im Sinne von heilsamen Empfehlungen. Wir fragen daher immer: »Was könnte dem System dienen, damit es ihm besser geht?« Wichtige Aspekte dieser Prinzipien finden wir in fast allen Systemen, sei es eine Familie, eine Organisation, das Innenleben eines Projekts, die Teile eines Logos, die Organe eines Körpers etc.

Wir können uns darauf verlassen, dass sie überall dort, wo Klarheit gefragt ist, richtungsweisend sind. Aber eben nur richtungsweisend und nicht bestimmend. Wir sagen niemals, so ist es, so muss es sein und so funktioniert es dann. Mit einer dogmatischen Auffassung der systemischen Grundsätze werden wir den vielfältigen Möglichkeiten, die Systeme entwickeln, um gut zu überleben, nicht gerecht. Was wir sagen können, ist, dass die Erfahrung zeigt, dass bestimmte Anordnungen dazu beitragen, dass ein System sich wohler fühlt und dass es andere Anordnungen gibt, die sich aus der Erfahrung heraus als eher problematisch herausgestellt haben.

Systemorientierungen

Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd haben eine Einteilung der Systemischen Grundsätze getroffen, die sich an der Ausrichtung des jeweiligen Systems orientiert (SyStTP, S. 49).

I. Orientierung auf Existenzsicherung

Für die meisten Systeme ist die Sicherung der eigenen Existenz wesentlich. Dazu gehört in der Regel die Kenntnis von eigenen Grenzen und das Wissen darum, wer dazugehört. Das gilt unter anderem für Familien, für Organisationen und für Körpersysteme.

In Organisationen erlischt die Zugehörigkeit üblicherweise nach dem Ausscheiden aus der Organisation.

II a Wachstumsorientierung

Wenn die Möglichkeit des Wachstums für ein System wesentlich ist, ist die Herstellung guter Bedingungen von besonderem Interesse. Dazu gehört, dass nicht nur die Grenzen des Systems klar sind, sondern auch, dass in einem gewissen Sinne eine Art Vorrang derer, die früher da waren, abgesichert ist. Nach dem Motto: Wir bleiben hier für immer die ersten, auch wenn wir jetzt auf fünf oder hundert gewachsen sind. Das gilt sowohl für Familien als auch für Organisationen und andere Systeme. Bei einem Logo könnte es zum Beispiel wichtig sein, dass alte Teile des Logos, die übernommen werden, wenn das Logo wächst, als »die älteren Teile des Systems« gewürdigt werden.

Es gibt aber auch Systeme, die nicht mehr wachsen können. Zum Beispiel bleiben GründerInnen unter sich, weil niemand später dazukommen kann. Auch eine Gruppe von Überlebenden einer Katastrophe kann nicht wachsen. Die Gruppe bleibt auf jene beschränkt, die ursprünglich dabei waren.

II b Fortpflanzungsorientierung

Wenn es für ein System wesentlich ist, dass es sich fortpflanzen kann, das heißt, dass sich neue Systeme ähnlicher Art aus dem ursprünglichen bilden können (z.B. Tochtergesellschaften), so sollten nicht nur die Systemgrenzen gut geklärt sein, sondern es sollten auch Bedingungen geschaffen werden, die solche Neubildungen fördern. Dazu gehört, dass für die Dauer dieser Grenzbildung die Betonung der zeitlichen Reihenfolge zwischen den Systemen umgedreht werden sollte.

Ein Konzern, der eine Tochtergesellschaft ins Leben ruft, sollte auf der einen Seite die Grenzen des neuen Systems respektieren, auf der anderen Seite sollte er ihm vorübergehend mehr Ressourcen zur Verfügung stellen als den zum Beispiel schon vorhandenen älteren Tochtergesellschaften. Ähnliches gilt für eine Familie. Das Baby bekommt für eine Weile mehr Aufmerksamkeit von den Eltern, sollte aber beizeiten seine eigenen Grenzen finden dürfen und dann seinen Platz in der Geschwisterreihe einnehmen.

Eine Sekte ist z.B. nicht fortpflanzungsorientiert, denn sie ist nicht daran interessiert, dass sich ihre Mitglieder selbstständig machen und neue Sekten gründen.

III Orientierung auf Immunkraftbildung

Auf längere Zeit überlebensfähige Systeme entwickeln in der Regel Funktionen, die als eine Art Immunsystem angesehen werden können. Es ist dann für die langfristige Überlebensfähigkeit wichtig, die Immunkraft weiter zu stärken, damit es sich im Notfall gegen Angriffe von außen verteidigen kann. Insa Sparrer schreibt dazu: »In menschlichen Systemen entspricht die Immunkraft der Kommunikationsfähigkeit, der Übernahme von Verantwortung und der Einsatzbereitschaft. Je besser die Mitglieder eines Systems miteinander kommunizieren können, umso schneller kann neue Information verarbeitet und verbreitet werden. Je höher die Einsatzbereitschaft der Mitglieder ist, umso eher gelingt es, Krisenzeiten zu überstehen.« (SyStTP, S. 51)

IV Orientierung auf Individuation

Die Anerkennung und Förderung der individuellen Fähigkeiten der einzelnen Systemmitglieder ist dann wichtig, wenn ein System sich weiterentwickeln und lernen möchte. In einem Unternehmen ist es z.B. günstig, wenn die MitarbeiterInnen ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt werden und kreative Prozesse und Spezialisierungen möglich gemacht werden. Ihr Einsatz sollte auch dann gewürdigt werden, wenn z.B. das Projekt nicht sofort erfolgreich war.

In Familien gilt diese Förderung für die Kinder. Ein Kind, das in die Fußstapfen seiner Eltern treten muss und dessen individuelle Begabungen und Fähigkeiten nicht anerkannt werden, wird in seiner Weiterentwicklung meist behindert.

Die Berücksichtigung der Reihenfolge von I bis IV ist hilfreich im Sinne einer Priorität von Schritten. Sie stellt keine Wertung der Wichtigkeit dieser Themen für ein System dar. So sind natürlich das Überleben und die Möglichkeit von Wachstum und Fortpflanzung für Familien und Organisationen wichtig. Dennoch gibt es einen Unterschied darin, dass eine Organisation in der Regel ihren Daseinszweck verfehlt hat, wenn sie keine geeigneten Produkte und Dienstleistungen hervorbringt, während von einer Familie so etwas zu fordern eine eher unmenschliche Betrachtungsweise wäre. Daher ist für Organisationen das Prinzip IV von viel größerer Wichtigkeit als für Familien. Dennoch müssen beide Systeme zuerst einmal die Existenzbedingung gesichert haben.

Inhalte zu den Systemorientierungen im Detail

0. Das Prinzip der Nichtleugnung

In diesem Prinzip geht es darum, dass Handlungen in Systemen nicht auf der ausdrücklichen Leugnung von dem aufbauen sollten, was für das System gegeben ist.

IN ORGANISATIONEN

Hier geht es in Organisationen um eine Haltung, die für alle nachfolgenden Grundsätze wichtig ist. Bevor ein Unternehmen z.B. etwas verändert, braucht es einen Überblick über den Zustand des Teams, des Projekts, des Unternehmens und das Bewusstsein, dass jede Veränderung für alle Systemmitglieder, aber auch für die Systemelemente (z.B. für Projekte, Werte usw.) von Bedeutung ist. Verdrängung oder Missachtung von Gegebenheiten führt häufig langfristig zu Schwierigkeiten. Wesentliche Themen, wie Werte, offizielle und inoffizielle Agenden, Regeln usw. sollten klar angesprochen werden. Denn wenn Neues Erfolg haben soll, braucht es zunächst die Anerkennung des Zustands, von dem wir ausgehen, sonst zeigen sich vielleicht später Widerstände aufgrund übersehener Tatsachen an anderen Stellen. Auch sogenannte »Kleinigkeiten« spielen eine Rolle. Plötzlich sitzt z.B. nach einer Geschäftserweiterung eine Person mehr im Büro. Der Platz des Einzelnen verringert sich: Dieser Verzicht sollte angesprochen und anerkannt werden.

Eine Analyse, die nicht nur Gewinne und Verluste berücksichtigt, sondern auch systemische Faktoren, fragt immer auch:

Was bedeutet eine Entscheidung, eine Haltung, eine Handlung, eine Strategie usw.

•für die MitarbeiterInnen?

•für die Unternehmens- und/oder die Teamwerte?

•für die Corporate Identity (inklusive des Logos)?

•für die Projekte?

•für die Kunden?

•für die Lieferanten?

•usw.

IN FAMILIEN

Auch hier gilt, dass es für alle weiteren Prinzipien immer auch um Nichtleugnung geht. Am häufigsten finden wir in Familien Aspekte von Leugnung bei unangenehmen Tatsachen oder Familienmitgliedern, die sich nicht »familienkonform« benehmen. Doch auch Leistungen innerhalb der Familie und der Bedarf nach Ausgleich müssen anerkannt werden. Die sogenannte »heile Welt«, die in manchen Familien aus Tradition oder anderen Gründen hochgehalten wird, hat für die Systemmitglieder, z.B. die Kinder, häufig unangenehme Folgen. Sie spüren etwas anderes, als ihnen mitgeteilt wird, und kennen sich nicht aus. Schweigen zu wichtigen Ereignissen (z.B. zum Tod eines Familienmitglieds) kann manchmal dazu führen, dass Kinder sich schuldig fühlen.

1. Das Recht auf Zugehörigkeit

Dieses Prinzip sichert die Grenzen eines Systems und sorgt für Stabilität. Es ist daher günstig zu wissen, wer zu einem System gehört. In Familien ist es klar, hier wird Zugehörigkeit durch die Geburt geregelt. In Organisationen spielt die Zugehörigkeit ebenfalls eine wesentliche Rolle, auch wenn sie häufig nur vorübergehend ist.

IN ORGANISATIONEN

Wer gehört dazu? ist eine wichtige Frage für jedes System und daher auch für Organisationen. Wenn Zugehörigkeit in Organisationen nicht klar geregelt ist und sich damit die Grenzen des Systems verwischen, entsteht Verwirrung und durch die Unklarheit häufig ein offenes Feld für Mobbing oder innere Kündigungen. Der Mangel an Verbindlichkeit führt meist zu eingeschränkter Produktivität, weil die Mitglieder des Systems damit beschäftigt sind, ihren Platz zu sichern, ihren Platz zu finden oder um ihren Platz zu kämpfen.

•Während Familienmitglieder ihr ganzes Leben lang zum System gehören, erlischt die Zugehörigkeit zu Unternehmen üblicherweise, wenn MitarbeiterInnen das Unternehmen verlassen.

•Bei ungerechten Kündigungen kann es allerdings sein, dass die gekündigte Person weiter im System wirksam bleibt und z.B. jemand, der diesen Platz einnimmt, ähnliche Schwierigkeiten bekommt. Manchmal ist es, als ob eine Art systemischer Schleudersitz konstruiert worden wäre. Es wirkt fast so, als ob es eine Art Firmengedächtnis gäbe, das daran erinnert, dass es eine Möglichkeit der passenden Einbeziehung gibt, die bisher noch nicht genützt wurde.

•Eine wichtige Frage könnte sein, wie für die MitarbeiterInnen gesorgt wird, die nicht mehr dazugehören können, weil es Einsparungen gibt oder Bereiche aufgelassen werden. Ein gut durchdachtes Kündigungsmanagement ist wichtig, weil die im Betrieb verbleibenden MitarbeiterInnen Sicherheit und Motivation verlieren könnten, wenn ungerecht und unachtsam gekündigt oder versetzt wird.

•Häufig finden sich in Systemen, in denen eine tiefe Unruhe entstanden ist, auch GründerInnen, die in Vergessenheit geraten sind oder Verstorbene, um die nicht getrauert werden konnte und die nicht mehr erwähnt werden usw.

Doch auch innerhalb des Unternehmens gibt es Systemgrenzen und Rechte auf Zugehörigkeit, deren Beachtung eine wichtige Ressource bilden könnte:

•Wer gehört zur Projektgruppe, wer gehört zum Team, wer redet wo mit, wer ist wofür verantwortlich? Gerade bei komplexen Projekten ist es besonders wichtig, dass die, die sich darum kümmern sollen, auch ein klares Zugehörigkeitsgefühl entwickeln können. Das gilt auch für Teams, die nur für eine bestimmte Zeit für ein bestimmtes Projekt zusammenarbeiten.

EINIGE NÜTZLICHE FRAGEN:

•Wer hat das Unternehmen oder die Projektgruppe oder das Team gegründet?

•Gibt es jemanden, der früher schon mitgearbeitet hat und das Team oder die Abteilung verlassen hat?

•Gab es vorher ein anderes Projekt, eine andere Abteilung, die sich mit diesem Thema beschäftigt hat, und wenn ja, was ist daraus geworden?

•Was sind die »alten Werte« des Unternehmens und wo finden sie Berücksichtigung, wenn jetzt »neue Werte« kommen?

•Gab es schon einmal Pläne zu diesem oder einem verwandten Projekt (z.B. im Architekturbereich oder in der Stadtplanung) und was ist aus ihnen geworden?

•Wessen Idee war der Werbeslogan, das Logo, das neue Produkt usw.?

IN FAMILIEN

Theoretisch ist das Recht auf Zugehörigkeit in Familien ganz einfach zu regeln, weil es sich mit der Geburt ergibt. Wird diese Tatsache geleugnet und werden Familienmitglieder bewusst ausgeschlossen oder »vergessen«, zeigt sich das manchmal selbst Generationen später. »Ausgeschlossen« bedeutet im familiären Zusammenhang meistens, dass über jemanden nicht mehr geredet wird, weil die Erinnerung zu schmerzhaft ist oder weil das Ereignis mit sogenannter »Schande« oder großem Schmerz oder Groll behaftet ist. In der Systemischen Strukturaufstellung betrachten wir dieses Prinzip mit einem konstruktivistischen Auge. Das heißt, wir behaupten auch hier nicht, dass der Ausschluss als Tatsache eine bestimmte Folge hatte. Insa Sparrer schreibt dazu: »Es lautet dann: In bindungsorientierten Systemen ist es förderlich, das System so zu betrachten, als ob es ein die Zugehörigkeit der Systemmitglieder schützendes Gedächtnis hätte« (SyStTP, S. 48).

Hier eine kleine Liste mit häufig »vergessenen« Familienmitgliedern, deren Einbeziehung ins System sich als ressourcenreich erweist:

•deren Herkunft vertuscht werden soll