Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht - Hans-Ullrich Gallwas - E-Book

Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht E-Book

Hans-Ullrich Gallwas

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Beschreibung

Grundstrukturen verständlich erklärt Das bewährte Lehrbuch stellt die allgemeinen Grundlagen und die Besonderheiten des bayerischen Polizei- und Sicherheitsrechts dar. Es ist durchweg abgestimmt auf die Bedürfnisse der Studenten. Besonderen Wert legen die Verfasser auf die Vermittlung der Systemstrukturen dieses Rechtsgebiets. Examenrelevante Themen kompetent aufbereitet Fortgeschrittene Studenten, die mit den Grundlagen der Eingriffsverwaltung schon vertraut sind, können sich umfassend mit den examensrelevanten Detailproblemen auseinandersetzen. Für den Praktiker bietet das Werk wertvolle Hilfestellungen bei der Bearbeitung polizeirechtlicher Fragen. Auf aktuellem Stand Die 4. Auflage bringt das Buch auf den aktuellen Stand von Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur. Neu aufgenommen wurde ein Kapitel mit ausführlichen Hinweisen zur Bearbeitung von Fällen, wie sie typischerweise Gegenstand von Examensklausuren sind.

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Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht

Dr. Hans-Ullrich Gallwasem. Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München Dr. Josef Franz Lindnerord. Professor an der Universität Augsburg Dr. Heinrich Amadeus Wolfford. Professor an der Universität Bayreuth

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek | Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

4. Auflage, 2015

Print ISBN 978-3-415-05450-9 E-ISBN 978-3-415-05460-8

© 1990 Richard Boorberg Verlag

E-Book-Umsetzung: Datagroup int. SRL, Timisoara

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG | Scharrstraße 2 | 70563 Stuttgart Stuttgart | München | Hannover | Berlin | Weimar | Dresdenwww.boorberg.de

Vorwort zur vierten Auflage

Die vierte Auflage dieses Lehrbuches zum Bayerischen Polizei- und Sicherheitsrecht bringt neben den notwendigen Aktualisierungen eine Veränderung im Autorenkreis mit sich. Zu den Autoren ist Josef Franz Lindner neu hinzugetreten. Er hat gemeinsam mit Hans-Ullrich Gallwas das dritte Kapitel (außer dem Abschnitt G.) und das vierte unter behutsamer Fortschreibung des Textes aktualisiert und zudem ein neues Kapitel zur Fallbearbeitung hinzugefügt. Das erste, zweite und fünfte Kapitel sowie Abschnitt G des dritten Kapitels liegen in den Händen von Heinrich Amadeus Wolff. So ist aus dem Gallwas/Wolff mit dieser Auflage ein Gallwas/Lindner/Wolff geworden.

Unverändert geblieben sind Zielsetzung und Konzept des Lehrbuches. Es richtet sich in erster Linie an Studierende, die mit den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundstrukturen des Verwaltungsrechts schon vertraut und auf ihrem Studienweg vom Allgemeinen zum Besonderen fortschreiten. Unser Anliegen ist es, die spezifischen (auch organisationsrechtlichen) Eigenheiten des Bayerischen Polizei- und Sicherheitsrechts, wie sie auch Gegenstand der juristischen Staatsexamina im Freistaat Bayern sind, verständlich zu machen und mit den allgemeinen dogmatischen Strukturen eines gemeindeutschen Gefahrenabwehrrechts zu verknüpfen. Bei der Darstellung steht nicht die Präsentation auswendig zu lernender Versatzstücke für die Fallbearbeitung im Vordergrund. Zielsetzung ist vielmehr die systematischen Grundstrukturen eines rechtsstaatlichen Gefahrenabwehrrechts hervortreten zu lassen. Den Lesern soll so ein argumentatives wie dogmatisches „Rüstzeug“ gegeben werden, das ihnen als Wegweiser bei der Lösung (auch ungewöhnlicher) polizei- und sicherheitsrechtlicher Fallgestaltungen hilft. Unser besonderes Anliegen ist es, das Spannungsverhältnis zwischen rechtsstaatlicher Grundrechtsbindung und effektiver Gefahrenabwehr deutlich werden zu lassen: „Das Handeln auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr steht immer unter dem doppelten Anspruch, einerseits dem Gebot höchster Effizienz, andererseits dem Prinzip rechtsstaatlichen Handelns gerecht zu werden. Dieser Anspruch wirkt sich indessen verschieden aus, je nachdem, ob unter Zeitdruck und Unsicherheit Maßnahmen im Einzelfall zu treffen sind oder ob es um eher uneilige Normsetzung geht“ (aus dem Vorwort zur ersten Auflage).

Das neu hinzugefügte sechste Kapitel soll den Stoff für die Fallbearbeitung zusammenfassend aufbereiten und Sensibilität für typische, auch prozessuale Fallgestaltungen wecken, wie sie im Polizei- und Sicherheitsrecht auftreten und auch Gegenstand der Prüfungspraxis sind. Die angebotenen Prüfungsschemata sind keineswegs „verbindlich“ oder zum bloßen Auswendiglernen, sondern zu eigenständigem Nachvollziehen gedacht; sie wollen die systematische Vergewisserung der bei der Fall-Lösung jeweils zu leistenden gedanklichen Arbeit leiten.

Seit der dritten Auflage sind etliche Neuerscheinungen und Neuauflagen zum gemeindeutschen sowie speziell zum Bayerischen Polizei- und Sicherheitsrecht erschienen. Diese zu sichten und einzuarbeiten war ebenso unser Anliegen wie wichtige neuere Rechtsprechung, zumal des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, zu berücksichtigen.

Ein Wort des Dankes gilt unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Frau Franziska Huber, Frau Rauni Ahammer, Frau Diane Jahr und Herrn Victor Struzina für die kritische Lektüre des Textes, Anregungen, Diskussionen und tatkräftige Mithilfe bei der Aktualisierung des Textes sowie der Erstellung des Stichwortverzeichnisses.

Anregungen und Kritik sind uns jederzeit willkommen.

München, Augsburg, Bayreuth im April 2015

Hans-Ullrich Gallwas

Josef Franz Lindner

Heinrich Amadeus Wolff

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Literaturverzeichnis

Abkürzungsvereichnis

Kapitel 1: Grundlagen und Leitlinien des bayerischen Polizei- und Sicherheitsrechts

1. Gefahrenabwehr als Aufgabe der Polizei

2. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und das Prinzip der Spezialermächtigung

3. Vom Polizeistrafrecht zur präventiven Gefahrenabwehr

4. Die Verengung des Polizeibegriffs auf die Polizei im institutionellen Sinne

5. Die Verstaatlichung der Polizei in Bayern

6. Der Wandel der polizeilichen Aufgaben im europäischen Verwaltungsverbund

Kapitel 2: Die verfassungsrechtlichen und unionalen Grundlagen und Einflüsse

A. Gesetzgebungskompetenzen im Polizei- und Sicherheitsrecht

1. Der Begriff Polizei- und Sicherheitsrecht

2. Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen

3. Die einschlägigen Landesgesetze

B. Die verfassungsrechtliche Bindung exekutivischer Normsetzung im Bereich des Polizei- und Sicherheitsrechts

C. Die Verwaltungskompetenz im Bereich des Polizei- und Sicherheitsrechts

1. Die Ausführung von Gesetzen

2. Die Verteilung der Verwaltungskompetenz

3. Die Verteilung der Organisationsgewalt zwischen Exekutive und Legislative

4. Rechtsfehlerhafte Organisationsvorschriften

D. Grundrechtsbindung im Bereich des Polizei- und Sicherheitsrechts

1. Die Bindung durch das Auffanggrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 101 BV

2. Die Achtungspflicht des Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG, Art. 100 BV

3. Grundrechtliche Schutzpflichten

4. Rechtsfolgen der Nichtbeachtung grundrechtlicher Achtungs- und Schutzpflichten

E. Einflüsse des Europarechts

1. Eigenverwaltung im Bereich des Sicherheitsrechts

2. Unmittelbare Harmonisierung

3. Anwendungsvorrang des allgemeinen Unionsrechts

4. Einwirkung auf die Auslegung

Kapitel 3: Sicherheitsbehördliche und polizeiliche Maßnahmen

A. Vorbemerkungen zum Begriff der Maßnahme

1. Übersicht

2. Die einzelnen Maßnahmen

B. Aufgaben der Sicherheitsbehörden und der Polizei

1. Zur Funktion des Aufgabenbegriffs im Polizei- und Sicherheitsrecht

2. Die allgemeine sicherheitsbehördliche bzw. polizeiliche Aufgabe nach Art. 6 LStVG bzw. Art. 2 Abs. 1 PAG

3. Die Aufgabenträger

4. Polizeiliche Aufgaben der Polizei anderer Länder, des Bundes und des Auslandes im Freistaat Bayern

5. Das Verhältnis der Aufgabenträger zueinander

6. Zusätzliche Aufgaben der Polizei (Art. 2 Abs. 3 und Abs. 4 PAG)

7. Verwaltungsverfahrensrechtliche Aspekte der Aufgabenzuweisung

C. Die allgemeinen Befugnisse der Sicherheitsbehörden und der Polizei

1. Vorbemerkungen

2. Befugnisse der Sicherheitsbehörden nach Art. 7 LStVG

3. Befugnisse der Polizei nach der allgemeinen Befugnisnorm des Art. 11 PAG

4. Der Vorrang von Befugnissen der Polizei in „anderen Rechtsvorschriften“, Art. 11 Abs. 3 mit Art. 2 Abs. 4 PAG

5. Die Befugnisse im Rahmen polizeilicher Vollzugshilfe, Art. 50 mit Art. 2 Abs. 3 PAG; Art. 7 Abs. 3 LStVG, Art. 37 Abs. 2 VwZVG mit Art. 2 Abs. 4 PAG

6. Die Befugnisse zum Schutz privater Rechte

D. Der Adressat sicherheitsbehördlicher bzw. polizeilicher Maßnahmen

1. Die Funktion des Adressatenbegriffs im Polizei- und Sicherheitsrecht

2. Der Adressat sicherheitsbehördlicher Maßnahmen

3. Der Adressat polizeilicher Maßnahmen

4. Juristische Personen als Adressaten sicherheitsbehördlicher oder polizeilicher Maßnahmen

5. Die Auswahl unter mehreren Störern

6. Der Rechtsnachfolger des Störers

E. Die Bestimmung des sicherheitsbehördlichen bzw. polizeilichen Mittels zur Gefahrenabwehr im Einzelfall

1. Vorbemerkungen

2. Das verfassungsrechtliche Übermaßverbot und der sicherheitsrechtliche bzw. polizeirechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

3. Rückgriff auf die Regeln des Allgemeinen Verwaltungsrechts, vor allem des Verwaltungsverfahrensrechts

4. Das sicherheitsbehördliche bzw. polizeiliche Ermessen bei der Auswahl des Mittels

5. Vollstreckung, unmittelbare Ausführung, unmittelbarer Zwang

F. Standardmaßnahmen, Art. 12 bis 29 PAG

1. Vorbemerkung zu den Standardmaßnahmen

2. Die einzelnen Standardmaßnahmen nach Art. 12 bis 29 PAG

G. Die Befugnisse der Polizei zur Datenerhebung und Datenverarbeitung, Art. 30 bis 49 PAG

1. Die Entwicklung des Datenschutzes

2. Die Datenerhebung durch die Polizei, Art. 30 bis 36 PAG

3. Die Datenverarbeitung nach Art. 37 bis 48 PAG

4. Die Anwendung des Bayerischen Datenschutzgesetzes, Art. 49 PAG

Kapitel 4: Das sicherheitsrechtliche bzw. polizeirechtliche Rechtsverhältnis zwischen Aufgabenträger und Betroffenem – Rechtsschutz des Betroffenen

A. Das sicherheitsrechtliche bzw. polizeirechtliche Rechtsverhältnis

1. Veränderung bestehender Rechtsverhältnisse

2. Die Begründung neuer Rechtsverhältnisse

B. Der Anspruch als maßgebliche Denkfigur

1. Der öffentlich-rechtliche Anspruch

2. Primäransprüche und Reaktionsansprüche

3. Grundrechtlich begründete Ansprüche

4. Arten von Reaktionsansprüchen

C. Die einzelnen Ansprüche

1. Der Anspruch auf sicherheitsbehördliches bzw. polizeiliches Einschreiten oder sonstiges Handeln (Leistungsanspruch)

2. Der Anspruch auf Unterlassung einer (bevorstehenden) rechtswidrigen sicherheitsbehördlichen bzw. polizeilichen Maßnahme (Unterlassungsanspruch)

3. Der Anspruch auf Aufhebung einer rechtswidrigen sicherheitsbehördlichen oder polizeilichen Anordnung (Aufhebungsanspruch)

4. Folgenbeseitigungsansprüche

5. Schadensersatzansprüche

6. Entschädigungsansprüche

7. Erstattungsansprüche

Kapitel 5: Das Landesstraf- und Verordnungsrecht

1. Rechtsverordnungen als sicherheitsrechtliche Notwendigkeit

2. Inhalt und Systematik des Landesstraf- und Verordnungsrechts

3. Verfassungsrechtliche Grundlagen des sicherheitsrechtlichen Verordnungsrechts

4. Die Ermächtigungen des LStVG

5. Bewehrte Verordnungen

6. Der Erlass von Rechtsverordnungen (Art. 42 ff. LStVG)

7. Das Regelungsinstrumentarium sicherheitsrechtlicher Verordnungen

8. Inhaltliche Anforderungen an die sicherheitsrechtliche Rechtsverordnung

9. Der Vollzug sicherheitsrechtlicher Normen

10. Normsetzung und staatliche Aufsicht

11. Der Rechtsschutz gegen sicherheitsrechtliche Normen

12. Die Gültigkeitsprüfung in der Klausur

Kapitel 6: Das Polizei- und Sicherheitsrecht in der Fallbearbeitung

A. Grundschema zur Erarbeitung eines Verwaltungsrechtsfalls

B. Die Fallbearbeitung im Sicherheitsrecht

1. Die sicherheitsrechtliche Rechtsverordnung

2. Der sicherheitsbehördliche Einzelakt

C. Die Fallbearbeitung im Polizeirecht

1. Prüfung der Rechtmäßigkeit einer polizeirechtlichen Maßnahme

2. Prüfung eines polizeirechtlichen Kostenbescheids

D. Einflüsse des Europarechts auf das allgemeine Polizei- und Sicherheitsrecht

1. Einflüsse des EU-Rechts

2. Einflüsse der EMRK

Anhang

Stichwortverzeichnis

Literaturverzeichnis

I. Länderübergreifende Literatur zum Polizei- und Sicherheitsrecht

Drews, Bill/Wacke, Gerhard/Vogel, Klaus/Martens, Wolfgang, Gefahrenabwehr, Allgemeines Polizeirecht (Ordnungsrecht) des Bundes und der Länder, 9. Aufl., Köln, 1986.

Götz, Volkmar, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 15. Aufl., München, 2013.

Gusy, Christoph, Polizei- und Ordnungsrecht, 9. Aufl., Tübingen, 2014.

Heise, Gerd/Riegel, Reinhard, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, 2. Aufl., Stuttgart, 1978.

Knemeyer, Franz-Ludwig, Polizei- und Ordnungsrecht, 11. Aufl., München, 2007.

Kugelmann, Dieter, Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl., Berlin, 2012.

Lisken, Hans/Denninger, Erhard (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., München, 2012.

Möstl, Markus, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, Tübingen, 2002.

Pieroth, Bodo/Schlink, Bernhard/Kniesel, Michael, Polizei- und Ordnungsrecht mit Versammlungsrecht, 8. Aufl., München, 2014.

Schenke, Wolf-Rüdiger, Polizei- und Ordnungsrecht, 8. Aufl., Heidelberg, 2013.

Schoch, Friedrich, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Schoch, Friedrich (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl., Berlin, 2013, S. 125 ff.

Scholler, Heinrich/Schloer, Bernd, Grundzüge des Polizei- und Ordnungsrechts in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl., Heidelberg, 1993.

Tettinger, Peter J./Erbguth, Wilfried/Mann, Thomas, Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Aufl., Heidelberg, 2012.

Thiel, Markus, Polizei- und Ordnungsrecht, Baden-Baden, 2013.

Würtenberger, Thomas, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Ehlers, Dirk/Fehling, Michael/Pünder, Hermann, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. III, 3. Aufl., München, 2013, S. 398 ff.

II. Literatur zum Bayerischen Polizei- und Sicherheitsrecht

Bengl, Karl/Berner, Georg/Emmerig, Ernst, Bayerisches Landesstraf- und Verordnungsgesetz (Loseblattsammlung), 34. Ergänzungslieferung, München, 2013.

Berner, Georg/Köhler, Michael/Käß, Robert, Polizeiaufgabengesetz, 20. Auflage, Heidelberg, 2010.

Heckmann, Dirk, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, in: Becker, Ulrich/Heckmann, Dirk/Kempen, Bernhard/Manssen, Gerrit, Öffentliches Recht in Bayern, 6. Aufl., München, 2014.

Honnacker, Heinz/Beinhofer, Paul/Hauser, Manfred, PAG. Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei, 20. Aufl., Stuttgart, 2014.

Knemeyer, Franz-Ludwig, Polizei- und Sicherheitsrecht, in: Berg, Wilfried/ders./Papier, Hans-Jürgen/Steiner, Udo, Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 6. Aufl., Stuttgart, 1996, S. 213 ff. .

König, Hans-Günther, Bayerisches Polizeirecht, 2. Aufl., Köln, 1985.

König, Hans-Günther, Bayerisches Sicherheitsrecht, Köln, 1981.

Samper, Rudolf/Honnacker, Heinz, POG – Gesetz über die Organisation der Bayerischen Staatlichen Polizei, 7. Aufl., Stuttgart, 2008.

Schmidbauer, Wilhelm/Steiner, Udo, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz und Polizeiorganisationsgesetz, 4. Aufl., München, 2014.

Abkürzungsvereichnis

a. A.

anderer Ansicht

a. a. O.

am angegebenen Ort

Abs.

Absatz

a. E.

am Ende

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

a. F.

alte Fassung

AGBGB

Gesetz zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze (Bayern)

AGGVG

Gesetz zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes (Bayern)

AGVereinsG

Gesetz zur Ausführung des Vereinsgesetzes (Bayern)

AGVwGO

Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung (Bayern)

ALR

Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten

Anh.

Anhang

Anm.

Anmerkung

Art.

Artikel

AVOVGemMGem

Verordnung über Aufgaben der Mitgliedsgemeinden von Verwaltungsgemeinschaften (Bayern)

Aufl.

Auflage

BauGB

Baugesetzbuch

BayBG

Bayerisches Beamtengesetz

BayBO

Bayerische Bauordnung

BayDSG

Gesetz zum Schutz vor Missbrauch personenbezogener Daten bei der Datenverarbeitung – Bayerisches Datenschutzgesetz

BayEUG

Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen

BayHSchG

Bayerisches Hochschulgesetz

BayImSchG

Bayerisches Immissionsschutzgesetz

BayRS

Bayerische Rechtssammlung Bd. I–V München 1985

BayStrWG

Bayerisches Straßen- und Wegegesetz

BayVBl.

Bayerische Verwaltungsblätter

BayVerfGH

Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

BayVersG

Bayerisches Versammlungsgesetz

BayVGH

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs

BayVwVfG

Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz

BayWG

Bayerisches Wassergesetz

Bd.

Band

BDSG

Gesetz zum Schutz vor Missbrauch personenbezogener Daten bei der Datenverarbeitung – Bundesdatenschutzgesetz

BeamtStG

Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern – Beamtenstatusgesetz

BezO

Bezirksordnung für den Freistaat Bayern

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BPolG

Gesetz über die Bundespolizei

BImSchG

Bundesimmissionsschutzgesetz

BJG

Bundesjagdgesetz

BV

Verfassung des Freistaates Bayern

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

DÖV

Die Öffentliche Verwaltung

DVBl.

Deutsches Verwaltungsblatt

DVPOG

Verordnung zur Durchführung des Polizeiorganisationsgesetzes (Bayern)

EGBGB

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch

EGGVG

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EGStGB

Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch

EMRK

Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten

Erl.

Erläuterung

EUV

Vertrag über die Europäische Union

F.

Folge

FamFG

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

FN.

Fortführungsnachweis

FreihEntzG

Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen – Freiheitsentziehungsgesetz

GastG

Gaststättengesetz

GastV

Verordnung zur Ausführung des Gaststättengesetzes (Bayern)

GBl.

Gesetzesblatt

GemPOlG

Gesetz über die Gemeindepolizei (Bayern)

GerOrgG

Gerichtsorganisationsgesetz (Bayern)

GewO

Gewerbeordnung

GewV

Verordnung zur Durchführung der Gewerbeordnung (Bayern)

GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GO

Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern

GVBl

Gesetz- und Verordnungsblatt

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

Halbs.

Halbsatz

Hrsg.

Herausgeber

IFSG

Infektionsschutzgesetz

i. d. F.

in der Fassung

i. S. v.

im Sinne von

i. V. m.

in Verbindung mit

JA

Juristische Arbeitsblätter

JuS

Juristische Schulung

KG

Kostengesetz (Bayern)

KommZG

Gesetz über kommunale Zusammenarbeit (Bayern)

LKrO

Landkreisordnung für den Freistaat Bayern

LStVG

Gesetz über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung – Landesstraf- und Verordnungsgesetz – (Bayern)

LT-Drs.

Landtags-Drucksache

LuftVG

Luftverkehrsgesetz

LÜG

Lebensmittelüberwachungsgesetz

MABl.

Ministerialamtsblatt der bayerischen inneren Verwaltung

m. (w.) N.

mit (weiteren) Nachweisen

n. F.

neue Folge/Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

OVG

Oberverwaltungsgericht

OVGE

Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte

OWiG

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

PAG

Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei – Polizeiaufgabengesetz

POG

Gesetz über die Organisation der Bayerischen Staatlichen Polizei – Polizeiorganisationsgesetz

PolKV

Polizeikostenverordnung (Bayern)

PrOVG

Preußisches Oberverwaltungsgericht, Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts

Rdnr.

Randnummer/n

S.

Satz, Seite

StGB

Strafgesetzbuch

StMI

Staatsministerium des Innern

StPO

Strafprozessordnung

StRGVV

Verordnung über die Geschäftsverteilung der Bayerischen Staatsregierung

StVG

Straßenverkehrsgesetz

StVO

Straßenverkehrs-Ordnung

StVollstrO

Strafvollstreckungsordnung

StVZO

Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung

SWG

Gesetz über die Sicherheitswacht in Bayern

UnterbrG

Gesetz über die Unterbringung psychisch Kranker und deren Betreuung – Unterbringungsgesetz – (Bayern)

UZwG

Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes

u. U.

unter Umständen

VBlBW

Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg

VereinsG

Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts – Vereinsgesetz

VersammlG

Gesetz über Versammlungen und Aufzüge – Versammlungsgesetz

VerwArch

Verwaltungsarchiv

VG

Verwaltungsgericht

vgl.

vergleiche

VGemO

Verwaltungsgemeinschaftsordnung für den Freistaat Bayern

VGH

Verwaltungsgerichtshof

VO

Verordnung

VollzBek

Vollzugsbekanntmachung

VwGemO

Verwaltungsgemeinschaftsordnung für den Freistaat Bayern

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

VwVG

Verwaltungsvollstreckungsgesetz

VwZVG

Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz

WRV

Weimarer Reichsverfassung

ZPO

Zivilprozessordnung

ZuVOWiG

Verordnung über Zuständigkeiten im Ordnungswidrigkeitenrecht (Bayern)

Kapitel 1: Grundlagen und Leitlinien des bayerischen Polizei- und Sicherheitsrechts

1. Gefahrenabwehr als Aufgabe der Polizei

1

Das moderne bayerische Sicherheits- und Polizeirecht hat seine Wurzeln im Gedankengut der Aufklärung und der in ihrem Gefolge entwickelten Vorstellungen der bürgerlichen Gesellschaft von den Aufgaben des Staates. Dazu gehörte insbesondere die der liberalen Staatsidee verpflichtete Auffassung, primärer Zweck des Staates sei nicht die Sorge für die Wohlfahrt und das Glück der Untertanen, sondern die Garantie der inneren und äußeren Sicherheit durch Polizei und Militär sowie die Wahrung von Recht und Ordnung durch eine unparteiische Rechtspflege.1

Diese Einschränkung des Staatszwecks führte in erster Linie zu einer Reduzierung der Aufgaben der Polizei, die ihren Niederschlag in der klassischen Definition des § 10 Teil II Titel 17 (§ 10 II 17) des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten vom 1.6.1794 gefunden hat. Danach war es das „Amt der Polizey“, „die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung und zur Abwendung der dem Publico oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahren zu treffen“. Nicht mehr zu den Aufgaben der Polizei gehörte die Vermehrung des allgemeinen Wohls, die sog. „Wohlfahrtspolizei“. Hinter dem Begriff „Wohlfahrtspolizei“ steht der Gedanke, die gute Ordnung des Gemeinwesens festzulegen und ihre Gewährleistung sicherzustellen.

2

Die Unterscheidung zwischen der Gefahrenabwehr als Aufgabe der Polizei und der Fürsorge für die öffentliche Wohlfahrt spielte fast ein Jahrhundert später eine ausschlaggebende Rolle in den sog. Kreuzberg-Entscheidungen des Preußischen OVG aus dem Jahr 1880 und 1882.2 In beiden Fällen ging es um die Erteilung einer Baugenehmigung, die dem Kläger unter Hinweis auf die „Polizeiverordnung zum Schutze des auf dem Kreuzberg bei Berlin zur Erinnerung an die Siege der Freiheitskriege errichteten, im Jahre 1878 erhöhten Nationaldenkmals“ verweigert worden war. Nach der Polizeiverordnung war in dem Bauviertel in der Umgebung des Siegesdenkmals auf dem Kreuzberg eine Bebauung nur so weit zulässig, wie dadurch nicht die Aussicht vom Denkmal auf die Stadt und die Ansicht des Denkmals behindert wurde. Das Gericht bestritt dem Berliner Polizeipräsidenten das Recht, eine Verordnung zum Denkmalschutz auf § 10 II 17 ALR zu stützen. Die genannte Vorschrift ermächtige nicht zu Verordnungen, welche die öffentliche Wohlfahrt zum Gegenstand hätten. Die mit der Verordnung beabsichtigte Erhaltung der freien Aussicht stehe in keinem Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und diene auch nicht zur Abwendung einer Gefahr für das Publikum. Da der Erlass der Verordnung von keiner Rechtsgrundlage gedeckt war, verneinte das OVG ihre Rechtsgültigkeit.3 Damit wurde ein zweites Prinzip zur Geltung gebracht, dem – neben der Reduzierung der Polizeiaufgaben auf die Gefahrenabwehr – ausschlaggebende Bedeutung für die Entwicklung des modernen Polizeirechts zukommt:4 Gemeint ist der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.

2. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und das Prinzip der Spezialermächtigung

3

Der rechtsstaatliche Anspruch der bürgerlichen Gesellschaft verlangte, dass die Aufgabe, für die öffentliche Sicherheitund Ordnungzu sorgen, nicht dem ausschließlich an der Effizienz der polizeilichen Maßnahmen orientierten Ermessen der Verwaltung überlassen blieb, sondern an gesetzliche Maßstäbe gebunden wurde. In der Bayerischen Verfassung von 1818 war dem Landtag das Recht zugestanden worden, dass ohne seinen „Beyrath“ und seine Zustimmung kein Gesetz erlassen werden konnte, „welches die Freiheit und das Eigentum der Staatsangehörigen betrifft“.5 Gebote und Verbote bedurften als Maßnahmen der in Freiheit und Eigentum eingreifenden Verwaltung einer gesetzlichen Rechtsgrundlage, die nur im Einvernehmen mit dem Landtag geschaffen werden konnte.6

4

Das Mitwirkungsrecht des Parlaments an der Gesetzgebung beleuchtet gleichzeitig die politische Seite des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Die dem Bürgertum eröffnete Möglichkeit, Einfluss auf die Gesellschaftsordnung zu nehmen, veranlasste den Bayerischen Landtag schon bald nach dem Inkrafttreten der Verfassung, die Einführung eines „Polizeigesetzbuches“ zu fordern, „das eine möglichst vollständige Codifizierung des geltenden Polizeistrafrechtsin der Beschränkung derselben auf wirkliche Polizeiübertretungen“ sein sollte. Das neue Gesetz sollte den Staatsbürger über den Umfang seiner durch Strafe erzwingbaren Pflichten, den Polizeibeamten über Inhalt und Umfang seiner Befugnisse und den Richter über die von ihm anzuwendenden Rechtsgrundsätze belehren und „eine richtige Gränzlinie zwischen dem Erlaubten und jener Handlungsweise (ziehen), die aus polizeilichen Rücksichten verboten ist oder verboten werden kann“.7

Obwohl das neue Polizeistrafrecht immer wieder und im Revolutionsjahr 1848 mit großem Nachdruck gefordert wurde, ließ es sich erst zu Anfang der 60er Jahre, ein gutes Jahrzehnt nach dem Preußischen Polizeiverwaltungsgesetz vom 11.3.1850, durchsetzen. Ein von der Regierung im Jahr 1856 vorgelegter Entwurf war vom Landtag abgelehnt worden, weil er im Wesentlichen die Absicht verfolgte, die bisherige Verordnungspraxis der Polizei zu legalisieren, womit Bayern, einem zeitgenössischen Urteil zufolge, „wirklich das Gelobte Land der Bureaukratie und des Polizeidespotismus geworden“8 wäre. Die Bedenken des Landtags richteten sich vor allem dagegen, dass der Entwurf die Polizeibehörden zur eigenmächtigen Verhängung von Strafen und zur Schaffung neuer Übertretungstatbestände ermächtigte und ihnen dadurch die Möglichkeit einräumte, Handlungen, die bisher nicht verboten waren, durch polizeiliche Verordnung bei Strafe zu verbieten.9 Demgegenüber war es das erklärte Ziel des Landtags, das Polizeistrafrecht selbst und definitiv gesetzlich zu regeln und, wo immer es möglich war, einen Tatbestand abschließend und dauerhaft zu bestimmen. Gleichwohl musste man einsehen, dass es unmöglich war, jede denkbare Situation, die Gegenstand polizeilicher Maßnahmen werden konnte, im Voraus gesetzlich zu normieren. Man einigte sich schließlich auf ein gesetzgebungstechnisch neues Prinzip, um das „mit dem gesetzlichen Zeichen versehene Material in Scheidemünze nach dem täglichen Bedarfe“10 zu prägen. Im Unterschied zur preußischen Volksvertretung, die die Polizei mit einer Ermächtigung zur Regelung aller vom Gesetzgeber nicht vorhergesehener polizeilicher Situationen – also mit einer polizeilichen Generalklausel – ausgestattet hatte, erteilte der bayerische Landtag nur tatbestandlich beschränkte (spezielle) Ermächtigungen und gab überdies auch den Strafrahmen vor, in dem sich die polizeilichen Sanktionen im Einzelfall zu bewegen hatten.11

Der Weg der Ermächtigung anstelle einer unmittelbaren gesetzlichen Regelung wurde in all den Fällen eingeschlagen, wo die zu erlassenden Gebote oder Verbote dem Wechsel unterliegen, wo sie noch nicht abschließend feststehende Erfahrungen zur Grundlage hatten, wo unterschiedliche regionale und örtliche Verhältnisse und Bedürfnisse eine unterschiedliche Behandlung erforderten oder wo ihr Erlass „sich wegen Veränderlichkeit der Verhältnisse und Bedürfnisse nicht zu einer dauerhaften und schwer umzugestaltenden gesetzlichen Regelung“ eignete.12

5

Diese Technik der sog. Blankettermächtigungen13 wurde zum spezifischen Kennzeichen des bayerischen und, in seinem Gefolge, des süddeutschen Polizeistrafrechts:

„Während man sich in anderen Gesetzgebungen, namentlich im französischen Gesetz vom 16./24. August 1790 Tit. XI Art. 3 und im preußischen Gesetze vom 11. Mai 1850 § 6 begnügt hat, die Gegenstände, welche die Aufgabe besonderer polizeilicher Vorschriften bilden, in einer Reihe sehr allgemeiner Rubriken zu bezeichnen, welche so weit greifend sind, dass fast alle Aufgaben der Sicherheitspolizei darunter subsumiert werden können, hat man im PStG die Gegenstände der zulässigen Anordnungen spezialisiert und dadurch ungeachtet der scheinbar großen Zahl der aufgestellten Spezialfälle dem Anordnungsrecht engere Schranken gezogen als es durch jene generalisierenden Gesetze geschehen ist.“ 14

Damit entstanden um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland zwei unterschiedliche Polizeirechtssysteme, die nicht nur den Untergang des konstitutionellen Obrigkeitsstaates überlebten, sondern sich zudem relativ problemlos den demokratischen Verfassungsverhältnissen nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg anpassen ließen. Die norddeutsche „Generalklausel“ erfuhr ihre Bestätigung in der klassisch gewordenen Formulierung des § 14 des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931. Es bestimmte:

(1) Die Polizeibehörden haben im Rahmen der geltenden Gesetze die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen zu treffen, um von der Allgemeinheit oder dem Einzelnen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedroht wird. (2) Daneben haben die Polizeibehörden diejenigen Aufgaben zu erfüllen, die ihnen durch Gesetz besonders übertragen sind.

Im Unterschied zur Generalermächtigung, die sich weitgehend an der Erfüllung der polizeilichen Aufgaben orientierte, beruhte das Prinzip der spezialgesetzlichen Ermächtigung auf der Einsicht, dass der Landtag – wenn Eingriffe in Freiheit und Eigentum der Staatsangehörigen nur mit seiner Zustimmung zulässig waren – zumindest über das Ausmaß befinden musste, in dem ein solcher Eingriff erlaubt war, wenn er sein Zustimmungsrecht im Übrigen delegierte. Nur der Landtag konnte darüber befinden, was als Gebot und Verbot zu betrachten war und bei einer Zuwiderhandlung mit Strafe bedroht werden durfte.15 Er nahm damit gleichzeitig auch die Definitionskompetenz dafür in Anspruch, ob ein bestimmter Sachverhalt als Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu betrachten war. Wurde eine Ermächtigung zum Erlass einer Polizeiverordnung erteilt, dann stand damit gleichzeitig fest, dass der Gesetzgeber den der Ermächtigung zugrunde liegenden Lebenssachverhalt als potentielle öffentliche Gefahr oder Störung betrachtete;16 lediglich die Formulierung und Konkretisierung der einzelnen strafbewehrten Tatbestände blieb dem Ermächtigungsadressaten überlassen.

3. Vom Polizeistrafrecht zur präventiven Gefahrenabwehr

6

Seiner Konzeption und Intention nach war das bayerische Polizeistrafgesetzbuch am Kriminalstrafrecht orientiert. Ansatzpunkt für das polizeiliche Tätigwerden war das strafbare oder wenigstens sonst verbotene Verhalten von Menschen, das unterbunden und verfolgt werden sollte.17 Wie das Kriminalstrafrecht zu dieser Zeit beruhte auch das Polizeistrafgesetzbuch auf dem Gedanken der Generalprävention und verfolgte das Ziel der repressiven – noch nicht der präventiven – Gefahrenabwehr. Folgerichtig waren die Befugnisse der Polizei für Maßnahmen im Einzelfall in erster Linie in der Strafprozessordnung geregelt. Den für das moderne Sicherheitsrecht ausschlaggebenden Gedanken der vorbeugenden Gefahrenabwehr gab es zunächst nur in Ansätzen; im Jahr 1879 fand er Ausdruck im bayerischen Polizeirecht. In Art. 102 AGStPO hieß es:

„Die Behörden und Beamten des Sicherheitsdienstes sind verpflichtet, durch Aufsicht und Anstalten den Übertretungen der Strafgesetze möglichst zuvorkommen und dieselben in ihrem Laufe zu unterdrücken.“

Damit wurde – im Wesentlichen – der Teil der Gefahrenabwehr umschrieben, der bis heute in Art. 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 PAG und in Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG erfasst ist. Die „sog. kleine Generalklausel“ in Art. 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 PAG und Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG ist daher traditionell mit dem Polizeistrafrecht verbunden.

7

Das bayerische Polizeistrafrecht hatte – seiner grundsätzlichen Intention nach – nur die Beseitigung solcher Gefahren zum Gegenstand, die auf das verbotswidrige Verhalten von Menschen zurückgingen.18 Im Unterschied dazu zählte das norddeutsche Polizeirecht mit seiner Generalklausel auch die Abwehr derjenigen Gefahren zu den Aufgaben der Polizei, die ihren Entstehungsgrund nicht in der Verwirklichung von Straf- und anderen Verbotstatbeständen hatten, sondern beispielsweise auf Naturereignissezurückzuführen waren. In all diesen Fällen wurde die Frage, ob eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorlag, nicht schon vom Gesetzgeber selbst beantwortet, sondern blieb dem Ermessen der Polizei überlassen.

Das moderne bayerische Sicherheitsrecht hat beide Systeme miteinander kombiniert. Es stützt sich in Art. 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 PAG sowie Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 2 LStVG auf das traditionelle bayerische Konzept, bei dem die Frage, ob eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorliegt, bereits durch den Gesetzgeber durch die Formulierung von Straftat- und Ordnungswidrigkeitentatbeständen vorweggenommen wird. Art. 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 PAG und Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG stellen mit Hilfe einer Generalklausel eine gesetzlich geregelte Eingriffsbefugnis für die von den in den jeweiligen Nrn. 1 und 2 noch nicht erfassten sicherheitsrechtlich relevanten Tatbestände zur Verfügung.

4. Die Verengung des Polizeibegriffs auf die Polizei im institutionellen Sinne

8

Ein vierter ausschlaggebender Grundzug des modernen bayerischen Polizeirechts ist nach der gegenständlichen Verengung des polizeilichen Aufgabenbereichs, der Bindung der polizeilichen Maßnahmen an den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und nach der Vorverlagerung des polizeilichen Handelns in den Bereich der präventiven Gefahrenabwehr die Beschränkung des Polizeibegriffs. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg beruhte auch in Bayern das Recht der Gefahrenabwehr auf dem sog. materiellen Polizeibegriff. Dieser Begriff der Polizei unterscheidet nicht zwischen den Behörden der allgemeinen inneren Verwaltung auf der einen und der Polizei im institutionellen Sinne auf der anderen Seite. Er stellt ausschließlich auf die „polizeilichen“ Funktionen ab: Handelt eine Behörde zur Abwehr von Gefahren, also im Rahmen der polizeilichen Aufgaben, so ist sie auch „Polizeibehörde“. Die Behörden der allgemeinen inneren Verwaltung wurden daher als „Gewerbe-, Bau- und Lebensmittelpolizei“ tätig, soweit ihre Maßnahmen und Anordnungen der Gefahrenabwehr dienten.

Der auch dem bereits erwähnten § 14 PrPVG zugrunde liegende materielle Polizeibegriff wurde in den Ländern der amerikanischen Besatzungszone, zu der Bayern gehörte, durch Anordnung der Militärregierung beseitigt. In der einschlägigen Bestimmung hieß es:

„Alle früher von der deutschen Polizei wahrgenommenen Aufgaben, die nicht unmittelbar im Zusammenhang mit dem Schutz von Leben und Eigentum, der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Verhütung und Entdeckung von Straftaten stehen, werden dem polizeilichen Tätigkeitsbereich entzogen. Derartige Pflichten können von anderen geeigneten behördlichen Stellen wahrgenommen werden, doch ist die Bezeichnung „Polizei“ für derartige Funktionen oder für die sie ausübenden Dienststellen oder Personen nicht zu benutzen.“ 19

Damit wurde in Bayern der sog. institutionelle Polizeibegriff eingeführt. Die Verordnung über die Wahrnehmung von Aufgaben und Befugnissen der „Polizeibehörden“ durch die Polizei20 bestimmt in § 1, dass die in früheren Gesetzen den „Polizeibehörden“ übertragenen Aufgaben ausschließlich von der Polizei i. S. d. Art. 1 des PAG wahrzunehmen sind.

9

Eine zwangsläufige Folge der Beschränkung des Polizeibegriffs war die Herausnahme derjenigen Aufgaben aus dem Bereich polizeilicher Tätigkeit, die mit Mitteln der Verwaltung zu erfüllen waren. Dazu gehörten insbesondere

der Erlass von Rechtsvorschriften (sog. Polizeiverordnungen) und

die Erteilung von Erlaubnissen und Genehmigungen.

Folgerichtig hieß es in Art. 13 Abs. 3 des PAG aus dem Jahre 1954 noch: „Allgemein verbindliche Anordnungen, die ein Gebot oder Verbot für eine unbestimmte Anzahl von Fällen enthalten (Verordnungen) dürfen von der Polizei nicht erlassen werden.“

Die Polizei wurde beschränkt auf Maßnahmen, die unaufschiebbar und an Ort und Stelle zu treffen waren, sowie auf die Erfüllung von Aufgaben, die ihr durch Gesetz besonders zugewiesen waren, insbesondere die Mitwirkung bei der Strafverfolgung sowie Vollzugshilfeaufgaben.

10

Mit der Beschränkung des Polizeibegriffs im Sinne der volkstümlichen Vorstellungen von der Polizei,21 nämlich auf die uniformierten Polizeiverbände und die Kriminalpolizei, war eine Neuordnung des gesamten sicherheitsrechtlichen Bereichs notwendig geworden. Das Recht der Polizei sollte künftig nur noch das Recht der Polizei im institutionellen Sinne umfassen und vom Recht der Sicherheitsbehörden getrennt werden. Das POG von 1952 regelte die organisatorische Verselbstständigung der Polizei, das PAG von 1954 stellte ihre Aufgaben und Befugnisse auf eine neue gesetzliche Grundlage und bestimmte den Polizeibegriff in Art. 1 PAG als „die im Vollzugsdienst tätigen Dienstkräfte der Polizei des Staates und der Gemeinden“. Seither sind in Bayern im Bereich der Gefahrenabwehr sowohl die Polizei (im institutionellen Sinne)21aals auch Sicherheitsbehörden aufgrund jeweils unterschiedlicher Rechtsgrundlagen tätig.

11

Eine vergleichbare Kodifizierung des Rechts der Sicherheitsbehörden wurde zwar mehrfach in Angriff genommen,22 scheiterte jedoch immer wieder. Das „Gesetz über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“, das im Jahre 1956 das Polizeistrafgesetzbuch von 1871 ablöste, regelte zwar das Recht zum Erlass von Rechtsverordnungen, nicht aber von Anordnungen für den Einzelfall. Die Rechtsgrundlage dafür fand sich, systematisch wenig naheliegend, in Art. 5 AGStPO.23 Erst nach dem endgültigen Scheitern eines „Gesetzes über allgemeine Anordnungsbefugnisse auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“24 wurde Art. 5 AGStPO inhaltlich im Jahr 1974 als neuer Abschnitt in das LStVG übernommen. Seitdem sind sowohl die Befugnisse zum Erlass von Anordnungen für den Einzelfall wie die Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen einheitlich im LStVG zusammengefasst (näher unten Rdnr. 824 ff.).

5. Die Verstaatlichung der Polizei in Bayern

12

Neben der institutionellen Verselbstständigung von Polizei und Sicherheitsbehörden ist die Entwicklung in Bayern insbesondere durch den Prozess der Verstaatlichung der Vollzugspolizei gekennzeichnet.

13

Der organisatorische Neuaufbau der Vollzugspolizei nach dem Zweiten Weltkrieg hatte nicht zuletzt historische Gründe. Bis zur Weimarer Republik existierten staatliche Polizeiverbände und die Gemeindepolizei in Bayern nebeneinander. Ab 1923 begann sich das Verhältnis zu Gunsten der staatlichen Polizei zu ändern: Nicht zuletzt um politischen Unruhen (Hitler-Putsch) wirksam begegnen zu können, wurden in den größeren Städten Polizeipräsidien und Polizeidirektionen eingerichtet und die Gemeindepolizei verstaatlicht.25 Im sog. „Dritten Reich“ schließlich wurde die gesamte staatliche Polizei durch das harmlos betitelte „Gesetz über Finanzmaßnahmen auf dem Gebiet der Polizei“ vom Reich übernommen und die verbliebenen kommunalen Polizeien Staat und Partei untergeordnet.26

14

Die amerikanische Militärregierung beseitigte nach Kriegsende die gesamte Polizeiorganisation und ordnete die Gründung einer Landpolizei als staatliche Polizei und einer Gemeindepolizei an.27 Jede Gemeinde mit mehr als 5000 Einwohnern hatte eine eigene Polizei einzurichten, zu deren Unterhaltung ein jährlicher staatlicher Zuschuss gewährt wurde. Art. 9 des POG von 1952 bestimmte, insoweit der Intention des Art. 83 Abs. 1 BV folgend, jede Gemeinde habe „das Recht und die Pflicht, zur Wahrnehmung des ständigen polizeilichen Vollzugsdienstes (Einzeldienstes) innerhalb des Gemeindegebietes eine eigene Polizei zu errichten“. Lediglich die kreisangehörigen Gemeinden konnten im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit eine Übernahme der gemeindlichen Aufgaben durch die – staatliche – Landpolizei beantragen. Die funktionelle Beschränkung durch den institutionellen Polizeibegriff wurde also, nach der ursprünglichen Intention, ergänzt durch die Dezentralisierung und Kommunalisierung der Polizei.

15

Demgegenüber vollzog sich im Laufe der 70er Jahre eine Verstaatlichung der Polizei. Diese war einerseits eine Folge der finanziellen Belastungen der Kommunen, andererseits eine Konsequenz des etwa seit dem Ende der 60er Jahre in Erscheinung tretenden Wandels der polizeilichen Aufgaben und ihrer Erfüllung.28

16

Die finanzielle Belastung durch die gemeindeeigene Polizei, die von sämtlichen kreisfreien Städten eingeführt worden war, führte in den 60er Jahren zu einer Novellierung des POG, die diesen Städten die Möglichkeit einer Verstaatlichung ihrer Polizei eröffnete. Diese Novellierung kam auf der einen Seite dem staatlichen Interesse an einer einheitlichen Organisation der Polizei im gesamten Staatsgebiet und dem Interesse an einer Verstärkung der staatlichen Machtbefugnisse insbesondere im Bereich der Verbrechensbekämpfung, aber auch dem Großteil der bayerischen Städte entgegen, die sich zunehmend vor die Alternative gestellt sahen, entweder auf dringende Investitionen oder die eigene Polizei zu verzichten. Nachdem sich zwischen 1969 und 1971 bereits ein Viertel der Städte von ihrer Polizei getrennt hatte, erfolgte im Jahr 1971 die politische Weichenstellung für die Verstaatlichung der restlichen Kommunalpolizei, die im Jahr 1975 mit der Übernahme der Münchner Stadtpolizei29 abgeschlossen wurde. Mit dem POG vom 10.8.1976 wurde die Neuorganisation der Polizei gesetzgeberisch auf eine neue Grundlage gestellt. Art. 13 Abs. 2 POG 1976 dieses Gesetzes regelte die Umformung des POG aus dem Jahr 1952.

17

Großeinsätze der versammelten Polizeikräfte mehrerer Länder (bei Massendemonstrationen gegen den Vietnamkrieg, die Notstandsgesetze oder gegen technische Großvorhaben) und die Notwendigkeit grenzüberschreitender Gefahrenbekämpfung seit den 60er Jahren waren Ursache für den Wunsch der Innenministerkonferenz, das materielle Polizeirecht des Bundes und der Länder auf der Grundlage eines Musterentwurfs30 zu vereinheitlichen. Der Musterentwurf stellt insoweit einen Kompromiss zwischen der Polizeihoheit der Länder und der unverzichtbaren Effizienz polizeilicher Aufgabenerfüllung dar. Die inhaltliche und systematische Harmonisierung des materiellen Polizeirechts sollte die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Verbände der Polizei, ungeachtet ihrer föderalistischen Organisation, im gesamten Bundesgebiet eingesetzt werden können. Bayern hat als erstes Bundesland sein Polizeiaufgabengesetz am 24.8.1978 dem 1977 verabschiedeten Musterentwurf angepasst.31

6. Der Wandel der polizeilichen Aufgaben im europäischen Verwaltungsverbund

18

Die jüngere Entwicklung der Polizeiaufgaben kann zu vier Gesichtspunkten zusammengefasst werden: dem Dienstleistungsgedanken, den Privatisierungsbestrebungen im Bereich der inneren Sicherheit, der Hochzonung von Polizeiaufgaben und der Stärkung der Gefahrermittlung.

19

Die Polizei ist im Wohlfahrtsstaat, wie andere Bereiche der Verwaltung auch, sachlich zu einer Art Dienstleistungsunternehmen geworden, bei dem die an sich sekundäre Aufgabe des Schutzes privater Rechte immer stärker in den Vordergrund rückt. Deutlich wird dies etwa bei der Erteilung von Verkehrsunterricht in den Schulen oder sonstigen Tätigkeiten zur Vorbeugung von Gefahren und Störungen der öffentlichen Sicherheit (wie etwa Beratung), aber auch bei der Aufgabe, den einzelnen Staatsbürgern die Ausübung ihrer Rechte, speziell des Grundrechts auf Demonstrationsfreiheit, zu gewährleisten. Der Blick auf diesen Charakter der polizeilichen Arbeit ist Ursache dafür, dass das Interesse an der Abwälzung der Kosten für das polizeiliche Tätigwerden auf die von den Handlungen Begünstigten deutlich zugenommen hat.

19a

An der Abwehr von Gefahren haben auch die einzelnen Privaten ein ureigenes Interesse, sofern es um ihre Rechtsgüter geht. Es liegt daher nahe, Private einzubinden.32 Teilweise wurden Kooperationsabkommen zwischen privaten Unternehmen und öffentlichen Sicherheitsträgern geschlossen. Mitunter hat die öffentliche Hand Teile von Aufgaben ausgegliedert, entweder nur auf eine juristische Person des Privatrechts, die aber in öffentlicher Hand verblieb (formelle Privatisierung), oder auch ganz aus der Hand gegeben (materielle Privatisierung). Die Grenzen der Privatisierung ergeben sich aus Art. 33 Abs. 4 GG, den grundrechtlichen Schutzpflichten, Folgewirkungen aus grundgesetzlichen Staatsaufgaben und Kompetenzzuweisungen oder aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip und sind erstens sehr umstritten und zweitens sehr schwierig.33 Aber auch außerhalb des Raums der Privatisierung besteht ausreichend Entfaltungsraum für private Sicherheitsgewährleistung. Vor allem aus Gründen der Entlastung der öffentlichen Haushalte billigte der Staat vor allem in der Zeit ab 1995 wohlwollend das Anwachsen der privaten Sicherungsdienste. Die Anzahl der Beschäftigten in diesem Bereich ist in jenen Jahren signifikant gestiegen. Die Tätigkeit des Bewachungsgewerbes hat in § 34a GewO eine Rechtsgrundlage erhalten. Die rechtlichen Befugnisse privater Unternehmen gegenüber Dritten müssen von den Hoheitsbefugnissen der Polizeibeamten deutlich unterschieden werden. Ihnen steht materiell-rechtlich nur das Hausrecht zu. Innerhalb des „Vollzuges“ stehen ihnen vor allem die „Jedermanns-Befugnisse“ der strafrechtlichen Rechtfertigungsgründe §§ 32, 34 StGB, das vorläufige Festnahmerecht des § 127 StPO, die zivilen Notstands- und Selbsthilferechte nach §§ 228, 229–231, 904 BGB zu. Bewegen sich diese Privatisierungserscheinungen mehr im tatsächlichen als im rechtlichen Bereich, so relativieren sie rein tatsächlich das Gewaltmonopol des Staates. Sie führen aufgrund des vergleichbaren Erscheinungsbildes zu einer scheinbaren Verquickung von privater Interessenswahrung und öffentlicher Gefahrenabwehr, die nicht im Sinne des Gemeinwesens liegen kann. Jeder Bürger muss nicht nur rechtlich, sondern auch faktisch Anweisungen anderer befolgen, wenn er deren Bestimmungsrecht im Wege des Vertrages zugestimmt hat oder wenn diese Befugnis von der Staatsgewalt abgeleitet ist. Die Rechtskonstruktion, nach welcher jeder, der eine Straßenbahn benutzt, sich einer privat begründeten Sicherheitsgewalt unterwirft, die im räumlichen Bereich der Bahn faktisch mit der Polizeigewalt vergleichbar ist, verändert das Staatswesen ganz erheblich.

20

Mit dem Begriff der Hochzonung sind zwei Tendenzen gemeint. Zum einen hat sich der Bund seit 1990 mit mäßigem Erfolg bemüht, auf dem Gebiet des Polizeirechts präsenter zu werden. Diesen Bemühungen sind allerdings enge Grenzen gesetzt, da das Grundgesetz keine allgemeine Bundespolizei kennt und das BVerfG streng darüber wacht, ob der Bund seine polizeilichen Befugnisse überschreitet. Infolge dieser Bestrebungen wurden die Einzelkompetenzen der Grenzpolizei, der Bahnpolizei und der Luftfahrt einer Bundespolizei zugewiesen. Ein weiteres Beispiel bildet die neue Aufgabe des Bundeskriminalamts, länderübergreifende Gefahren des internationalen Terrorismus abzuwehren (Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG).

21

Zu einer weiteren Hochzonung kommt es durch die Europäisierungder polizeilichen Zusammenarbeit. Den Beginn machten die Bereiche Justiz- und Innenpolitik, die, govermental organisiert, ursprünglich die „dritte Säule“ der damaligen Union bildeten. Daneben traten die auf selbstständigen völkerrechtlichen Verträgen gegründeten sog. Schengener Abkommen.34 Beide Bereiche wurden teilweise durch den Vertrag von Amsterdam in das Gemeinschaftsrecht integriert (Art. 61–69 EG). Der Vertrag von Lissabon hat dies dann weitergeführt. Polizeirecht ist Teil des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, dessen Gewährleistung in Art. 3 Abs. 2 EUV als Unionsziel formuliert ist und in Art. 67 ff. AEUV näher ausgeführt wird. Trotz dieses Unionsziels bleibt die Gewährleistung der inneren Sicherheit primär Aufgabe der Mitgliedstaaten, was an Art. 72, Art. 68–71 AEUV sehr deutlich wird. Die Union hat vor allem Koordinationsfunktion (Art. 68, Art. 71, Art. 74 AEUV). Verstärkte Kompetenzen hat die Union im Bereich der Grenzkontrollen, im Asylbereich (Art. 77 ff. AEUV) und im Bereich der polizeilichen (Art. 87–89 AEUV) sowie der justiziellen Zusammenarbeit im Strafrecht (Art. 82–86 AEUV). Im polizeilichen Bereich erstrecken sich die Befugnisse vor allem auf die Koordination des Informationsaustauschs und der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten.

21a

Die vierte Neuakzentuierung des Polizeirechts begann sachlich mit dem Umweltschutz. Es erfolgte eine stärkere Betonung und Verlagerung nach „vorne“ in die Phasen der Gefahrenerforschung und des Gefahrenverdachts. Die Frage, ob eine Gefahr vorliegt oder sich entwickeln könnte, besitzt im Umweltrecht eine besondere Bedeutung. Die Vorverlagerung besteht v. a. in zwei Erscheinungsformen. Zum einen geht es um die Frage, ob überhaupt eine Gefahr oder Störung vorliegt (Gefahrerforschungseingriff – s. etwa § 9 Abs. 2 S. 1 BBodSchG für die Frage, ob eine Bodenkontamination vorliegt). Zum anderen geht es um Tätigkeiten v. a. in Form von Informationssammlungen, die dazu dienen, später evtl. auftretende Gefahren leichter abzuwehren (Gefahrenvorsorge). Weiter hat die Entdeckung des Datenschutzes und die Anerkennung, dass grundsätzlich schon jede Erhebung personenbezogener Daten einen Grundrechtseingriff bildet, dazu geführt, dass Vorfeldbereiche, die früher schon Gegenstand des Polizeirechts waren, gesetzlich neu normiert wurden. Neben das Umweltrecht sind weitere Bereiche getreten. Insbesondere neue Formen der organisierten internationalen Kriminalität legen eine Vorverlagerung der Verbrechensbekämpfung und -verfolgung nahe. Beispiele für diese Erweiterung sind die Befugnisse im Grenzkontrollbereich, v. a. in Form von verdachtsunabhängigen Kontrollen.35

1 Vgl. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, 16. Aufl. 2010, § 29 II, S. 229 f. — 2 Erneut abgedruckt in DVBl. 1985, 216 ff. und 219 ff. — 3 Soweit in der Literatur vom „Kreuzberg-Urteil“ des Preuß. OVG die Rede ist, ist regelmäßig die zweite Entscheidung vom 14.06.1882 gemeint. — 4 Vgl. dazu auch Schiedermair, Dem Polizeigesetzbuch zum 100. Geburtstag, BayVBl. 1962, 200 ff. — 5 Tit. VII § 2 der Verfassungsurkunde für das Königreich Bayern vom 26. Mai 1818. — 6 Man hat diesem Zustimmungsrecht später den weitergehenden Grundgedanken abgewonnen, der Einzelne brauche nur solche Einschränkungen seiner persönlichen Bewegungsfreiheit zu dulden, „an deren Festlegung er selbst indirekt durch die unter seiner Mitwirkung gewählte Volksvertretung beteiligt war“; vgl.Nawiasky, Die allgemeine Rechtsstellung der Polizei, BayVBl. 1926, 388. — 7Edel, Das Polizeistrafgesetzbuch für das Königreich Bayern vom 10. November 1861, 1862, S. 20. — 8Edel, Das Polizeistrafgesetzbuch für das Königreich Bayern vom 10. November 1861, 1862, S. 172. — 9Eichner, Die Rechtsgrundlagen der Präventivpolizei, insbesondere der Präventivpolizeihaft, nach der bayerischen Rechtsentwicklung, 1927, S. 10. — 10 Vgl. Das Polizeistrafgesetzbuch für das Königreich Bayern vom 10. November 1861, 1862, S. 159, 174: „Zwar haben auch andere Gesetzbücher diesen Weg bereits eingeschlagen. Allein in wesentlichen Punkten hat das PStGB zum erstenmale die Durchführung eines neuen Prinzips versucht.“ — 11Fremuth, Der Vorbehalt des Gesetzes in der Bayerischen Verfassungsurkunde vom 26.5.1818 und seine Auswirkungen auf die Rechtsentwicklung im Bayerischen Frühkonstitutionalismus, 1970, S. 134 ff.; vgl. auch Groebe, Erneuerung des Landesstrafrechts, Rechtsbereinigung und Stärkung der Selbstverwaltung in Bayern, DVBl. 1957, 158; Schiedermair, Dem Polizeigesetzbuch zum 100. Geburtstag, BayVBl. 1962, 202. — 12Edel, Das Polizeistrafgesetzbuch für das Königreich Bayern vom 10. Dezember 1861, 1862, S. 22, 23. — 13Groebe, Erneuerung des Landesstrafrechts, Rechtsbereinigung und Stärkung der Selbstverwaltung in Bayern, DVBl. 1957, 158 bezeichnet die Blankettvorschriften als wesentliches Kennzeichen des PStG; vgl. dazu unten Rdnr. 863 — 14Edel, Das Polizeistrafgesetzbuch für das Königreich Bayern vom 10. November 1861, 1862, S. 174; v. Stengel, Das System der vorbehaltenen Polizeivorschriften oder der Strafpolizeivorschriften, Zeitschr. für Gesetzgebung und Rechtspflege des Königreichs Bayern, 1862, S. 319. — 15 Vgl. dazu unter der Herrschaft des GG die Ausführungen des BVerfG in BVerfGE 14, 245 (251 f.). — 16Schiedermair, Einführung in das bayerische Polizeirecht, 1961, S. 40. — 17Schiedermair, Dem Polizeistrafgesetzbuch zum 100. Geburtstag, BayVBl. 1962, 200 (201 f.); Sommer, Ein neues Sicherheitsgesetz für Bayern, Diss. Würzburg, 1995, S. 13 ff. — 18 Vgl. v. Grassmann, Bayerisches Staatsrecht, Bd. 2: Die Staatsverwaltung, 1913, S. 218: „Die Polizei ist diejenige Zwangsgewalt, durch welche der Staat sich und seine Verwaltung sowohl wie auch seine Angehörigen vor Gefährdungen durch Menschen schützt. Nicht zutreffend ist es dagegen, Sicherungsmaßregeln gegen natürliche Gefahren unter den Begriff der Polizei zu stellen. Einer solchen Zusammenfassung würde kein innerer Zusammenhang entsprechen.“ — 19 Titel 9 – Öffentliches Sicherheitswesen, Nr. 235 der Bestimmungen der Militärregierung vom 22.5.1947; vgl. dazu auch Schiedermair, Einführung in das bayerische Polizeirecht, 1961, S. 47 ff. — 20 Verordnung über die Wahrnehmung von Aufgaben und Befugnissen der „Polizeibehörden“ durch die Polizei vom 20.01.2010 (Ziegler-Tremel Nr. 575). — 21Mang, Verwaltungsrecht in Bayern, Bd. 2, 1952, S. 82. — 21a Allerdings deckt sich der Polizeibegriff des Art. 1 PAG nicht gänzlich mit dem des POG. Polizei i. S. d. Art. 1 PAG sind die „im Vollzugsdienst tätigen“ Polizeibeamten („eingeschränkt-institutioneller“ Polizeibegriff; dazu gehören auch die Vollzugsbeamten der Bereitschaftspolizei nach Art. 6 POG und des LKA nach Art. 7 POG; das LKA hat überwiegend repressive Funktion). Polizei i. S. d. POG sind sämtliche Polizeibeamten, also nicht nur die im Vollzugsdienst, sondern auch die im „Innendienst“ Tätigen (Art. 1 Abs. 1 POG: „gesamte Polizei des Freistaates Bayern“; „uneingeschränkt-institutioneller“ Polizeibegriff): — 22Bengl/Berner/Emmerig, Bayerisches Landesstraf- und Verordnungsgesetz, 1987, Einführung, S. 8 ff. — 23 Zum Text s. Rdnr. 824 Fn. 15. — 24 Vgl.Schiedermair, Einführung in das bayerische Polizeirecht, 1961, S. 10. — 25Mang, Verwaltungsrecht in Bayern, Bd. 2, 1952, S. 85 f. — 26Götz, Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 4, 1985, S. 1024 ff. — 27 Vgl. dazu Götz, Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 5, 1987, S. 427 ff. — 28 Vgl. Riegel, Polizei- und Ordnungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1981, S. 40 f.; Scholler/Schloer, Grundzüge des Polizei- und Ordnungsrechts in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl. 1993, S. 11 ff. — 29 Für die Stadt München ging es um eine finanzielle Belastung, die von ca. 9 Mio. Euro im Jahr 1959 auf 30 Mio. Euro im Jahr 1971 angewachsen war. — 30 Als Anhang abgedruckt bei Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 11. Aufl. 2007, Rdnr. 549 und Riegel, Polizei- und Ordnungsrecht, 1981, S. 225 ff. — 31 GVBl. S. 561. — 32 S. dazu etwa Beinhofer, Brauchen wir ein Gesetz über private Sicherheitsdienste?, BayVBl. 1997, 481 ff. — 33 S. dazu Brekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 2013, S. 159. — 34 S. dazu nur Di Fabio, Die „Dritte Säule“ der Union, DÖV 1997, 89 ff. — 35 Vgl. z. B. Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 PAG.

Kapitel 2: Die verfassungsrechtlichen und unionalen Grundlagen und Einflüsse

A. Gesetzgebungskompetenzen im Polizei- und Sicherheitsrecht

1. Der Begriff Polizei- und Sicherheitsrecht

22

Der Begriff des Polizei- und Sicherheitsrechts umfasst alle Rechtsvorschriften, die sich auf die staatliche Aufgabe, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu wahren, beziehen.1 Dabei handelt es sich vor allem um Normen, die diese Aufgabe näher umschreiben2 und regeln, welche Mittel der Staat zur Erfüllung dieser Aufgaben einsetzen darf3 und welche Stelle jeweils für welchen Teil der Aufgabe zuständig ist.4

2. Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen

23

Auf Grund der Kompetenzverteilung in der Bundesrepublik Deutschland sind die maßgeblichen Rechtsgrundlagen teils bundes-, teils landesrechtlicher Natur.

Im Zuge der Entwicklung der Europäischen Union entsteht zudem eine weitere Regelungsebene.5

a) Die enumerative Aufzählung der Bundeskompetenzen

24

Nach dem Kompetenzverteilungsschema des Grundgesetzes ist die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben Sache der Länder, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt; Art. 30 GG. Art. 70 Abs. 1 GG wiederholt diesen verfassungsrechtlichen Grundgedanken für die Gesetzgebung.

25

(unbesetzt)

26

Weder der Gesetzgebungskatalog für die ausschließliche Gesetzgebung, Art. 73 GG, noch der für die konkurrierende, Art. 74 GG, geben dem Bund eine umfassende Gesetzgebungskompetenz für das Polizei- und Sicherheitsrecht. Daher kann es nach geltendem Verfassungsrecht kein „Allgemeines Polizei- und Sicherheitsrecht des Bundes“ geben.6

27

Die in den Gesetzgebungskatalogen des Bundes genannten Angelegenheiten umfassen allerdings vielfach auch sicherheitsrechtliche Aspekte;7 die Erstreckung einer Sachmaterie auf den Aspekt der Gefahrenabwehr ist der Hauptanwendungsfall der sog. Annexkompetenz des Bundes.

So gehören zur ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes nach Art. 73 Nr. 6 GG für den Luftverkehr auch Rechtssätze zur Bekämpfung und Verhütung von Flugzeugentführungen und Sabotageakten8 oder zu der Materie Eisenbahnen des Bundes nach Art. 73 Nr. 6a GG Vorschriften für die Aufgaben und die Organisation der Bahnpolizei.9 Der Bund hat diese Kompetenzen im Bundespolizeigesetz zusammengeführt und der Bundespolizei neben Unterstützungsaufgaben die Bereich Grenzschutz, Bahnpolizei, Luftsicherheit, Sicherheitsmaßnahmen an Bord von Luftfahrzeugen, Schutz von Bundesorganen und Aufgaben auf hoher See und im Ausland zugewiesen. Daneben gibt es noch potentielle Bundeskompetenzen, von denen der Bund noch kein Gebrauch gemacht hat (Art. 89 Abs. 2 GG, Polizei auf den Bundeswasserstraßen).

Neben der Bundespolizei ist noch das Bundeskriminalamt als wesentliche Bundespolizeibehörde zu nennen, das vor allem im Bereich als Zentralstelle für den Informationsaustausch, als Ermittlungsbehörde im Strafrecht für den Generalbundesanwalt tätig wird und wegen Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG nun auch im präventiven Bereich eine Zuständigkeit besitzt (für die Abwehr der länderübergreifende Gefahren des interantionalen Terrorismus).

Neben den Polizeikompetenzen besitzt der Bund Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen für die Nachrichtendienste, d. h. der Aufklärung von Gefahrenlage für den Staat und seine Grundordnung. Relevant ist hier der Bundesnachrichtendienst (BNDG – Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG bzw. Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG/Militärischer Abschirmdienst – Art. Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Art. 87a, Art. 87b GG) und das Bundesamt für Verfassungsschutz, Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 b) und c) bzw. Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG.

b) Konsequenzen eines Kompetenzmangels

28

In dem Maße, wie die Regelung sicherheitsrechtlicher Fragen dem Bunde vorbehalten ist, Art. 71 GG, bzw. der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebung Gebrauch gemacht hat, Art. 72 Abs. 1 GG, sind die Länder von einer eigenen Gesetzgebung auf den entsprechenden Gebieten ausgeschlossen. Gleichwohl erlassene Landesvorschriften wären wegen des Kompetenzmangels nichtig.

29

Hat das Land in einer Angelegenheit der konkurrierenden Gesetzgebung sicherheitsrechtliche Rechtsvorschriften erlassen, bevor der Bundesgesetzgeber tätig wurde, und macht der Bund anschließend von seiner Kompetenz Gebrauch, so entfällt nach überwiegender Ansicht ab dem Zeitpunkt des Erlasses des Bundesgesetzes die Gesetzgebungskompetenz für das Land mit der Folge, dass das Landesgesetz nichtig wird.10 Nach anderer Ansicht greift Art. 31 GG.

30

Landesrechtliche Normen, die entweder unter Verletzung grundgesetzlicher Kompetenznormen erlassen wurden oder durch Bundesrecht gebrochen und daher nichtig sind, können nicht als Rechtsgrundlage für hoheitliche Maßnahmen dienen; auf sie gestützte Maßnahmen sind rechtswidrig.

31

Die Rechtsfolgen solcher Rechtswidrigkeit für das Verwaltungshandeln sind nach dem Allgemeinen Verwaltungsrecht zu beurteilen.

Für Verwaltungsakte i. S. d. Art. 35 S. 1 BayVwVfG gilt etwa Art. 43 Abs. 2 und Abs. 3 BayVwVfG; sie sind in der Regel aufhebbar und nur ausnahmsweise nichtig.11

c) Der Rückgriff auf Grundsätze des Allgemeinen Polizei- und Sicherheitsrechts

32

Soweit eine bundesrechtliche Rechtsnorm eine sicherheitsrechtliche Frage abschließend regelt, ist der Rückgriff auf das Allgemeine Polizei- und Sicherheitsrecht des Landes bzw. der Länder unzulässig. Als höherrangiges Recht und zudem als spezielles Recht schränkt das Bundesrecht die Anwendbarkeit des Allgemeinen Polizei- und Sicherheitsrechts des Landes ein.12

33

Zur Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe und zur Lückenfüllung bei der Anwendung bundesrechtlicher Vorschriften ist der Rückgriff jedoch zulässig, etwa wenn die bundesrechtliche Vorschrift keine Regelung dazu enthält, an wen eine Maßnahme gerichtet werden darf.13

3. Die einschlägigen Landesgesetze

34

Der Freistaat Bayern hat von seiner Gesetzgebungskompetenz für das Polizei- und Sicherheitsrecht vor allem durch den Erlass folgender Gesetze Gebrauchgemacht:

Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG),

Polizeiaufgabengesetz (PAG),

Polizeiorganisationsgesetz (POG).

Sie bilden den Kern der Rechtsgrundlagen für das Allgemeine Polizei- und Sicherheitsrecht in Bayern, sind Gegenstand dieses Lehrbuchs und Prüfungsstoff in den juristischen Staatsexamina im Freistaat Bayern (vgl. §§ 18 Abs. 2 Nr. 5c, 58 Abs. 2 JAPO).

35

Das Allgemeine Polizei- und Sicherheitsrecht erfüllt eine Auffangfunktion. Es ist immer dann anzuwenden, wenn und soweit ein Sachverhalt nicht von einer besonderen Norm des Gemeinschafts-, des Bundes- oder Landesrechts regiert wird.

B. Die verfassungsrechtliche Bindung exekutivischer Normsetzung im Bereich des Polizei- und Sicherheitsrechts

36

Es wäre unzweckmäßig, die vielfältigen Fragen des Polizei- und Sicherheitsrechts jeweils durch Parlamentsgesetz des Bundes oder des Landes zu regeln. Deswegen ist polizei- und sicherheitsrechtliche Rechtssetzung stets auch exekutivische Rechtssetzung in der Form der Rechtsverordnung.14 Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für den Erlass von Rechtsverordnungen des Bundes finden sich in Art. 80 GG, die für Rechtsverordnungen Bayerns in Art. 55 Nr. 2 BV. Die Einzelheiten sind im Zusammenhang in Kapitel 5 zum Landesstraf- und Verordnungsrecht dargestellt.

C. Die Verwaltungskompetenz im Bereich des Polizei- und Sicherheitsrechts

1. Die Ausführung von Gesetzen

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Gesetze bedürfen der Ausführung, gemeint ist deren Umsetzung. Die Umsetzung kann sehr unterschiedlich erfolgen, insbesondere durch Erteilung ggf. erforderlicher Genehmigungen und die Kontrolle, ob die jeweiligen Regeln eingehalten sind, sowie durch die Schaffung der erforderlichen Behörden, deren Organisation und die Bestimmung des Verfahrens.

2. Die Verteilung der Verwaltungskompetenz

38

Maßgebliche Rechtsvorschriften des Grundgesetzes für die Verteilung der Verwaltungskompetenzen sind außer Art. 30 die Art. 83 ff. GG und vereinzelt Art. 73 ff., sofern ausnahmsweise aus einer Gesetzgebungskompetenz auch eine Verwaltungskompetenz abgeleitet werden kann, wie etwa bei Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a und Nr. 10 GG.

Die Organisation Bundespolizei als Bahnpolizei (vgl. § 3 BPolG) findet ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 87e GG, als Bundesgrenzschutz in Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG, als Luftsicherheitspolizei in Art. 87d GG, als Polizei auf hoher See und extraterritorial in den §§ 6, 8 BPolG, im Notstands- und Verteidigungsfall (§ 7 BPolG) in Art. 91 GG; beim Schutz der Bundesorgane schließlich ergibt sich die Kompetenz aus der Natur der Sache.15 Die Verwaltungskompetenz der Länder für die Ausführung der Landespolizei und -sicherheitsgesetze findet sich in Art. 30 GG.

3. Die Verteilung der Organisationsgewalt zwischen Exekutive und Legislative

39

Die Verteilung der Organisationsgewalt zwischen dem Gesetzgeber und der Exekutive richtet sich für den Bund entweder nach den speziellen Regeln (z. B. Art. 87 Abs. 1 GG) oder generell nach Art. 86 GG bzw. den ungeschriebenen Grundsätzen des organisatorischen Gesetzesvorbehalts (wesentliche Regelungen im Organisationsbereich obliegen dem Gesetzgeber).

Die zentrale Vorschrift für die Organisationsgewalt des Freistaates Bayern ist Art. 77 Abs. 1 BV, der eine Verteilung zwischen Legislative und Exekutive vornimmt. Für die Exekutive sind zudem vor allem Art. 51 Abs. 1 BV und Art. 55 BV maßgebend; hier sind das Ressortprinzip und die Lenkungsgewalt des jeweils sachlich zuständigen Ministeriums festgelegt.

40

Wichtig sind aber auch Art. 83 Abs. 1 und Abs. 3 BV; danach gehört die „örtliche Polizei“ zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinden. Überdies können staatliche Angelegenheiten auf dem Gebiete des Polizei- und des Sicherheitsrechts den Gemeinden zur Erledigung übertragen werden. Demgemäß wird die zum Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden zählende kommunale Organisationshoheit auf diese Sachgebiete erstreckt.

41

Die wichtigsten in Ausübung staatlicher Organisationsgewalt für das Polizei- und Sicherheitsrecht erlassenen landesrechtlichen Rechtsvorschriften sind:

das Polizeiorganisationsgesetz (POG) samt Durchführungsverordnung (DVPOG),

Art. 6, 10 und Art. 42 ff. LStVG und Art. 1 bis 3 PAG.

4. Rechtsfehlerhafte Organisationsvorschriften

42

Organisationsrechtliche Rechtsvorschriften, die ohne zureichenden Rechtsgrund oder unter Verletzung bindender Rechtsvorschriften erlassen wurden, sind nichtig. Sie können daher dem durch sie zum Handeln Ermächtigten keinen wirksamen Kompetenztitel verschaffen. Der durch eine nichtige Norm Ermächtigte handelt ohne die rechtlich gebotene Zuständigkeit. Sein Handeln ist rechtswidrig.

Die Rechtsfolge solcher Rechtswidrigkeit richtet sich jeweils nach der Rechtsnatur des Hoheitsaktes: Eine ohne Zuständigkeit erlassene Rechtsverordnung ist nichtig; ein ohne Zuständigkeit erlassener Verwaltungsakt ist grundsätzlich aufhebbar, wenn nicht gar nach Art. 44 BayVwVfG die Rechtsfolge der Nichtigkeit eintritt.16

D. Grundrechtsbindung im Bereich des Polizei- und Sicherheitsrechts

1. Die Bindung durch das Auffanggrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 101 BV

43

Soweit nicht ein spezielleres Freiheitsrecht des Grundgesetzes einschlägig ist, genießt jedermann den Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG.

Danach braucht niemand eine Beschränkung seiner Freiheit hinzunehmen, wenn diese sich nicht durch ein Gesetz rechtfertigen lässt, das in formeller und inhaltlicher Hinsicht mit dem Grundgesetz übereinstimmt.17 Polizei- und sicherheitsrechtliche Maßnahmen, welche die Freiheit des Einzelnen beeinträchtigen, müssen deshalb stets vor dem Hintergrund der Freiheitsrechte, mindestens dem der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG, gesehen werden.18

44

Landesverfassungsrechtlich ist die allgemeine Handlungsfreiheit durch Art. 101 BV geschützt. Der landesverfassungsrechtliche Grundrechtsschutz steht neben dem Schutz durch die Grundrechte des Grundgesetzes.19

45

Eingreifende Maßnahmen müssen rundum verfassungsgemäß sein, sodass über die Grundrechtsbindung auch die Übereinstimmung mit anderen verfassungsrechtlichen Geboten möglich wird. Auf diese Weise werden u. a. der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Bestimmtheitsgebot relevant.

2. Die Achtungspflicht des Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG, Art. 100 BV

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Außerdem ist bei polizei- und sicherheitsrechtlichen Maßnahmen stets die Achtungspflicht des Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG zu wahren. Auch in dieser Hinsicht enthält das Landesverfassungsrecht auf der Basis des Art. 100 i. V. m. Art. 101 BV eine Parallelgarantie.20

3. Grundrechtliche Schutzpflichten

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Schließlich folgen aus den einzelnen Freiheitsrechten, auch in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG, Schutzpflichten des Staates zu Gunsten des Einzelnen vor Beeinträchtigungen des grundrechtlichen Schutzgutes durch Private, Naturgewalt oder fremde Staaten.21 Solche Schutzpflichten sind für gewöhnlich konkretisierungsbedürftig, d. h. aus dem Grundgesetz selbst lässt sich in aller Regel noch nicht entnehmen, unter welchen Voraussetzungen die staatlichen Gewalten welche Maßnahmen zu Gunsten des Grundrechtsberechtigten zu treffen haben. Im Landesverfassungsrecht ist eine solche Schutzfunktion der Grundrechte in Art. 99 BV sogar ausdrücklich festgeschrieben. Der Schutz aller Einwohner nach innen ist danach durch die Gesetze, die Rechtspflege und die Polizei gewährleistet.22

48

Die Konkretisierung ist Sache der jeweils zuständigen staatlichen Organe und Stellen. In erster Linie ist dazu der Gesetzgeber berufen. Jedoch sind Schutzpflichten, weil die Grundrechte als Wertordnungsnormen in alle Bereiche des Rechts hineinwirken, stets zu berücksichtigen, wenn der Gesetzgeber die Exekutive ermächtigt, unbestimmte Rechtsbegriffe fallbezogen zu konkretisieren oder nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen darüber zu entscheiden, ob und gegebenenfalls wie in einem bestimmten Fall vorzugehen ist. In besonderen Lagen kann sich schon aus den allgemeinen grundrechtlichen Schutzpflichten eine konkrete Pflicht der Exekutive ergeben, zum Schutze des Einzelnen tätig zu werden; dieser Pflicht der Exekutive kann zudem auch noch ein subjektives Recht des Einzelnen auf hoheitliches, nämlich auf polizeiliches oder sicherheitsbehördliches Einschreiten entsprechen.23

4. Rechtsfolgen der Nichtbeachtung grundrechtlicher Achtungs- und Schutzpflichten

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Die Nichtbeachtung der sich aus den Grundrechten ergebenden Achtungs- und Schutzpflichten macht das entsprechende staatliche Handeln rechtswidrig.

Im Falle, dass das Handeln im Erlass von Rechtssätzen besteht, sind diese nichtig; besteht es im Erlass von Verwaltungsakten, erwächst aus dem verletzten Grundrecht ein Aufhebungs- und Folgenbeseitigungsanspruch; ist es ein Unterlassen, so ergibt sich aus den Grundrechten ein Anspruch auf das von dem jeweils einschlägigen Grundrecht geforderte Tun.24 Allerdings ist die Schutzpflicht in aller Regel nicht unmittelbar auf eine bestimmte Handlung hin konkretisiert, sondern nur auf die Herbeiführung eines bestimmten Zustandes.

E. Einflüsse des Europarechts

50

Beim Einfluss des Unionsrechts25 sind vier Bereiche zu unterscheiden: zum einen die Bereiche, in denen die Union eigene Normsetzungs- und Verwaltungskompetenzen besitzt. Weiter die Bereiche, in denen die Union Pflichten für die Mitgliedstaaten begründet, ohne diese selbst umzusetzen; dies hat sie im Bereich des Sicherheitsrechts beim Informationsrecht getan. Der dritte Einfluss bildet die Pflicht der Mitgliedstaaten, kein dem Unionsrecht widersprechendes Recht zu schaffen. Der vierte Bereich ist der, bei dem die allgemeinen Vorgaben des Unionsrechts auf das nationale Sicherheitsrecht einwirken und die Auslegung des deutschen Rechts beeinflussen.

1. Eigenverwaltung im Bereich des Sicherheitsrechts

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Zur Ausführung von Unionsrecht durch Unionsorgane (Eigenverwaltung) gibt es zwei unionseigene Organisationen bzw. Behörden. Art. 88 AEUV sieht die Einrichtung der rechtsfähigen Organisation Behörde „Europol“ vor, die den Auftrag hat, die Tätigkeit der Polizeibehörden und der anderen Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten sowie deren gegenseitige Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung der zwei oder mehr Mitgliedstaaten betreffenden schweren Kriminalität, des Terrorismus und der Kriminalitätsformen, die ein gemeinsames Interesse verletzen, das Gegenstand einer Politik der Union ist, zu unterstützen und zu verstärken. Europol arbeitet seit dem 1. Juli 1999 (Sitz in Den Haag).26 Im Jahr 2009 wurde sie durch einen Beschluss des Rates27 auf eine sekundärrechtliche Grundlage gestellt. Europol besitzt selbständige Informationssammlungsrechte zur Bekämpfung bestimmter Bereiche schwerwiegender internationaler Kriminalität.28 Gestützt auf die Kompetenz zur Kontrolle der Außengrenze (heute Art. 77 Abs. 2 lit. b AEUV) hat die Union zudem durch Verordnung die Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (FRONTEX) gegründet,29 die die operative Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten beim Schutz der Außengrenze koordiniert. Im Jahr 2000 kam die europäische Polizeiakademie hinzu, die eigene Rechtspersönlichkeit besitzt und der Fortbildung dient.30

2. Unmittelbare Harmonisierung

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Zur Regelung von Koordinierungsmaßnahmen im Bereich der Information, Aus- und Weiterbildung und ermittlungstechnisch bei schwerwiegenden Formen der Kriminalität besitzt die Union Regelungskompetenzen (Art. 87 Abs. II AEUV). Einige Mitgliedstaaten hatten zunächst auf völkerrechtlicher Basis das Schengener Durchführungsübereinkommen zum Zwecke des Abbaus der Binnengrenzen (mit Folgen für die Passpflicht, Visa-Anerkennung und den Informationsaustausch v. a. bei der Strafverfolgung) beschlossen, das durch ein ausdrückliches Protokoll zum Vertrag von Lissabon in Unionsrecht übernommen wurde. Das Protokoll über den im Rahmen der Europäischen Union einbezogenen Schengen-Besitzstand (Schengen-Protokoll) regelt die von einigen Mitgliedstaaten praktizierte engere Zusammenarbeit zum freien grenzüberschreitenden Personenverkehr im Anwendungsbereich des Raums, überführt ihre Ergebnisse (den sog. Schengen-Besitzstand) in das Unionsrecht und legt das Verfahren für die Weiterentwicklung dieses Besitzstandes fest.31 Teil des Schengener Abkommens ist das Schengener Informationssystem SIS (Art. 92 ff. Schengener Durchführungsübereinkommen – das später noch einmal in Sekundärakten wiederholt wurden).32 Es begründet ein Fahndungssystem zur Ausschreibung von Personen und Sachen und bildet den zentralen Ausgleichsmechanismus zum Wegfall der innereuropäischen Grenzkontrollen.33 Ein weiteres Informationssystem ist das Europol-Informationssystem TECS, das von Europol verwaltet wird und der Speicherung von Daten über Personen dient, die wegen der Begehung von Straftaten, die im Zuständigkeitsbereich von Europol liegen, verurteilt worden sind oder deren Begehung verdächtig sind oder bei denen eine Begehung möglich ist (Art. 11 ff. Europol- Beschluss). Schließlich bildet der weitgehend in das Unionsrecht überführte34 Vertrag von Prüm35 einen Rechtsrahmen für den beschleunigten Datenaustausch der Mitgliedstaaten. Er enthält die Verpflichtung, DANN-Datenbanken zu errichten, den Zugriff auf Eigentümer- und Halterdaten von Kfz zu ermöglichen und gemeinsame Einsatzformen zu regeln.

3. Anwendungsvorrang des allgemeinen Unionsrechts

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Der ungeschriebene Anwendungsvorrang des Unionsrechts verlangt zunächst, dass das deutsche Polizei- und Sicherheitsrecht nicht gegen Unionsrecht verstößt (vgl. dazu auch Kapitel 6 Rdnr. 965 ff.