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Dieses Buch beschreibt den Abschied von einem Kind, einem geliebten Menschen, einem Baby. Es begleitet drei Menschen auf einem Weg, dessen Ende bereits bekannt ist, dem Kampf zwischen Herz und Verstand, in dem Wissen, dass keiner von beiden gewinnen kann. Es gibt keinen Gewinner, wenn man sein Kind verabschieden, sich von seinem Baby trennen muss, selbst wenn es kein Abschied für immer ist. Dieses Buch enthält Gedanken, Gefühle, Belangloses und Interessantes, Höhen und Tiefen. Es möchte unterhalten, ein Lächeln vermitteln und versinkt dennoch stellenweise in Traurigkeit. Es erlaubt Einblicke, die vorher noch nie geschrieben, zum Teil nicht einmal ausgesprochen wurden. Dieses Buch ist keine Geschichte, keine Fiktion und keine Utopie, sondern die Dokumentation eines vorgezeichneten Weges, den zu gehen viel Kraft gekostet hat, obgleich es keine Alternative gab. Es klärt auf über die Hintergründe und lässt zugleich entscheidende Fragen offen. Fragen, die tatsächlich bis heute unbeantwortet sind und vermutlich auch nie mehr beantwortet werden.
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Seitenzahl: 128
Veröffentlichungsjahr: 2013
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Sebastian Willing
Bea geht
Ein Abschied auf Raten
Books on Demand
Zu aller erst gilt mein Dank meiner geliebten Ehefrau Tanja, die nicht nur einige Textstellen beigesteuert, sondern auch mit ihren Erinnerungen und ausführlichem Korrekturlesen erheblich dazu beigetragen hat, dass dieses Buch seine heutige Form annehmen konnte.
Unser gemeinsamer Dank gilt auch den Betalesern, die durch ihre Kommentare und viele Hinweise auf fehlende Kommas und Ähnliches ebenfalls maßgeblich Einfluss genommen haben, natürlich ebenfalls den Personen, die mich erst dazu überredet haben, Beas Geschichte in ein Buch zu fassen (in alphabetischer Reihenfolge):
Christine Neumann
Justine Wynne Gacy
Sarah Gottwald
Sylvia Schreiber
Tanja Pöschl
Prolog
Unsere Geschichte
Beas Geschichte
Das erste Krankenhaus
Der Kindergarten
Die nächsten Jahre
Therapien
Leben mit… ja was denn?
Blackout
Gipfelstürmer
Pflege
Hilfe
Rituale
Die Anderen
Beas Tagesablauf
6:45
7:15
12:30 – 15:30
18:00
Die kleine große Schwester
18 Monate bis…
16 Monate bis…
11 Monate bis…
10 Monate bis…
9 Monate bis…
8 Monate bis…
7 Monate bis…
6 Monate bis…
5 Monate bis…
4 Monate bis…
13 Wochen bis…
12 Wochen bis…
11 Wochen bis…
10 Wochen bis…
9 Wochen bis…
8 Wochen bis…
7 Wochen bis…
6 Wochen bis…
5 Wochen bis…
4 Wochen bis…
3 Wochen bis…
2 Wochen bis…
Letzte Woche
Tag 0
Tag 1 danach
Tag 2 danach
Tag 5 danach
Eine Woche danach
Zwei Wochen danach
Drei Wochen danach
1 Monat danach
2 Monate danach
3 Monate danach
Was wäre wenn?
Mama
Papa
Nachwort
Der Himmel ist blau, die Sonne scheint, aber trotzdem ist es kalt, wie immer zu dieser Jahreszeit. Bea sitzt in der Maschine, schaut aus dem Fenster, sie ist ruhig, schaut uns interessiert zu und wartet – und das allein ist ungewöhnlich.
Bea wartet normalerweise nicht oder zumindest nicht ohne Protest, aber hier ist es anders, denn vor jedem Flug müssen die Checklisten abgearbeitet werden, das verlangen der Gesetzgeber und der eigene Überlebensinstinkt. Selbst Bea kann das nicht ändern, aber es war schon immer so und deswegen gehört das Warten und Zuschauen zu Beas Routine. Ihre pinke Mütze leuchtet in der Sonne, als wir unsere Checks abschließen und zu Bea und ihrer Schwester ins Flugzeug steigen. Weitere Checklisten warten, bevor der Tower uns die Startfreigabe erteilt und wir in den wolkenlosen Himmel aufsteigen.
Dort oben ist es ruhig und friedlich. Bea mag das Fliegen und schaut die ganze Zeit aus dem Fenster, sie wird zu einem ganz normalen Kind, trägt selbst ihr Headset, ohne sich zu beschweren und vor allem hat sie in der Luft keine Anfälle. Unter uns wird die Welt immer kleiner, alle Probleme und Sorgen bleiben tatsächlich dort unten, hier oben wartet nur die schier endlose Freiheit – auch für Bea.
Vor langer Zeit, aber nicht in einer weit entfernten Galaxie, sondern irgendwo in Deutschland fanden sich Zwei, die eigentlich gar nicht damit gerechnet hatten, einfach so, mehr durch Zufall als durch Absicht der einen oder anderen Seite.
Sie, Anfang der 20er, fast fertig mit der Ausbildung im Labor, muss nebenbei jobben, um das karge Ausbildungs-Bafög aufzubessern.
Er, knapp 20, noch in der Schule und Computer-Freak.
Beide wohnten noch bei ihren Eltern. Beide hatten eigentlich keine Zeit für eine Beziehung. Und trotzdem hat es beide voll erwischt.
Eine ganz normale Beziehung zweier junger Erwachsener, bis zu dem Moment, als ein positiver Schwangerschaftstest ihr ganzes Leben auf den Kopf stellte. Für beide war schnell klar, dass sie die Herausforderung gemeinsam annehmen wollten, trotz der unbekannten Zukunft, die sie erwartete. Eine Zukunft, die ihnen mehr abverlangen sollte, als sie sich jemals hätten vorstellen können.
Nach 36 Stunden Wehen erblickte Beatrice Kai das Licht der Welt. Alles schien ganz normal zu sein und keine der Untersuchungen zeigte Auffälligkeiten.
Alleine Hinsetzen, Krabbeln, Laufen, das alles dauerte bei Bea etwas länger, bewegte sich aber durchaus noch im normalen Rahmen und auch der Kinderarzt sah keinen Grund zur Sorge. Wir waren selbst noch zu jung, um beurteilen zu können, was “normal” war und was nicht.
Eine Kleinigkeit fehlte ihr allerdings die ganze Zeit, denn sie wollte und wollte nicht sprechen. Mit viel elterlicher Fantasie ließ sich ein “Mama” oder “Papa” verstehen und “da” wurde zum Universalwort für alles erhoben. Egal, ob Bea etwas haben oder zeigen wollte, “da” passte immer.
Am 30.12., wenige Monate vor Beas drittem Geburtstag, endete ein Spaziergang mit Mama und Papa vollkommen unerwartet: Bea sackte auf einmal zu Boden und verkrampfte, alle Muskeln waren angespannt und sie reagierte nicht mehr – ganz plötzlich und ohne jede Vorwarnung.
Die Reaktionen von Mama und Papa bedürfen keiner Erklärung und so sah Bea das Krankenhaus wieder von innen, in dem sie auch das Licht der Welt erblickt hatte – zum ersten, aber leider nicht letzten Mal als Notfallpatientin.
Bei der Ankunft im Krankenhaus war der Spuk eigentlich schon vorüber: Die Muskeln hatten sich gelockert und Bea wollte nur noch schlafen. Mamas und Papas anfängliche Angst und der erste große Schreck verflogen langsam. Es wurde vermutet, dass es sich um einen, bei kleinen Kindern durchaus mal vorkommenden, Fieberkrampf handelte, doch wir hatten in den vergangenen Tagen kein Fieber bemerkt. Zur weiteren Abklärung ging es mit Blaulicht in die nächste Stadt und die dortige Kinderklinik.
Bea war schnell wieder fit und machte die Kinderklinik unsicher, auf sich warten ließ allerdings die Diagnose. So etwas wie Angst verspürten wir zu der Zeit eigentlich nicht mehr, schließlich schien es Bea wieder gut zu gehen und die medizinisch vorgebildete Mama hielt einen Fieberkrampf für durchaus möglich. Natürlich gab es auch andere mögliche Diagnosen, welche uns schon unsicher werden ließen, doch wir wollten nicht gleich den Teufel an die Wand malen.
Es stellte sich heraus, dass vor dem Jahreswechsel keine weiteren Untersuchungen zu erwarten waren, auch an ein EEG war nicht zu denken und das, obwohl es eigentlich nur während oder direkt nach dem Vorfall aussagekräftig gewesen wäre.
Einen Tag später, ohne irgendwelche Anzeichen weiterer Probleme, verließ Bea das Krankenhaus wieder – auf eigenen (unseren) Wunsch – denn sie war wieder fit und schon damals im Krankenhaus kaum zu bändigen, was sich nicht zuletzt darauf zurückführen ließ, dass die Station überfüllt war und sich deshalb fünf Kinder ein Vier-Bett Zimmer teilen mussten. Eines von ihnen hatte den ganzen Tag über die gesamte Familie mit Eltern und Geschwistern um sich, was auch nicht gerade zur Beruhigung der anderen Kinder beitrug, es war eher “Rund-um-die-Uhr”-Stress für alle Beteiligten.
Die Ärzte hielten unsere Entscheidung für verantwortungslos, doch wir waren auf Grund der Umstände einfach nur mit den Nerven am Ende und hielten es für die beste Lösung. Noch unschöner war aber die Tatsache, dass uns durch drei verschiedene Ärzte vier mögliche bis sichere Diagnosen mitgeteilt wurden, ohne dass auch nur einer seine Vermutungen durch Untersuchungsergebnisse hätte untermauern können.
Anhand einer körperlichen Untersuchung, wie sie bei einer Aufnahme in die Klinik üblich ist, sowie einer allgemeinen Blutuntersuchung schwankten die Diagnosen zwischen einem Fieberkrampf, über eine mögliche Stoffwechselerkrankung, bis hin zur sicheren Epilepsie. Wenigstens hatte keiner Prostatakrebs vorgeschlagen.
Es sei schon einmal vorweggenommen, dass eine der zur Auswahl stehenden Diagnosen sich einige Monate später ansatzweise bewahrheiten sollte, doch wir verlassen uns nur ungern auf Diagnosen, die eher geraten als sicher diagnostiziert wurden. Bea sollte dieses Krankenhaus jedenfalls nie wieder sehen. Selbst wenn wir genug Eltern kennengelernt haben, die auf diese Klinik schwören und dort nur positive Erfahrungen gemacht haben – unser Vertrauen in diese Klinik war für immer dahin.
Zu Hause wartete bereits medizinisches Personal, denn Mama und Oma arbeiteten im medizinischen Bereich – ein kleines bisschen zusätzliche Sicherheit, die aber glücklicherweise nicht gebraucht wurde. Jahre später fiel uns beim erneuten Lesen des Arztbriefes von damals plötzlich ein EEG-Befund in die Hände – obwohl definitiv dort nie eines gemacht wurde, allerdings bestätigte uns dieser Fund die Qualität der medizinischen Versorgung an diesen zwei Tagen. Wie, um alles in der Welt, können solche Dinge geschehen? Hat beim verfassen des Berichts einfach jemand vergessen, einen ausgewählten Textbaustein auf die Patientin anzupassen, oder war es vielleicht schlampige Dokumentation? Aufgrund der Tatsache, dass besagter falscher Bericht eigentlich keine wirklich negativen Folgen – abgesehen von der Bestätigung unseres Misstrauens – hatte, sind wir der Sache nicht weiter nachgegangen und haben künftige Ärzte einfach auf den Fehler hingewiesen.
Die nächsten Monate verliefen ruhig, Bea wuchs, zeigte aber immer mehr ihre Besonderheiten, denn sprechen wollte sie weiterhin nicht, ebenso blieben Windeln ihr ständiger Begleiter.
Bereits vor dem Kindergartenstart zeigte sich, dass ein normaler Kindergarten für sie nicht in Frage kommen würde und so begann ihr erster Schritt in die Selbstständigkeit in einem Heilpädagogischen Kindergarten. Zwei Erzieher in jeder Gruppe betreuten sechs bis acht Kinder, bei denen alle möglichen vorstellbaren Behinderungen vertreten waren, von einfach nur leicht auffälligen bis zu fast bewegungsunfähigen Kindern war alles dabei. Bea war nicht der schlimmste Fall, aber vielleicht der anstrengenste, denn bei Ihr kamen Kraft und Mobilität einer normalen Dreijährigen mit den Kommunikationsproblemen, der fehlenden Sprache und einer schon leicht spürbaren geistigen Entwicklungsverzögerung zusammen.
Keine Woche war vergangen, als der Schockanruf aus dem Kindergarten kam: Bea war mit dem Krankenwagen unterwegs ins Krankenhaus. Ein Anfall, vollkommen anders als der erste, lange zurückliegende, hatte sie erwischt. Ziemlich nervös und verunsichert fuhren wir in die Klinik. Im Krankenhaus, wieder eine Kinderklinik, wieder in der gleichen Stadt, aber dieses Mal war es das Kinderkrankenhaus der Uniklinik, fanden wir ein schlafendes Kind vor – und ziemlich ratlose Ärzte.
Die folgenden Tage waren die wohl schwersten in Beas und auch unserem Leben: Sie wachte auf, spielte ein wenig und spätestens nach einer halben Stunde kam der nächste Anfall: Alle Muskeln entspannten sich, sie fiel einfach nur in sich zusammen, die Atmung setzte teilweise aus und für die nächsten Minuten war sie in dem Anfall gefangen, ohne Chance auszubrechen. Sein Kind in diesem Zustand zu sehen, ist wie ein Messer, das in das Elternherz gestochen wird. Keine Ursache zu kennen und ihm nicht helfen zu können, macht die ganze Sache noch schlimmer.
Sobald der Anfall zu Ende war, fiel Bea in einen regelrechten Erschöpfungsschlaf, stundenlang, bis sie irgendwann aufwachte, etwas trinken und essen, ein wenig spielen konnte – bis der nächste Anfall die Kontrolle übernahm. An einen geregelten Tagesablauf war nicht mehr zu denken, sie war wach, wenn sie sich ausgeschlafen hatte, aber selten für lange Zeit, mal mitten in der Nacht, mal tagsüber.
Das schlimmste für Mama und Papa war wohl, dass sie nicht wussten, womit sie es zu tun hatten. Mit einer gesicherten Diagnose weiß man zumindest, gegen welchen Feind man ankämpft und bekommt zumindest eine Ahnung davon, wie auch immer der Kampf aussehen und ausgehen könnte – doch wir hatten eigentlich nichts, auf das wir uns sicher einstellen konnten. Quälende Ungewissheit scheint in solchen Momenten manchmal schlimmer als eine noch so schlechte Nachricht.
Im Krankenhaus traf Bea zum ersten Mal ihren Neurologen, der zwar auch keine abschließende Diagnose stellen konnte, aber zumindest ein Mittelchen fand, um die Anfälle – in Beas Fall auch Absencen genannt – unter Kontrolle zu bekommen. So verließ sie das Krankenhaus als medizinisches Mysterium und hinterließ die erste, aber auf keinen Fall letzte, saftige Rechnung für ihre Krankenkasse.
Bekannt war eigentlich nur, dass alles unbekannt ist: Der Name ihrer Krankheit, die Ursache und die Heilungschancen. Sicher schien einzig zu sein, dass der Start in den Kindergarten der letzte Auslöser gewesen sein musste – was aber kein Grund war, nicht weiter dort hinzugehen.
Nach dem Kindergarten-Schock verliefen die nächsten Jahre recht einheitlich: Lange Monate der Ruhe wechselten mit kurzen geplanten und ungeplanten Krankenhausaufenthalten, Bea wuchs weiter, aber sie wollte weiterhin nicht sprechen und auch die Differenz zwischen körperlichem und geistigem Entwicklungsstand wurde immer größer.
Mit jedem Monat und jedem Jahr schwand auch unsere Hoffnung auf eine abschließende Diagnose, eine Besserung oder sogar Heilung, sie schwand langsam, aber unaufhaltsam und wurde nach und nach durch die Akzeptanz des Status Quo ersetzt – solange die Medikamente, die bei Bea grundsätzlich an der gerade noch vertretbaren Obergrenze dosiert werden mussten – ihre Anfälle unter Kontrolle hielten, waren wir zufrieden, denn mehr konnten wir nicht mehr erwarten.
Unter Kontrolle halten bedeutet, dass ihre Anfälle so schwach ausgeprägt auftraten, dass Bea kaum wirklich das Bewusstsein verlor, meist sogar das Gleichgewicht behielt und danach nicht mehr in den anfänglich jedes Mal folgenden Erschöpfungsschlaf fiel. Zwischenzeitlich war sie sogar ein paar Mal für jeweils einige Monate anfallsfrei, immer gerade lang genug, um die ernsthafte Hoffnung auf eine dauerhafte Besserung aufkeimen zu lassen, die dann von der nächsten Anfallsserie jäh unterbrochen wurde.
Bea hat (fast) alle möglichen Therapien gemacht und dabei einige Logopäden verschlissen, die schließlich aufgaben und keinen Ansatzpunkt mehr sahen. Bereits vor dem Kindergarten hatten wir privat bei einer Bekannten eine Ergotherapie gemacht, um das Laufenlernen zu fördern. Selbst mit ca. zwei Jahren war Bea kaum in der Lage, sich ohne Gelegenheit zum Festhalten aufrecht zu halten, oder sie hatte Angst davor, denn kaum, dass ihr bewusst wurde, dass sie ohne Festhaltegelegenheit stand oder lief, lies sie sich einfach fallen.
Eine so genannte BERA-Untersuchung des Gehörs ergab, dass ihr Hörvermögen auf beiden Seiten unterschiedlich war, obwohl wir nie das Gefühl hatten, sie würde schlecht hören. Vermutlich hätte sie diese Differenz ohne ihre Entwicklungsverzögerung recht problemlos selbst kompensiert. Einige Jahre trug sie Hörgeräte, bis sie diese irgendwann selbst ablegte – und auch nicht mehr brauchte. Zum Hörvermögen hatten sie – unserer Meinung nach – nicht viel beigetragen, aber ihren Gleichgewichtssinn sichtbar unterstützt.
Eine Therapie hat ihr später tatsächlich noch ein wenig geholfen. Ohne uns ernsthafte Chancen auszurechnen, hatten wir sie bei einer wissenschaftlich begleiteten Delfintherapie im Nürnberger Zoo angemeldet – viel mehr beworben – denn jedes Jahr standen nur wenige Plätze zur Verfügung.
Die rein kommerziellen, sogenannten Therapien setzen eher auf mystische Kräfte der Tiere, wenn die Therapiekinder in der gleichen Meeresbucht schwimmen, in der möglicherweise Delfine auftauchen. Diese kamen für uns von Anfang an nicht in Frage, für das gleiche Geld hätten wir auch Weihwasser oder Mondsteine kaufen können – mit den gleichen Erfolgsaussichten.
Ein paar Jahre nach der Bewerbung kam vollkommen überraschend die Zusage. Hatten wir bei der Bewerbung noch ernsthafte Hoffnung auf einen wirklichen Therapieerfolg, hatten die letzten Jahre uns realistischer werden lassen. Die Therapie würde Bea auf jeden Fall nicht schaden und solange es eine Chance auf Besserung gab, würden wir es versuchen – große Erwartungen hatten wir allerdings nicht mehr, zu oft hatten wir vergeblich gehofft. So machten wir uns auf nach Nürnberg und hatten effektiv zwei Wochen Urlaub mit insgesamt zehn Therapiesitzungen.
In dieser Zeit machte Bea Fortschritte – keine, die man objektiv aufzählen könnte, aber für uns waren sie spürbar. Bea wurde ruhiger, das Essen wurde unproblematischer und sie machte insgesamt kleine Fortschritte, auch die Therapie mit den sehr lieben und zutraulichen Delfinen machte ihr Spaß. Die Therapien in Nürnberg gibt es noch immer, sie wurden – als dieses Buch entstand – unter der Leitung von Dr. Erwin Breitenbach bei der Uni Würzburg durchgeführt.