Beastmode 2: Gegen die Zeit - Rainer Wekwerth - E-Book
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Beastmode 2: Gegen die Zeit E-Book

Rainer Wekwerth

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Beschreibung

Fünf außergewöhnliche Jugendliche auf einer besonderen Mission: der Rettung der Welt! Der finale zweite Band der „Beastmode“-Reihe von Spiegel-Bestsellerautor Rainer Wekwerth.

Die abenteuerliche Reise von Malcom, Damon, Amanda, Wilbur und Jenny – fünf Jugendliche mit übernatürlichen Fähigkeiten – ist noch nicht zu Ende. Sie stehen kurz davor, das Geheimnis um das mysteriöse Energiefeld im Pazifik zu lüften. Doch dann kommen sie einer ungeheuerlichen Wahrheit auf die Spur, die alles verändert.

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Das Buch

Fünf Jugendliche mit übernatürlichen Kräften. Ein geheimnisvolles Energiefeld und eine ungeheuerliche Aufgabe: Rettet die Welt. Die Reise durch die Zeit geht weiter. An ihrem Ende steht eine Wahrheit, die alles verändert. Für immer.

Der finale zweite Band der „Beastmode“-Reihe von Bestsellerautor Rainer Wekwerth

Der Autor

© Christian Witt

Rainer Wekwerth hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und dafür Preise gewonnen. Zuletzt die Jugendbuchpreise Segeberger Feder, Goldene Leslie und Ulmer Unke. Mit seiner »Labyrinth«-Trilogie landete er zudem auf der Spiegelbestsellerliste. Die Kinoverfilmung ist in Vorbereitung. Seine »Pheromon«-Buchreihe, erschienen bei Planet!, wurde für vier weitere Buchpreise nominiert, darunter für den renommierten Buxtehuder Bullen und den Deutschen Phantastik Preis.

Mehr über Rainer Wekwerth: www.wekwerth.com

Rainer Wekwerth auf Facebook: www.facebook.com/rainer.wekwerth

Der Verlag

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Deshalb sind alle Inhalte dieses E-Books urheberrechtlich geschützt. Du als Käufer erwirbst eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf deinen Lesegeräten. Unsere E-Books haben eine nicht direkt sichtbare technische Markierung, die die Bestellnummer enthält (digitales Wasserzeichen). Im Falle einer illegalen Verwendung kann diese zurückverfolgt werden.

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Viel Spaß beim Lesen!

1

2003

»Kennen wir uns?«, fragte die Frau vor ihm. Emma Floyd. Seine Mutter. Sie sah aus wie in seinen frühesten Kindheitserinnerungen. Braunes, lockiges Haar. Weiche Gesichtszüge. Ein strahlendes Lächeln um die Lippen, das aber erlosch, als sie ihn weiter betrachtete.

Sie sieht mir an, dass ich durcheinander bin.

Malcom hatte das Haus seiner Eltern in der Hoffnung beobachtet, dass einer der beiden irgendwann herauskommen und sich auf den Weg zur Arbeit am Institut machen würde. Nun aber stand seine Mutter plötzlich wie aus dem Boden gewachsen vor ihm, und er hatte nicht gesehen, wie sie sich genähert hatte.

Was mache ich jetzt?

»Und?«, hakte Emma Floyd nach. Falten bildeten sich auf ihrer Stirn. Sie betrachtete ihn misstrauisch.

»Ich … ich denke nicht«, stammelte Malcom.

»Sie beobachten unser Haus«, stellte Emma fest.

»Äh nein, ich … warte auf jemanden.«

»Jemanden aus der Nachbarschaft?« Sie blickte nach links und rechts. »Ich sehe niemanden.«

»Eine Freundin«, sagte er hastig. »Ich warte auf eine Freundin. Amanda.«

»Wohnt sie in der Nähe?«

»Nein.«

Emma hob eine Augenbraue.

»Wir treffen uns hier jeden Tag, um gemeinsam zur Schule zu gehen.«

»Ich habe dich noch nie gesehen.«

»Normalerweise bin ich früher dran, aber heute haben wir erst zur zweiten Stunde Unterricht.«

Diese Antwort schien seine Mutter zu beruhigen, denn Malcom konnte sehen, wie ihre Schultern nach unten fielen und ihre Gesichtszüge sich entspannten.

»Wohnst du hier in der Gegend?«

»Ein ganzes Stück die Straße runter.«

Emma legte den Kopf schief und sah ihn nachdenklich an. »Du erinnerst mich an jemanden.«

O Fuck! Fuck! Fuck!

Er ahnte, was jetzt folgen würde. Wäre er doch bloß nicht hierhergekommen und hätte die Sache Amanda überlassen, aber der Drang, seine Eltern lebend zu sehen, war übermächtig gewesen.

Letzte Nacht waren sie in einer verlassenen Fabrik aufgewacht, in der alte Eisenfässer vor sich hin rotteten und vom Rost zerfressen wurden. Ein Schild hatte ihnen verraten, dass es sich um eine stillgelegte Getränkeabfüllanlage handelte.

Malcom und die anderen hatten nicht lange gebraucht, um herauszufinden, dass sie sich in Genf befanden und im Jahr 2003 gelandet waren. Er selbst hatte schon in Frankreich, im Jahr 1789, geahnt, wohin es sie als Nächstes verschlagen würde, und recht behalten.

»Ich habe es gewusst«, sagte er zu den anderen.

»Was gewusst?«, fragte Amanda.

»Das Portal oder besser gesagt das Energiefeld oder noch besser gesagt, die Wurmlöcher, die wir benutzen, um durch die Zeit zu reisen, führen uns an relevante Stellen in unserer Vergangenheit, damit wir das werden können, was wir sind.«

Wilbur verzog den Mund. »Versteht einer den Scheiß, den Malcom da labert?«

Jenny schüttelte den Kopf, Amanda schwieg und Damon sah durch ein zerbrochenes Fenster in die Nacht hinaus und bestaunte die Straßenlichter. Ganz offensichtlich gab es so etwas nicht in der Welt, aus der er stammte.

»Da bewegt sich ein glimmender Punkt am Himmel. Sehr schnell«, sagte er.

»Das ist ein Flugzeug«, knurrte Wilbur. »Oder ein Satellit.«

»Was ist ein Flugzeug oder ein Satellit?«

»Jetzt nicht, Damon«, sagte der tätowierte Junge. »Ich erkläre es dir später. Jetzt will ich erst mal wissen, was Malcom da wieder für einen Mist raushaut.«

»Es ist kein Mist.« Malcom verzog verärgert den Mund.

»Nun sag schon.«

Er holte tief Luft. Nach all den Abenteuern, die sie schon gemeinsam erlebt hatten, brachten ihm die anderen noch immer kaum Respekt entgegen. Einmal Nerd, immer Nerd.

»Ich verstehe es selbst noch nicht ganz, aber …« Er machte eine dramatische Pause. »Es sieht so aus, als kämen wir immer an einem Punkt in der Zeit an, der für unser Leben entscheidend ist. In Ägypten mussten wir Nianch-Hathor vor den Silbergöttern retten, damit Amanda geboren werden konnte. In Frankreich … hey Damon, hörst du überhaupt zu?«

»Wo kommen all die Lichter her?«, fragte Grey.

»Lass ihn«, meinte Jenny. »Wir reden später mit ihm darüber.«

»Also in Frankreich ging es darum, Damon aus seiner Dimension in unsere Welt zu bringen. Ohne uns und vor allem ohne die Deutung von Wilburs Tätowierungen hätte es Louis Fortane niemals geschafft, den Dämon zu beschwören.«

Alle starrten ihn an.

»Versteht ihr«, fuhr Malcom fort, »die Energiefelder bringen uns dorthin, wo wir werden können, was wir sind.«

»Ich kapier’s nicht«, stöhnte Wilbur. »Noch mal langsam, wir sind im Jahr 2003 gelandet, um was zu tun?«

Malcom räusperte sich. »Ich habe euch auf Attu Island davon erzählt, dass meine Mutter als Physikerin am Europäischen Kernforschungszentrum CERN gearbeitet hat. Sie war Leiterin einer Versuchsanordnung, die mit dem Large Electron-Positron Collider, einem Teilchenbeschleuniger, dem Higgs-Bosom-Teilchen auf der Spur war. Dem Gottesteilchen, wie es in den Medien später genannt wurde. Man hatte dessen Existenz bereits vermutet, aber es konnte in Versuchen noch nicht nachgewiesen werden.«

»Habe nur ich das Gefühl, dass Malcom in einer fremden Sprache spricht?«, meckerte Wilbur. »Jetzt lass mal den ganzen hochtrabenden Scheiß weg und sag, was Sache ist.«

Malcom stöhnte innerlich auf. »Meine Mutter wurde von einem Gottesteilchen getroffen, das aus dem Teilchenbeschleuniger entwichen war. Das Ganze passierte im Jahr 2003 bei einem dieser Versuche. Sie war zu diesem Zeitpunkt mit mir und meinem Bruder schwanger. Das Teilchen zerstörte den zweiten Fötus, nur ich überlebte und wurde geboren. Mein Bruder existierte fortan nur als Geisteswesen …«

»Und dieses Wesen hat dich beschützt, damit du in der Zukunft, oder in unserem Fall in der Vergangenheit, deine Aufgabe in diesem Team wahrnehmen konntest«, ergänzte Jenny aufgeregt. »Denkt mal an Ägypten. Als wir den unterirdischen Tunnel verließen und ans Tageslicht kamen, stolperte Malcom und fiel gegen Nianch-Hathor, sodass die auf sie geschossenen Pfeile ihr Ziel verfehlten. Das war kein Zufall oder Ungeschicklichkeit, Malcoms Geistesbruder hatte eingegriffen.«

Malcom nickte. Dass da noch mehr war, sagte er nicht.

»Okay, klingt einleuchtend«, sagte Wilbur. »Das würde bedeuten, dass wir beim nächsten Mal im Jahr 2017 landen, zu dem Zeitpunkt, an dem ich meine Tätowierungen erhalten habe. Von Damon selbst, nehme ich an, denn sein Name steht auf meinem Körper. Der Name, mit dem er beschworen wurde.«

»Und ich …« Jenny setzte an, sprach dann aber nicht weiter.

Malcom trat zu ihr. »Wir werden das Rätsel um deine Existenz lösen.«

»Wenn wir lange genug überleben und die Portale uns wirklich immer dorthin bringen, wo wir hinmüssen«, fügte Amanda hinzu. »Genug davon. Schaut euch an. Mit den Klamotten aus dem 18. Jahrhundert können wir nicht auf die Straße, wir würden sofort auffallen. Wir müssen uns anständige Kleidung besorgen.«

»Dann mal los«, sagte Wilbur. »Einer muss auf Damon aufpassen, der kommt mir grad vor wie ein kleines Kind beim Lichterfest. Wenn er den ersten Luftballon sieht, ist er weg.«

Amanda seufzte hörbar. »Ich kümmere mich um ihn.«

Malcom lächelte bei der Erinnerung, dann schaute er auf und blickte in Emma Floyds zusammengekniffene Augen.

»Sie hören mir nicht zu!«, sagte sie.

Verdammt! Was hatte seine Mutter zuletzt gesagt?

»Sie meinten, ich erinnere Sie an jemanden.«

»Ja, warten Sie einen Moment. Ich komme gleich drauf.« Sie zog die Stirn in Falten, dann lächelte sie. »Ach ja, an meinen Vater. Sie sind ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Auf Fotos aus seiner Jugendzeit sieht er aus wie Sie, ihr könntet glatt Zwillinge sein.«

Herr im Himmel, warum bin ich nur hierhergekommen? Amanda hätte die Sache wesentlich besser im Griff gehabt.

In seiner Familie war stets ein beliebtes Thema gewesen, wie sehr sich Opa und Enkel ähnelten, und nun stand er vor seiner Mutter und natürlich war ihr das sofort aufgefallen.

»Was … soll … ich … dazu sagen …«, stotterte Malcom. »Ich kenne Ihren Vater ja nicht.«

Irgendwie schien dieser Satz Emma zu beruhigen, denn sie entspannte sich wieder.

»Wie heißt du?«

»Malcom.«

»Ein schöner Name.« Sie reichte ihm die Hand. »Ich bin Emma. Emma Floyd.«

Das weiß ich.

Er schüttelte ihre Hand.

»Ich bin schwanger …«

Warum erzählt sie mir das?

»… und mein Mann und ich suchen nach Namen. Malcom hat einen guten Klang. Klingt vor allem nach einem klugen Jungen. Bist du klug?«

Du Heiliger!

»Ich denke schon … so richtig …«

Einmal Nerd, immer Nerd.

»Was möchtest du später mal werden?«

»Ich … ich weiß nicht.«

Vielleicht Soldat! Volldepp und Weltenretter! Was halt so anliegt!

»Interessiert dich Physik?«

»Ein wenig.«

»Ich bin …«

Emma wurde durch Amanda unterbrochen, die langsam auf sie zuschlenderte. Für einen Moment überlegte Malcom, wie ihn die Göttin gefunden hatte, denn früh am Morgen war er davongeschlichen, als alle noch auf alten Holzpaletten gepennt hatten, aber jetzt war er dankbar für ihr Auftauchen.

»Oh, da kommt meine Freundin.«

»Du meine Güte …«, meinte Emma erstaunt. »Ich glaube, ich habe noch nie so ein schönes Mädchen gesehen.«

Amanda trat heran. Sie wandte sich an Emma und begann leise zu singen. Malcom verstand kein Wort, konnte nicht mal sagen, ob es englische oder ägyptische Worte waren, die zart ihren Mund verließen und seine Mutter umwoben.

In Emma Floyds Augen trat ein verklärter Blick, als wäre sie vollkommen high.

»Du gehst jetzt besser«, flüsterte Amanda ihm zu. »Ich mache das.«

»Was hast du vor?«

»Geh!«

Widerstrebend trottete er zur nächsten Ecke und beobachtete, wie die Göttin eindringlich auf seine Mutter einsprach. Dabei legte sie beide Hände auf ihre Schultern. Schließlich nickte Emma und Amanda löste sich von ihr. Dann kam sie zu ihm.

»Was hast du zu ihr gesagt?«, fragte er.

»Viel wichtiger ist, was sie mir gesagt hat. Ich weiß jetzt, wie wir ins Institut kommen und was wir dort zu tun haben.«

»Bist du dir sicher? Das ist komplizierter Scheiß.«

»Ich bin nicht blöd.«

»Das habe ich auch nicht behauptet, aber bisher hatte ich nicht den Eindruck, dass du ein großer Physikfan bist.«

»Malcom, halt einfach mal die Klappe. Du gehst mir auf den Geist. Du hast die Sache verbockt und uns noch nicht mal gesagt, was du vorhast, also spiel dich jetzt nicht auf.«

»Meine Güte, ich wollte doch nur …«

Sie ließ ihn nicht ausreden. »Wir gehen jetzt zurück zu den anderen und besprechen alles, da kannst du dann deinen Senf immer noch dazugeben. Wir sollten jetzt von hier verschwinden.«

Malcom schaute zu seiner Mutter hinüber, die irgendwie verloren wirkte. Ihr Kinn ruhte auf der Brust und ihre Hände baumelten neben dem Körper nach unten.

Tränen traten in seine Augen. Emma Floyd hatte noch ein paar Jahre zu leben, schöne Jahre, aber diese Zeit würde eines Tages durch einen tragischen Unfall beendet werden. Sie würde ihn nicht aufwachsen sehen, ihm keinen Trost spenden können. In einer Welt, die ihn verwirrte, würde sie nicht bei ihm sein. Wären seine Eltern an diesem Tag nicht in ihr Auto gestiegen, hätten sie ihm vielleicht sagen können, warum andere Jugendliche ihn nicht mochten und Erwachsene ihn ansahen, als hätte er nicht alle Tassen im Schrank.

Sie hätten ihn getröstet und ihm erklärt, dass alles in Ordnung mit ihm sei und sie ihn so liebten, wie er war. Es war schlimm, dass sie ihm diesen Halt nicht hatten geben können. Noch viel schlimmer war jedoch, dass er seinen Eltern nicht mehr sagen konnte, wie sehr er sie liebte und dass sie die Sterne an seinem Himmel der Einsamkeit waren. Er schniefte.

»Was ist mit dir?«, fragte Amanda. »Weinst du?«

»Ja.«

Ihre Stimme war weich, als sie sagte: »Ich kann dich gut verstehen. Es ist nicht leicht, seine Mutter zu sehen und zu wissen, dass es das letzte Mal für alle Ewigkeit ist. Man möchte sie in den Arm nehmen und nie mehr loslassen, aber das Schicksal lässt uns keine Wahl.«

Sie trat näher und legte ihre Hand auf seinen Arm. Malcom war so verblüfft über diese Geste, dass er für einen Moment seine Trauer vergaß. Amanda hatte ihn noch nie berührt, und eigentlich war er davon ausgegangen, dass sie ihn hasste, und seit Ägypten wusste er auch, warum. Immer wieder war er seitdem versucht gewesen, es ihr zu sagen. Aber wie konnte man Worte finden, um jemandem zu erklären, dass sie seine …

Plötzlich öffnete sich die Tür seines Elternhauses. Sein Vater trat heraus. Er schaute sich um und entdeckte seine Frau. Sorge überzog sein Gesicht.

»Emma!«, rief er.

Malcom starrte ihn an. Unbewusst machte er einen Schritt nach vorn, auf seinen Vater zu. Amanda jedoch fasste nach seiner Hand und zog ihn mit sich.

2

2003

»Wo war er?« Wilburs Stimme klang hart, kompromisslos.

»Er wollte seine Eltern sehen.«

»Und da haut er einfach ab, ohne was zu sagen?«

Jenny blickte zwischen Malcom und Wilbur hin und her. Sie sah, dass Malcom geweint hatte, die geröteten Augen sprachen deutlich davon, und sie erkannte Wilburs berechtigten Zorn.

Sie alle hatten sich Sorgen um den verrückten Jungen gemacht. Trotzdem …

»Wilbur!«

»Was?«

»Halt mal für zwei Minuten den Mund.«

»Ich …«, setzte er an, dann schwieg er.

Jenny ging zu Malcom hinüber und nahm ihn in den Arm. Stocksteif hing der Junge in ihrer Umarmung, und verlegen ließ Jenny ihn wieder los.

»Was ist mit Damon?«, fragte Amanda.

Grey saß auf einer alten Holzkiste und starrte durch das trübe Fenster.

»So sitzt er seit Stunden da«, sagte Wilbur. »Alles dort draußen ist fremd für ihn. Keine Ahnung, was passiert, wenn wir mit ihm rausgehen. Wahrscheinlich wird er vollkommen durchdrehen.«

Amanda stöhnte auf, selbst Malcom quälte ein Lächeln auf seinen verkniffenen Mund. Dann wandte er sich um und ging zu Damon.

»Was ist passiert?«, fragte Jenny leise.

»Malcom wollte seine Eltern sehen. Ich bin ihm heimlich nachgegangen. Er hat mit seiner Mutter gesprochen.«

»Hat er etwas herausgefunden?«

»Nein, er war vollkommen mit der Situation überfordert. Als ich bemerkt habe, dass die Sache aus dem Ruder läuft, bin ich eingeschritten. Ich habe Emma Floyd unter meinen Einfluss gebracht und weiß nun, wo wir hinmüssen.«

»Das klingt ziemlich einfach.«

»Wird es aber nicht werden. Die Versuchsanlage ist schwer bewacht, und ich habe keine Ahnung, wie wir es hinbekommen sollen, ein Gottesteilchen aus dem Teilchenbeschleuniger abzulenken.«

»Irgendwie muss es gehen«, meinte Jenny.

»Ja, irgendwie. Aber jetzt habe ich erst mal Hunger. Ist noch etwas von unserem gestrigen Beutezug übrig?«

Jenny lächelte. In der Nacht zuvor waren sie in ein großes Kaufhaus eingebrochen, hatten Kleidung und Lebensmittel gestohlen. Damon war in der Elektronikabteilung hängen geblieben und hatte die flimmernden TV-Geräte angestarrt. Er war erst wieder bereit gewesen sich zu bewegen, als Malcom ihm erklärt hatte, wie derartige Geräte funktionierten. Ob er alles verstanden hatte, war fraglich.

Damon saß auf dem Boden und glotzte auf den Schokoriegel in seiner Hand.

»Warum muss ich das essen?«, fragte er.

»Fuck, Damon, das habe ich dir schon gestern erklärt«, knurrte Wilbur. »Du hast jetzt einen Körper, und dieser Körper braucht Energie, die du aus Nahrungsmitteln gewinnst. Alter, …«

»Wieso sagst du Alter zu mir? In meiner Dimension existiert Zeit nicht. Aber so, wie es mir Malcom erklärt hat, ist ihr in dieser Welt alles Leben unterworfen. Er sprach von Bewegung der Planeten, von einem Hier und Dort und der Zeit, die man messen kann, wenn man sich von einem Punkt zum anderen bewegt. Ich habe es nicht verstanden.«

»Iss den Schokoriegel.« Wilbur beugte sich vor, nahm den Riegel in die Hand und zog das Papier ab. »Die haben Bananen reingetan, die sind gut für deinen Kopf, und jetzt hör auf, mich zu nerven.« Er gab ihm den Riegel zurück.

Damon schaute ihn an, dann hob er seine rechte Hand. Ein gleißender Energiestrahl schoss daraus hervor, jagte auf eine alte Betonwand zu, die mit Graffiti überzogen war, und schlug ein mannsgroßes Loch hinein. Die Ränder des Einschlags glühten unheilvoll.

»Nur, damit du nicht vergisst, mit wem du redest«, sagte er zu Wilbur. Dem stand der Mund offen.

Amanda sprang auf. »Was soll der Mist?«, fluchte sie. »Damon, wir müssen jede Aufmerksamkeit vermeiden. Niemand darf uns finden! Aber das funktioniert natürlich nicht, wenn du die halbe Fabrik in Schutt und Asche legst.«

»Er war respektlos zu mir«, sagte der Dämon.

»Ach ja? Du weißt einen Scheiß von gar nichts, aber das Wort Respekt kennst du?«, zischte Wilbur.

»Sprich so nicht mit mir«, grollte Damon.

»Was sonst? Noch ein Loch in der Wand?«

»Ein Loch in dir.«

»Alle Heiligen, könnt ihr mal damit aufhören«, sagte Jenny. »Wir müssen über unser Vorhaben sprechen. Uns bleibt nicht viel Zeit.«

»Aaah Zeit.« Grey lächelte. »Ich –«

»Jetzt nicht, Damon. Jetzt nicht. Später, okay?«

»Ja.«

»Also dann soll Amanda uns erzählen, was sie herausgefunden hat.« Jenny bedeutete ihr mit einer Geste, sich wieder zu setzen.

Die Göttin ließ sich einen Moment Zeit, dann sagte sie: »Von Malcom wissen wir, was damals geschehen ist. Also, was heute Abend geschehen muss. Ein Teilchen aus dem Beschleuniger soll abgeleitet werden, damit er in Emma Floyds Körper dringen kann. Ich weiß nicht, wie das gehen soll, aber durch Malcoms Mutter habe ich erfahren, wie wir ungesehen in die Versuchsanlage eindringen können. Der LEP-Beschleuniger ist stillgelegt, derzeit wird die ganze Anlage für den Large Hadron Collider umgebaut, allerdings gibt es einen kleineren Beschleuniger, mit dem Malcoms Mutter gerade arbeitet und forscht.«

»Wie kommen wir rein?«, fragte Jenny.

»Der Teilchenbeschleuniger befindet sich fast einhundert Meter unter der Erde. Emma sprach von Gebäuden an der Oberfläche, die dazu genutzt werden, die großen Teile der Detektoren in die Tiefe zu lassen. Das ist für uns der einzig mögliche Zugang. Alles andere ist streng überwacht, und einfach so mit einem gefälschten Ausweis hineinzuspazieren, ist unmöglich.«

»Was ist ein Detektor?«, fragte Wilbur.

Malcom wandte sich ihm zu. »Damit beobachtet man die Vorgänge im Beschleuniger. Starke Magneten halten die …«

Wilbur hob abwehrend die Hände. »Das reicht als Erklärung, glaube ich.«

»Klingt machbar«, meinte Jenny.

»Es gibt ein Problem«, fuhr Amanda fort. »Die Röhre, in die die schweren Maschinenteile abgelassen werden, ist von einer Betonplatte bedeckt, die man nicht ohne schweres Gerät bewegen kann. Das Ding wiegt Tonnen.«

Für einen Moment schwiegen alle. Dann schaute Jenny erst auf das noch immer glimmende Loch in der Wand und dann auf Damon. Sie lächelte. »Ich glaube, ich weiß, wie wir das Problem lösen.«

»Okay, Damon pustet die Betonplatte weg und was dann?«, fragte Wilbur.

»Das weiß ich nicht«, sagte Amanda. »Wir standen auf offener Straße, ich konnte Emma Floyd nicht lang und breit erklären, wer wir sind, woher wir kommen und was wir hier wollen. Außerdem hätte sie das in diesem Zustand gar nicht aufnehmen können.«

»Dann wissen wir zwar, wie wir reinkommen, aber was zu tun ist, davon haben wir keine Ahnung.«

Amanda zuckte mit den Schultern. »Ich habe Malcoms Mutter befohlen, das Gespräch mit mir zu vergessen, damit sie nichts ihrem Mann erzählen kann. Darüber hinaus denkt sie jetzt, ich wäre eine Kollegin, die heute Abend mit weiteren Wissenschaftlern zu ihr in die Anlage kommt, um ihre Forschung zu beobachten. Emma wird uns in dem Gebäude erwarten. Sie hat mir ganz genau beschrieben, wo es liegt und wie wir dorthin gelangen.«

»Sind da nicht auch andere Leute?«, fragte Wilbur.

»Nicht an der Oberfläche, die sind alle unter der Erde. Wenn Versuche laufen, wird alles hermetisch abgeriegelt.«

»Dann muss Malcoms Mom auch da unten sein«, warf Jenny ein.

»Nein, Emma Floyd ist schwanger. Sie bereitet den Versuch vor, aber wenn er läuft, darf sie sich nicht dort aufhalten, hat sie mir gesagt.«

»Das alles bringt nichts«, meldete sich Malcom zu Wort.

Jenny sah die Hoffnungslosigkeit in seinem Blick. »Warum sagst du das?«

»Sogar der alte LEP-Beschleuniger war gar nicht in der Lage, genug Energie zu erzeugen, damit ein Higgs-Bosom-Teilchen entstehen konnte, das schaffte Jahre später erst der Large Hadron. Nun ist selbst der LEP abgeschaltet und meine Mutter arbeitet mit einer viel kleineren Anlage. Das funktioniert nicht. Ich könnte mir selbst eine reinhauen, dass ich nicht schon früher daran gedacht habe. Es ist unmöglich!«

»Quatsch!«, fuhr ihn Amanda an. »Natürlich geht es. Es ist in deiner Vergangenheit passiert, also muss es möglich sein. Sonst wärst du nicht der geworden, der du bist, und wir wären jetzt nicht hier.«

Malcom seufzte. »Das stimmt schon, aber wir haben keine Ahnung, wie wir es machen sollen, und meine Mom weiß es mit Sicherheit auch nicht. Da ist irgendwas passiert, womit niemand gerechnet hat, aber wie sollen wir so einen Unfall bewusst herbeiführen?«

Absolute Stille kehrte ein. Schließlich räusperte sich Damon. »Wir kriegen das hin.«

»Das sagst ausgerechnet du?«, ätzte Wilbur. »Du hast doch keine Ahnung von Physik.«

Grey hob seine Hände. »Aber ich verstehe etwas anderes. Es geht um Energie …« Seine Hände begannen zu glühen. »Und im Gegensatz zu euch steht mir die Energie einer ganzen Dimension zur Verfügung.«

Nachdem alles besprochen war, zog sich Malcom in eine Ecke zurück und dachte nach. Er war unruhig und eine tiefe Traurigkeit hatte ihn erfasst.

Emma Floyd war schwanger. Nicht mit einem Kind, sondern mit Zwillingen. Wenn es ihnen heute Abend gelang, in die Anlage einzudringen und das Gottesteilchen so abzulenken, dass es in den Körper seiner Mutter eindringen könnte, würde sein noch ungeborener Bruder den Preis dafür bezahlen.

Und dieser Preis ist sein Leben. Er wird niemals einen Sonnenaufgang sehen, ein Mädchen küssen oder zur Schule gehen. Wir werden seine Existenz auslöschen, und es wird ihn niemals gegeben haben.

Kann ich ihm das antun?

Sein eigenes Leben war nicht immer schön gewesen, aber er hatte es leben können. Er hatte Nianch-Hathor getroffen und erfahren, was Liebe war.

Letztendlich bedeutete sie alles.

Wenn ich tue, was getan werden muss, beraube ich David all dieser Erfahrungen. Habe ich überhaupt das Recht dazu? Ist nicht jedes Leben gleich viel wert? Wäre es nicht gerecht, wenn er die Chance bekäme zu leben?

Malcom stützte sein Kinn auf die Hände und schloss die Augen. Er hatte verstanden, dass bestimmte Ereignisse geschehen mussten, damit er und die anderen ihre besonderen Fähigkeiten erhielten, um die Welt vor dem Untergang retten zu können. Aber was wäre, wenn er heute Abend dafür sorgte, dass sein Bruder nicht getötet wurde und sich in ein Geisteswesen verwandelte?

Keiner von uns kann dann noch werden, was er ist. Das Schicksal der Menschheit wird besiegelt sein.

Malcom spürte Tränen in seine Augen steigen.

Was ich auch wähle, es wird falsch sein.

Malcom wünschte sich weit weg. Weg von all dem. Warum konnte er nicht in sein normales Leben zurück, wo er von allem nichts gewusst hatte? Er verfluchte Matterson ebenso wie seine eigene Dummheit, zur Army gegangen zu sein.

Schließlich beruhigte er sich.

Ihm fiel ein Spruch ein, den seine Großmutter an der Wand hängen hatte. Jahrelang war er an dem kleinen Bilderrahmen vorbeigegangen und niemals waren die Worte bis in sein Bewusstsein vorgedrungen. Doch heute, hier und jetzt, hatten sie Bedeutung.

»Das Leben ist nur ein Traum innerhalb eines Traumes.«

Malcom schluckte schwer. Vielleicht war es an der Zeit, den Traum zu beenden.

Die Langeweile und das Nichtstun dehnten den Tag endlos. Nachdem sie alle Möglichkeiten durchgegangen waren, gab es nichts mehr zu sagen und jeder machte irgendwie sein eigenes Ding. Wilbur schlief. Jenny vollführte irgendwelche Kampfübungen und Amanda glotzte ihre Fingernägel an, als läge darin die Weisheit der Welt verborgen. Damon betrachtete sie nacheinander und dachte nach.

Von all diesen Menschen verstand er Wilbur am besten. Ein Sterblicher, der durch göttliches Einwirken und dämonische Macht über eine unglaubliche Fähigkeit verfügte – die Zeit anzuhalten. Nach und nach begriff Damon dieses Prinzip, denn wenn er aus dem Fenster blickte, sah er die Sonne über den Himmel wandern. Es gab Tag und Nacht. In seiner Dimension war alles gleich geblieben und in einer stetigen Eintönigkeit gefangen gewesen. Eine endlose Steinwüste, über der dunkle Wolken lagen, und eine rote Sonne, die vom Himmel brannte. Nie hatte sich etwas daran geändert.

Dort gab es kein Leben, nur das, was war. Schmerz und Pein. Immer.

Hier, in dieser Welt hingegen, pulsierte das Leben. Damon konnte es in seinen Adern spüren. Eine unglaubliche Energie, die seinen Körper durchströmte und ihn mit dem Schöpfer aller Dinge verband.

Sein Blick wanderte zu Jenny. Sie schien lebendig zu sein wie die anderen, aber ein Teil von ihr war aus Materie geformt. Wilbur hatte ihm erklärt, dass niemand wusste, wer das getan hatte und warum, aber es verlieh ihr unglaubliche Kraft und außerordentliche Reflexe. Sicherlich hatte sie noch weitere Fähigkeiten, die weit über die eines normalen Menschen hinausgingen.

Im Augenblick machte sie Übungen, kämpfte gegen unsichtbare Gegner, die nur in ihrem Geist existierten. Damon bewunderte die Eleganz und die Kraft, wenn sie zuschlug, einen Fußkick ausführte oder einen imaginären Angriff abwehrte. Von Kampf verstand er etwas. Seine Existenz war ein immerwährender Kampf gewesen, und er erkannte, dass dieses Mädchen ein ernst zu nehmender Gegner war.

Dann schaute er zu Amanda, die kurz aufsah, den Blick aber wieder senkte, als sie bemerkte, dass er sie beobachtete.

Damon legte den Kopf schief und betrachtete das unglaublich schöne Mädchen mit den weichen Zügen, den langen dunklen Haaren und den vollen Lippen.

»Sie liebt dich«, sagte Malcom leise neben ihm.

Damon hatte gedacht, er würde schlafen. Obwohl er nicht verstand, warum Menschen das taten, begriff er doch, dass in dieser Zeit ihre Sinne nur begrenzt aktiv waren. Malcoms Worte überraschten ihn.

»Oder besser gesagt, sie liebte den Damon, der du warst, bevor wir dich beschworen haben.«

»Wir haben darüber gesprochen, aber ich verstehe es nicht. Wie kann ich jemand anderes gewesen sein, als der, der ich bin?«

»Der Damon, den wir kennenlernten, lebte schon über zweihundert Jahre unter den Menschen. Er hat viel von ihnen gelernt und vieles übernommen. Man könnte sogar sagen, dass ihn all diese Erfahrungen erst zum Menschen machten, zu einem von uns.«

»Aber ich bin nicht sterblich wie du.«

»Ja, dein Körper wird durch eine Energie erhalten, die aus der Welt der Dämonen stammt. Daher kommt auch deine Macht. Du kannst vielleicht nicht altern, aber ganz sicher verletzt werden. Vielleicht würde dich der Tod deines Körpers auch direkt in deine Dimension zurückschleudern.«

Darüber wollte Damon nicht nachdenken, etwas anderes bereitete ihm jedoch Kopfzerbrechen. »Was ist Liebe?«

Malcom musterte ihn, als suchte er nach den passenden Worten, ihm eine wirklich komplizierte Sache einfach zu erklären. »Das ist schwierig. Es ist ein Rätsel. Menschen denken schon seit Jahrtausenden darüber nach. Sie schreiben Bücher, singen und tun sonst was, um ihr zu huldigen, aber niemand versteht wirklich, was da zwischen zwei Menschen passiert. Warum es genau zwischen diesen beiden passiert und nicht irgendjemand anderem.«

Damon stützte das Kinn auf seine Hand. »Ich möchte mehr darüber wissen.«

»Gab es in deiner Welt etwas, das dir gefallen hat? Mehr als alles andere, meine ich?«

»Nein. Es ist dort, wie es ist. Gut und Böse existieren nur in deiner Welt. In meiner Dimension gibt es Macht und diejenigen, die sich ihr unterwerfen.«

»Okay, andersherum. Du hast jetzt einen Körper, magst du es, lebendig zu sein?«

Damon spürte, wie ein Grinsen seinen Mund verzog. »Es ist faszinierend. Nie fühlte ich mich dem Schöpfer näher.«

»Siehst du, du magst es und Liebe ist ein noch viel stärkeres Gefühl. Viel, viel stärker, so stark, dass du glaubst, ohne den anderen nicht leben zu können.«

Damon kratzte sich am Kopf. Es schien wirklich komplizierter zu sein, als er angenommen hatte. Er deutete auf Amanda am anderen Ende des Raumes. »Aber sie kann doch ohne mich leben.«

»Amanda hofft, dass du dich an deine Gefühle für sie erinnerst oder dich neu in sie verliebst.«

»Wenn das gut ist, sag mir, was ich tun muss.«

»Da kannst du nichts tun, es geschieht oder es geschieht nicht. Du musst einfach Zeit mit ihr verbringen und sie kennenlernen.«

»Da ist sie wieder. Zeit. Wie viel Zeit?«

»Das weiß ich nicht.«

Damon schaute ihn an. Er sah einen schmächtigen Jungen, verwirrt, traurig, aber doch irgendwie von innerer Stärke erfüllt.

»Hast du schon einmal geliebt?«, fragte er.

Malcom schwieg einen Moment. »Nianch-Hathor. Ich glaube, Wilbur hat dir von ihr erzählt.«

»Ja, er sprach von einer Prinzessin, die ihr retten musstet.«

»Sie habe ich geliebt.«

»Warum bist du nicht bei ihr geblieben?«

»Es war mir nicht möglich, etwas muss getan werden. Wir haben es dir erklärt.«

»Dann gibt es also Größeres als die Liebe?«

»Ja, über die Liebe zu einem einzigen Menschen hinaus, gibt es noch die Liebe zu allen Menschen. Wir können nicht zulassen, dass diese Welt untergeht. Milliarden würden sterben.«

»Aber sie werden sowieso eines Tages sterben. Was ändert … ah«, seufzte Damon. »Ich verstehe – Zeit. Sie muss also ziemlich wertvoll sein.«

»Richtig. Menschen haben eine Lebenszeit, um sich zu entwickeln, zu lernen und über sich selbst hinauszuwachsen. Und nach ihnen kommen andere Menschen. Es ist das Rad des Lebens.«

»Alles klar. Durch Zeit kann man etwas werden, das man vorher nicht war.«

Malcom nickte.

Damon sah ihn an. »Es gibt eine Verbindung zwischen dir und der Göttin. Ich kann es spüren. Sag mir, was es ist. Liebst du sie auch?«

»Darüber möchte ich nicht sprechen.«

»Sie ist schön.«

»Ja, das ist sie.«

»Darf ich Wilbur töten?«

Malcom zuckte zusammen. »Himmel, nein! Warum solltest du das tun?«

»Er ist respektlos, unterwirft sich mir nicht, obwohl ich so viel mächtiger bin als er.«

»Deswegen tötet man doch niemanden, außerdem ist er unser Freund und wir brauchen seine Fähigkeiten.«

»Ist ein Freund jemand, den man mag?«

»Ja.«

»Dann ist er nicht mein Freund.«

Malcom beugte sich vor. »Darum geht es nicht. Wer wen mag oder nicht, wir haben eine Aufgabe zu erfüllen, die größer ist als jeder Einzelne von uns, nur zusammen haben wir eine Chance, das Schicksal zu ändern. Wir sind wie fünf Finger, die sich zu einer Faust ballen und hart zuschlagen können. Verstehst du das?«

»Ja.«

»Dann ist es ja gut.«

»Und wenn unsere Aufgabe erfüllt ist?«

»Was dann …? NEIN, auch dann nicht. Verdammt, Damon, wir quatschen hier die ganze Zeit von Liebe, und eine Sekunde später willst du jemanden umbringen, nur weil er in deinen Augen respektlos war. Menschen streiten sich dauernd, beleidigen sich und vertragen sich wieder. Schau mich und Amanda an. Ich glaube, sie hat noch kein einziges nettes Wort zu mir gesagt, wahrscheinlich kann sie mich nicht mal leiden, trotzdem tue ich ihr nichts an.«

»Dann liebst du sie.«

»Nein … ja, nicht so, wie du denkst. Shit, ich kann darüber nicht reden.« Malcom sprang auf. »Draußen geht die Sonne unter. Wir sollten uns bereit machen.«

3

2003

»Brenn ein Loch in den Zaun, Damon«, sagte Malcom.

Sie standen im Halbdunkel einer alten Buche und schauten auf das zehn Meter entfernte Gelände der Versuchsanlage. Ein bleicher Mond hing am nächtlichen Himmel und warf sein fahles Licht auf die Gesichter der anderen, die alle, bis auf Damon, angespannt wirkten.

»Meinst du nicht, dass dadurch ein Alarm in der Zentrale ausgelöst wird?«, fragte Amanda.

Malcom kaute auf seiner Lippe herum. »Ich denke nicht, dass sie diesen Abschnitt überwachen. Er ist einfach zu weit vom Institut weg und liegt in diesem kleinen Wald. Jedes Tier, das in die Nähe des Zaunes kommt, würde ständig Alarm auslösen. Ein Eichhörnchen, das die Maschen hochklettert, eine Katze, eine Krähe, die sich darauf niederlässt. Ich denke, wir können es riskieren. Außerdem haben wir keine Wahl.«

»Malcom hat recht«, sagte Wilbur. »Lasst es uns tun, es bleibt nicht mehr viel Zeit.«

»Okay, Damon?«

Grey trat einen Schritt vor und hob seine rechte Hand, die unheilvoll zu leuchten begann, dann jagte ein gleißend heller Strahl daraus hervor und riss ein breites Loch in den Zaun. Die Maschenenden der entstandenen Öffnung glühten in der Finsternis.

»Lasst uns gehen«, sagte Amanda.

»Nein, wartet noch.«

Malcom lauschte. Nichts zu hören. Kein Alarm. Keine Fahrzeuge, die sich ihnen näherten.

Er gab ihnen ein Zeichen und sie huschten zum Zaun. Dahinter erstreckte sich ein Gebäude, in dessen Schatten sie sich pressten.

»Wir warten«, sagte Malcom.

Minuten vergingen, dann wurde ein großes Tor aufgeschoben und Licht fiel in die Dunkelheit. Die schlanke Gestalt seiner Mutter erschien.

Amanda erhob sich. »Ich gehe zu ihr. Ich muss den Zauber erneuern, denn mein Einfluss reichte nur bis zu diesem Moment. Da ich nicht wusste, was wir tun werden, habe ich ihr darüber hinaus keine Anweisungen gegeben.«

Langsam und mit gemächlichen Schritten ging sie auf Emma Floyd zu. Dann sang sie leise eine Melodie, die an ein Kinderlied erinnerte. Als der letzte Ton in die Nacht schwebte, sprach sie eindringlich auf Emma ein. Malcom verstand nicht, was sie sagte, aber seine Mutter lächelte. Amanda winkte die anderen zu sich.

»Jetzt bist du dran, Malcom. Du verstehst als Einziger etwas von Teilchenbeschleunigern. Du musst herausfinden, was wir tun können, um auf den Versuch Einfluss zu nehmen.«

»Ich habe echt fast keine Ahnung von dem Scheiß.«

»Wir überhaupt keine.«

»Was denkt sie, wer ich bin?«

»Ein Kollege.«

Malcom schaute verwirrt zu seiner Mutter, die still vor sich hinlächelte und keine Miene verzog. »Hört sie unserem Gespräch nicht zu?«

»Nein, sie reagiert ab jetzt nur auf direkte Ansprache. Sag zuerst ihren Namen, dann weiß deine Mutter, dass sie gemeint ist.«

Malcom holte tief Luft, dann sagte er: »Hallo, Emma. Ich bin Malcom.«

»Hallo.«

»Lass uns hineingehen, ich muss mit dir sprechen.«

»In Ordnung.«

Nacheinander betraten sie einen kahlen Raum, in dessen Mitte eine viereckige Bodenplatte eingelassen war. Sonst gab es nichts darin. Lediglich an der hohen Decke hing eine seltsame Apparatur, die an einen überdimensionalen Flaschenzug erinnerte.

Malcom blieb stehen und blickte seine Mutter an. »Was befindet sich darunter?« Er wies auf die Metallplatte.

»Ein Beschleuniger in einhundert Metern Tiefe.«

»Woran erkenne ich, dass der Versuch begonnen hat?«

Emma deutete auf eine Ecke der Wand. Dort befand sich eine dunkelrote Kontrolllampe, die er bis jetzt nicht bemerkt hatte.

»Diese Lampe geht an.«

»Wie lange läuft der Versuch?«

»Zehn Minuten. Die Lampe erlischt dann.«

»Gut. Nun eine wichtige Frage: Kann man von hier oben Einfluss auf den Versuch nehmen? Parameter verändern?«

»Nein, die komplette unterirdische Anlage wird bei einem Versuch hermetisch abgeriegelt.«

Wilbur stöhnte in Malcoms Rücken.

»Emma, erklär mir bitte, wie so ein Versuch abläuft.«

»Am Anfang der Versuchsanordnung stehen Beschleu- niger, welche den Teilchen die für die Untersuchungen notwendige kinetische Energie verleihen. Das Superproton Synchrotron sorgt für die Vorbeschleunigung, dann wird …«

»Stopp! Du sprichst von Energie. Je mehr Energie, desto größer die Beschleunigung der Teilchen, richtig?«