Bedingungslos verbunden - J. L. Drake - E-Book

Bedingungslos verbunden E-Book

J. L. Drake

5,0

  • Herausgeber: Lago
  • Kategorie: Erotik
  • Serie: Broken
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2017
Beschreibung

Es ist Zeit, das Leben endlich selbst in die Hand zu nehmen. Savannah hat genug von all den Lügen. Verzweifelt versucht sie, sich an die Frau zu erinnern, die sie war. Doch sie muss einsehen, dass es nicht möglich ist. Zu viel in ihr ist zerbrochen. Der Einzige, der sie vervollständigen kann, ist Cole. Geduldig wartet er auf eine Gelegenheit, Savannah seine Liebe zu beweisen. Doch die Vergangenheit ist noch nicht fertig mit ihnen … Sind Savannah und Cole stark genug, um die Schatten zu vertreiben? Oder werden ihre Gegner es endgültig schaffen, sie zu brechen?

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Seitenzahl: 286

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

1. Auflage 2018

© 2018 by Lago, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

© 2015 by J. L. Drake

Die englische Originalausgabe erschien 2015 bei Limitless Publishing LLC, Kailua, HI 96734, unter dem Titel Mended.

Die Übersetzung dieses Buchs wurde gefördert von der Kunststiftung NRW und vom Europäischen Übersetzer-Kollegium Straelen.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Alfons Winkelmann

Redaktion: Judith Mark

Umschlaggestaltung: Laura Osswald

Umschlagabbildung: IStock/Zastavkin

Satz: inpunkt[w]o, Haiger (www.inpunktwo.de)

ISBN Print 978-3-95761-181-9

ISBN E-Book (PDF) 978-3-95762-103-0

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-95762-104-7

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.lago-verlag.de

Inhalt
Prolog
Kapitel eins
Kapitel zwei
Kapitel drei
Kapitel vier
Kapitel fünf
Kapitel sechs
Kapitel sieben
Kapitel acht
Kapitel neun
Kapitel zehn
Kapitel elf
Kapitel zwölf
Kapitel dreizehn
Danksagung
Über die Autorin

Mom,

unsere Reise durchs Leben wird uns prüfen,

uns formen und uns definieren.

Wir waren entführt und verführt, vertraut und verraten,

aber jetzt sind wir bedingungslos verbunden.

Jetzt ist es Zeit zu leben.

Jetzt ist es Zeit für ein glückliches und zufriedenes Leben bis ans selige Ende.

Genieße es.

Baby Olivia,

Prolog

Es heißt, die Zeit heile alle Wunden, aber dabei wird leicht vergessen, dass es bis zu diesem Ziel eine höllische Fahrt ist.

Ich bin neunundzwanzig Jahre alt und habe das Gefühl, noch nicht wirklich gelebt zu haben. Mein bisheriges Leben war voller Lügen, Verluste, Tod, Verrat und gebrochener Herzen. Nach mehreren Monaten in der Hölle bin ich jetzt über das Schlimmste hinweg und fange an, mich zusammenzuflicken und die Bruchstücke meines Lebens aufzusammeln.

Es ist an der Zeit zu leben ... auf meine Weise ...

Kapitel eins

Savannah

Ich sehe Keith im Flur verschwinden und schließe die Tür. Ich schiebe die beiden Riegel zu, lasse den Schnapper einrasten, lege die Kette vor und stoße einen Seufzer der Erleichterung aus. Keith hat das alles in der Nacht meiner Ankunft angebracht, während ich so getan habe, als würde ich auch gut ohne den ganzen Kram zurechtkommen. Stimmt nicht. Er hat mit dem Mann am Empfang unten in der Eingangshalle gesprochen und ihm gesagt, er solle ein Auge auf mich haben, und zudem auch noch Sensoren an sämtlichen meiner Fenster angebracht ... Ich wohne in der fünften Etage.

Ich esse rasch einen Happen, gehe dann zum Spiegel hinüber, überprüfe mein Äußeres und streiche die Haare mit den Händen glatt. Ich schaffe das. Nachdem ich mir innerlich nochmals gut zugeredet habe, schnappe ich mir die Schlüssel, löse Türkette und Riegel und gehe hinaus. Der lahmarschige Aufzug lockt mich, aber ich bevorzuge dann doch die Treppe. Es ist eine Woche her, seit ich meinen Unterschlupf verlassen habe und hierher gezogen bin, eine Woche, seitdem ich Cole zuletzt gesehen habe. Keith findet unermüdlich neue, seltsame Arbeiten in meiner Zwei-Zimmer-Wohnung, die er nur des Nachts erledigen kann, weil er tagsüber zu tun hat. Ich weiß, es macht ihn nervös, mich allein zu lassen, und offen gestanden habe ich ihn gern bei mir auf dem Sofa. Natürlich sage ich ihm ständig, er solle gehen und aufhören, mich zu bemuttern, aber das ist bloß eine weitere Lüge, die ich der langen Liste an Lügen hinzufüge.

Insgeheim habe ich Sorge, dass meine Freunde im Unterschlupf mich allmählich satt haben, also bemühe ich mich, so unabhängig wie möglich zu leben. Deswegen gehe ich drei Blocks zu Zack’s Restaurant zu Fuß, wobei ich weiß, dass Keith im Café gegenüber sitzt, mich beobachtet und sich davon überzeugt, dass ich heil und gesund dort ankomme. Ich lächele in mich hinein und hole meine Sonnenbrille heraus. Wer hätte gedacht, dass aus dem furchterregenden Keith am Ende der beschützende Bruder werden würde?

Ich grinse beim Gedanken an neulich.

Meine Wohnung ist still, etwas, das ich nicht mehr genieße. Melanie ist mit Freundinnen ausgegangen und hätte mich eigentlich gern dabeigehabt, aber ich wollte mir bloß alte Wiederholungen von Lie to Me ansehen. Vielleicht lerne ich etwas daraus. Ich stelle mir ein Glas Wein aufs Bein und ziehe die Decken um mich höher. Es ist kalt, und ich bin zu stur, um die Heizung aufzudrehen. Ich will meine Stromrechnung nicht allzu sehr in die Höhe treiben. Daniel möchte meine Rechnungen bezahlen, aber ich bin entschlossen, es nicht dazu kommen zu lassen. Wenn ich in ein paar Tagen meinen neuen Job antrete, werde ich genug verdienen. Ich brauche nicht viel.

Ich weiß nicht genau, wie spät es ist, als mich ein leises Klopfen weckt. Oh, verdammt. Ich muss eingedöst sein. Ich hebe meinen trägen Hintern vom Sofa und trotte zur Tür, blicke durch den Spion und entdecke Keith, der mich anstarrt.

Nachdem ich sämtliche Schlösser entriegelt habe, öffne ich die Tür. Er hat eine Plastiktüte in der Hand.

»Ich habe dir einen Fisch mitgebracht.«

Was?

Er hält die Tüte hoch und zeigt mir einen purpurfarbenen Regenbogenfisch, der mich durch die Plastikhülle anglotzt.

Igitt!

»Warum?«

Ich hasse Fische.

Er lächelt angesichts meines Unbehagens. »Weil du einsam bist und jemanden gebrauchen könntest, den du nicht beiseiteschieben kannst.« Er tritt an mir vorbei, dreht sich jedoch um, als ich die Türe schließen will. »Moment.«

»Ich schiebe niemanden beiseite.« Mit verschränkten Armen blicke ich in den Flur und überlege, wer oder was da sonst noch im Anmarsch ist.

»Stimmt.« Kichernd füllt er Wasser in ein Kugelaquarium, das er aus einer anderen Tasche geholt hat. »Du wirst überrascht sein, wie sehr du ›Unnahbar‹ hier ins Herz schließen wirst.«

Ich schüttele den Kopf. »›Unnahbar‹?«

Er nickt, während er den Fisch in sein neues Zuhause gleiten lässt. »Passt doch gut zu deinem Verhalten in letzter Zeit.«

Ich schließe die Augen und habe das Gefühl, dass mich seine Worte wie ein Schlag in die Magengrube treffen. »Tut mir leid, Keith. Ich versuche nicht, jemanden beiseitezuschieben. Insbesondere nicht dich. Ich … ich ... weiß nicht, was ich bin.«

Er stellt das Aquarium auf meine Küchentheke, reibt mit dem Finger über das Glas und macht dadurch den Fisch auf sich aufmerksam.

»Ich weiß, dass die letzte Zeit etwas heftig war. Nur, schließe uns nicht alle aus.« Ich nicke und fühle mich erbärmlich. Die Cookies liegen auf dem Kühlschrank. Ich hole sie herunter und stelle sie vor ihn hin.

»Friede?«

»Ich war nie sauer auf dich. Ich vermisse bloß manchmal die alte Savannah.« Er nimmt meine Hand und zieht mich an seine Seite, während er sich die beiden Cookies auf einmal schnappt. »Brauchst du etwas?«

Ich zucke die Achseln im Wissen, dass er das braucht. »Also, im Bad tropft der Wasserhahn.«

Sein Gesicht hellt sich auf. »Ich hole meinen Werkzeugkasten.«

»Warte, Keith, wer kommt da ...«

»WarumbrauchtdeinAufzugneunJahre,umzurfünftenEtagezukommen?«,scherztJuneundstellteinegroßeSchachtelaufmeinenKüchentisch.IchspringeihrfastindieArme.Ichbinsodankbar,MitgliederderFamilieinmeineneigenenvierWändenzusehen.

June nickt Abigail zu, die eine Tasche voller selbst gemachtem Essen in der Hand hält.

»Wirdachten,dukönntestmaleineAbwechslungimSpeiseplangebrauchen.«SieöffnetmeinenKühlschrankundsiehtmeinGlasErdnussbutterunddieWasserflasche.»Nunja,ichhabemirgedacht,dassduvielleichtHungerhast.«

»Danke!« Ich spähe ihr über die Schulter und sehe einen Behälter mit ihrer Linsensuppe. Lecker.

June schenkt sich ein Glas Wein ein, schlendert dann zum Sofa hinüber und holt mein Glas vom Beistelltisch. »Das ist eine richtig schöne Wohnung, meine Liebe.«

»Vielen Dank.« Ich setze mich auf die Theke und beobachte Abigail.

»Hier«, sagt Abigail und schiebt mir ein großes, verpacktes Geschenk zu. »Damit Keith glücklich bleibt.«

Ich grinse und frage mich, was zum Teufel das sein kann. Ich ziehe die silberfarbene Schleife auf und reiße das Papier an den Seiten herunter. Meine Hände halten inne, und beim Anblick dessen, was es ist, kommen mir die Tränen. »Oh, du meine Güte!«

»Ich hoffe, es ist die richtige Farbe.«

»Allerdings.« Ich öffne den Karton und ziehe sie sorgfältig aus der Verpackung. Mit den Fingern streife ich über die rote Farbe, den Stutzen hinab und um die glänzende Metallschüssel herum. »Ist genau wie ihre Küchenmaschine.« Ich presse die Lippen aufeinander, damit ich nicht von meinen Gefühlen überwältigt werde. Wie konnte ich jemals so viel Glück haben, dass diese beiden erstaunlichen Frauen in mein Leben getreten sind? »Danke, danke vielmals!«

»Mehr als gern geschehen, meine Liebe.« Beide nehmen mich in die Arme.

Sie wirkt so perfekt neben meiner Kaffeemaschine. Ich drehe mich um und entdecke, dass June und Abigail sich in meinem Wohnzimmer umsehen. Ich lehne mich an die Küchentheke und bin glücklich, dass sie hier sind. Was sehr nett ist. Ich muss mir wirklich mehr Mühe geben.

»Das ist dein Spind, Schürzen sind hier, Waschräume da drüben, und hier stempelst du beim Kommen und Gehen.« Zack nimmt die Stempelkarte, schiebt sie in den Schlitz, und wir hören, wie das lange gelbe Formular abgestempelt wird. »Da, jetzt bist du offiziell im Dienst.« Er winkt mir, ihm durch einen kurzen Flur zur Bar zu folgen, die sich an der Seite seines Restaurants befindet. »Da du schon früher als Barkeeper gearbeitet hast, sollte es dir nicht allzu schwerfallen. Jake wird dir alles zeigen.«

»Sehr gut.« Schmetterlinge tanzen in meinem Bauch. So viele Menschen auf einmal machen mich nervös. Es ist schon eine Weile her.

Er reicht mir mein Namensschildchen. »Also, auf geht’s, Savi. Hast du irgendwelche Probleme mit Gästen, sprich mit Jake. Er ist großartig, und er greift dir in jedem Fall unter die Arme. Wir haben hier nicht viele Probleme, aber es gibt immer ein paar ... na ja, du weißt schon, was ich meine. Aber wenn Savannah Hilfe benötigt ...« Er sieht mich mit einem Ausdruck an, der sicherstellt, dass ich verstehe, dass ich zu ihm kommen soll, wenn etwas passiert, das mit meiner Sache zu tun hat, »... suchst du mich. Ich sollte immer in der gleichen Schicht arbeiten wie du, aber falls das aus irgendeinem Grund nicht der Fall ist, wird Keith oder Daniel nicht weit weg sein. Irgendwelche Fragen?« Ich schüttele den Kopf, während ich alles verarbeite. »Jake!«, ruft er. »Hier ist deine neue Mitarbeiterin!«

Ein großer, gut gebauter Typ etwa in meinem Alter lässt seine perlweißen Zähne aufblitzen. »Na, da habe ich doch echt Glück gehabt, oder? Hallo, du, ich bin Jake.«

»Savi.« Wir schütteln uns die Hände, aber bevor ich meine zurückziehen kann, wirbelt er mich herum und mustert mich.

»Okay, zunächst einmal funktioniert das so nicht.« Kopfschüttelnd greift er unter die Theke und reicht mir ein T-Shirt. »Zieh dir das an.« Er lächelt und zeigt auf eine kleine Tür. Rasch streife ich mir ein schwarzes T-Shirt mit V-Ausschnitt über, der etwas mehr zeigt als bei einem, das ich mir selbst ausgesucht hätte. Das Shirt reicht mir bis knapp unter den Bauchnabel und lässt einen Zentimeter Haut über meiner Hose frei. Jake reibt sich mit den Fingern über die Lippen bei meinem Anblick. »Gut, aber ...« Er löst meinen Pferdeschwanz und lässt mein Haar über meine Schultern fallen. »So ist es besser.« Er nickt anerkennend. »Sex sells, und nachmittags und abends schwirren hier jede Menge müder Männer herum, die einen Drink haben wollen. Mit diesem Körper und dem Gesicht, Savi, wird es hier rappelvoll sein, und das bedeutet ... Trinkgeld!«

Kurz nach sieben ist es tatsächlich rappelvoll. Zum Glück ist Jake geduldig, und mein Erinnerungsvermögen hat noch nicht versagt. Ich habe noch nie vier Apple-Martinis auf einmal zubereitet, aber ich sage Ihnen – ich kann’s jetzt. Ich lerne rasch, dass die Mädels, die zur Bar kommen, reich und ungeduldig sind, und dass die meisten Männer den einen oder anderen Extremsport betreiben. Mir bleibt kaum Zeit, ans Luftholen zu denken, bevor mir die nächste Bestellung entgegengebrüllt wird, aber ich habe den Dreh bald heraus und erledige den Job.

»Du hast Herrenbesuch«, sagt Jake über meine Schultern hinweg, als ich gerade meine Bestellungen in den Computer eingebe.

Ich werfe einen Blick hinüber und sehe Mark, der sich grinsend auf einen freien Hocker mitten an der Bar setzt. Ich beende die Eingabe und eile hinüber, wobei ich mir die Hände an einem Tuch abwische.

»Hey, hallo Fremder.« Ich beuge mich zu ihm hinüber und nehme ihn in die Arme. »Tut gut, dein Gesicht zu sehen.«

Er beäugt mein T-Shirt. »Das wird ihm nicht gefallen.« Der schmerzhafte Knoten in meinem Magen zieht sich enger zusammen, aber ich schüttele seine Bemerkung mit einem Achselzucken ab. »Wie geht’s dir, Savi?«

Lachend beuge ich mich über die Theke, um meiner Bemerkung Nachdruck zu verleihen. »Echt jetzt, du willst wissen, wie’s mir geht?« Als ob ihr nicht alle jeweils den neuesten Spielbericht von Keith erhalten würdet! Er grinst und nickt zum Zapfhahn hinüber. Ich greife nach einem Glas und zapfe ihm ein Bier. »Mir geht’s gut, aber ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich euch nicht vermissen würde. Wie steht’s im Haus? Wie geht’s Abby? Ist June immer noch da?«

»Du kannst nach Hause kommen, weißt du.« Er sieht mich über das Glas hinweg an, wechselt jedoch angesichts meines Schulterzuckens das Thema. »June ist immer noch da. Sie spricht davon, auf Dauer einzuziehen. Sie ist nicht gern von ihrer Schwester getrennt. Du weißt, wie sie und Abby zueinander stehen.« Er lächelt.

Ich lasse mein Wischtuch gegen die Theke knallen. »Wirklich? Das wird toll, sie immer hier zu haben.«

»Ja, wird es.« Er wendet dem Gast, der nach mir ruft, seine Aufmerksamkeit zu. Ich halte einen Finger hoch und eile zu dem Typen hinüber.

»Hallo, was kann ich Ihnen bringen?«, frage ich.

Der Mann schiebt sich die Hemdsärmel hoch, als er Platz nimmt. »Dich, als Appetithäppchen.« Ich seufze innerlich, und mein Ausdruck bleibt unverändert.

»Wie wär’s mit einem Drink?«, kontere ich, aber das entlockt ihm bloß ein Lächeln.

»Scotch, pur, und schenke gut nach, und wenn du zum Ladenschluss gute Arbeit geleistet hast, tu’ ich dasselbe für dich.« Er schiebt mir seine Kreditkarte und den Hotelschlüssel zu. Schockiert starre ich beides an. Der Mann hier verschwendet keine Zeit. Ich nehme die Kreditkarte, ignoriere seinen Schlüssel und mache ihm seinen Drink. Als ich ihn ihm reiche, schlingt er seine Finger um die meinen. »Ich bin Don.« Er greift mit der freien Hand nach meinem Namensschildchen. »Savi, ein hübscher Name.«

»Danke«, sage ich und entziehe ihm meine Hand. »Entschuldigen Sie mich.« Ich gehe zu Mark hinüber, der mich wie ein Falke beobachtet. Ich knipse ein Lächeln an und frage, ob er noch ein Bier haben möchte.

»Echt, Savi, möchtest du wirklich hier arbeiten? Mit diesen Typen?« Mark dreht sein Bierglas in der Hand und deutet mit dem Kopf auf diesen Don. »Cole wird das gar nicht gefallen.«

Kopfschüttelnd, die Hände auf den Hüften, sehe ich ihn mit hochgezogenen Brauen an. »Bist du zum Spionieren hergeschickt worden, Mark, oder bist du als Freund gekommen, der einen Freund besucht?«

Er funkelt zurück. »Zunächst einmal besuche ich die Familie, nicht bloß einen Freund. Meinst du etwa, er würde mir nicht zusetzen, wenn er heute Abend zurückkommt? Erspare mir bitte dieses Gehabe. Ich muss dem armen Jungen etwas berichten.«

Ich greife nach einem Handtuch und wische einen nicht existenten Wasserring weg. »Wo ist er diesmal?«

»Washington. Er hat gestern wegen des Amerikaners ausgesagt.« Plötzlich bekomme ich einen trockenen Mund. »Es ist gut gelaufen. Er sollte heute Abend oder morgen zurück sein.« Er schneidet ein Gesicht, und ich weiß, was er gleich sagen wird.

»Wann muss ich hin?« Beim Gedanken daran, dass ich diese Leute wiedersehen muss, weicht mir das Blut aus dem Gesicht.

Mark kippt sein Bier hinunter. »Cole versucht, dich da rauszuhalten. Wir hoffen, dass du es von hier aus über Videokonferenz machen kannst, aber es wäre effektiver, wenn du persönlich dort wärst.«

»Ich tu’s«, erkläre ich und werfe das Handtuch beiseite. »Sage Frank, dass ich nach Washington komme.«

»Du musst das nicht tun, Sav ...«

»Ich sollte zu meinen Gästen zurück. Es war wirklich nett, dich zu sehen, Mark. Bitte grüße doch alle von mir.« Ich will weggehen, aber Mark hakt sich unter meinen Arm und hält mich auf.

»Komm morgen Abend zum Essen zu uns ins Haus.«

Ich schüttele den Kopf. »Tut mir leid, ich muss arbeiten.«

»Dann untertags?«

»Werd mal sehen.« Ich tätschele ihm den Arm und gehe, um mich um die übrigen Gäste zu kümmern.

»Du warst klasse heute Abend«, sagt Jake ein paar Stunden später, als er sich den Riemen seiner Tasche über den Kopf streift. »Kann ich dich rausbringen?«

»Natürlich.« Wir treten in die eisige Luft hinaus, und winzige Schneeflocken treiben vom Himmel herab. Ich schlinge mir den Schal um den Hals. »Wie lange arbeitest du schon für Zack?«

Jake geht in meine Richtung los. »Etwa drei Jahre. Ich habe hier keine Familie, also hat er mich unter seine Fittiche genommen. Wie ich sehe, ist das bei dir genauso.« Ich nicke, und mir ist bei Jake sehr wohl. Er ist sehr nett und leise. »Tatsächlich behalten dich anscheinend eine Menge Leute im Auge«, sagt er ruhig. »Dieser Typ, der heute Abend hereingeschaut hat, ist das dein Freund?«

»Nur ein guter Bekannter.« Ich lächele und überlege. Falls Mark als mein Freund gilt, würde Don vielleicht beim nächsten Mal, wenn er für einen Drink hereinkommt, die Finger von mir lassen.

»Das ist gut, weil ich weiß, dass er mit Mel geht.« Ich werfe einen Blick zu ihm hinauf. »Sie ist auch eine Freundin. Also, worum geht’s eigentlich, Savi? Du hast Mark, Zack und diesen riesig großen Typen, der wie dein Schatten ist.«

»Keith«, sage ich lachend. »Er ist wie ein älterer Bruder.«

»Okay, was hat es also mit dieser Armee von Männern auf sich? Bist du etwa in Schwierigkeiten?« Angesichts seiner Vermutung hätte ich mich fast hingelegt.

»Dafür, dass du mich erst seit, Moment, neun Stunden kennst, hast du gut beobachtet.«

Er zieht den Kragen seiner Jacke höher, um die Kälte von seinem Hals abzuhalten. »Das mach ich halt so. Ich beobachte gern die Leute.« Er bleibt stehen und schaut mich an. »Ich biete bloß ein offenes Ohr, falls du es brauchst.« Er deutet mit dem Kopf. »Hier wohne ich.« Ich lächele, als ich sehe, dass wir vor meinem Wohnhaus stehen.

»Welche Etage?«

Ihm fällt die Kinnlade herunter. »Oh – äh ... ich wollte nicht ...«

Ich grinse beim Gedanken daran, wie das gerade geklungen hat. »Ich meinte, welche Etage, weil ich auf der fünften wohne.«

Er wirft lachend den Kopf in den Nacken. »Ich wohne in 5G.«

»5H.« Ich strecke eine Hand aus. »Schön, dich kennenzulernen, Nachbar.«

Wir nehmen die Treppe, wobei wir uns über den Aufzug aufregen, und verabschieden uns, als jeder vor seiner Wohnungstür steht. Einmal in der Wohnung, überprüfe ich mein Telefon, das auf der Küchentheke liegt. Ich habe es dort liegen lassen, weil ich immer wieder vergesse, dass ich jetzt eines besitze. Zwei verpasste Anrufe von Keith und eine SMS, die mir Bescheid gibt, dass er die Nacht nicht bei mir verbringen wird.

Ich bekomme ein flaues Gefühl im Magen, als mir klar wird, dass ich zum ersten Mal seit meinem Einzug hier auf mich allein gestellt sein werde. Meine Finger klopfen auf die Theke, wobei ich die SMS erneut lese. Vermutlich werde ich mich daran gewöhnen müssen. Schließlich habe ich das so gewollt. Ich schreibe ihm zurück, dass ich daheim bin und dass es kein Problem ist.

Nach einer langen Dusche kann ich mich anscheinend noch immer nicht entspannen, obwohl das Wasser sich wunderbar angefühlt hat. Ich streife Leggings und ein Tanktop über, lege mich ins Bett und ziehe mir die Decke bis zum Kinn. Ich ertappe mich dabei, die Zimmerdecke anzustarren, und wünsche mir, ich würde nicht jedes Mal hochschrecken, wenn irgendwo etwas poltert.

Beim Gedanken an Cole kommen mir die Tränen. Ich frage mich, ob er an mich denkt. Wahrscheinlich nicht so, wie ich es möchte. Ich möchte ihn so dringend anrufen, um herauszufinden, ob er jene Worte tatsächlich so gemeint hat, aber ich kann’s nicht. Ich darf keine Schwäche zeigen. Ich muss stark bleiben. Geistesabwesend streiche ich über die Stelle neben mir, spüre die Kühle des Lakens dort und zucke zurück. Oh, ich vermisse ihn so sehr! Ich würde alles tun, um ihn genau jetzt riechen zu können. Dann fällt mir etwas ein, und meine Füße knallen auf den kalten Holzboden. Ich rase zur rechten oberen Schublade meiner Kommode, reiße sie auf und ziehe Coles Tarn-T-Shirt heraus. Sein Name, Logan, schlingt sich fast wie sein Arm um meinen Rücken. Ich sehe mich im Schlafzimmer um und komme zu dem Entschluss, dass das einfach noch nicht reicht, also greife ich mir meine Wolldecke und das Kissen. Statt ins Bett zurückzugehen, begebe ich mich ins Wohnzimmer, wo ich den Fernseher anschalte und es mir auf dem Sofa, mit dem Gesicht zur Tür, gemütlich mache. Die nächsten vier Stunden verbringe ich damit, mir Wiederholungen von Der Prinz von Bel-Air anzuschauen.

Um neun Uhr morgens höre ich ein Klopfen an der Tür. Keith kann es nicht sein – er schreibt immer eine SMS, wenn er im Haus ist. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen, spähe durch den Spion und lache, öffne die Tür und habe Jake vor mir, in Fleece-Pyjamahosen und mit einem leeren Becher, und sein Haar steht in alle Richtungen ab.

»Ich rieche Kaffee«, stöhnt er, als wäre er immer noch nicht richtig wach.

Ich öffne die Tür weiter und lasse ihn ein. »Schlafwandelst du?«, scherze ich, während ich sämtliche Schlösser wieder hinter ihm verriegele.

Seine Augen sind immer noch Schlitze, aber ich bemerke, dass ihm mein Bett auf dem Sofa und Coles Shirt nicht entgehen. »Wirst du mir in diesem Fall etwas von diesem köstlich duftenden Kaffee abgeben?«

»Komm schon«, lache ich und winke ihn zur Küche. Jake lässt sich auf einem Barhocker nieder, während ich damit beschäftigt bin, uns beiden einen Becher einzugießen. »Prost!« Ich stoße mit ihm an, und er grinst, als er an dem Gebräu nippt.

»Teufel nochmal, was ist denn das?« Zuerst glaube ich, er würde mir Vorwürfe machen, aber sein Gesicht besagt das Gegenteil.

Ich lehne mich mit der Hüfte an die Theke und werfe ihm einen Blick zu. »Ich habe dem Kaffee etwas beigemischt.«

»Savi, dir ist hoffentlich klar, was du getan hast«, sagt er mit einem fiesen Grinsen. »Von jetzt an bist du mein Morgen-Date.«

Ich lächele. Siehstdu,Savi,Fortschritt. Jake und ich verbringen den restlichen Tag unter der Wärme meiner Wolldecke. Ich kann völlig locker mit ihm umgehen. Mit ihm ist mir niemals unbehaglich zumute, und ich denke, wenn Zack ihm vertraut, kann ich das auch. Wir bestellen Pizza und sehen uns bis eine Stunde vor Beginn unserer Schicht eine endlose Serie von Louie-C.K.-Sitcoms an. Keith schreibt mir mehrmals eine SMS, und ich versichere ihm, dass es mir gut geht, weil ich ... im Augenblick. Ich habe eine Freundschaft geschlossen.

»Savi, kann ich dich etwas fragen?«, sagt Jake und bearbeitet seine schmierigen Finger mit einer feuchten Serviette. »Wer ist Logan?« Angesichts dieser Frage bin ich völlig baff, bis er auf den Rücken meines T-Shirts zeigt. Oh. »Sieht aus wie ein echtes Armee-Shirt, und ich vermute, dass du nicht bei den Streitkräften bist.«

»Er ist ... war mein Freund.« Ich stocke und spüre dieses Messer im Herzen.

Jake nickt und rückt herum, sodass er mein Gesicht sieht. »War es etwas Ernstes?« Ich nicke. »Ist er immer noch hier?«

»Ja, es war erst vor Kurzem Schluss, also tut es immer noch ganz schön weh.« Meine Stimme hebt sich kaum über ein Flüstern.

Er lächelt und legt das Kinn auf die Hand. »Du liebst ihn, nicht wahr?«

»Ja.«

»Ist echt Scheiße, jemanden zu lieben und nicht bei ihm zu sein.« Er seufzt.

Ich spüre, dass er vielleicht auf etwas in seinem Leben anspielt, aber ich dränge ihn nicht. »Ja, allerdings.«

»Warum habe ich das Gefühl, dass du ziemlich etwas hinter dir hast, Savannah ...?« Er wartet auf meinen Nachnamen, aber ich zögere. Einen Moment lang beobachtet er mich. Ich sehe, wie er nachdenkt, dann strahlt er über das ganze Gesicht. »Na schön, lassen wir es für heute gut sein. Wir müssen zur Arbeit. Ich warte in fünfundvierzig Minuten draußen vor deiner Tür auf dich. Und unternimm um Gottes Willen etwas mit diesen Haaren!« Er lacht und schnappt sich ein weiteres Stück Pizza, als er zur Tür hinausgeht.

Wir kommen rechtzeitig zur Arbeit, und der Abend vergeht rasch.

»Ihr beide seht toll aus!«, ruft Zack und klatscht in die Hände. Jake und ich verströmen unseren »Bar-Flare« und finden, dass wir ein ziemlich gutes Team sind. »Oh, Jake, dein Vater hat wieder angerufen.« Jake wird blass, und Zack fügt rasch hinzu: »Ich habe ihm gesagt, dass du nicht mehr hier arbeitest.«

»Okay.« Mehr erwidert Jake nicht. Also hat Jake ebenfalls eine Geschichte.

Das Handy in meiner Tasche surrt, aber ich nehme mir nicht die Zeit nachzusehen, weil ich ein ganzes Snowboard-Team an einem Tisch in der Nähe des Fensters zu bedienen habe. Ich schnappe mir das iPad und eile hinüber, um die Bestellungen aufzunehmen. Zum Glück wollen sie alle dasselbe, sechs Budweiser Light. Sobald sie versorgt sind, mache ich mich zurück zur Theke auf, wo Don von gestern Abend einen Scotch hinunterkippt, pur.

Jake zeigt mir einen verärgerten Gesichtsausdruck und reicht mir die Rechnung des Typen. »Der Armleuchter will dich. Er war ziemlich angepisst, dass ich ihm seinen ersten Drink gemacht habe, weil man anscheinend total Scheiße bauen kann, wenn man einen Scotch in ein Glas gießt ... Idiot.«

Ich verdrehe die Augen und muss ihm recht geben, aber auch sowas gehört zum Geschäft.

»Don«, sage ich ohne einen Funken Gefühl, »möchten Sie gern noch einen?«

Er leckt sich die Lippen und starrt meine Brüste an. »Ja. Sicher.« Er hält mir sein Glas entgegen, und als ich danach greife, streift er mir mit der freien Hand über den Arm. »Was für eine schöne Frau.«

Ich weiche zurück, hole ein neues Glas von der Bar und drehe ihm beim Einschenken den Rücken zu. Ein seltsam prickelndes Gefühl fährt mir das Rückgrat hinauf. Ich schaue mich um und erstarre, denn ich sehe Cole in der Tür stehen, der mich beobachtet. Er trägt ein dunkles Hemd und dunkle Hosen, und sein Jackett hat er über den Arm gelegt. Langsam kommt er zur Bar und stützt sich auf die Theke. Die ganze Zeit über liegt sein brennender Blick auf mir. »Ist der jetzt für mich oder für dich?« Dons arrogante Stimme durchbricht die Anziehungskraft, die Cole auf mich ausübt. Ich stelle Don den Drink hin und muss mich an der Theke abstützen.

Cole zerrt an seiner Krawatte, löst sie und wirft sie neben meiner Hand auf die Theke. Ich widerstehe dem Drang, sie mir an die Nase zu halten und seinen berauschenden Duft einzuatmen. Stattdessen schenke ich ihm einen Brandy vom obersten Regal ein und stelle das Glas vor ihn. Dann hebe ich langsam meinen Blick und erwidere den seinen.

»Danke sehr.« Er nickt und nimmt einen langen Schluck aus dem Glas.

Ich bringe meine ganze Stärke auf und versuche, so zu tun, als hätte seine Anwesenheit keinen Einfluss auf meinen Körper. »Bist du weg gewesen?« Ich wische einen nicht-existenten Tropfen mit dem Putztuch weg.

»Ich bin gerade aus Washington zurück.« Er seufzt und reibt sich den Kopf.

»Warst du noch nicht zu Hause?«, entfährt es mir.

»Nein. Ich war noch nicht zu Hause.« Sein Blick begegnet dem meinen, hält mich wie gefangen, und sein Mund ist feucht vom Drink.

»Du hast einfach einen Drink gebraucht?«

Er schüttelt den Kopf. »Alte Gewohnheit.« Seine Augen wandern zu meinen Lippen, und alles in mir bettelt darum, mich vorzubeugen. Meine Zunge schießt heraus, weil meine Lippen nach Feuchtigkeit lechzen. Wenn wir in diesem Augenblick allein wären, würde ich nachgeben, das weiß ich.

»Süße, kann ich etwas zu essen bestellen?«, fragt Don, offenbar verärgert, dass ihm so gar keine Aufmerksamkeit geschenkt wird. Ich schließe die Augen und gebe mir Mühe, dieser Seifenblase zu entkommen. Ich drehe mich um und entdecke, dass Don mit einer Speisekarte wedelt. »Ich nehme ein Steak, medium, mit Pommes frites und Krautsalat.«

»Sonst noch etwas?«

Er greift in seine Gesäßtasche, zieht etwas heraus, beugt sich vor und steckt mir den Schlüssel zu seinem Hotelzimmer in den Ausschnitt. Ich werfe ihn auf die Theke, als ich mich abwende, und höre ihn lediglich kichern. »Du wirst bald nachgeben, meine Süße.«

Im Spiegel vor mir fange ich Coles mörderischen Gesichtsausdruck auf, aber er bleibt auf seinem Hocker sitzen.

Den ganzen Abend über verharrt Cole auf seinem Hocker, spricht kaum ein Wort mit mir, sondern beobachtet bloß. Don ist besonders aufdringlich, was äußerst ärgerlich ist. Jake ist beschäftigt, fragt jedoch, ob Zack diesen Don hinauskomplimentieren soll. Ich lehne ab, weil er an den letzten beiden Abenden bereits mindestens zweihundert hiergelassen hat. Ich komme selbst mit ihm klar.

»Dreißig Minuten«, ruft Jake mir zu, was bedeutet, in fünfundsechzig Minuten im Bett. »Wirst du heute Nacht überhaupt irgendwie schlafen?«

»Was soll das?« Ich fahre auf dem Absatz herum.

»Komm schon, Savi, auf dem Sofa schlafen und deine Augen verquollen vom Weinen. Lüg mich nicht an, Mädel. Ich kenne mich mit Schlafmangel aus, wenn ich ihn sehe.« Ich werfe Cole, der natürlich nach wie vor auf der Lauer ist und uns zuhört, einen verstohlenen Blick zu.

»Logan«, ruft eine Stimme, und Keith nimmt einen Hocker neben Cole.

Jake fängt meinen Blick auf, sieht mit einer gehobenen Braue zu Cole hinüber und zeigt mit dem Finger auf ihn. Dann richtet er ihn langsam auf mich. »Ohhh, ernste Sache.« Ich zerre an seinem Arm, weil er damit aufhören soll, und bettele ihn an, den Mund zu halten. Er grinst jungenhaft und zwinkert mir langsam zu. »Ich gehe mal los, für uns ausstempeln.«

»Danke«, murmele ich und gebe mir Mühe, die Röte im Gesicht zu unterdrücken, die vorhanden sein muss, wie ich genau weiß. Ich drehe mich um, wische die Theke ab und sehe Zack auf uns zukommen, der die Jungs anlächelt.

»Savi, du machst dich großartig! Alle finden es toll, dass du hier bist.« Zack kommt um die Theke und klatscht mich ab. »Ich habe gehört, einer der Gäste ist etwas zudringlich.«

»Nichts, womit ich nicht klarkomme«, versichere ich ihm.

»Wer?«, fragt Keith Zack, mich überhörend.

Zack lehnt sich an die Theke. »Er kommt einmal im Monat her, arbeitet für eine Sportzeitschrift. Kleines Arschloch, aber nichts, weswegen man sich Sorgen machen muss. Abgesehen davon hat Jake ein Auge auf sie, also wird ihr nichts passieren.«

Cole steht auf und kommt hinter die Theke, um sein Glas auszuspülen, nur Zentimeter von mir entfernt. Ich spüre seine Wärme, und ich gebe nach und nehme heimlich einen Atemzug seines verführerischen Dufts. Sobald der Duft meine Sinne bestürmt, muss ich weggehen. Er ist wie ein Tritt direkt in die Eingeweide. Ich gehe zu meinem Spind hinaus, um meinen Mantel zu holen und die Boots anzuziehen. Ich sinke auf die Bank und spüre die Müdigkeit in sämtlichen Knochen. Die drei Blocks nach Hause erscheinen mir wie zehn.

»Es gefällt mir nicht, dass du hier arbeitest.« Coles Körper füllt den Türrahmen. Er wirkt besorgt, als er sich mit seinem vollem Gewicht an die Wand lehnt.

Ich stehe auf und werfe mir die Tasche über die Schulter. »Mir geht’s gut.«

Ich höre seinen Seufzer. »Savi ...«

Gerade im Augenblick will ich nicht über uns sprechen. Ich bin zu müde. »Muss ich in Washington aussagen?«

Er stößt sich von der Wand ab und kommt ein paar Schritte auf mich zu. Ich packe den Riemen meiner Tasche, damit ich nicht die Hand nach ihm ausstrecke, um ihn zu berühren. »Ja.« Bei diesem Wort fällt mir das Herz in die Hose, ich vergrabe die Zähne in meiner Unterlippe, und mein Kinn beginnt zu zittern.

»Wann?«, frage ich und starre den Fußboden an.

»Noch nicht sicher, aber Frank möchte dich zwei Tage vorher dort haben, damit er dich vorbereiten kann.« Seine Schuhe geraten in mein Blickfeld. Er ist so nahe, und ich kann nicht nachdenken, wenn er so nahe ist.

»Du wirst auch gegen Lynn aussagen.« Diesmal fährt mein Blick ruckartig hoch zu seinem. Darauf war ich nicht vorbereitet. Ich habe mich immer noch nicht der Tatsache gestellt, dass meine beste Freundin das Gehirn hinter meiner Entführung war, diejenige, die einen Dreier mit meinem Vater und einem Mann hatte, in dem ich meinen Onkel gesehen hatte. Meine Hand fliegt zu meinem Magen, der Raum beginnt zu schwanken, und Cole streckt die Hand aus, um mich zu halten. Ich weiche zurück, brauche bloß einen Moment. »Ich möchte dich berühren«, flüstert er.

»Geht nicht.«

»Warum?«

»Ich werde fallen.« Ich gehe um ihn herum zurück in die Bar, wo Zack mit Keith im Gespräch ist, aber ich fange seine geflüsterten Worte auf.

»Darüber haben wir früher schon gesprochen.«

»Savi, warum bist du heute nicht ins Haus gekommen? Ich habe auf deinen Anruf gewartet. Ich hätte kommen und dich holen können.« Keith zieht sein Jackett aus. »Ich wäre sowieso fast gekommen, als ich deine Ein-Wort-SMS bekommen habe.«

»Wäsche«, gebe ich zur Antwort, nehme mein Trinkgeld von der Bar an mich und schiebe es in meine Tasche. Es ist eine lausige Lüge, aber ich bin zu müde, um mir etwas anderes auszudenken. »Bis morgen dann, Zack.« Ich winke und mache mich auf zur Tür.

Draußen wartet Jake mit einem merkwürdigen Ausdruck im Gesicht, aber als er erkennt, wie müde ich bin, knipst er ein Lächeln an. Sein Blick geht hoch über meine Schulter, noch bevor ich Cole nach mir rufen höre.

»Ich fahre dich heim«, sagte Cole, tritt hinter mich und knöpft dabei sein Jackett zu. »Es friert.«

Es friert, und meine Hände sind bereits zu Eis erstarrt, aber ich muss stark sein. Andere Leute, die die Shadows verlassen, haben keine Armeeangehörigen, die sie nach ihrer Nachtschicht heimfahren. »Nein, danke. Ich finde, das Laufen hilft, mich zu entspannen.« Noch eine Lüge. »Abgesehen davon wartet Jake.« Ich zeige über meine Schulter.