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Die Fesseln der Vergangenheit symbolisieren unsere noch nicht aufgelösten Ängste, unsere selbst auferlegten Rollen, die Macht anderer über uns und vieles mehr, was uns hindert, zu uns selbst zu finden. Dieses Buch zeigt Ihnen 9 Wege auf, wie Sie sich von diesen Fesseln befreien und Ihren Prozess der Ganzwerdung fördern können. Neben tiefen Einblicken in das Leben zartbesaiteter Menschen mit all seinen Herausforderungen berücksichtigt die Autorin auch die Lehren des Laotse. Somit verbindet sie fernöstliche Philosophie mit wissenschaftlicher Psychologie auf inspirierende Weise. Viele Fallbeispiele und zahlreiche Übungen bieten zusätzlich einen hohen Praxisbezug. Es entsteht ein faszinierendes Substrat aus psychologischem Wissen, philosophischen Erkenntnissen und wertvollen Handlungsempfehlungen. Sie erfahren, wie Sie Ihre wahren Potenziale wiederentdecken, nicht gelebte Persönlichkeitsanteile zum Vorschein bringen und so manche Blockaden lösen können. Das Jetzt wird Ihnen in einem gänzlich neuen Licht erscheinen.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
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BEFREIE DICH VON DEN FESSELN DER VERGANGENHEIT, Caroline Makovec
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Einband und Buchlayout. dielus edition
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und des Innenteils: ©iStock.com/Zenina
Buchsatz: dielus edition
Lektorat: Maren Klingelhöfer, www.maren-klingelhoefer.de
ISBN: 9783819407772
Made and printed in Germany
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über https://portal.dnb.de
Gewidmet dem inneren Kind in jedem von uns,das immer noch viel zu oft glaubt,nicht gut genug zu sein und meinem Vater,der mich gelehrt hat, an meine Träume zu glauben.
Aus dir gezogen,wie der Spross eines alten Geschlechts von Weisen und Sehern, entspringt sie ganz der Blüte des vollen Monds.
Umrankt von den Dornen des Lebens,
geht sie ihren einzigartigen Weg,
hält niemals an, um lange zu verweilen, sondern übt
sich stets im Loslassen und im Empfangen von Neuem.
Aus dir gezogen, steht sie aufrecht und lässt die Lasten
des Lebens von ihren Schultern gleiten,
ihr langes Haar verschlungen in ihrem Nacken,
dem Fluss des Lebens gleich, verschlungen und doch klar,
so geht sie durch ihr Leben.
Gibt sich hin den Untiefen des Wassers
im Wissen, sicher getragen zu sein,
von einer Macht, die um so viel größer scheint,
als von ihrem Verstand zu erfassen,
und die doch so sanft und liebevoll ihr ganzes Leben lang
ganz sacht und leise an die Tür zu ihrem Herzen klopfte.
Bis sie sie einließ und ihr inneres Feuer von ihr
entzündet wurde, an dem sie sich nun wärmt,
wann immer es draußen kalt und unstet wird.
Dieses Feuer in ihrem Herzen,
das von nun an niemals mehr ausgeht,
hat sie mit Frieden erfüllt,
mit der Wonne puren Seins,
das frei von Bewertung und Urteil seine wärmenden
Strahlen in die Herzen der anderen entsendet,
um dort ein Echo zu erzeugen.
Und dann lässt sie sich davontragen,
von dem stillen Flüstern ihres Herzens,
geborgen und genährt von dieser Stimme, die ihr sagt:
Ich liebe dich.
HAFTUNGSAUSSCHLUSS
Wie in jeder Wissenschaft gibt es auch in der Psychologie ständig neue Erkenntnisse. Sowohl durch die Forschung als auch durch klinische Erfahrungen ändern sich die Behandlungen und Therapien fortlaufend.
Die in diesem Buch enthaltenen Ratschläge, Hinweise, Übungen oder sonstige Inhalte werden von der Autorin und dem Verlag nach bestem Wissen und Gewissen publiziert.
Ansprüche an die Autorin oder an den Verlag auf Ersatz bei jeglichem mittelbaren und unmittelbaren Schaden sind ausgeschlossen, denn dieses Buch gibt keine Anleitung zur Selbsttherapie.
Alle aufgeführten Aussagen der Autorin erheben keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Sie sollen Leser oder sonstige Betroffene lediglich informieren und müssen im Einzelfall individuell angepasst werden.
Dieses Buch kann eine fachärztliche, psychologische oder therapeutische Behandlung nicht ersetzen.
INHALT
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Vorwort
TEIL IFeinfühlige und zartbesaitete Menschen: Herausforderungen auf ihrem Lebensweg
1 Meine eigene Geschichte
2 Feinfühlig und zartbesaitet: Besonderheiten
3 Intuition: Anlage, Abkehr und Rückbesinnung
4 Auswirkungen mangelnder Empathie auf zartbesaitete Kinder
5 Feinfühligkeit, Verletzlichkeit und Resilienz
TEIL II 9 Wege, sich von den Fesseln der Vergangenheit zu befreien
1 Bewahre stets das Kind in dir
2 Tritt vom Dunkel ins Licht
3 Folge deiner Intuition
4 Sei authentisch
5 Liebe dich selbst
6 Gib dich hin
7 Erlange wahre Zufriedenheit
8 Übe dich in der Kunst des Nichtstuns
9 Akzeptiere den Tod
Epilog
Quellenverzeichnis
Aus Gründen der Lesbarkeit wurde im Text vorwiegend die männliche Form gewählt, dennoch beziehen sich die Angaben auf Angehörige beider Geschlechter.
Zartbesaitete Menschen nehmen in der Außen- wie in der Innenwelt sehr viel wahr und können sich gleichzeitig kaum abgrenzen. Sie haben deshalb ein starkes Bedürfnis nach Ruhe und Rückzug. Zudem sind sie oft viel zu kritisch im Umgang mit sich selbst. Da du dieses Buch in Händen hältst, ist anzunehmen, dass auch du zu diesen Menschen gehörst.
○ Hast du das Gefühl, einfach anders zu sein, und wünschst dir, den Schmerz, den dies in dir auslöst, endlich hinter dir lassen zu können?
○ Leidest du aufgrund deines zartbesaiteten Wesens unter mangelnder Selbstliebe oder starken Selbstzweifeln und hoffst, dich bald so lieben zu können, wie du bist?
○ Hast du als feinfühliger Mensch schwierige Beziehungserfahrungen in deiner Kindheit oder deinem Erwachsenenleben gemacht, die dich prägen und sich auf dein körperliches und psychisches Wohlbefinden und deine Fähigkeit, mit anderen Menschen tiefe, erfüllende Beziehungen zu leben, negativ auswirken?
○ Sehnst du dich danach, von deinem Umfeld endlich mit all deinen Gaben und deiner zarten Stärke gesehen zu werden und die aufrichtige Liebe und Wertschätzung zu bekommen, die du verdienst?
Dann hat dieses Buch zum richtigen Zeitpunkt zu dir gefunden, um dich auf deinem Weg zu dir selbst zu begleiten.
Im ersten Teil erzähle ich dir zunächst über mein Leben als sehr feinfühlige Frau. Im Anschluss werde ich auf das Thema Feinfühligkeit und Zartbesaitetsein, die damit verbundenen Aufgaben und Herausforderungen sowie auf die belastenden Prägungen deiner Kindheit eingehen. Eine förderliche Auseinandersetzung mit deiner Vergangenheit ist die Voraussetzung, um persönliche Freiheit zu erlangen. Und schließlich zeige ich dir im zweiten Teil dieses Buchs neun Wege auf, die alte Wunden heilen lassen.
Ich lade dich ein, dich mit mir auf die Reise zu begeben. Sie wird uns zu den Höhen und Tiefen, die die Gabe des Zartbesaitetseins mit sich bringen kann, führen.
Caroline Makovec
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Seit meiner Kindheit habe ich mich anders gefühlt als die Kinder um mich herum, ernster als meine gleichaltrigen Freunde und Freundinnen, berührbarer von den Vorkommnissen zu Hause und in der Schule, offener für die oft unausgesprochenen Bedürfnisse meiner Eltern, Lehrer und einfach all der Menschen in meinem Umfeld. Erst in den letzten Jahren ist mir rückblickend bewusst geworden, dass ich zu den zartbesaiteten Menschen gehöre und bereits in meiner Kindheit sehr feinfühlig war.
All das, was mich als feinfühlige Frau heute ausmacht, was ich für mich nun zum größten Teil als Geschenk ansehen und annehmen kann, habe ich über viele Jahre meiner Kindheit als sehr belastend erlebt, vor allem, weil ich mich im Vergleich mit anderen immer irgendwie falsch gefühlt habe – nicht gut genug, nicht schön genug, nicht laut genug, zu klug, zu differenziert in meiner Wahrnehmung, zu sensibel –, um dazuzugehören.
Damals wusste ich weder etwas über Feinfühligkeit noch hatte ich eine Vorstellung davon, dass ich ihre Schattenseiten erleben musste, um letztlich die Gaben entdecken zu können. Ich tat mich zu jener Zeit schwer, mich so, wie ich war, anzunehmen, und aus diesem Grund war die Schulzeit für mich eine belastende Erfahrung.
Heute weiß ich, was Feinfühligkeit ist. Höchst feinfühlig oder zartbesaitet zu sein bedeutet, sehr feine Sinne zu haben, wenn es um das Wahrnehmen von Emotionen, Stimmungen, Befindlichkeiten und Wünschen anderer Menschen geht. Oftmals sind sie mir sogar früher bewusst als diesen Menschen selbst. Dieses Einfühlungsvermögen in andere Menschen hat die Schattenseite, dass Feinfühlige oft die eigenen Bedürfnisse zurückstellen, um den Vorstellungen der anderen zu entsprechen. Aus diesem Grund lassen sie auch häufig zu, dass ihre Grenzen überschritten werden und sie sich zu wenig schützen.
Durch diese feinen Sinne und mein Einfühlungsvermögen habe auch ich bereits als Kind spüren können, was meine Eltern, Freunde und andere Menschen gefühlt und von mir erwartet haben. Von mir darauf angesprochen, waren die Reaktionen der anderen aber oft irritierend oder sogar verletzend. Oft bekam ich Sätze wie „Das bildest du dir doch nur ein“ oder „Sei nicht so empfindlich“ zu hören. Da ich glaubte, nicht gut genug zu sein, und mich nicht verstanden fühlte, habe ich mich oft von der Außenwelt zurückgezogen und eine Angst davor entwickelt, mich so zu zeigen, wie ich bin.
Und aus eben dieser Angst, die Liebe meiner Eltern und Freunde zu verlieren, habe ich begonnen, die Gabe meiner besonderen Feinfühligkeit abzulehnen, sie als Schwäche zu betrachten. So habe ich mir schließlich einen Panzer angelegt, um mich zu schützen und meine Sensibilität zu verstecken.
Dieses Ablehnen und Leugnen eines ganz wesentlichen Teils meiner selbst hat sich auf mein Selbstvertrauen und auf meine Identität ausgewirkt. Ich wusste lange nicht mehr, wer ich eigentlich bin, und deshalb habe ich mir eine Maske aufgesetzt, um mich anzupassen. Innere Leere und fehlende Authentizität waren der Preis.
Ich habe mich selten als das Kind gesehen, das ich eigentlich war, und konnte mich somit auch nicht für meine Einzigartigkeit schätzen. Stattdessen versuchte ich, mich als Mensch zu präsentieren, der ich in den Augen anderer sein sollte.
Ich wurde dafür belohnt, wenn ich funktionierte und um meine eigenen Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse nicht viel Aufhebens gemacht habe. Ich habe früh gelernt, dass ich dafür geliebt werde, wenn ich keine Probleme mache, mich anpasse und zur Verfügung stehe, wenn andere Menschen mich brauchen.
Diese frühkindlichen Prägungen haben mein weiteres (Beziehungs-)Leben nachhaltig beeinflusst. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis ich gelernt habe, mich nicht mehr nur durch meinen Intellekt zu definieren, oder dadurch, was ich für andere Menschen tue. Erst dann habe ich erkannt, dass ich ein zufriedenes, erfülltes Leben verdiene, einfach weil jeder Mensch ein solches Leben verdient. Doch zunächst haben sich die Muster meiner Kindheit in meinen späteren Beziehungen wiederholt.
Ich habe in meinen Liebesbeziehungen über viele Jahre die Bedürfnisse meines jeweiligen Partners über die meinen gestellt, habe meine Bedürfnisse oft gar nicht wahrgenommen. Ich zeigte mich stets fröhlich, unbeschwert, unkompliziert. Und dahinter stand für mich wieder diese Angst, alleine nicht (über-)lebensfähig zu sein. So wiederholte ich immer und immer wieder die symbiotische Beziehung meiner Kindheit, indem ich von meinen Partnern in Abhängigkeit geriet.
Erst als mir mein Körper vor einigen Jahren durch einen massiven Erschöpfungszustand signalisierte, dass es so nicht weitergehen kann, habe ich mehr und mehr verstanden, dass ich mich verloren hatte. Ich nahm meine Symptome ernst und habe mich seither mit den Mustern meiner Kindheit auseinandergesetzt. Ich habe gelernt, meinen Gefühlen nachzuspüren, sie anzunehmen und mehr und mehr meiner inneren Stimme – meiner Intuition – zu vertrauen und mich von ihr leiten zu lassen.
Mittlerweile habe ich erkannt, dass es für mich nichts Wertvolleres gibt, als mich selbst zu lieben. Ich habe erkannt, dass ich die Einzige bin, die die Wunden meiner Kindheit heilen kann, und dass kein Partner mir das geben kann, was ich am meisten brauche: meine eigene bedingungslose Liebe.
Seither hat sich mein Umgang mit herausfordernden Momenten, die ich in meiner Familie nach wie vor erlebe – und in denen auch alter Schmerz kurz wieder aufflackern kann –, deutlich verändert. Denn ich habe erkannt, welche Stärke in meiner hohen Sensibilität und meinem Einfühlungsvermögen liegt und wie ich damit in meinem Leben und auch im Leben anderer Menschen wirken kann. Und so konnte ich meine Feinfühligkeit endlich wieder als wichtigen Teil meiner selbst zulassen. Dieses Zulassen war enorm heilsam für mich und hat es mir ermöglicht, auch die Schmerzen der Vergangenheit mehr und mehr hinter mir zu lassen.
Im Prozess meiner eigenen Heilung und der Integration alter, verwundeter Anteile durfte ich viel Neues lernen und in mein Leben aufnehmen.
Ich durfte mich neu kennenlernen. Ich durfte lernen, meine Bedürfnisse und Wünsche wahr- und ernstzunehmen.
Ich durfte erkennen, welche Gaben ich in mir trage und dass genau die Fähigkeiten, von denen ich als Kind dachte, dass sie die Erwartungen meiner Eltern und Freunde nicht erfüllen, mittlerweile meine größten Schätze sind.
Schließlich habe ich verstanden, dass es nicht meine Aufgabe ist, Menschen vor sich selbst zu schützen – ein Glaube, der meiner kindlichen Allmachtsphantasie entsprang –, sondern dass ich sie bestenfalls dabei begleiten kann, ihren Weg in ein bewussteres Leben zu gehen, wenn sie das selbst aus tiefstem Herzen möchten.
Nach Jahren des Versuchs, es nur den anderen recht zu machen, bin ich nun tatsächlich bei mir selbst angekommen, indem ich meine Erwartungen an mich selbst und andere mehr und mehr losgelassen habe. Inzwischen bin ich dankbar für das Positive, das Gute, das Geschenk, das in dieser Erfahrung ebenfalls für mich verborgen liegt und das ich mittlerweile annehmen kann.
All meine bisherigen Erfahrungen mit herausfordernden Beziehungen in meinem Leben lehren mich Demut – denn ich habe erkannt, dass ich nicht jedem Menschen helfen kann und das auch gar nicht muss:
○ Diese Erfahrungen lehren mich Dankbarkeit – für alles, was ich durch sie erkennen, annehmen und auflösen durfte und darf.
○ Sie lehren mich, wie wichtig es ist, Grenzen zu setzen und meine eigenen Bedürfnisse mindestens ebenso wichtig zu nehmen wie die Bedürfnisse anderer.
○ Sie lehren mich, daran zu glauben, dass Veränderung möglich ist, wie schwierig die Umstände auch sein mögen.
○ Sie lehren mich, dass Liebe unterschiedliche Gesichter haben kann – denn ich weiß, dass jeder Liebe auf seine Art und Weise zum Ausdruck bringt.
○ Sie lehren mich zu verzeihen, da nur das Verzeihen es ermöglicht, die Vergangenheit endgültig hinter mir zu lassen.
Auf diesen ersten Seiten hast du nun vieles über meine eigene Geschichte erfahren und vielleicht findest du dich ja sogar in dem ein oder anderen Detail wieder. Dennoch geht es dabei letztlich nicht um mich.
Meine Gaben der Feinfühligkeit und Empathie haben es mir nun in den letzten Jahren möglich gemacht, andere Menschen wie dich dabei zu unterstützen, ebenfalls eine neue Sichtweise ihrer Lebensgeschichte zu entwickeln und damit ihre Gegenwart sowie ihre Zukunft umzuschreiben.
So geht es mir in diesem Buch auch darum, dich zum Nachdenken darüber anzuregen, was dich die schwierigen Beziehungen in deinem Leben lehren. Mach dir doch für einen Moment darüber Gedanken – das ist es wert.
Die folgenden Impulse können dich bei diesem Prozess unterstützen (dabei geht es nicht um eine Bewertung im Sinne von richtig oder falsch, sondern darum, ehrlich mit dir zu sein und dadurch die ideale Ausgangslage für bewusste Veränderung zu schaffen).
1. Haben Streitigkeiten in deinen bisherigen schwierigen Beziehungen zu einer bewussten Auseinandersetzung mit deinem Gegenüber oder nur zu noch stärkeren Gefühlen von Mutlosigkeit und Frustration geführt?
2. Haben dich verletzende, irrationale, unangemessene Worte oder Taten deines Beziehungspartners auf unbewusste, vielleicht auch unvernünftige Art und Weise reagieren lassen? Hast du sie persönlich genommen?
Oder bist du emotional bestmöglich auf Distanz zu der Situation gegangen, indem du z. B. ein paar tiefe Atemzüge genommen hast, um dich dann erneut auf deinen Partner einzulassen und entschieden zu agieren, anstatt nur zu reagieren? Hast du vielleicht bewusst Grenzen gesetzt? Auf diese Weise kannst du die Kontrolle über die Ereignisse übernehmen.
3. Hast du versucht, dich in die Lage deines Gegenübers zu versetzen, indem du dir gesagt hast: „Es muss schwer sein für ihn?“ Bist du auf diese Weise auf sein Handeln vorbereitet, wirst du automatisch besser bei dir bleiben und gleichzeitig mehr Verständnis für die Position des anderen aufbringen können.
4. Wenn du in deiner Beziehung an einen Punkt gekommen bist, an dem du deine persönliche Grenze erreicht, dich in die Enge getrieben oder sogar gedemütigt gefühlt hast, was hast du dann gemacht? Hast du aufgeben oder hast du dich mutig zu dir selbst mit all deinen Stärken und Schwächen bekannt und Position gegenüber dem Menschen bezogen, der aus dir etwas machen wollte, was du nicht bist?
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Ich verwende die beiden Worte „feinfühlig“ und „zartbesaitet“ im Weiteren als Synonym für eine erhöhte emotionale Empfindsamkeit. In diesem Sinn kann Feinfühligkeit Gabe und Fluch gleichermaßen sein.
Feinfühligkeit befähigt Menschen zu außerordentlichen Wahrnehmungsleistungen. Feinsinnig zu sein bedeutet, ganz tief blicken zu können – in die Seele und die Herzen anderer Menschen. Somit ergründet Feinfühligkeit die tiefsten Wünsche, Sehnsüchte, Bedürfnisse, Ängste und Unsicherheiten anderer innerhalb eines Augenaufschlags. Sie erkennt die Wunden, die in Kinderseelen geschlagen wurden. Schönes und Hässliches empfindet sie sehr stark.
In ihrer erlösten Form geht es der Feinfühligkeit nicht um Selbstzweck, es geht ihr nicht um Befriedigung des eigenen Egos, sondern sie trägt ihr seidiges Gewand zum Wohle aller, die sich darin einhüllen wollen, sich darin gesehen, angenommen und getragen fühlen. Feinfühligkeit ist Wärme, Weichheit und Sanftheit. Sie gibt, oft ohne zu nehmen. Durch sie können tief Verwundete wieder leichter Glauben und Hoffnung fassen.
So lange sie noch unerlöst ist, wird sie aber auch zu einer Last für die, die sie tragen müssen. Sie schafft es, zu schöpfen und zu erschöpfen, sie kann bitterer Nektar sein für die, die sie in sich bergen. Sie ist gleichzeitig Schatz und Goldgräber an der eigenen Seele, die sich oft genug verschließen muss, um nicht der Gier des eigenen Egos nach Bestätigung sowie der Bedürftigkeit anderer zum Opfer zu fallen.
Sie strahlt in den hellsten Farben, wenn sie aus den Tiefen der Seele ans Licht kommt, und ist tiefschwarz und steinern wie ein Gefängnis, wenn sie Zwängen, Konventionen und der Anpassung unterworfen ist.
Feinfühligkeit ist wie eine zarte Blume, die geliebt, genährt, behütet und beschützt werden möchte, um gesund zu gedeihen, um sich und andere an ihrer Vollkommenheit zu erfreuen.
Es ist die Aufgabe von uns zartbesaiteten Menschen, dafür zu sorgen, dass unsere Feinfühligkeit ihr Potenzial in uns entfalten kann – ihr Potenzial zur Weitsicht, zur Innenschau, zu Tiefgang und Leichtigkeit. Sie lässt uns spüren und fühlen, was in uns selbst und anderen steckt, kann uns die Augen für die Wunder des Lebens öffnen und all das voller Liebe zum Ausdruck bringen.
Wenn wir unsere Feinfühligkeit akzeptieren, kann auch eine weitere Fähigkeit, unsere hohe empathische Begabung – also die Veranlagung, uns in andere Menschen einzufühlen und als verständnisvolle Zuhörer unsere Hilfsbereitschaft und Anteilnahme zum Ausdruck zu bringen – am gewinnbringendsten für andere, aber auch für uns selbst zum Einsatz kommen.
Und das wiederum setzt voraus, dass wir in erster Linie gut auf uns selbst achten. Denn wir können uns nur in andere einfühlen, wenn wir auch uns selbst wichtig nehmen.
Tun wir das nicht, geraten wir in Gefahr, uns mehr an der Außenwelt zu orientieren als an uns selbst. Damit verlieren wir aber auch den Zugang zu unserem mächtigsten Verbündeten, unserer Intuition.
Und genau diese intuitive Begabung – also die Einsicht in im Unbewussten abgespeicherte Informationen, die dem Verstand nicht direkt zugänglich sind und die weniger sensiblen Menschen verschlossen bleiben – bietet uns einen Zugang zu Bewusstseinsebenen, die oft mit einer erweiterten Wahrnehmung einhergehen.
Unsere Feinfühligkeit umfasst auch ein empathisches Verständnis für andere Lebewesen wie Tiere oder Pflanzen sowie eine nuancenreiche Wahrnehmung der Beziehung zwischen Menschen, Dingen und Situationen sowie von zukünftigen Entwicklungen. Besonders Letzteres stellt eine Gabe dar, die oft mit einer hellsichtigen Wahrnehmung der Zukunft verwechselt wird. Doch ist diese Begabung weniger eine tatsächliche Befähigung, Visionen von zukünftigen Ereignissen zu erhalten, sondern vielmehr ein intuitives Wissen, das sich nach eingehender Prüfung aus allen wahrgenommenen und verarbeiteten Reizen als logische Konsequenz einstellt.
Durch die oben erwähnte facettenreiche Wahrnehmung unterschiedlichster Formen von Beziehungsgeschehen haben wir im Allgemeinen eine gute Menschenkenntnis, spüren rasch, wenn „etwas in der Luft liegt“, wie Missstimmungen, Unstimmigkeiten oder Atmosphärisches allgemein (siehe auch Kapitel 3, Teil I).
Trotz all der augenscheinlichen Vorteile unserer Feinfühligkeit dürfen wir aber nicht außer Acht lassen, dass unsere Einschätzung doch auch einer gewissen Subjektivität unterworfen ist, die wir nicht ignorieren sollten, da uns sonst sehr wahrscheinlich immer wieder Fehldeutungen unterlaufen werden. Die damit verbundene Enttäuschung könnte im schlimmsten Fall dazu führen, dass wir unserer Intuition nicht mehr im selben Maß vertrauen können. Aber das können wir durchaus – und zwar dann, wenn wir zu unterscheiden lernen, wann unsere Prägungen, also unsere alten kindlichen Muster, aus uns sprechen, die unsere Wahrnehmung verzerren können, und wann es sich tatsächlich um unser intuitives inneres Wissen handelt.
Durch unser komplexes Innenleben und eine tiefere Art, zu reflektieren und nachzudenken, fühlen wir uns oft wohler, wenn wir alleine sind oder uns im Gespräch mit vertrauten, ähnlich feinfühligen Menschen befinden. Menschenmengen, wie sie auf Großveranstaltungen, in Einkaufszentren oder in öffentlichen Verkehrsmitteln anzutreffen sind, gehen wir wenn möglich aus dem Weg, was von anderen manchmal als menschenscheu oder gar ängstlich angesehen wird. Dies liegt in erster Linie allerdings an der Gefahr der Reizüberflutung, die gerade in solchen Situationen besonders groß ist. Je besser wir gelernt haben, uns in gesundem Maß abzugrenzen, umso leichter wird uns jedoch auch der Umgang mit den oben genannten Situationen fallen. Wir verlieren uns dann weniger in der Außenwelt, fühlen uns in uns selbst ausreichend gehalten und geschützt und können so in Übereinstimmung mit unseren individuellen Vorlieben auf eine für uns stimmige Weise am sozialen Leben teilhaben.
Abschließend möchte ich noch auf die Besonderheit der Denkprozesse feinfühliger Menschen eingehen. Unsere Fähigkeit, übergreifend und vernetzt zu denken, kann nach außen hin manchmal den Eindruck erwecken, dass wir langsam seien. Das genaue Gegenteil ist jedoch der Fall. Wir verarbeiten eine Unzahl an Eindrücken und Impulsen gleichzeitig, wägen Handlungsalternativen gründlich ab und entscheiden auf Basis unserer hohen moralischen und ethischen Vorstellungen. Dieser innere Prozess führt dann auch meist zu einem verantwortungsvollen, weitsichtigen, besonnenen Ergebnis.
Verlieren wir uns jedoch in all den Eindrücken und den daraus resultierenden Gedanken, kann diese Vielschichtigkeit zu einem Problem werden, weil sie unsere Handlungsfähigkeit lähmen und in belastendem Grübeln enden kann. Damit das nicht passiert, sollten wir lernen, unserer Intuition mehr zu vertrauen und Einfachheit zu kultivieren. Wie all das gelingen kann, erfährst du im zweiten Teil dieses Buches.1
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Mit feinen Sinnen werden viele, wenn nicht gar alle Menschen geboren. Als Babys und Kleinkinder haben wir noch einen guten Zugang zu unserer Intuition. Dieses Urwissen ist noch nicht vom Verstand oder den Anforderungen der Außenwelt überlagert.
Das Baby sieht sich noch auf gesunde Art und Weise als Zentrum seiner Welt. Zunächst geht es ihm um die Befriedigung seiner Bedürfnisse und erst, wenn diese gestillt sind, beginnt sich sein Interesse wieder in die Außenwelt zu verlagern. Es ist eine Art Tanz, ein harmonisches Miteinander von Innen- und Außenorientierung, von Befriedigung des Selbst und Inspiration durch äußere Reize.
Bei diesem zunächst selbstbestimmten Tanz übernehmen in den folgenden Jahren oft zunehmend die Stimmen der Außenwelt die Führung. Damit wird das Gefühl für die eigenen Bedürfnisse, das das Kleinkind noch verinnerlicht hat, mehr und mehr durch ein Erspüren der Bedürfnisse anderer Menschen ersetzt. Das eigene Universum, das das Kind zunächst noch für sich selbst darstellt, wird abgelöst durch ein Multiversum von Stimm(ung)en, Meinungen und Ratschlägen anderer, die dem Kind beizubringen versuchen, was es bedeutet, richtig zu leben.
Die lauten Stimmen in der Außenwelt machen es schwerer, der leiseren inneren Stimme der Intuition zu folgen oder sie überhaupt wahrzunehmen. Und so wird sie noch leiser und gerät mehr und mehr in Vergessenheit, während das Kind – mittlerweile bereits zum Teenager geworden – seine Sensibilität nur noch als lästiges Überbleibsel einer vergangenen Zeit versteht.
Wird die innere Stimme über Jahre verleugnet und wird ihr mit Unverständnis und Geringschätzung im Inneren wie im Äußeren begegnet, wenn sie sich doch einmal deutlicher zu Wort meldet, kann sie zunehmend von dem Glauben überlagert werden, dass man sich eine raue Schale zulegen müsse, um in dieser Welt zu bestehen. Das Öffnen nach innen wird mehr und mehr als Schwäche, als unnütze Spielerei verstanden, und so wird auch dieses intuitive Wissen letztlich in den äußersten Winkel des Bewusstseins verdrängt, vielleicht manchmal noch spürbar als ferne Sehnsucht nach Individualität, nach Verbundenheit mit einem tieferen Wissen oder nach innerer Orientierung.
Manchmal bedarf es einer Krise, damit wir uns wieder auf uns selbst zurückbesinnen. So beginnen wir, wieder hellhöriger zu werden und nach innen zu spüren, wenn die äußere Stabilität ins Wanken gerät. In diesen Zeiten des erzwungenen Rückzugs aus der Außenwelt gewinnt die Stimme der Intuition erneut an Bedeutung und stellt langsam, aber sicher das Gleichgewicht der Kräfte in unserem Leben wieder her.
Schließlich breiten die dunklen Begleiter ihre Schwingen aus, lösen damit ihre eiserne Umklammerung der Seele in Form von Depression, Angst und Selbstzweifel, die sie über eine lange Zeit niedergerungen haben, und steigen aus dem Unbewussten in die Höhen des Bewusstseins empor. Sie gelangen an die Oberfläche, an jenen Ort, wo sie letztlich von der Macht erlöster Sensibilität transformiert werden können.
Wenn der Mensch dieses Geschenk anzunehmen versteht, ist wieder alles möglich. Denn dann kehrt er zurück auf seinen eigentlichen Pfad, und durch seine Intuition und innere Weisheit gelenkt, wird er tiefe Leidenschaft, Erfüllung und inneren Frieden erfahren.
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Erfahrungen mangelnden Einfühlungsvermögens in die Bedürfnisse unserer Kinderseele waren gerade für uns sehr feinfühlige Menschen oft ein Grund, warum wir den Glauben an unseren Wert früh verloren und uns nicht mehr getraut haben, uns so zu zeigen, wie wir sind.