Bei Dir bin ich zuhause - Elke Werner - E-Book

Bei Dir bin ich zuhause E-Book

Elke Werner

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Beschreibung

Das Wagnis des Glaubens braucht Schritte ins Neuland und gleichzeitig Rückendeckung. Ebendies hat Elke Werner auf ihrer Lebensreise immer wieder erlebt. Was sie erkannt und erlitten, erfunden und erwartet, erforscht und erfahren hat, beheimatet sie ganz in dieser Welt und weist doch über sie hinaus. "Überall, wo wir hinkommen, ist Gott schon da und heißt uns willkommen. Bei ihm sind wir immer zuhause."

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Elke Werner Bei Dir bin ich zuhause

Bei dir bin ich zu Hause

Bei dir bin ich zu Hause Das habe ich erlebt Du schenkst mir Kraft für jeden Tag Die Kraft, die mich erhebt

Bei dir bin ich zu Hause Das habe ich erzählt Du bist mein Anfang und mein Ziel Der Gott, der mich erwählt

Bei dir bin ich zu Hause Das habe ich entdeckt Du zeigst mir, Herr, mein wahres Ich

Elke Werner

Bei Dir bin ich zuhause

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2016 by Fontis – Brunnen Basel

Umschlag: Spoon Design, Olaf Johannson, Langgöns Umschlagbild: bruniewska/Shutterstock E-Book-Vorstufe: InnoSet AG, Justin Messmer, Basel E-Book-Herstellung: Textwerkstatt Jäger, Marburg

ISBN (EPUB) 978-3-03848-604-6 ISBN (MOBI) 978-3-03848-605-3

www.fontis-verlag.com

Inhalt

Vorwort: Nach Hause kommen …

Teil 1: Erlebt

1. Bei dir bin ich zu Hause

2. Mit Gottes Augen sehen lernen

3. Ein besonderer Geburtstag

4. Etwas Farbe in Nairobi

5. Der Wasserturm in Abri

6. Die Nadel im Heuhaufen

7. Wunden heilen

8. Ein Angsthase wird mutig

9. Eine Kinderbibel für die Enkel

10. Gott – was ist das?

Teil 2: Erzählt

11. Der Turmbau zu Babel

12. Das Kollektenschwein

13. Radio Monte Carlo

14. Mao auf dem Wühltisch

15. Jamaikas Hoffnung

16. Kinder, Kinder …

17. Die Narbe bleibt

18. Mit wenig Geld glücklich sein

19. Unsere unbekannten Gäste

20. Wenn Gott redet …

Teil 3: Entdeckt

21. Das Schweigen brechen

22. Die Macht der Gedanken

23. Angst vor dem, was kommen könnte

24. Gemeinde leben – Gemeinde lieben

25. Unser Auftrag in der Gesellschaft

26. Vom Glauben reden lernen

27. Dankbarkeit – Kultur der Wertschätzung

28. Ein Blick in die Zukunft der Kirche

29. Fasten und Feiern

30. Vertrauen lernen

Eine Einladung: Bei Gott zuhause sein

Ein ganz persönliches Gebet

Nachwort: Die Arbeit von Elke Werner und WINGS

Vorwort: Nach Hause kommen …

Auch wenn ich den Film von Steven Spielberg nie ganz gesehen habe, die Szene, in der E.T. in der deutschen Fassung die Worte «nach Hause» so sehnsuchtsvoll ausspricht, ist mir vor Augen. Doch wo ist mein Zuhause? Das frage ich mich manchmal. Ist es immer gerade da, wo ich übernachte? Oder gibt es mehr als die Bindung an den Schlafplatz? Und was hat Gott damit zu tun?

In diesem Buch geht es um ganz verschiedene Aspekte des Lebens als Christ. Ich berichte von meinen Erfahrungen auf meinen Reisen in alle Welt und erzähle von dem, was mich dabei bewegt. «Erlebt» und «Erzählt», so sind diese beiden Teile überschrieben.

Im dritten Teil des Buches mit der Überschrift «Entdeckt» geht es mir um wichtige Aspekte eines Lebens als Christ, ganz konkret in dieser Welt, aber auch eines Lebens, das mit dem Blick in die Ewigkeit geführt wird. Denn dort, bei Gott, ist unser eigentliches und auch letztes und ewiges Zuhause. Und jetzt schon sollen unser Leben und unser Glaube die Wirklichkeit und Schönheit dieses neuen, ewigen Lebens widerspiegeln.

Ich nehme Sie in diesem Buch mit auf einige Reisen, nach Afrika und Asien, nach Jamaika und Leipzig – und in meine Heimatorte Duisburg und Marburg. Vor allem aber möchte ich Sie hineinführen in eine ganz persönliche Begegnung mit Gott, der es wirklich gut mit uns meint. Sind Sie bereit?

Elke Werner

Teil 1:

Erlebt

1 Bei dir bin ich zu Hause

Mein erstes Zuhause war bei meiner Familie in einer kleinen Wohnung in Duisburg-Meiderich, einem Arbeiterviertel, das im Krieg von Bomben zerstört worden war. Wir Kinder fanden die Trümmerfelder in unserer Umgebung toll, weil sie viel Raum zum Spielen und für aufregende Abenteuer boten. Direkt neben unserem Haus und auch an der Ecke unserer Straße gab es solche Felder, in denen wir die Butterblumen für unsere Haarkränze fanden, auf denen aber auch ab und zu der Zirkus gastierte. Sehr gerne bauten wir uns aus den dort herumliegenden Ziegelsteinen kleine Häuser, indem wir die Steine wie Umrisse der Räume auf den Boden legten und jedem so entstandenen Raum einen Namen gaben: Wohnzimmer, Küche usw. Ein mit viel Fantasie entstandenes zweites «Zuhause».

Gern zu Hause

Als Kind war ich jemand, der gerne zu Hause war. Kein Stubenhocker, aber sehr gerne am gleichen Ort. Vielleicht lag es daran, dass meine Eltern kein Geld für Reisen hatten und wir nur wenige Male in meiner Kindheit überhaupt Urlaub machten, und zwar in der Nähe von Paderborn. Jedes Mal hatte ich vorher große Ängste; jedes Mal war ich froh, hinterher wieder zu Hause zu sein. Vielleicht hat das noch mit den Kriegserfahrungen meiner Eltern zu tun, die sich auf mich als Kind übertragen haben.

Ich bin nicht gerne gereist. Die Klassenfahrt nach Saalbach-Hinterglemm zum Skifahren oder später die Abiturreise nach Paris kosteten mich im Vorfeld viele schlaflose Nächte. Ich hatte Angst um mein Zuhause. Ich wollte es nie verlieren. Es war der Ort, an dem ich mich bedingungslos geliebt wusste, sicher und geborgen war, ermutigt und gefördert wurde.

Als nach dem Abitur die Frage nach einem Studienplatz anstand, blieb ich in Duisburg und wohnte weiterhin zu Hause. Nicht zuletzt aus Kostengründen. Aber sicher auch, weil ich mich dort so wohl fühlte.

Zum Referendariat zog ich dann nach Marburg in meine erste eigene kleine Wohnung. Roland studierte dort. Wir waren verlobt, und das Verliebtsein half mir über den Trennungsschmerz von meiner bisherigen Heimat hinweg. Marburg wurde nun mein Zuhause und ist es bis heute geblieben. Auch wenn wir mehrmals innerhalb der Stadt umgezogen sind, ist diese mittelalterliche Universitätsstadt ein Ort, an dem ich gerne lebe. Marburg ist meine Basisstation, von der aus ich heute meine vielen Reisen unternehme.

Wie eine zweite Heimat

Zu Hause: Durch Rolands Sprachforschungsarbeiten sind wir fast jedes Jahr für einige Zeit im Orient unterwegs. Manche Orte dort sind mir so vertraut wie eine zweite Heimat. Ich habe in Ägypten und im Sudan – natürlich immer wieder mit großen Unterbrechungen – zusammengerechnet schon mehrere Jahre gelebt. Und weil wir als Christus-Treff seit 1993 ein Gästehaus in der Altstadt von Jerusalem führen, das altehrwürdige Johanniterhospiz, ist auch das Heilige Land genauso wie die Länder am Nil zu einer zweiten Heimat geworden. Und da ist schon der zweite Begriff, der mit zu Hause zu tun hat. Was ist meine Heimat?

Häufig, wenn ich aufgeregt bin, hört man an meinem Akzent, dass ich aus dem Ruhrpott komme. Natürlich falle ich auch in diesen Dialekt, wenn ich meine alte Heimat besuche. Ich bin geprägt vom Umgangston dort. Und der ist herzlich und direkt.

Als ich vor einigen Jahren mal wieder in Duisburg zu Besuch war, ging ich einkaufen. Auf einem Wühltisch sah ich schönen Modeschmuck. Da ich gegen Nickel allergisch bin, fragte ich die Verkäuferin, ob der Schmuck nickelfrei sei. Sie sah mich kurz an und sagte dann: «Wenn Sie allergisch sind, dann kaufen Sie doch nicht so einen Schei...» Ja, ich war wieder in der Heimat! Kurz und deutlich sagt man dort, was man denkt. Gefragt und ungefragt.

Geprägt von unserer Herkunft

Zu Hause: In den ersten Jahren, in denen mein Mann Roland, der auch aus Duisburg stammt, und ich in Marburg lebten, fragten uns Freunde manchmal, warum wir so viel streiten. Für unser Gefühl stritten wir aber gar nicht, sondern jeder sagte nur seine Meinung direkt und engagiert. Für die etwas zurückhaltenden Hessen war das schon ein rauer Ton, den wir an den Tag legten.

Zu Hause: Ich bin geprägt von der Schule, in die ich ging. Ein neusprachliches Gymnasium, nur für Mädchen. Fast das ganze Lehrpersonal war zu unserem Leidwesen weiblich. Wenn überhaupt einmal ein junger Lehrer an unsere Schule kam, waren wir hin und weg von ihm.

Was mich in meiner Schule nachhaltig geprägt hat, war die Konzentration auf das Sprachenlernen. Latein, Englisch und Französisch bis zum Abitur, ohne die Möglichkeit, einzelne Fächer abzuwählen. Das war damals häufig eine Qual. Heute bin ich dankbar dafür.

Zu Hause: Ich war in meiner Kindheit und Jugend da zu Hause, wo die «rheinische Fröhlichkeit» die Menschen und den Umgang miteinander prägt. Und auch davon habe ich etwas abbekommen. «Ich hab den Vater Rhein in seinem Bett geseh'n. Ja, der hat's wunderschön. Der braucht nie aufzusteh'n. Und rechts und links vom Bett, da wächst der beste Wein. Ach, wäre ich doch nur der alte Vater Rhein!» So sang mir mein Vater seine Lieder vor. Karneval und Rosenmontagszüge gehörten zu meiner Kindheit ganz natürlich dazu.

Zu Hause: Warum ich das alles erzähle? Weil ich davon überzeugt bin, dass unser erstes Zuhause uns prägt. Viel mehr, als uns bewusst ist. Nicht nur die schönen Erlebnisse, auch die ungelösten Konflikte in meiner Familie haben mich geprägt. Ich habe als Kind gelernt, damit umzugehen, und mir Strategien angewöhnt, Konflikte zu lösen, die nicht immer hilfreich sind. Unsere Heimat prägt uns, in allen Lebensbereichen.

Bewegt von Jesus Christus

Als Jugendliche lernte ich Jesus kennen. Mit siebzehn Jahren wollte ich, dass er mein Leben ergreift und mich führt. Mein Lebensplan war bis dahin, in Duisburg zu leben, zu heiraten oder Kinderdorfmutter zu werden, eine schöne Wohnung zu haben und ab und zu in den Urlaub nach Holland zu reisen. Doch Jesus hatte ganz andere Pläne mit mir. Das konnte ich schon bald erkennen.

Ich fuhr zu Missionseinsätzen nach Marokko und Südspanien, nach Frankreich und Italien. Ich lebte ein halbes Jahr in Assuan und Kairo, um etwas Arabisch zu lernen. Mein Horizont wurde immer größer. Viele Länder kamen hinzu, mittlerweile sind es mehr als fünfzig, in die ich gereist bin. Meine Vorstellungen von «zu Hause sein» änderten sich.

So erlebe ich das heute: Mein Zuhause ist da, wo ich mit Gott unterwegs bin. Und das kann an vielen Orten der Erde sein. Das «Zuhause» ist für mich der Schutzraum, den ich um mich habe. Wie eine Schnecke ihr Haus immer bei sich trägt und sich bei Gefahr dorthin zurückzieht, so weiß ich: Gott ist immer bei mir und gewährt mir seinen Schutz und die Geborgenheit, die ich brauche.

Unsere wahre Heimat

Wir dürfen wissen: Unser Leben hat eine Vorgeschichte. Gott sagt: «Ehe ich dich im Mutterleib bildete, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt, zum Propheten für die Völker habe ich dich bestimmt!» (Jeremia 1,5; EÜ).

Wir sind von Gott geschaffen und werden zu ihm zurückkehren. Unser eigentlicher und letzter Bestimmungsort ist im Himmel, in der Nähe Gottes. Diese Gegenwart Gottes erleben wir jetzt schon bruchstückweise. Es stimmt: In der Gegenwart Gottes bin ich als Mensch eigentlich ganz zu Hause. Gott schenkt uns unsere Lebenszeit hier auf diesem Planeten.

Diese Erde ist gut geschaffen, voller Schönheit und Wunder. Gott hat sie uns als Heimat geschenkt. Aber letztlich ist auch das nur eine Durchgangsstation. Wir dürfen das Leben hier genießen und uns Heimat bauen – und anderen Menschen Heimat geben. Und doch bleibt auch das bestehen: «Hier haben wir keine für immer bleibende Stadt, sondern wir halten Ausschau nach der Stadt der Zukunft» (Hebräer 13,14–15; das buch).

Als einige seiner Zeitgenossen sich dafür interessierten, Jesus nachzufolgen, wollten sie sich erst einmal sein Zuhause von Nahem ansehen. Doch Jesus hatte keinen festen Ort, an dem er lebte, sondern war unterwegs, um den Menschen Gottes Wirklichkeit nahe zu bringen: «Die Füchse haben ihre Fuchsbauten und die Vögel, die unter dem Himmel fliegen, ihre Nester. Aber der von Gott beauftragte Menschensohn hat noch nicht einmal einen festen Ort, wo er sich zum Schlafen hinlegen kann» (Lukas 9,58; das buch).

Unterwegs sein gehört also zum Zu-Hause-Sein bei Gott dazu. Gott steht als Schöpfer über allem und erfüllt die Erde mit seiner Gegenwart. Er hat sich nicht auf besondere Orte festgelegt und wohnt nicht in besonderen Häusern. Gottes Geist ist Bewegung. Er ist überall gegenwärtig und ansprechbar. Nichts ist ihm verborgen. Egal, wohin wir gehen, Gott ist schon da.

Diese Allgegenwart Gottes besingt David in seinem Psalm:

«Herr, du hast mich geprüft und kennst mich. Ob ich sitze oder wieder aufstehe, du weißt es. Meine Pläne durchschaust du schon von fern. Ob ich weitergehe oder mich ausruhe, du siehst es, und mit all meinen Wegen bist du vertraut. Ja, kaum kommt ein Wort auf meine Zunge, schon kennst du es, Herr, ganz genau. Von hinten und von vorn umgibst du mich und legst deine Hände auf mich. Dieses Wissen ist unfassbar für mich, ich kann es nicht begreifen. Wohin soll ich gehen vor deinem Geist? Und wohin soll ich fliehen vor deiner Gegenwart? Wenn ich hochstiege bis in den Himmel, dort bist du! Breitete ich mein Lager aus in der Unterwelt, wirklich, auch da bist du! Nähme ich die Flügel des Morgenrots und ließe mich nieder am fernsten Meer, würde auch dort deine Hand mich leiten, ja, deine rechte Hand mich halten. Selbst wenn ich sagte: ‹Nur Dunkelheit soll mich umhüllen und selbst das Licht sei für mich finster wie die Nacht!› Dann bleibt auch die Finsternis nicht finster bei dir, ja, die Nacht leuchtet wie der Tag. Ja, die Finsternis ist wie das Licht!»

Psalm 139,1–12; das buch

Im Himmel zu Hause

Schon zweimal war mein Leben durch eine Krebserkrankung bedroht. Beim ersten Mal rechneten die Ärzte jeden Moment damit, dass mein Leben zu Ende sein könnte. In dieser Situation habe ich mich sehr intensiv mit diesem himmlischen Zuhause beschäftigt. Jesus sagt über das ewige Leben, dass er für uns Wohnungen vorbereitet.

«Lasst euren Mut nicht sinken! Setzt euer Vertrauen auf Gott und vertraut auch mir! Das Haus meines Vaters hat viele Wohnungen. Das ist so! Denn sonst hätte ich euch nicht gesagt, dass ich dorthin gehe und den Ort für euch vorbereite. Und wenn ich dorthin gehe und den Ort vorbereite, werde ich wiederkommen und euch bei mir aufnehmen. Denn da, wo ich bin, sollt ihr auch sein.»

Johannes 14,2–3; das buch

Als eine Mitarbeiterin aus dem Christus-Treff Marburg im Sterben lag, sprach ich mit ihr über diesen Vers. Wir beide hatten in den vergangenen Jahren viel im Gemeindehaus des Christus-Treff bei der Renovierung zusammengearbeitet. Deshalb war uns dieses Bild von der vorbereiteten Wohnung so vertraut.

Wir kamen bei meinen Besuchen an ihrem Sterbebett auf das himmlische Zuhause zu sprechen. Wir waren uns einig: Wenn Jesus, der uns in- und auswendig kennt, für uns eine Wohnung zubereitet, dann werden wir uns zu hundert Prozent dort wohlfühlen und zu Hause sein. Wenige Tage nach diesem Gespräch zog sie um – in ihr neues Zuhause bei Gott.

Was für ein Trost, zu wissen, dass das Leben nicht mit dem Tod endet, sondern dass es in Gottes Wirklichkeit und in seiner Nähe weitergeht! Dort gibt es keine Tränen, keinen Schmerz, kein Unrecht, keine Trennung, keinen Tod mehr.

Die irdische und die himmlische Heimat

Wir sind in dieser Welt für eine Zeit zu Hause. Doch Menschen, die an Jesus glauben, dürfen darauf vertrauen: Am Ende unseres Lebens können wir umziehen in das neue Zuhause, das bei Jesus ist. Dort wird unser Leben zur Ruhe finden, dort ist unser eigentliches Zuhause.

Wir Christen sind Pilger, auf dem Weg nach Hause. Unterwegs bekommen wir immer wieder einen Vorgeschmack darauf. In der Gemeinschaft mit Gott und in der Gemeinschaft mit denen, die zu ihm gehören, erleben wir genau das, was wir als Zuhause erlebt haben: Annahme, Geborgenheit, Trost, Freiheit zur Entfaltung. Hier und jetzt schon in dieser bewussten Ausrichtung auf Gott zu leben, erneuert und prägt uns. Wir leben mit neuen Werten. Die Lieder, die wir singen, prägen unser Denken und erfüllen unser Empfinden. Der Ton um uns herum ist von Barmherzigkeit und Annahme geprägt. Wir sind auf dem Weg, dort wieder anzukommen, wo wir gestartet sind. In der guten Hand Gottes.

Gottes spürbare Nähe

Im Herbst 1988 bekam ich die Diagnose Lymphdrüsenkrebs. Von diesem Zeitpunkt an musste ich mich einer intensiven Chemotherapie unterziehen. Im Sommer 1989 sollte die zweite Weltkonferenz der Lausanner Bewegung stattfinden, und zwar in Manila. Ich war dazu eingeladen und wollte so gerne daran teilnehmen.

Am Anfang war es sehr ungewiss, ob die Therapie anschlagen würde. Auch die Zyklen waren sehr unregelmäßig, weil meine weißen Blutkörperchen immer wieder unter den Minimalwert fielen. Doch den mich behandelnden Ärzten sagte ich immer, dass ich nach Manila fahren würde. Sie sollten die Therapien dementsprechend legen. Was sie dann auch taten. Später hörte ich, dass sie mich liebevoll «die Manila-Lady» nannten.

Und so geschah es dann auch. Ich war Teil der deutschen Delegation, die zu diesem großen Kongress eingeladen war. Unser Flugzeug, in dem die meisten deutschen Teilnehmer saßen, kam verspätet an. Wir wurden von den netten Ordnern auf die Empore geführt. Die mehreren tausend Teilnehmer aus aller Welt waren mitten im vollmächtigen Lobpreis, als wir unsere Plätze einnahmen.

Ich weiß noch genau, wie ich mich in dem Moment fühlte: Es war ein Nach-Hause-Kommen. Ich tauchte ein in die vielen Stimmen, die Jesus lobten. Ich fragte mich, warum ich all die Strapazen der Chemotherapie auf mich genommen hatte, wenn es doch so schön sein würde, im Himmel anzukommen und für immer Gott zu loben.

«Komm doch bei Gott zur Ruhe, meine Seele! Ja, bei ihm finde ich Hoffnung. Er allein ist mein Fels und meine Rettung, meine Festung, sodass ich nicht zu Fall komme. Bei Gott ist meine Rettung und meine Würde,

2 Mit Gottes Augen sehen lernen

Die Sonne brannte. Etwas Abkühlung brachten der Nil und der Wind, der uns im Segelboot begleitete. Endlich kamen wir an. Eine einsame Stelle am Ufer des Nils in Assuan, mitten in der Wüste. Von hier aus wollten wir uns auf den Weg zum sogenannten «Josephstein» machen. Dieser große Stein mit seinen Inschriften ist ein außerbiblisches Dokument, das von einer siebenjährigen Hungerkatastrophe in Ägypten spricht, allerdings viele Jahrhunderte vor der Zeit Josephs. Wir freuten uns auf einen schönen Ausflug in die Wüste, weit weg vom Lärm und Trubel der Stadt, vom Alltag im deutschen Missionskrankenhaus.

Perlenketten

Kaum machten wir die ersten Schritte im heißen Sand, da tauchten sie auch schon auf: Einige junge Mädchen aus einem Nachbardorf hatten auf uns gewartet. Sie verdienten sich ihren Lebensunterhalt damit, ankommende Touristen als Kunden für ihre wunderschönen bunten Perlenketten zu gewinnen. Ich war genervt. Nun hatten wir uns auf den Weg gemacht, um allen Händlern, die in der Stadt überall auf ihre Kunden lauerten, zu entfliehen, und dann das!

Sie gingen zielstrebig vor. Eine junge Frau hakte sich bei mir ein und redete auf Arabisch auf mich ein. Sie ließ sich nicht abwimmeln. Ich wollte sie nur noch loswerden. Wie eine Klette erschien sie mir. Sie ließ uns keinen Schritt allein tun. Zum einen erklärte sie uns den Weg, den wir auch gut und gerne ohne sie gefunden hätten. Und dann wollte sie unbedingt noch etwas verkaufen. Nach einigen Versuchen des Abwimmelns und genervten Bemerkungen meinerseits ließ das Mädchen von mir ab. Ich wollte nur noch weg. Mir war der Spaß verdorben.

Der Selbstmord eines Mädchens

Einige Tage später hörte ich von dem Selbstmordversuch eines Mädchens, das zu uns ins deutsche Missionskrankenhaus eingeliefert worden war. Bei näheren Erkundigungen stellte ich fest, dass es offenbar jenes Mädchen war, das sich bei mir eingehakt hatte. Sie hatte am Abend unseres Ausflugstages Haarfärbemittel getrunken, um ihrem Leben ein Ende zu setzen. Leider verstarb sie kurz danach.

Warum hatte sie das getan? Der Grund: Ihre Familie hatte ihr ein Ultimatum gestellt. Sie sollte einen dreißig Jahre älteren Mann heiraten, der blind war. Das wollte sie auf keinen Fall! So geriet sie in große innere Not und wusste sich nicht anders zu helfen. Sie wollte nur noch sterben. Leider ist diese Geschichte in Ägypten kein Einzelfall, auch heute nicht.

Eine verpasste Gelegenheit

Als ich das hörte, geriet auch ich in große Not. Was hatte ich an jenem Tag nur getan? War sie so anhänglich gewesen, weil sie sich mir anvertrauen wollte? War es Verzweiflung, die sie in unsere Nähe getrieben hatte? Ich hatte in ihr nur jemanden gesehen, der meinem Wunsch nach Ruhe in die Quere kam und uns bei unserem Ausflug störte.

Aber was ging in ihrem Herzen vor sich? Warum hatte ich das nicht bemerkt, was ihr Kummer machte? Hatte ich sie überhaupt richtig angesehen? Nein. Ich konnte mich an ihr Äußeres gar nicht erinnern. Für mich war sie ja nur eine lästige Verkäuferin gewesen, nicht das Mädchen, das Hilfe suchte.

Ich merkte, dass ich an diesem Tag schuldig geworden war. Ich war diesem nubischen Mädchen etwas schuldig geblieben: Nähe, Liebe, Zuwendung, Aufmerksamkeit. Ein offenes Ohr, ein offenes Herz, eine freundliche Geste. Ich hatte sie nicht als Menschen gesehen, der vielleicht in Not ist, sondern nur als Störenfried.

Gott sieht die Herzen an

Vielleicht hätte ich an ihrer Not gar nichts ändern können. Wahrscheinlich wäre trotzdem alles so gekommen, auch wenn ich kurz mit ihr gesprochen und ihr etwas abgekauft hätte. Doch eines habe ich aus dieser Begegnung gelernt: Ich darf Menschen nicht so achtlos behandeln. Auch nicht, wenn ich mich genervt fühle. Ich weiß ja nicht, was sie dazu treibt, so zu handeln. Was in ihnen vorgeht. Was sie so handeln lässt.

Gott kennt die Herzen aller Menschen. Er weiß, was jeder braucht. Er kannte auch die Not dieses Mädchens. Und vielleicht hätte er ihr gerne durch mich etwas Gutes getan. Ich aber hatte keinen Sinn dafür. Ich war nicht offen für Gottes Reden in dieser Situation. Herr, vergib mir! Und erbarme dich über dieses arme Menschenkind! Das war mein ganzes Gebet an diesem Tag.

Mit Gottes Augen sehen lernen

Gott ist ein liebender und barmherziger Gott. Er hat mir vergeben, dass ich so egoistisch war und so wenig bereit zu lieben. Und er hat sicher mit dem Mädchen mitgelitten, ihre Not verstanden und nach Wegen gesucht, wie er sich ihr zeigen kann. Ich darf auch sie getrost in Gottes Hand legen.

Eins ist mir klar: Ich möchte lernen, Menschen mit Gottes Augen zu sehen. Sie zu lieben, wie sie sind. Weil Gott sie liebt. Und weil er vielleicht gerade mich gebrauchen will, ihnen das zu zeigen.

«Denn nicht sieht der Herr auf das, worauf ein Mensch sieht. Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an.»

1. Samuel 16,7; Luther

3 Ein besonderer Geburtstag

Vor vielen Jahren fuhren Roland und ich am Tag vor meinem Geburtstag nach Münster. Einige evangelische Gemeinden veranstalteten gemeinsam mit der Studentenmission offene Abende, bei denen zum Glauben an Gott eingeladen werden sollte. Roland war der Hauptredner. Auch tagsüber gab es einige Programmangebote in einem großen Zelt. Ich fuhr mit, damit ich an meinem Geburtstag nicht allein zu Hause war. Und weil ich mitkam, wurde ich angefragt, ob ich einen Workshop halten konnte. An meinem Geburtstag. Ich sagte zu, weil ich ja sowieso nicht feiern würde.

Die perfekte Überraschung

Irgendjemand muss unseren Gastgebern einen Tipp gegeben haben, denn als ich am Morgen zum Frühstück in die Küche ging, war ich total überrascht: Luftballons, Blumen, Kerzen, ein schön gedeckter Tisch für zwei Personen! Unsere Gastgeber freuten sich über mein verblüfftes Gesicht.

Und ich war froh, aber auch beschämt. Gestern noch hatte ich doch in meinem Herzen gejammert: «Oh Herr, warum können wir nicht mal meinen Geburtstag so richtig gemütlich feiern? Warum sind wir schon wieder unterwegs an diesem Tag?»

Und dann diese Überraschung. Unsere Gastgeber ließen uns allein, und wir hatten viel Zeit, das schöne Frühstück zu genießen. Ich muss ehrlich sagen, dass wir uns zu Hause vielleicht gar nicht die Zeit für ein so besonderes Frühstück zu zweit genommen hätten. Da wäre ich sicher schon in den Vorbereitungen für die Feier am Nachmittag oder Abend gewesen, hätte gebacken oder Tische gedeckt. Nun konnten wir es uns einfach bequem machen und gemeinsam genießen.

Die Bibel erleben

Nachmittags führte ich im Rahmen der Veranstaltungen einen Workshop zum Thema «Die Bibel ganzheitlich erleben» durch, also eine Art Bibliodrama. Es waren etwa fünfzehn Teilnehmer im Zelt auf dem großen Platz vor dem Stadtschloss erschienen. Unter ihnen auch eine junge Frau mit Down-Syndrom.

Das machte mir zu Beginn etwas Sorgen, weil ich nicht wusste, ob sie unserem Programm würde folgen können. Doch ich begann mit den ersten Übungen und stellte fest: Sie ist mit großem Engagement dabei.

Dann teilten wir uns in zwei Gruppen und bearbeiteten biblische Texte. Das heißt, wir lasen sie gemeinsam durch, und jeder überlegte sich seine Rolle selbst.