Beim nächsten Gespräch läuft alles besser - Jefferson Fisher - E-Book

Beim nächsten Gespräch läuft alles besser E-Book

Jefferson Fisher

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Beschreibung

Bessere Gespräche, bessere Beziehungen, ein besseres Leben

Zwischenmenschliche Kommunikation ist das, was uns ausmacht, und stellt uns gleichzeitig vor große Herausforderungen: Was sage ich zu meiner Vorgesetzten, die meine Ideen ständig schlechtredet? Oder zu meinem Freund, der mich immer falsch versteht und gleichzeitig Recht haben will? Wie reagiere ich, wenn mein Gegenüber mein Nein nicht akzeptiert oder im Streit zu weinen anfängt? Auf welche Weise setze ich Grenzen oder bitte am besten um Hilfe?

In typischen Alltagssituationen wie diesen – es muss kein hitziger Streit sein, es reicht schon ein unangenehmes Gespräch – sind wir oft unsicher. Und die besten Argumente und Reaktionen fallen uns sowieso erst hinterher ein. Doch damit ist jetzt Schluss!

Denn Jefferson Fisher zeigt uns, wie wir für uns einstehen und die Beziehungen zu unseren Mitmenschen dennoch nicht gefährden. Als Rechtsanwalt ist er Experte für selbstbewusste, unmissverständliche, aber respektvolle Kommunikation und hat drei Strategien entwickelt, die sich in ihrer Einfachheit auf jede Lebenslage übertragen lassen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 281

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Buch

Der Schlüssel zu besseren Beziehungen und damit auch einem erfüllteren Leben liegt in deinem nächsten Gespräch – ganz egal, mit wem du es führst. Die Worte, die du wählst, auf welche Weise du sie transportierst und wie du auf dein Gegenüber reagierst, ist dabei von großer Bedeutung.

Jefferson Fisher ist Prozessanwalt in fünfter Generation. Vor Gericht kommt es auf gute Kommunikation an wie nirgends sonst, aber seine Strategien und praktischen Sätze lassen sich genauso auf unseren Alltag übertragen. Er teilt sie mit seinen Millionen Followern und hilft ihnen dabei, jede noch so schwierige Situation zu meistern: Gaslighting im Streit mit einem Familienmitglied, eine wichtige Präsentation im Büro oder ein emotionales Zwiegespräch mit dem Partner.

Hinter seinen Ratschlägen steht ein dreistufiges Kommunikationssystem, mit dessen Hilfe es ein Leichtes ist, die eigene Intention zu transportieren, Konflikte zu überwinden und seine Ziele zu erreichen.

Autor

Jefferson Fisher war nach Abschluss seines Jura-Studiums fast ein Jahrzehnt als Anwalt für Personenschäden tätig, bevor er 2022 seine eigene Kanzlei eröffnete. Kurz darauf lud er sein erstes »Wie man richtig streitet«-Reel auf Instagram hoch, zwei Monate später folgten ihm schon 100 000 Menschen. Heute hilft er Millionen Followern mit seinen Tipps zu den Themen Kommunikation, Verhandlung und Beziehungen. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Texas.

Jefferson Fisher

Beim

nächsten

Gespräch

läuft alles

besser

SELBSTBEWUSST, EFFEKTIV UND AUTHENTISCH KOMMUNIZIEREN

Aus dem Englischen

von Christine Heinzius

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2025 unter dem Titel »The Next Conversation« bei TarcherPerigee, New York.

Alle Ratschläge in diesem Buch wurden vom Autor und vom Verlag sorgfältig erwogen und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Eine Haftung des Autors beziehungsweise des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist daher ausgeschlossen.

Wir haben uns bemüht, alle Rechteinhaber ausfindig zu machen, verlagsüblich zu nennen und zu honorieren. Sollte uns dies im Einzelfall aufgrund der schlechten Quellenlage bedauerlicherweise einmal nicht möglich gewesen sein, werden wir begründete Ansprüche selbstverständlich erfüllen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Deutsche Erstausgabe Mai 2025

Copyright © 2025 der Originalausgabe: Jefferson Fisher

Copyright © 2025 der deutschsprachigen Ausgabe: Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

[email protected]

(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR)

Redaktion: Dagmar Rosenberger

Illustrationen: Ashley Tucker

Umschlag: Uno Werbeagentur, München, nach einem Design von Pete Garceau

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

AR ∙ CB

ISBN 978-3-641-32871-9V002

www.goldmann-verlag.de

Für …

Sierra, die mich unterstützt.

Jett und Ruby, die mich inspirieren.

meine Geschwister, die mich zuerst inspiriert haben.

meine Eltern, die für mich gebetet haben.

und alle, die es ausprobiert haben und mir folgen.

There ain’t no good guy. There ain’t no bad guy. There’s only you and me and we just disagree.

(Dave Mason, »We Just Disagree«)

Inhalt

Prolog

Einleitung

TEIL IDie Grundlagen

Kapitel 1 Gewinne keinen Streit

Kapitel 2 Dein nächstes Gespräch

Kapitel 3 Die Wahrheit über Verbindung

TEILIIDie Umsetzung

Regel 1: Sag es kontrolliert

Kapitel 4 Kontrolliere dich selbst

Kapitel 5 Kontrolliere den Moment

Kapitel 6 Kontrolliere das Tempo

Regel 2: Sag es mit Selbstvertrauen

Kapitel 7 Deine durchsetzungsfähige Stimme

Kapitel 8 Schwierige Menschen

Kapitel 9 Grenzen

Regel 3: Sag es, um zu verbinden

Kapitel 10 Rahmen

Kapitel 11 Abwehrhaltung

Kapitel 12 Schwierige Gespräche

Nachwort

Die 47-Sekunden-Version

Die nächsten Schritte

Anwaltsgeheimnis: Narzissten und Gaslighting

Danksagung

Quellen

Register

Prolog

Der abgetretene Berberteppich im alten Farmhaus kratzte an meinen Beinen. Ich trug ein übergroßes T-Shirt zu meiner Spider-Man-Unterwäsche und kuschelte mich in einer Ecke des Wohnzimmers zusammen. Meine Haare und meine Haut waren noch nass nach meiner schnellen, kalten Dusche. Ich zitterte. Und ich grinste wie ein Honigkuchenpferd.

Ich war acht Jahre alt und wollte nichts verpassen.

Alle waren im Wohnzimmer. Der Patriarch der Familie war mein Urgroßvater, ein Bundesrichter. Mein Großvater, mein Vater, meine Cousins, meine Großonkel – praktisch alle – waren Strafverteidiger. Jedes Jahr kamen alle Fisher-Männer im Hill Country von West Texas für ein Jagdwochenende zusammen. Insgesamt waren es dreizehn, und zum ersten Mal war ich der Vierzehnte. Ich hatte das Gefühl, in die erste Liga aufgestiegen zu sein. Ich war endlich alt genug, um mit meinem Dad acht Stunden Auto zu fahren und dabei James Taylor, Jim Croce und Jerry Jeff Walker zu hören. Ich war endlich alt genug, um bei den großen Jungs dabei zu sein. Dabei sagte ich kaum ein Wort, aber das war egal. Ich trank IBC Root Beer und aß mehr Beef Jerky, als meine Momma mir je erlaubt hätte.

Dieser erste Abend hat sich mir tief eingeprägt.

Nach dem Abendessen stellte mein Großvater den Teller ab und rutschte auf seinem Sessel nach vorn. Er fing an, eine Geschichte zu erzählen. Etwas über seine Arbeit, einen Richter und ein Gericht. Ich erkannte sie sofort, es war dieselbe Geschichte, die er meinem Dad erzählt hatte, als wir vorhin einen alten Hochsitz reparierten. Da war die Geschichte allerdings ziemlich nüchtern gewesen. Großvaters Stimme war ganz sachlich gewesen, er hatte geredet, während er in seinem Wagen nach der grünen Farbe suchte.

Aber das hier war etwas Besonderes. Es waren dieselben Worte, aber eine völlig andere Geschichte.

Ich schaute gebannt zu, wie mein Großvater aufstand, um eine Szene nachzuspielen. Er nutzte seine Hände und sein Gesicht, um seiner Stimme Struktur zu verleihen. Bei den aufregenden Stellen wurde er lauter, bei den intensiven langsamer und leiser. Sogar sein Tonfall veränderte sich. Konnte das wirklich dieselbe Geschichte sein? Er hielt alle im Zimmer fast zehn Minuten lang in seinem Bann. Nach einer langen Pause präsentierte er die Pointe, und alle lachten. Ich fühlte mich, als hätte ich die Show eines Zauberers gesehen.

Nach dieser Geschichte war die Bühne offen für die anderen, und nach und nach erzählten meine Cousins, mein Dad und sogar mein Urgroßvater ihre eigenen Gerichtsanekdoten. Als Strafverteidiger waren sie alle großartige Geschichtenerzähler. Wir lachten über Stunden bis tief in die Nacht hinein.

Ich saß in meiner Ecke, meine Knie unter meinem Schlaf-T-Shirt, und jede Geschichte, jedes Wort fesselte mich. Ich nahm alles in mich auf, bis ich einschlief. Es war spät. Mein Dad trug mich ins Bett, ich hielt immer noch Beef Jerky in der Hand.

Der gesamte Abend war für mich die Entdeckung von etwas Neuem, das mir merkwürdig bekannt war, als hätte ich alles schon einmal gesehen. Ich erinnere mich, dass es sich sofort richtig anfühlte, wie ein Schuh, der gleich beim ersten Anprobieren passt.

An diesem Abend und an den Jagdwochenenden der nächsten zehn Jahre erhielt ich das Erbe meiner Familie: eine weitergegebene Identität als Verteidiger durch Storytelling. Mit jedem Jahr, das verging, wurde mir bewusster, dass die Juristerei nur der Beruf der Familie war – Kommunikation war die wahre Berufung der Familie.

Es war keine große Überraschung, dass auch ich Jura studieren und Strafverteidiger werden wollte. Und nach zehn Jahren als Anwalt kenne ich immer noch keinen vergleichbaren Beruf. Ich werde engagiert, um Probleme mit Leuten zu klären, mit denen ich persönlich keine Probleme habe. Ja, die andere Partei hat ihren eigenen Anwalt, der dafür bezahlt wird, Probleme mit mir zu haben. Jeden Tag stehe ich Leuten gegenüber, deren Hauptziel es ist, dass ich verliere. Bei einer Verhandlung mit Geschworenen steht viel auf dem Spiel. Wie ich kommuniziere und wie ich meinem Mandanten beibringe zu kommunizieren, kann darüber entscheiden, ob er seine Lebensgrundlage zurückgewinnt oder sie für immer verliert. Jeder Fall ist eine neue Lektion, ob ich nun Zeugen befrage, Teilnehmer ins Kreuzverhör nehme oder vor einem Richter oder einer Jury argumentiere. Mein Ziel ist es, auf einen Konflikt hinzuarbeiten.

Wenn du glaubst, dass ich meine Kommunikationsfähigkeiten im Jurastudium erworben habe, liegst du falsch. Dort lernt man, die Gesetze anzuwenden: Grundsätze des Vertragsrechts, des Deliktsrechts, des Verfassungsrechts und der staatlichen und bundesstaatlichen Verfahrensvorschriften – alles wichtig. Aber man hat keinen Kurs, in dem man lernt, wie man voller Empathie miteinander spricht. Man erfährt in keinem Seminar, wie man einen hitzigen Streit schlichtet. Im Jurastudium lernt man, Gesetze zu lesen, aber nicht, Menschen zu lesen.

Das musste ich mir selbst beibringen.

»Schmecktft dir?!«, fragte meine Schwester Sarah mit Schnuller im Mund, als sie mir den fünften unsichtbaren Pfannkuchen servierte. Als Ältester von vier Geschwistern war ich liebend gern der große Bruder.

Als ich dreizehn war, war meine Verbindung zu meinen Geschwistern so stark, dass sie fast besser auf mich hörten als auf unsere Eltern. Ich war wie eine Glucke, wenn wir irgendwo hingingen. Und als ich sechzehn war, fuhr ich sie zur Schule und übte mit ihnen dabei Rechtschreibung.

Um es deutlich zu sagen: Meine Eltern sind liebevoll und wunderbar. Ich war nur deswegen so gut, wie ich eben war, weil sie mir in den ersten vier Jahren, bevor meine Schwester geboren wurde, so viel von sich gegeben haben. Ich habe die Verantwortung des großen Bruders auch richtig genossen.

Angeblich ist man als Ältester emotional stabiler, aktiver und all so was. Aber ich habe dadurch vor allem schon sehr früh gelernt, an den Grundlagen meiner Kommunikation zu feilen.

Ich habe schnell gelernt, auf meine Schwester Sarah einzugehen, indem ich so tat, als würde ich das unsichtbare Essen verschlingen, und dabei lächelnd sagte: »Mm-hmm, lecker.« Ich fand heraus, dass sich meine Geschwister durch nette Worte eher öffneten als durch wütende. Mein jüngerer Bruder Jonathan wiederholte meinen Namen immer mehrmals (sie nannten mich »Bubba«, in den Südstaaten ein Kosename für den ältesten Sohn) und stotterte, bis er einen Satz herausbrachte. Wenn ich geduldig wartete, seine Worte wiederholte und dabei nickte, fühlte er sich verstanden. Sehr lange konnte Jonathan keine Konsonanten aussprechen, nur Vokale. Ich wurde zu seinem Dolmetscher, erkannte nonverbale Eigenheiten und sah Situationen vorher, die ihn frustrieren würden.

Jacob, mein jüngster Bruder, war emotional der intensivste der drei. Seine Emotionen waren immer heftig, und er verlor schnell die Beherrschung. Ich stellte fest, wenn ich langsamer und leiser sprach, dann tat er das ebenfalls. Außerdem lernte ich, ihn seine Gefühle ausdrücken zu lassen, ohne dass ich sie persönlich nahm, und dass eine Umarmung manchmal mehr sagt als Worte. Jeder der drei hat eine einzigartige Persönlichkeit, die nach einer besonderen Ansprache, einem besonderen Fingerspitzengefühl verlangt, um eine tiefere Verbindung herzustellen.

Eine der wichtigsten Fähigkeiten, die ich als Ältester entwickelte, war es, Streit zu schlichten und Konflikte zu lösen. Wenn zwei meiner Geschwister sich wegen der Polly Pocket unserer Schwester stritten, dann unterband ich die Schreierei schnell, ließ jeden seine Geschichte erzählen und fällte dann das Urteil, wer an der Reihe war und wie der Kompromiss aussah. Und es funktionierte. Ich wurde geschickt darin, meinen Geschwistern beizubringen, wie sie ihre Bedürfnisse mitteilen und die Bedürfnisse der anderen verstehen können. Mein Alltag war es, als Vorbild für die Kommunikation zwischen meinen Geschwistern zu dienen.

Jetzt als Familienvater mit zwei Kindern ist das immer noch mein Alltag. Ich war in jeder Lebensphase, in jeder Beziehung, in jeder Freundesgruppe der Kommunikator. Vielleicht denkst du, das ist bloß Redetalent. Ich weiß aber, dass es mehr ist. Als Kind saß mein Dad jeden Abend an meinem Bett, lehnte sich vor und flüsterte: »Lieber Gott, gib Jefferson Weisheit und sei immer sein Freund.« Ich glaube an die Macht des Gebets. Und ich glaube, ohne die Gebete meiner Eltern würdest du jetzt nicht dieses Buch lesen.

2020 wurde ich Partner in einer renommierten Anwaltskanzlei. Doch trotz dieses Erfolgs fühlte ich mich beruflich frustriert. Mir fiel immer wieder dieselbe Metapher dafür ein: Ich hatte das Gefühl, als würde ich mit einem Fallschirm rennen. Ich schrieb Rechnungen und arbeitete Fälle ab, aber kreativ kam ich nicht weiter.

Um alles noch schwieriger zu machen, arbeitete mein Dad bei derselben Kanzlei. Als ich ihm das erste Mal sagte, dass ich darüber nachdachte, mich selbstständig zu machen – na ja, sagen wir mal, da lief das Gespräch nicht gut. Ehrlich gesagt liefen die nächsten zwanzig Gespräche darüber mit ihm nicht gut, nicht mal, als ich es der Kanzlei mitteilte. Mein Dad kämpfte um mein Bleiben. Es waren schwere Diskussionen.

Im Januar tat ich zwei Dinge, die alles veränderten:

Zuerst eröffnete ich meine eigene Kanzlei, Fisher Firm, die sich um Personenschäden kümmert. Ich hatte weder ein Büro noch eine Assistentin – ja, ich hatte nicht mal einen Drucker. Ich bin mit meinem Laptop in Cafés oder in die leeren Büros von Freunden gegangen. Ich habe schnell Mandanten gefunden, und es hat sich einfach großartig angefühlt, echten Menschen mit echten Problemen zu helfen. Ich hatte den Fallschirm abgeschnitten und konnte endlich meine PS auf die Straße bringen.

Zweitens habe ich meinen ersten Beitrag mit Kommunikationsratschlägen auf Social Media veröffentlicht. Ursprünglich wollte ich damit nur Kontakte knüpfen. Ich habe so viele Anwälte gesehen, die auf Social Media posten und das Einzige tun, was sie können: Verkaufen. Sie betrachten das Internet als eine neue Werbefläche, auf der man Leuten erzählt, was nach einem Unfall zu tun ist und wen man anrufen soll. Ich habe das auch selbst mal ausprobiert. Aber es fühlte sich einfach nicht richtig an. Ich erinnerte mich an all die Anwälte, deren Gesichter auf Plakatwänden zu sehen sind. Sie halten Hämmer, Flammenwerfer oder Boxhandschuhe hoch und sagen haarsträubende Dinge wie: »Wurden Sie verletzt? Ich bin der texanische Metzger! Rufen Sie mich an und ran an den Speck!« Würg. Ich schüttelte mich. Ich hasse diesen Kram. Und vor allem bin ich nicht so.

Ich entschied mich für einen anderen Weg. Anstatt mich zu verkaufen, würde ich etwas verschenken. Nichts, wovon ich profitierte, sondern etwas, wovon andere profitierten. Und dieses Mal wäre ich dabei ganz authentisch ich selbst. Der, der ich schon immer war. Jefferson.

Wie konnte ich Leuten wirklich helfen? Es musste nachvollziehbar sein, eine helle und gute Nachricht für das Zuhause und den Arbeitsplatz der Menschen. Da dachte ich an die Frage, die meine Eltern mir stellten, wenn ich nicht wusste, was ich jemandem sagen sollte: »Nun, was soll dein Gegenüber denn wissen?« Die Antwort fiel mir wie Schuppen von den Augen: Ich würde ihnen etwas über das erzählen, was ich besser konnte als jeder andere, den ich kenne. Ich würde ihnen helfen, besser zu kommunizieren.

Ich hatte keinen coolen Schreibtisch und kein Studio mit teurer Kamera, aber ich hatte mein Auto und mein Handy. Das musste reichen. Ich habe auf Selfie umgeschaltet und auf Aufnahme gedrückt. Spontan entschied ich mich für das Thema »Argumentieren wie ein Anwalt, Teil 1« und fasste das Wichtigste dazu in drei einfachen Punkten zusammen. Auf dem Fahrersitz meines Autos erzählte ich meinem Handy, wie man Fragen kurzfasst, wie man weniger emotional reagiert und warum zu viel Fluchen denselben Effekt hat, wie sein Essen zu versalzen. Vorher hatte ich irgendwo gehört, dass ein Video einen Call to action haben sollte. Also sagte ich am Ende: »Probier das aus und folge mir.« Aus irgendeinem Grund, ich kann wirklich nicht sagen warum, legte ich in der letzten Sekunde, während ich es sagte, meine Hand an den Mund. Dann schluckte ich und postete den 47 Sekunden langen Clip auf Social Media.

Eigentlich hatte ich nicht erwartetet, dass irgendwas passieren würde. Bisher hatten all meine Videos null Klicks. Ich hatte sogar schon gegoogelt: »Warum haben meine Videos null Klicks?« und »Wie mache ich ein Reel?«

Ich war also nicht auf das vorbereitet, was dann geschah. Nach einer Stunde sammelte mein »Argumentieren wie …«Video Tausende von Klicks. Am nächsten Tag waren es schon Millionen. Mir war natürlich nicht klar, dass das auch bedeutete, dass Millionen Menschen den pinkfarbenen Kindersitz meiner Tochter, die Trinklerntasse meines Sohns auf der Rückbank und auch meine gedankenlose Kleidungswahl sehen konnten – ein ausgeleiertes Poloshirt mit einem nichtssagenden Jackett. Wer denkt morgens beim Anziehen schon daran, dass ihn an diesem Tag Millionen Leute sehen?

Doch es schien den Leuten egal zu sein. Es war mein Leben. Sie hatten dadurch das Gefühl, dass ich sie direkt anspreche, ohne Zusatzverkäufe oder Tricks. Es war echt.

»Was mache ich denn jetzt?«, fragte ich eine Freundin. Sie antwortete: »Du drehst mehr Videos.« Und das tat ich dann.

In diesem Jahr gewann ich über fünf Millionen Follower auf Social Media, darunter Hunderte Berühmtheiten und Promis, dabei benutzte ich einfach nur mein Handy, um von meinem Fahrersitz aus Tipps zur Kommunikation zu geben. Immer auf dieselbe Art – allein, im Auto, auf irgendeinem Parkplatz auf dem Weg von der Kanzlei nach Hause. Nie mit Drehbuch, immer am selben Tag aufgenommen, an dem ich sie hochlud. Kein Videoeditor oder tolle Grafiken oder trendige Überschriften. Nur ich mit meinem Handy.

Und obwohl ich alles allein in meinem Auto machte, stand ich schon bald vor Tausenden echter Menschen und hielt Reden auf Konferenzen und sprach mit Organisationen, die von mir Kommunikationstechniken lernen wollten. Ich habe sogar bei der NASA gesprochen. Jedes Mal, wenn ich einen Vortrag hielt, dachte ich: Was macht ihr denn alle hier? 250 000 Menschen abonnierten meinen wöchentlichen Newsletter mit Kommunikationstipps, und ich unterschrieb einen Buchvertrag mit Penguin Random House für das Buch, das du jetzt in Händen hältst. Ich habe den Jefferson-Fisher-Podcast begonnen, der sofort auf Platz eins der Charts schoss und der inzwischen der führende Podcast zum Thema Kommunikation weltweit ist. Um mich hat sich auch eine tolle Online-Community gebildet, voller Ressourcen und Kurse mit praktischen Tipps, um die eigene Kommunikation zu verbessern. Meine Videos wurden über alle Plattformen hinweg über eine halbe Milliarde Mal angesehen. Ich bin gesegnet mit den freundlichsten, aufmerksamsten täglichen Dankesnachrichten. Ich kann gar nicht glauben, anderen auf diese Weise so sehr helfen zu können, und schon gar nicht, dass ich diese Worte für ein Buch tippe.

Ich bin immer noch jeden Tag als Anwalt tätig und helfe jetzt Menschen aus den gesamten USA mit ihren Personenschäden oder vermittle sie an Anwälte, denen ich vertraue. Ich nehme immer noch jeden Tag ein Video auf. Ich sage immer noch: »Probier das aus und folge mir.« Millionen haben es ausprobiert und folgen mir. Ich sage das mit tiefer Dankbarkeit.

Ich hätte mir das alles nie träumen lassen. Aber der Traum hörte hier nicht auf. Fünf Monate nachdem ich Fisher Firm gegründet hatte, verließ mein Dad nach 35 Jahren seine Kanzlei, um sich mir, seinem Sohn, anzuschließen, aus dem einfachen Grund, damit wir zusammen praktizieren. »Hast du noch Platz für einen alten Mann?«, fragte er lächelnd. Ich war sprachlos. Nichts habe ich mir mehr gewünscht. Selbst jetzt, da ich das schreibe, steigen mir immer noch die Freudentränen in die Augen.

Einleitung

Kurz nach meinem ersten Video bekam ich Nachrichten – Tausende. So viele, dass ich sie unmöglich alle lesen, geschweige denn beantworten konnte. Die Nachrichten stammten von Followern, die mich um Rat baten.

Sie baten nicht um meine Expertise zu großen philosophischen Fragen über Religion oder Politik oder Jura. Sie wollten Tipps für alltägliche, kleine Situationen, für echte Probleme, mit denen echte Menschen kämpfen, von banalen Sachen bis hin zu herzzerreißenden Geschichten. Hier sind einige Beispiele:

Was sage ich einem Vorgesetzten, der meine Ideen ablehnt?Was sage ich meiner erwachsenen Tochter, die ich seit Jahren nicht mehr gesehen habe?Was sage ich meinem Partner, der immer Recht behalten will?

Nach Tausenden von Nachrichten dieser Art war mir klar: Ganz egal, wie die Frage formuliert ist, das Problem ist nicht, was sie sagen sollen, sondern wie.

Das Erste, was ich dann immer frage, ist das, was mich meine Eltern früher gefragt haben: »Nun, was soll dein Gegenüber denn wissen?« Bisher habe ich noch nie als Antwort gehört: »Keine Ahnung.« Die Menschen wissen schon, was sie dem anderen sagen wollen, weil es im Grunde das widerspiegelt, was sie tief im Innern fühlen: »Ich möchte, dass er weiß, dass es mich verletzt«, »Ich möchte, dass er weiß, dass ich Raum brauche«, »Ich möchte, dass er weiß, warum ich wütend bin«. Die Gefühle enthüllen sich ganz natürlich. Aber diese Gefühle gegenüber einem anderen ausdrücken? Das ist nicht so einfach.

Es ist wirklich deprimierend, dass sich etwas so Einfaches so völlig unmöglich anfühlen kann.

Da du dieses Buch liest, brauchst du wahrscheinlich etwas ganz Ähnliches: Echte Lösungen für echte Probleme. Du suchst nicht nach dem Was, sondern nach dem Wie. Wie drückst du dich so aus, dass sowohl deine eigene Perspektive als auch die des Gegenübers respektiert wird? Wie steht man für sich selbst ein, ohne die Beziehung zu riskieren? Wie formuliert man seine Gedanken authentisch und empathisch, aber trotzdem mit Rückgrat?

Die einfache Antwort, nach der du suchst, lautet: Verbindung. Die ausführlichere Antwort, die du brauchst, findest du auf den folgenden Seiten.

Warum ich dieses Buch geschrieben habe

Ich habe das Buch aus drei Gründen geschrieben:

Weil meine Follower auf Social Media mich darum gebeten haben. Für mich ist es ihr Buch.Um dir etwas beizubringen, von dem ich weiß, dass es dein nächstes Gespräch verbessern wird.Um etwas von mir für meine Kinder und meine Familie zu erhalten.

Bevor du dich ins Buch stürzt, musst du etwas Wichtiges verstehen: Die Kommunikationsstrategien in diesem Buch sind keine Forschungsergebnisse. Abgesehen von ein paar Studien und Kommentaren aus anderen wissenschaftlichen Bereichen – Psychologie, Neurowissenschaften, Verhaltenswissenschaften – wirst du nicht viele Quellen finden. Was du hier liest, ist das Wissen, das mich meine Lebenserfahrung und meine Art, zu kommunizieren, gelehrt haben.

Ich bin kein Therapeut. Ich bin kein Psychologe. Wenn etwas, das ich in diesem Buch behaupte, irgendwie im Widerspruch zu etwas steht, das einer dieser Spezialisten sagt, dann glaub ihm, nicht mir. Ich werde dich nicht bitten, deinen Bindungsstil zu identifizieren oder einen Fragebogen auszufüllen, um deine Konfliktpersönlichkeit herauszufinden. Wenn du gern tief in die neuesten Statistiken eintauchen oder wissen willst, wie die sozialdynamischen Muster der Bienen dir bei der Kommunikation helfen können, dann bin ich nicht der Richtige für dich.

Was ich hier aufgeschrieben habe, sind Lektionen aus meiner täglichen Arbeit in den Schützengräben der Argumente, Streitereien, hitzigen Debatten und schwierigen Gespräche.

Was ich biete, sind bodenständige, unprätentiöse Ratschläge jenseits von Fachbüchern und Vorträgen. Und vielleicht braucht die Welt genau das.

Wie dir dieses Buch hilft

Ich bin zwar Strafverteidiger, aber du wirst kein bisschen Jura in diesem Buch finden. Hier geht es nicht um meinen Beruf oder um Anwälte. Es geht darum, wie man klar spricht, mit erhobenem Kopf, und die Verletzlichkeit annimmt, die sich einstellt, wenn man seine Karten auf den Tisch legt. Wie man sagt, was man meint, und meint, was man sagt. Es geht darum, lieber mutig als ängstlich zu sein, auch wenn die Stimme zittert.

Direkt zu reden bedeutet nicht, es an Empathie oder Rücksicht auf die Gefühle des Gegenübers fehlen zu lassen. Direkt zu sein heißt, dass man die Selbstsicherheit hat, die andere Person zu respektieren, genauso wie sich selbst, um die eigenen Bedürfnisse offen und ohne Angst zu kommunizieren. Du musst nicht selbstsicher sein, um selbstsicher zu klingen. Die Worte erledigen das für dich. Und genau das gibt dir dieses Buch: Die Worte.

In diesem Buch werden Fragen beantwortet, mit denen so viele Menschen kämpfen:

Wie spreche ich mit jemandem, der in die Defensive geht?Was sage ich zu jemandem, der mich kleinmacht?Wie zeige ich meine Grenzen auf?

Um das zu erreichen, habe ich dieses Buch in zwei Teile aufgeteilt: In Teil eins geht es darum, zuerst mit sich selbst eine Verbindung aufzubauen. Ich weiß, das klingt esoterisch, aber das ist es nicht. Es geht darum, wohin man sich gedanklich begibt, wenn ein Konflikt auftaucht, und vor allem darum, wie man diese Denkweise für bessere Ergebnisse nutzen kann. In Teil zwei lernst du, wie du dich mit anderen verbindest. Wie man eine Verbindung aufbaut, hängt vom Kontext ab. Geht es um ein schwieriges Gespräch oder um die Notwendigkeit, für sich selbst einzustehen? In welchem Kontext auch immer du dich befindest, ich habe drei Regeln formuliert, die für dich die Verbindung aufbauen:

Sag es kontrolliert.Sag es selbstsicher.Sag es, um zu verbinden.

Hinter jeder dieser drei Regeln stecken erprobte Taktiken, die man sofort umsetzen kann. In diesem Buch zeige ich dir, wie selbstsichere Kommunikation aussieht, klingt und sich anfühlt. Du lernst anhand von wahren Geschichten aus meiner persönlichen und beruflichen Erfahrung. Du wirst auch hypothetische Gespräche erleben, die dir nahegehen. Und du erfährst, was du sagen sollst und was nicht, und natürlich auch wie.

Am Ende dieses Buches wirst du in der Lage sein, schwierige Gespräche einfach zu machen, sodass mehr Platz für Authentisches in deinem Leben bleibt. Für wahre Freundschaften, echte Verbindungen und aufrichtiges Wachstum. Und das nicht nur zu Hause oder in Beziehungen. Du wirst feststellen, dass dein wahres Ich sich auch bei der Arbeit und in Meetings zeigt. Du wirst auf Nachrichten und E-Mails anders reagieren. Die Leute werden wissen, wo du stehst. Du wirst erleben, wie dein Selbstvertrauen zu Glaubwürdigkeit wird – ich kann es kaum erwarten.

Wie du dieses Buch nutzt

Beim Lesen dieses Buchs oder auch beim Ansehen eines meiner Videos fragst du dich vielleicht: »Wie soll ich mich an all das erinnern, wenn ich es brauche?«

Meine Antwort ist simpel: Das wirst du nicht. Du kannst nicht alles lesen und dann erwarten, es auch sofort umsetzen zu können. Das ist zu viel auf einmal, das muss einfach schiefgehen.

Such dir stattdessen einen Punkt aus. Wähl den Tipp, der dir besonders liegt, und setz ihn so bald wie möglich um. Sagen wir zum Beispiel, dass die Lektion zum übertriebenen Entschuldigen aus Kapitel sieben dich besonders betrifft. Konzentrier dich darauf. Behalte es zunächst im Kopf, schreib es irgendwo, wo du es siehst, auf. Sag die Regel laut auf oder erzähl einem engen Freund davon, der dich zur Rechenschaft ziehen kann, wenn du gegen sie verstößt. Fang an, den Tipp einzusetzen. Achte auf jedes überflüssige »Entschuldigung« und lösch es aus dem Satz, den du sagst oder tippst.

Halte dich an diese eine Regel. Wenn du es dann eine Woche ohne eine überflüssige Entschuldigung geschafft hast, dann, und nur dann, solltest du mit einer anderen Lektion, die dir zusagt, weitermachen.

In diesem Buch gibt es Tipps, die ich persönlich aus meinen beliebtesten Videos ausgewählt habe, und auch Exklusives, das ich bisher noch nie geteilt habe. Wenn du das hier liest, weil du mir auf Social Media folgst: Hi, ich bin immer noch derselbe. Ich bin stolz, dir jetzt endlich etwas geben zu können, das man anfassen und sich zu eigen machen kann. Das Warten hat sich gelohnt. Es ist Zeit, öfter zu sagen, was du meinst, und mehr von dem, was du sagst, zu meinen. Es ist Zeit, die eigenen Bedürfnisse offen und ohne Angst zu kommunizieren.

Also steig ein, setz dich auf den Beifahrersitz, ich bringe IBC Root Beer und Beef Jerky mit. Du bist auf s richtigen Weg, damit dein nächstes Gespräch das wird, das alles verändert.

TEIL I

Die Grundlagen

Ich muss dich nicht davon überzeugen, dass Kommunikation wichtig ist. Das weißt du. Wovon ich dich jedoch überzeugen muss, ist, wie weit das reicht.

Deine Worte haben einen Welleneffekt.

Es ist egal, für wie unbedeutend du dich hältst – ob du glaubst, du bist wer oder niemand, deine Worte haben mehr Macht, als du dir vorstellen kannst.

Wie du mit deinen Kollegen sprichst oder mit einem Angestellten im Laden, hat Auswirkungen darauf, wie die mit ihren Freunden und ihrer Familie sprechen, wenn sie nach Hause kommen. Wie du mit deinen Kindern sprichst, hat Auswirkungen darauf, wie sie mit ihren Kindern sprechen werden. Deine Worte sind nicht nur im Moment wichtig. Sie sind für Generationen von Menschen, die du nie treffen wirst, wichtig. Menschen, von denen du nie erfährst. Der richtige Satz zur richtigen Person kann Leben verändern.

Ja, Taten sprechen lauter als Worte, aber sie sind kein Ersatz für sie. Man kann nicht von sich behaupten, freundlich zu sein, wenn man keine freundlichen Worte verwendet.

Wer bist du laut deinen Worten? Die Wellen verbreiten sich weiter, lange nachdem der Stein aufs Wasser getroffen ist. Mit den Grundlagen in Kapitel eins bekommst du eine Einstellung, die dich darauf vorbereitet, Wellen voller positiver Wirkung auszulösen, die deine Beziehungen durchdringen und ein Leben lang anhalten und noch länger.

KAPITEL 1

Gewinne keinen Streit

»Ich vertraue Ihnen nicht mal so weit, wie ich Sie werfen kann!«, brüllte er.

Ehrlich gesagt war das ein Kompliment. Er hätte mich nämlich ziemlich weit werfen können. Bobby LaPray stand da, in einem beigen Overall mit einem weißen, ovalen Aufnäher auf der linken Brusttasche, auf dem schwarz »LaPray« aufgestickt war. Er starrte mich mit einem so hitzigen Blick an, dass der ein Loch in meine Anzugjacke hätte brennen können.

Im Allgemeinen weiß ich als Anwalt nicht, wie jemand aussieht, bevor ich ihn zu seiner Aussage treffe. Wie auch immer ich mir Bobby LaPray vorgestellt hatte, so sicher nicht. Ich saß am Konferenztisch und wartete darauf, dass die anderen eintrafen, schaute auf und sah ihn: halb Mensch, halb Riese. Er nahm die gesamte Tür ein. Natürlich stand ich auf und ging zu ihm, um ihm die Hand zu geben und mich vorzustellen.

»Jefferson Fisher«, sagte ich lächelnd.

»Hmpf. Bobby«, grummelte er.

Also ich bin nicht gerade klein, über einen Meter achtzig, aber ich reichte kaum an Bobby LaPrays Brust. Er war ein Schrank. Der Druck seiner riesigen, schwieligen Hand hinterließ auf meiner Hand einen Abdruck wie in einer Szene aus Tom und Jerry. Ich hatte noch nie jemanden getroffen, der körperlich so einschüchternd war.

In diesem Fall ging es um eine Schlägerei in einer Bar, und ich vertrat einen Gast, der in das Handgemenge hineingezogen worden war. Als Teil des Falles musste ich Bobby LaPray als Zeugen befragen. Dabei habe ich die Möglichkeit, den Menschen unter Eid Fragen zu stellen, bevor sie vor Gericht aussagen, um zu erfahren, was sie wissen.

Rund um den antiken Konferenztisch saßen die Protokollführerin, Bobby LaPray, der Anwalt der gegnerischen Partei und ich. Nachdem Bobby gebeten worden war, die Hand zu heben, um den Eid abzulegen, nickte die Protokollführerin mir wie üblich zu, als Zeichen, anzufangen.

Ich stellte Bobby LaPray Routinefragen zu seinem Hintergrund und was zu der Schlägerei geführt hatte. Es waren einfache, offene Fragen: Wann sind Sie in der Bar angekommen? Mit wem haben Sie zuerst gesprochen? Haben Sie gesehen, wie XY dieses oder jenes getan hat? Es ist üblich, mit solchen Fragen eine Chronologie der Ereignisse aus der Perspektive eines bestimmten Zeugen zu erstellen. Ich habe die ganze Zeit darauf geachtet, freundlich und höflich zu sein – zu 90 Prozent, weil das meiner Persönlichkeit entspricht, und zu 10 Prozent aus purem Selbsterhaltungstrieb. Ich wollte ihn auf keinen Fall aufregen.

Doch egal, wie vorsichtig ich meine Fragen stellte, Bobby LaPray wurde immer aufgebrachter. Ich hatte es schon oft genug erlebt, um es zu erkennen. Bei jeder Antwort runzelte er nun die Stirn. Ein Anzeichen negativer Emotionen. Sein Atem wurde schwerer, er atmete nicht mehr durch die Nase, sondern durch den Mund aus. Ein Anzeichen von zunehmendem Stress. Er begann, seine riesigen Hände zu ringen, während er sprach. Ein Anzeichen für Angst.

Es war gleichgültig, was ich tat. Es schien, als regte ihn meine bloße Anwesenheit im Zimmer auf. Ich spürte, wie die Spannung rund um den Tisch stieg, je ungehaltener Bobby LaPray aussah. Als würde ich einen Ballon aufblasen, der kurz vorm Platzen war.

Schließlich frage ich ihn: »Mr. LaPray, möchten Sie gern eine Pause machen?«

Es wurde still im Raum.

»Nein«, erwiderte Bobby LaPray und räusperte sich, »aber ich will was sagen.«

Er sprach lauter als nötig. So laut, dass die Protokollführerin zusammenzuckte.

Ich sah kurz zum anderen Anwalt, der mindestens 65 Jahre alt war. Er schien noch nervöser zu sein als ich. Als wir uns ansahen, riss er die Augen auf und schüttelte langsam den Kopf, wie um zu sagen: »Wenn das hier aus dem Ruder läuft, stehst du allein da.« Ich wandte mich wieder meinem Zeugen zu.

»Und zwar?«, fragte ich.

Bobby LaPray holte tief Luft. »Sie können sich dieses kumpelhafte Getue sonst wohin stecken!«

Er formulierte es allerdings etwas anders.

»Ihr Anwälte seid das Schlimmste, was Amerika je passiert ist«, fuhr er fort. »Ihr lügt alle nur.« 

Er donnerte die Hand auf den Tisch, hob sie dann, zeigte mit dem Zeigefinger auf mich und sagte: »Also machen Sie ruhig weiter mit Ihren dämlichen Fragen. Aber ich traue Ihnen nicht mal so weit, wie ich Sie werfen kann! Ich sage Ihnen, Anwälte sind das Schlimmste, was diesem Land je passiert ist«, wiederholte er.

Die Protokollführerin sah mich ängstlich an. In diesem Augenblick gingen mir Hunderte Gedanken durch den Kopf.

Erstens kenne ich dieses Vorurteil über Anwälte, ganz besonders solche, die sich auf Personenschäden spezialisiert haben, nur zu gut. Ich bemühe mich sehr, dagegen anzuarbeiten, aber ehrlich gesagt verdienen manche Anwälte diesen Ruf wirklich. Ein abfälliger Witz oder eine spöttische Bemerkung über meinen Beruf war nichts Neues. Das verstand ich.

Zweitens konnte ich ihm nicht vorwerfen, dass er mir nicht vertraute. Nicht, weil ich versuchte, ihn reinzulegen, sondern weil ich für ihn all die schlechten Dinge repräsentierte, die er über das Gesetz, Anwälte und »das System« glaubte oder gehört hatte. Natürlich hatte er keinen Grund, mir zu vertrauen. Auch das verstand ich.

Es war das »dämliche Fragen«, das mich traf.

Ich weiß sehr wohl, dass ich jeden Tag sehr viele dämliche Sachen mache. Aber was ich nicht tue, ist dämliche Fragen zu stellen.

In diesem Moment überkam mich Wut, und mein ganzer Körper spannte sich an. Meine Ohren wurden heiß, ich rutschte auf meinem Stuhl hin und her. Ich merkte, wie ich in die Defensive ging. Meine Fragen hatten bisher nur an der Oberfläche gekratzt. Nichts daran war schwierig oder unangenehm gewesen. »Dämlich«? Ich werde ihm »dämlich« zeigen, dachte ich. Mir lag ein Spruch über seine Körpergröße im Vergleich zu seiner Intelligenz auf der Zunge. Bloß ein paar gut gesetzte, treffende Worte, und ich hätte ihn besiegt. Ich glaubte, dass seine Reaktion reichte, um zu wissen, wer er wirklich war.