BELIEVE - Bheka heißt, jemanden beschützen - Sarina Grace Scott - E-Book

BELIEVE - Bheka heißt, jemanden beschützen E-Book

Sarina Grace Scott

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Beschreibung

Eine Geschichte über eine Liebe, die stärker ist als der Tod, über die Macht der Träume und das, was man sehen kann, wenn man es sehen will – für alle Leser:innen von  Guillaume Musso & Dani Atkins »Halt dich an deinen Träumen fest, so lange du willst, Liebes. Aber vergiss dabei das Leben nicht.« Bheka heißt, jemanden beschützen, und genau das wird Danny tun. Endlich kann er Kayleen in ihren Träumen besuchen und ihr sagen, wie stolz er auf sie ist, wie sehr er sie liebt und vermisst. Aber da ist ja auch noch Gillian, die ungeahnte Gefühle in ihm auslöst und auch Kayleen entdeckt, dass sie nicht alleine bleiben will. Ob der Fußballstar Seb dafür der Richtige ist, muss sich erst herausstellen, denn auch der Fotograf Jake lässt sie nicht kalt.   Dies ist der zweite Band der »Believe« - Trilogie »Ein sehr gefühlvolles Buch. Man kann lachen und aber auch weinen.« ((Leserstimme auf Netgalley))

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© Piper Verlag GmbH, München 2021

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: Alexa Kim »A&K Buchcover«

Covermotiv: PNGTree

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Inhalt

Cover & Impressum

Motto

Widmung

Disclaimer

Kapitel Eins

Kapitel Zwei

Kapitel Drei

Kapitel Vier

Kapitel Fünf

Kapitel Sechs

Kapitel Sieben

Kapitel Acht

Kapitel Neun

Kapitel Zehn

Kapitel Elf

Kapitel Zwölf

Kapitel Dreizehn

Kapitel Vierzehn

Kapitel Fünfzehn

Kapitel Sechzehn

Kapitel Siebzehn

Kapitel Achtzehn

Kapitel Neunzehn

Kapitel Zwanzig

Kapitel Einundzwanzig

Kapitel Zweiundzwanzig

Kapitel Dreiundzwanzig

Kapitel Vierundzwanzig

Kapitel Fünfundzwanzig

Kapitel Sechsundzwanzig

Kapitel Siebenundzwanzig

Kapitel Achtundzwanzig

Kapitel Neunundzwanzig

Kapitel Dreißig

Kapitel Einunddreißig

Kapitel Zweiunddreißig

Kapitel Dreiunddreißig

Kapitel Vierunddreißig

Kapitel Fünfunddreißig

Kapitel Sechsunddreißig

Kapitel Siebenunddreißig

Kapitel Achtunddreißig

Kapitel Neununddreißig

Kapitel Vierzig

Kapitel Einundvierzig

Epilog

Danksagung

 

Nur im Vorwärtsgehen gelangt man ans Ende der Reise.

– Afrikanisches Sprichwort –

 

Für alle, die weitermachen.

 

Diese Geschichte enthält möglicherweise triggernde Inhalte über Sternenkinder

Kapitel Eins

Kayleen

»Zum ersten Mal habe ich ihn im Krankenhaus gesehen, Marc. Er war da.« Eindringlich sehe ich Dannys Bruder an. »Ich bin nicht verrückt!« Seit drei Wochen sind Danielle und ich zu Hause, und immer wieder denke ich an diesen seltsamen Traum. Danny war da, als wäre er nie weggewesen. Sam glaubt mir nicht und meint, es sei Wunschdenken. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass Danny hier ist. Bei mir und seinem Baby. Manchmal glaube ich sogar, dass Danielle seine Anwesenheit spürt. Sie weint, wenn ich mit ihrer Windel nicht schnell genug bin, oder länger brauche, um ihren Strampler zuzuknöpfen, und plötzlich ist sie wieder ruhig. Ist das Danny, der sie beruhigt, oder habe ich doch Halluzinationen? Ist es die Übermüdung, weil ich seit ihrer Geburt nur noch im Stundentakt schlafe? Marc ist total verzaubert von seiner Nichte. Schon seit einer Stunde hält er mein schlafendes Baby im Arm und streichelt behutsam über ihr winziges Gesicht, ihre Hände und ihre Füßchen.

Jetzt wendet er mir seinen Blick zu und schenkt mir ein liebevolles Lächeln. »Ich weiß, Kay.« In seinen Armen wirkt Danielle noch zierlicher. »Er ist bei dir. Er besucht dich.« Seine Stimme ist leise, weil er meine Tochter nicht wecken will.

»In meinem Traum im Krankenhaus hat Danny sich über Danielles Bettchen gebeugt und sie vorsichtig gestreichelt. Er hat gesagt, wie stolz er auf mich ist.« Seufzend betrachte ich mein Baby einen Augenblick. »Das war doch ein Traum, oder nicht?«

»Ja, war es.« Ein Gefühl, das ich nicht genau deuten kann, steht in Marcs Augen. »Ich habe ihm versprochen, dir nichts zu sagen. Er wollte dich nicht durcheinanderbringen und du solltest dich ganz auf dein Baby konzentrieren.« Was meint er denn damit? Vielleicht ist Marc der Verrückte von uns? Stirnrunzelnd streiche ich mir eine Haarsträhne hinters Ohr. »Er meinte, du wirst selbst bestimmen, wann du bereit bist, ihn in deine Träume zu lassen.«

»Wer hat das gesagt?« Danielle schmatzt leise im Schlaf und ich verdeutliche meine Frage: »Was sollst du mir nicht sagen?«

»Danny.« Seine Antwort raubt mir fast den Atem, deshalb starre ich ihn mit offenem Mund entsetzt an. In meinen Augen sammeln sich Tränen und ich schüttle irritiert den Kopf. »Zum ersten Mal hat er mich besucht, als ich darüber nachgedacht habe, was aus mir und Johanna werden würde«, fährt Marc fort. Lächelnd legt er seine Hand auf meine, aber ich antworte nicht. »Ich bin nicht verrückt, Kay.« Jetzt grinst er. »Danny kommt in meine Träume und jetzt kann er endlich zu dir. Er hat so lange darauf gewartet.«

Ich schnappe nach Luft wie ein Fisch auf dem Trocknen, bevor ich in der Lage bin, mit zitternder Stimme zu antworten. »Danny ist tot, Marc!«

»Das weiß ich. Und er weiß es auch.«

Er meint das ernst, oder? Ich schlucke angestrengt und wische mir mit dem Ärmel meiner Strickjacke über die Wange. »Aber wie?«

»Keine Ahnung, Kay.«

»Ich versteh’ das nicht.« Mechanisch trockne ich die Tränen, die nun meine Lippen erreichen. »Warum jetzt?«

»Er hat gesagt, dass er uns nur besuchen kann, wenn wir von der Zukunft träumen.« Danielle dreht ihren kleinen Kopf auf die andere Seite, ihr Schnuller bewegt sich gleichmäßig auf und ab.

»Von der Zukunft?«, krächze ich.

»Ja. Bei Mum war er zum ersten Mal, als sie sich ein Namensbuch gekauft hat. Dad spricht nicht darüber, aber ich weiß, dass Danny auch zu ihm kommt.«

»Von Danny?«

»Was?« Er sieht mich irritiert an.

»Du weißt von Danny, dass er euren Vater besucht?« Danielle öffnet die Augen und gähnt herzhaft. Abwesend streiche ich über die winzige Faust meiner Tochter.

»Ja.« In Marcs Gesicht suche ich nach Anzeichen, dass er mich verarscht. Schon früher haben sich die Brüder einen Spaß daraus gemacht, mir irgendeinen Quatsch aufzutischen, und sich köstlich amüsiert, wenn ich ihnen geglaubt habe. Nur diesmal steht nicht der Schalk in Marcs dunklen Augen, sondern Liebe und Vertrauen. Er meint das ernst. Vorsichtig nehme ich mein Baby auf den Arm, küsse ihre Stirn und Marc steht auf. »Du darfst nicht auf ihn warten, Kay. Er kommt von ganz allein.« Mit einem Grinsen verlässt er das Wohnzimmer, damit ich Ruhe habe, um Danielle zu stillen. Ich schiebe das Shirt, es ist eines von Danny, nach oben und öffne den BH. Sofort schließt Danielle ihre winzigen Lippen um meine Brust und fängt an zu trinken, deshalb lehne ich mich seufzend zurück und lasse den Blick durch den Raum gleiten. Über dem Sessel hängt Johannas Strickjacke, neben dem Sideboard steht Petes Notebooktasche und Ellens Buch, in dem sie gestern Abend gelesen hat, während sie auf Danielle aufgepasst hat, liegt auf dem Couchtisch. Ich blicke aus dem Fenster in den Garten. Danny besucht mich? Der Wind zerrt an den Ästen der Bäume und die ersten braunen Blätter segeln zu Boden. Im Traum? Aber wie soll das gehen? In der Küche quietscht ein Stuhl, ich höre Marcs Schritte im Flur und die Tür zum Bad. Ich stoße einen langen Atemzug aus und betrachte wieder meine Tochter, die ihren Mund von meiner Brust gelöst hat, mich interessiert ansieht, tief Luft holt und sich erneut über die Milchquelle hermacht. Ihre Augen sind genauso tiefblau wie Dannys. Mit diesen Augen konnte er mich schon immer zu allem überreden.

»Oh nein, Danny. Nicht dieser Blick.« Er weiß genau, dass ich ihm dann nicht widerstehen kann. Er will in die Stadt. Ich nicht.

»Bitte, Kay, das wird lustig«, bettelt er. »Baby, komm schon, ich muss mal was anderes sehen als die Farm und das Reservat.« Jetzt schiebt er seine Unterlippe ein Stückchen nach vorne wie ein schmollendes Kind.

»Ich hatte eine anstrengende Woche«, versuche ich es erneut.

Er rutscht ein Stück näher zu mir. »Kay, bitte. Ich hab’ Jason gesagt, dass wir sowieso gewinnen werden.«

»Ich bin müde«, klage ich. »Und ich hab’ keine Lust auf Karaoke.«

Danny schmollt weiter. Wir sind beide große Dickköpfe, aber einer von uns wird kleinbeigeben. »Kay?«, säuselt er, während er seinen Kopf in meinen Schoß legt. Grinsend streiche ich durch seine blonden Locken. »Baby?« Er wird nicht aufgeben. Aber ich auch nicht.

»Warum willst du unbedingt heute ausgehen?« Meine Hände gleiten zärtlich durch seine langen Haare. »Wir könnten uns auch hier einen schönen Abend machen.« Liebevoll zeichne ich seine Augenbrauen nach. »Wenn Marc und die anderen nicht da sind …« Ich lasse das Ende des Satzes offen und auf seinen Lippen bildet sich ein sexy Lächeln, das süße Grübchen in seine Wangen zaubert. Diesmal gewinne ich.

»Nur wir beide?«, hakt er nach und als ich mit einem Nicken antworte, schrauben sich seine Mundwinkel ein Stückchen höher, bevor er aufsteht. An der Tür angekommen, wendet er sich mit den Händen auf dem Rücken wieder zu mir. Mit einem leisen Knirschen dreht er den Schlüssel im Schloss und kommt wieder auf mich zu. Er trägt nach wie vor seine beigefarbene Arbeitshose und ein weißes T-Shirt, das seine gebräunte Haut zur Geltung bringt. Jetzt hat er sein Bett erreicht und stützt sich neben mir ab. Mein Herz pocht so laut, dass er es bestimmt hören kann. Ich spüre seinen warmen Atem, der nach Kaffee und Kaugummi riecht, während ich in den Tiefen seiner Augen ertrinke. »Nur wir beide?«, haucht er erneut, aber ich bin immer noch unfähig zu antworten, deshalb nicke ich nur, bevor er seinen Mund auf meinen legt und mich sanft in die Kissen drückt.

»Wenn du diese Augen genauso einsetzen kannst wie dein Daddy, habe ich jetzt schon verloren.« Ihre kleine Hand um meinen Zeigefinger geklammert schmatzt Danielle leise und mustert mich ausgiebig. Nach meiner Ankunft in London hatte ich öfter das Gefühl, Danny im Spiegel zu sehen. Im Schaufenster. Oder in der Wasseroberfläche eines Brunnens. Nach meinem Geburtstag wurde es weniger, aber die kleinen Momente, in denen ich ihn sehen konnte, waren dafür umso intensiver. Er war immer bei mir. Seine Anwesenheit hat mich beruhigt, aber nur Marc hat mir wirklich geglaubt. Danielle löst ihre Lippen von meiner Brust. »Na, mein Engel, bist du satt?« Vorsichtig hebe ich sie hoch und lege sie an meine Schulter, bevor ich aufstehe und langsam durchs Zimmer wandere.

Marc steht wieder in der Tür. »Mahlzeit beendet?« Er kommt einen Schritt näher und Danielle rülpst leise.

»Ja. Sind Sam und Johanna noch nicht zurück?«

»Nein. Zwei Shopping-Queens unter sich.« Er verdreht grinsend die Augen.

»Ich muss sie wickeln, danach könnten wir einen Spaziergang machen, wenn du willst.«

»Klar, gerne.« Im Vorbeigehen streichelt er über Danielles Rücken und lässt sich auf die Couch fallen. Auf dem Weg nach draußen bleibt mein Blick an den Fotos auf dem Sideboard hängen. Bilder von Danny und mir.

»Du kommst mich also besuchen?« Ich berühre sein Gesicht. Sein Lachen war immer ansteckend. Er fehlt mir, jetzt mit seinem Baby im Arm noch mehr, aber für Danielle lohnt es sich weiterzumachen. Ich presse meine Lippen an ihre Stirn. Sie ist das Einzige, was mir von Danny geblieben ist. In ihrem Zimmer lege ich sie vorsichtig auf den Wickeltisch und werfe einen Blick zu Dannys Bild an der Wand. »Ich freu mich auf dich.«

Draußen rascheln unsere Schritte durch das Herbstlaub, die Reifen des Kinderwagens knirschen im Kies und Marc erzählt mir von Dannys Besuchen und dass er es war, der ihn bei der Surfschule bestärkt hat. Ich frage ihn, ob er ihn wieder außerhalb seiner Träume gesehen hat, so wie er es mir bei seinem letzten Besuch erzählt hat.

»Ja, er war bei der Eröffnung der Surfschule dabei und hat mich mit Mum beobachtet, als ich ihr gezeigt habe, wie sie sich auf dem Brett ausbalancieren muss.«

»Du meinst das ernst, oder?«, hake ich nach. Marc klingt, als wäre Danny tatsächlich da. »Warum kann ich ihn nicht sehen?«

Marc legt seinen Arm um mich. »Keine Ahnung, Kay, aber du kannst ihn jetzt in deine Träume lassen.«

»Und wie soll das gehen?«

Er drückt mich an sich. »Das kann ich dir auch nicht beantworten. Auf einmal ist er da.«

 

Auf dem Weg zurück treffen wir auf Johanna und beim Haus angekommen, steigen Ellen und Pete aus dem Taxi. »Hallo, ihr zwei. Na ihr, wie geht es euch?«

»Gut, jetzt sind wir geschafft und brauchen dringend einen Tee.« Mit Marcs Hilfe parkt Johanna den Kinderwagen im Seiteneingang zum Keller und nimmt meine schlafende Tochter auf den Arm.

»So ein Baby steht dir gut, Hannah.« Pete hat genauso ein ansteckendes Lachen wie Danny, aber Marc starrt seinen Vater erschrocken an. »Es war nur Spaß, Marc, aber irgendwann wollen wir auch von euch ein Enkelkind.« Pete legt den Arm um seine Frau. »Oder Schatz?«

»Na auf jeden Fall!«, bestätigt Ellen.

Johanna dreht sich kichernd zu Marc um. »Wir haben noch Zeit.«

Marc nickt erleichtert und atmet beruhigt auf.

»Wo habt ihr Sam gelassen?«, will Ellen wissen, nachdem Pete ihr aus der Jacke geholfen hat.

»Sie holt Shane ab, damit wir heute Abend ins Musical gehen können«, antwortet Johanna und drückt Danielle einen sanften Kuss auf die Nasenspitze, bevor sie mir mein schlafendes Baby reicht.

»Danke. Ich bring sie ins Bett.«

»Ich mache uns einen Tee.« Ellen marschiert zielstrebig in die Küche, Marc und Pete verschwinden ins Wohnzimmer und schon erklingen die südafrikanischen Stimmen der Rugby-Kommentatoren. Ich lege Danielle in ihr Bettchen, schließe den Schlafsack und ziehe die Spieluhr auf, die Dannys Eltern für sie mitgebracht haben. Mit dem Babyphone in der Hand gehe ich zurück zu den anderen.

»Hier zum Aufwärmen.« Ellen reicht mir eine Tasse Tee.

»Danke.« Ich setze mich neben Pete auf die Couch. »Was habt ihr euch angesehen?«

»Madame Tussauds.« Ellen lässt sich in den Sessel sinken und nippt an ihrem Tee.

»Das war toll. Da will ich noch mal hin.« Johanna plumpst zu Marc aufs Sofa, woraufhin er die Augen verdreht. Mit ihrer Energie stellt Hannah sogar Danny in den Schatten. Sie steht ständig unter Strom, plappert immer zu viel auf einmal und ihr Lachen ist genauso laut und ansteckend wie das von Sam.

»Hast du nie genug, Baby?«, fragt jetzt Marc mit einem Seitenblick auf seine Freundin. Schmunzelnd beobachte ich die beiden. Marc hat es verdient, glücklich zu sein und Johanna ist genau die Richtige für ihn.

Sie lehnt sich mit einem verliebten Lächeln an ihn. »Nö, warum. Wir sind schließlich in der Stadt, die niemals schläft.«

»Ist das nicht New York?«, brummt er.

Johanna winkt ab. »Egal.«

»Ok, Wirbelwind, heute Abend lösen wir dein Geburtstagsgeschenk ein und morgen sehen wir uns die Stadt von oben an, wenn wir mit dem Riesenrad fahren.«

Ellen nickt. »Oh ja, das haben wir aus der Ferne gesehen. Ist sicher toll.« Sie wirft mir einen Blick zu. »Warst du schon mal oben, Kay?«

»Ja, mit meinem Dad, kurz nachdem ich angekommen bin, aber Danielle und ich begleiten euch gerne, sie kennt es ja auch noch nicht.« Mit meiner Teetasse in der Hand lehne ich mich zurück. Direkt bei unserem ersten Treffen in Kapstadt haben sie mich in die Familie aufgenommen. Dad und Judy hätten Danny bestimmt genauso schnell als ihren Schwiegersohn betrachtet, aber leider haben sie ihn nie kennengelernt. Immer war irgendwas. Prüfungen bei mir, Arbeit bei Danny, ein wichtiger Fall bei Dad oder ein Großauftrag bei Judy.

»Einen Penny für deine Gedanken?«, haucht Marc plötzlich neben mir, deshalb sehe ich ihn erschrocken an. Seine Augen sind tief und dunkel. Völlig anders als Dannys, die immer gestrahlt haben. »Woran hast du gedacht?«

Einen Moment lang beobachte ich Ellen und Johanna mit einem Babysachen-Katalog und Pete, der in die Sportnachrichten im Fernsehen vertieft ist.

»An mein erstes Treffen mit deinen Eltern.«

»Danny war total stolz, dir das Strandhaus zu zeigen.«

»Oh, es ist ja auch unglaublich schön dort.«

»Stimmt, aber wart’s nur ab, bis du unser Haus gesehen hast«, verkündet Marc sichtlich stolz auf sein neues Leben in Kapstadt.

»Früher oder später kommen wir euch bestimmt besuchen.« Bei meiner Abreise aus Südafrika habe ich gesagt, dass ich nie wieder zurückkommen werde, weil mich alles dort an Danny erinnert. Jetzt habe ich eine Tochter, die irgendwann wissen will, woher ihr Daddy stammt. Das Babyphone rauscht, dann ein leises Quaken. Rascheln. Das Quengeln wird lauter, aber weil sie schon während des Spaziergangs geschlafen hat, war klar, dass es nicht mehr lange dauert, bis Danielle aufwacht.

In ihrem Zimmer hebe ich Danielle aus ihrem Bettchen und küsse ihre Wange. »Nicht weinen, Schatz. Ich bin doch hier.« Sanft wiege ich sie in meinen Armen und lege sie auf den Wickeltisch.

»Darf ich reinkommen?«, fragt Ellen leise vom Türrahmen aus.

Ich drehe mich kurz um. »Natürlich.«

Weil ich jedes Mal schneller werde, schließe ich bereits Danielles Windel und knöpfe ihren Strampler zu, während Ellen die Bilder von Danny auf dem Sideboard betrachtet. Danielle sabbert auf ihr Stofftier.

»Pete und ich werden euch Geld schicken, damit es Danielle und dir an nichts fehlt«, sagt Ellen, als sie sich wieder zu uns umdreht. Ich nehme meine Tochter auf den Arm und sehe in die dunklen Augen von Dannys Mutter.

»Das ist lieb, aber ich will nicht, dass ihr denkt, ihr seid dazu verpflichtet …«

Sie legt ihre Hand auf meinen Arm und unterbricht mich. »Kay, wir machen es, weil wir es können und natürlich, sind wir dazu verpflichtet. Danielle ist unsere Enkeltochter und ihr beide gehört zur Familie.« Sie streckt ihre Arme nach meinem Baby aus. »Darf ich?«

»Danke.« Mit dem Fuß öffne ich den Windeleimer und werfe die schmutzige Windel in den Müll, bevor ich das Licht neben dem Bettchen ausschalte. »Dad hat gleich nach Danielles Geburt ein Sparkonto für sie eröffnet.«

Ellen streichelt sanft über Danielles Wange. »Das werden wir auch tun. Wir werden euch unterstützen.« Zärtlich küsst sie Danielles Nase. »Hallo kleiner Engel, hast du gut geschlafen und etwas Schönes geträumt?«

Ich wende mich wieder zu den Bildern und blicke in Dannys strahlendes Gesicht. »Ellen?«, frage ich leise, ohne mich zu ihr umzudrehen. Mit den Fingern streiche ich über das Bild. »Marc hat mir von diesen Träumen erzählt.«

»Hat Danny dich schon besucht? Er hat es sich so sehr gewünscht.«

Jetzt wende ich mich doch zu ihr um, in ihren Augen schimmern Tränen. Sie vermisst Danny auch. »Ich weiß nicht, es ist anders, als Marc gesagt hat. Er kann mit ihm sprechen?«

»Das stimmt.«

Reflexartig wische ich mir über die Augen. »Er war bei mir, aber er hat nichts gesagt.« Ich betrachte die Fotos, als würden sie Danny wieder lebendig zaubern.

»Bestimmt wollte er dich nicht erschrecken, Kay?« Sie drückt meine Hand. »Mich hat er geschockt, als er auf einmal auf der Terrasse des Strandhauses stand und Hallo Mum gesagt hat.«

»Das kann ich mir vorstellen.« Ich vermisse es, seine Stimme zu hören, sein Lachen. Mir fehlt sein Atem im Gesicht, bevor er mich küsst. Sein Duft war immer eine Mischung aus seinem Duschgel vom Morgen, dem schnellen Deo zwischendurch, gemischt mit Schweiß und Dreck oder Salzwasser und Sonnencreme. Werde ich ihn im Traum berühren können? Seine Wange war immer stoppelig, wenn er sich nicht rasiert hat.

Ellens Stimme holt mich aus meinen Gedanken. »Er wird auch mit dir sprechen Kay, das ist alles, was er will. Aber er wartet, bis du bereit dazu bist.«

Ich wische mir die Tränen aus den Augen und Ellen schenkt mir ein sanftes Lächeln.

»Weißt du, was er mir geraten hat?«

Ich schüttle den Kopf.

»Warte nicht auf mich, Mum.«

Kapitel Zwei

Danny

»Heute fliegen deine Eltern zurück nach Afrika, oder?« Alan hat meinen Tisch in der Cafeteria erreicht und stellt ein Tablett mit seinem Mittagessen auf den Platz gegenüber.

»Ja«, antworte ich kurz angebunden.

»Was ist los, Danny?« Er lässt sich auf den Stuhl fallen, auf dem Alex zuvor gesessen hat, bevor er zurück zu seinem Schützling Pat gegangen ist. So wie immer schlägt er die Beine übereinander und einer seiner Flipflops plumpst dumpf zu Boden. Seufzend leere ich mein Glas und sehe meinen Schutzengel endlich an.

»Marc hat Kayleen das mit den Träumen erzählt.«

»Na und, das wolltest du doch immer?«

Jetzt lehne ich mich zurück. »Ja, aber jetzt weiß sie, dass ich kommen kann und träumt nicht mehr.«

»Ich glaube nicht, dass dies der Grund dafür ist. Sie ist einfach müde und schläft zu fest.« Alan spießt ein Salatblatt auf. »Danielle hält sie ziemlich auf Trab.«

»Und ich kann ihr nicht helfen, wie ich es eigentlich sollte.« Mit einem genervten Schnauben verschränke ich die Arme vor der Brust.

»Doch das tust du.« Er kaut genüsslich auf seinem Grünzeug und tupft sich die Lippen mit einer Serviette ab, damit das Dressing nicht auf sein Hemd tropft. »Danielle spürt deine Anwesenheit und ist beruhigt, wenn du da bist.«

Stirnrunzelnd betrachte ich meinen Schutzengel dabei, wie er seinen Salat in sich reinstopft. Ich war nie für Grünfutter zu haben und bin mehr auf Steak oder Burger abgefahren.

»Manchmal glaube ich, dass Danielle mich sieht«, murmele ich schließlich.

Er schüttelt den Kopf. »Das kann sie nicht, aber Babys und Kinder haben ein ganz besonderes Gespür für uns.«

War ja klar. Er glaubt mir nicht, aber bevor er mir jetzt Vorträge hält, was in dieser seltsamen Welt alles möglich ist, stehe ich schnell auf. »Ich muss los. Kayleen ist schon am Flughafen angekommen.«

Nach einer Woche fliegen meine Eltern, Marc und Johanna zurück nach Kapstadt. Vielleicht wird Kayleen wieder von mir träumen, wenn meine Familie nicht mehr in der Nähe ist? Möglicherweise braucht sie einfach Zeit für sich alleine, so wie im Krankenhaus oder in der ersten Woche zu Hause, als sie von dem Spaziergang am Fluss geträumt hat.

»Gut, wir sehen uns später.« Alan widmet sich wieder seinem Mittagessen, während Claire auf seinen Tisch zusteuert und mich im Vorbeigehen freundlich grüßt. Auf dem Weg zum Tresen werfe ich einen Blick zurück und kneife irritiert die Augen zusammen. Hält Claire etwa Alans Hand? Müde reibe ich mir übers Gesicht. Oh Mann, ich sollte besser eine Nacht durchpennen, anstatt immer nur bei Danielle im Schaukelstuhl zu sitzen und sie zu beobachten.

 

In meinem Zimmer angekommen schnappe ich mir einen Passierschein aus der Schublade und blicke aus dem Fenster, das mir ermöglicht, immer auf meine Familie aufzupassen. Kayleen steigt aus Bobs Wagen aus. Meine Eltern sind mit dem Taxi gefahren und geben bereits das Gepäck auf. Johanna klettert von der Rückbank, bevor sie die schlafende Danielle mit ihrer Babytrage aus dem Auto hebt. Sie ist genauso verzaubert von meiner Tochter wie meine Eltern und Marc. Mein Bruder hievt den Kinderwagen aus dem Kofferraum und Kayleen beobachtet Johanna mit unserem Baby. Schnell kritzele ich ihren Namen auf den Schein und falte ihn zusammen. Johanna klickt die Babytrage in den Wagen, bevor die drei sich auf den Weg ins Terminal machen. Mit dem Passierschein erreiche ich den Flughafen und betrete gemeinsam mit ihnen die Abflughalle, als auch meine Eltern dazu stoßen.

Marc zieht Kayleen in seine Arme. »Pass auf dich auf, Kay.«

»Mache ich.« Mit einem Taschentuch tupft sie sich die Augen und jetzt breitet Johanna ihre Arme aus.

»Komm her, Kay. Ihr müsst uns unbedingt besuchen.« Sie lugt wieder zu Danielle in den Kinderwagen.

Kayleen stopft das Tempo in ihren Ärmel und nickt. »Ja, das werden wir.«

Ich bin froh, dass sie wieder nach Südafrika reisen wird, wenn auch nicht sofort. Jetzt wendet sie sich an Mum und Dad. Mein Vater zieht sie in seine Arme und küsst ihre Wange. Mum beugt sich über den Kinderwagen, damit sie Danielles Pausbäckchen streicheln kann.

»Auf Wiedersehen, Mäuschen.« Sie dreht sich zu Kayleen um und umarmt sie herzlich, bevor der Flug nach Kapstadt aufgerufen wird und Kayleen sich aus der Umarmung meiner Mutter löst. »Du besuchst uns und bringst den süßen Fratz mit, ja?«

Kayleen nickt und kämpft gegen die aufsteigenden Tränen. Gerne würde ich sie festhalten. Ihr zeigen, dass ich hier bin, stattdessen kann ich alles nur beobachten. Der Punkt neben dem Flug nach Kapstadt auf der Anzeigetafel springt von Gelb auf Grün.

»Ihr solltet gehen.« Kayleen deutet auf den Bildschirm.

Mum drückt sie ein weiteres Mal an sich. »Wir rufen dich an, wenn wir da sind, und du meldest dich, ok?«

»Natürlich, ich schicke euch Bilder von Danielle.«

»Und von dir nicht?«, grinst Marc.

»Doch und von mir«, antwortet Kayleen mit einem Lächeln. Dad umarmt sie wieder und legt schließlich den Arm um meine Mutter.

»Komm, Schatz. Wir müssen.«

Mum wirft einen letzten Blick zu Danielle, bevor sie Kayleens Hand endgültig loslässt. Johanna und Marc folgen unseren Eltern und genau wie an dem Tag, an dem er Kayleen in Afrika zum Flughafen gebracht hat, dreht sich Marc zu mir um. Er weiß, dass ich hier bin und auf Kayleen aufpassen werde, wie ich es versprochen habe. Kayleen wartet, bis meine Familie hinter den Sicherheitsabsperrungen verschwunden ist, wischt sich die Tränen aus den Augen und wendet sich zum Fahrstuhl. Ich folge ihr und lasse eine ältere Dame vor ihr in den Aufzug, bevor ich mich neben Danielles Wagen und zwei riesige Koffer quetsche.

»Wie niedlich. Wie alt ist sie denn?«, fragt die Dame freundlich. Danielle spuckt ihren Schnuller aus.

»Vier Wochen«, antwortet Kayleen mit einem Lächeln. Das Paar mit den beiden Koffern steigt eine Etage tiefer aus und ich betrachte meine Tochter, die sich ihre Faust in den Mund schiebt. Im Erdgeschoss steuert Kayleen ein Café an, um unser Baby zu füttern, bevor sie nach Hause fährt.

»Na, mein Engel, jetzt sind sie weg und du hast alles verschlafen.« Sie parkt den Wagen in einer ruhigen Ecke, bevor sie Danielle auf den Arm nimmt. »Hast du Hunger?«

Ich setze mich neben sie an den Tisch und beobachte meine beiden Frauen. Kayleen schiebt ihr Shirt so weit nach oben, dass Danielle die Milchquelle findet, aber ihr Busen verdeckt bleibt. Der Kellner, der taktvoll gewartet hat, bis Kayleen ihre Brust wieder bedeckt hat, tritt an den Tisch, um nach ihrer Bestellung zu fragen. Während Kayleen unsere Tochter füttert, lasse ich den Blick zu einer Gruppe von Reisenden wandern, die gerade ankommt. SYDNEY steht auf dem Bildschirm und ich entdecke Gillian, die in ihrem roten Kleid und mit einem Lächeln auf den Lippen neben Jake durch die Tür tritt. Na toll. Mr Zahnpasta-Grinsen. Schnaubend verschränke ich die Arme und lehne mich zurück. Jake verabschiedet sich von einem anderen Kerl und schultert seinen Rucksack, bevor er zielstrebig auf das Café zusteuert, in dem Kayleen mit Danielle sitzt. Er reckt seine Arme in die Luft, entblößt ein Stückchen gebräunte Haut an seinem Bauch und lässt sich gähnend auf einen der Stühle fallen. Sein Blick wandert zum Fernseher über der Bar. Fußball. Dieses Spiel habe ich nie verstanden. In Afrika spielen es nur die schwarzen Kinder, Marc und ich sind Rugby-Fans. Kayleen hat uns von Fußball erzählt, und wie groß dieser Sport in Europa ist, aber ich fand es immer langweilig. Jake bestellt sich ein Bier und Gillian tänzelt, nachdem sie sich die Auslagen eines Juweliers angesehen hat, zurück zur Bar. Sie entdeckt mich bei Kayleen und kommt langsam näher.

»Hallo Danny.« Sie lugt zu Danielle, die jetzt fertig getrunken hat.

»Hi Gil.« Ich ziehe ihr einen Stuhl zurück.

»Eine hübsche Tochter hast du«, sagt sie, nachdem sie sich neben mich gesetzt hat.

»Danke.«

Gillian beobachtet Kayleen, die Danielle auf ihrem Arm hin und her wiegt und ihr einen Schnuller in den Mund gibt. »Sie sieht aus wie du.«

»Das sagt jeder«, antworte ich grinsend, bevor ich abwertend Richtung Jake zeige. »Wollte der nicht in Australien bleiben?«

Kurz wendet sie sich zu ihrem Schützling, der weiterhin das Fußballspiel verfolgt. »Wir fliegen morgen weiter nach Irland, sein Vater ist gestorben.«

Ich schlucke. »Oh.«

»Eigentlich ist es sein Großvater.«

»Muss ich das verstehen?«

»Lange Geschichte«, winkt sie ab und lehnt ihren Kopf nach hinten. Ihre blonden Korkenzieherlocken hüpfen auf und ab.

»Also wird er zurück nach Australien gehen?«

Gillian nickt und ich atme erleichtert aus.

»Hattest du Angst, er würde sich an Kayleen ranmachen?«

Ich werfe kurz einen Blick zu meiner Freundin, die gerade einen Schluck Wasser trinkt. Danielle hat die Augen geschlossen und ihr Schnuller bewegt sich gleichmäßig auf und ab. »Er hat’s schließlich versucht.«

»Er hat mit ihr geflirtet, das ist nichts Schlimmes, oder?«

»Eigentlich nicht.« Jake hat sein Bier geleert und lässt nun seinen Blick durch das Café wandern. Natürlich entdeckt er Kayleen und steht auf. Mist. Gillian amüsiert sich über meinen angepissten Gesichtsausdruck.

»Hallo Kayleen.« Er stützt seine braungebrannten Arme auf dem freien Stuhl an ihrem Tisch ab, während ich ihn ausgiebig mustere. Er trägt ausgewaschene Jeans und ein dünnes schwarzes Shirt. Seine Lederjacke hat er über die Stuhllehne an der Bar gehängt und seine Füße stecken in dunklen Chucks. Kayleen hebt stirnrunzelnd den Blick. »Jake, wir haben uns mal getroffen.« Hilft er ihrer Erinnerung auf die Sprünge und grinst dabei dieses dämliche Zahnpasta-Grinsen, deshalb lehne ich mich mit einem genervten Brummen zurück.

»Der Auswanderer, ja.« Sie lächelt. »Sorry.«

»Ach was.« Jetzt winkt er ab. »Darf ich?«

»Klar.« Sie lehnt sich nach vorne, um ihre Strickjacke vom Stuhl zu nehmen, aber Jake greift nach meinem Stuhl, sodass ich schnell aufspringen muss. Gillian grinst nur, weil ich mich wie ein Wächter beim Kinderwagen aufstelle.

»Ein süßes Baby hast du. Ein Mädchen?«, fragt Jake, nachdem er sich hingesetzt hat.

»Ja, sie heißt Danielle«, antwortet Kayleen. »Sie ist jetzt vier Wochen alt.« Der Kellner eilt an den Tisch, um nach einer weiteren Bestellung zu fragen, aber Kayleen lehnt ab und Jake ordert eine Cola.

»Was machst du hier, holst du jemanden ab?«, will er jetzt wissen. Kayleen steht auf, damit sie Danielle zurück in den Kinderwagen legen kann.

»Nein, ich habe meine …« Sie macht eine Pause. »Danielles Großeltern und ihr Onkel waren zu Besuch. Ich wollte gerade zum Auto und habe hier einen Zwischenstopp eingelegt.« Sie setzt sich wieder auf ihren Platz und sieht ihn fragend an. »Und du? Bist du wieder zurück? Ich dachte, wenn man auswandert, ist das für immer? Oder zumindest für länger?«

Er lacht. »Eigentlich ist es das, ich muss nur kurz nach Hause und fliege morgen weiter.« Er verzieht das Gesicht. »Familienangelegenheiten in Irland.«

»Aha, danach fliegst du zurück nach Australien? Ich meine, wenn du deine Familienangelegenheiten erledigt hast?«

»Ja.« Der Kellner bringt seine Cola. »In Irland hält mich nichts.«

Kayleen linst auf die Uhr und rutscht unbehaglich auf ihrem Stuhl hin und her, weil sie selbst ein angespanntes Verhältnis zu ihrer Mutter hat.

»Willst du gehen?«, fragt Jake nach einem Schluck von seinem Getränk.

»Ja, Danielle und ich hatten einen anstrengenden Tag.« Sie kramt nach ihrem Geldbeutel.

»Wo fährst du hin? Könntest du mich mitnehmen?« Er flirtet mit ihr. Schon wieder. Jetzt will er auch noch, dass sie ihn nach Hause fährt.

»Wo musst du denn hin? Ich fahre nach Hammersmith.« Sie winkt dem Kellner an der Bar.

»Das wäre ein Anfang, meine Wohnung in Bayswater bewohnt im Moment mein Cousin und ich muss wohl auf meiner eigenen Couch pennen.« Eilig leert Jake sein Glas.

»Auf der Fahrt im Feierabendstau muss er bestimmt aufs Klo«, murre ich mit einem genervten Augenrollen, was Gillian erneut zum Kichern bringt.

»Na klar, also die halbe Strecke kann ich dich mitnehmen.« Sie nimmt ihre Jacke und Jake steht auf.

»Warte ich helf’ dir.«

Kayleen schenkt ihm ein dankbares Lächeln. »Danke, das ist lieb.«

Ich beobachte den Austausch mit einem Seufzer.

»Jetzt sei nicht so, Danny. Er will doch nur nett sein«, murmelt Gillian, aber ich antworte nicht. Es wäre meine Aufgabe, ihr in die Jacke zu helfen, die Getränke zu bezahlen und Danielles Wagen aus dem Café zu schieben. Gillian legt ihre Hand auf meinen Arm. »Überleg doch mal, wenn ihr zusammen in London leben würdet, und ein Freund von Shane bittet euch um eine Mitfahrgelegenheit, würdest du ihn dann am Flughafen zurücklassen?« Sie hat recht. Genau wie Alan. Jake bezahlt seine Getränke und Kayleen legt ihre Handtasche auf Danielles Wagen. Er schlüpft in seine Jacke und schnappt sich seinen Rucksack. »Lass uns zurückgehen, Danny.« Gillian hält mich am Arm fest und ich beobachte Kayleen und Jake auf dem Weg zum Aufzug.

»Aber …«

»Du kannst nicht immer bei ihr sein.« Sie hakt sich bei mir unter. »Komm und lad mich auf einen Drink ein.«

Irritiert mustere ich die hübsche Blondine neben mir. »Die Drinks kosten bei uns nichts.«

»Gehst du trotzdem mit mir etwas trinken?«, fragt sie lachend. Jake und Kayleen sind bereits im Trubel des Flughafens verschwunden.

»Wirst du wieder versuchen, in ihren Traum zu gehen?«, fragt Gillian am Abend auf dem Weg zu meinem Zimmer. Ich habe ihr von den bisherigen Besuchen bei Kayleen erzählt und dass ich mich bisher zurückgehalten habe, um sie nicht zu erschrecken.

»Na klar.«

»Und wenn sie von Jake träumt?«

»Was?« Entsetzt starre ich sie an, was Gillian zum Brüllen komisch findet und sich vor Lachen den Bauch hält.

»Du solltest dein Gesicht sehen, Danny. Das war nur ein Scherz.«

»Ha ha. Sehr witzig.« Ich öffne die Tür, worauf Gillian mir in mein Zimmer folgt. Nach ihrer Rückkehr vom Flughafen hat Kayleen unsere Tochter gefüttert und gebadet. Jetzt liegt Danielle friedlich schlafend in ihrem Bettchen, während sich Kayleen auf die Couch kuschelt.

»Versuch es.« Gillian steht direkt hinter mir. Ich werfe einen weiteren Blick zu meiner Verlobten, die sich die gemusterte Decke bis zur Nasenspitze zieht und sich seufzend umdreht. Gillian nickt zur Tür. »Geh schon.«

Ich schlucke angespannt. Durch meinen Bruder weiß sie, dass ich wiederkommen werde, und deshalb wartet sie auf mich. Mit zittriger Hand öffne ich die Tür, betrete anstatt des weißen Flurs das Wohnzimmer ihrer Wohnung. Kayleen sieht mich irritiert an. Ein sanftes Lächeln liegt auf ihren Lippen.

Himmel, sie ist so schön.

»Danny?« Sie stellt ihre Tasse auf den Tisch.

Endlich.

Langsam gehe ich einen Schritt auf sie zu.

»Du bist hier?«, haucht sie. Unfähig zu antworten, nicke ich nur. Monatelang habe ich darauf gewartet, sie im Traum zu besuchen, und jetzt bekomme ich kein Wort heraus. »Warum sagst du nichts?« In ihren Augen glitzern Tränen, deshalb räuspere ich mich verlegen. »Marc hat gesagt, dass du …« Mechanisch wischt sie sich über die Wange, deshalb überbrücke ich den Abstand zwischen uns mit einem Schritt.

»Ich bin hier, Kay.« Meine Stimme klingt kratzig und fremd, als hätte ich seit Monaten nicht mehr gesprochen, na ja, das habe ich auch nicht, zumindest nicht mit ihr. Ich räuspere mich wieder.

»Oh Gott, Danny!« Die Tränen rinnen jetzt unaufhaltsam über ihre Wangen, deshalb setze ich mich neben sie auf die Couch und greife nach ihrer Hand.

»Nicht weinen, Baby.« Vorsichtig wische ich die salzige Flüssigkeit von ihren Lippen.

»Ich träume, oder?«, fragt sie, ohne ihren Blick von mir zu nehmen.

»Ja.«

Kayleen betrachtet mich ausgiebig. Beim letzten Mal lag ich in einem Krankenhausbett und war unfähig, mich zu rühren.

»Du warst nach Danielles Geburt bei mir, oder?« Ihre Frage ist nur ein Flüstern.

»Ja, aber das habe ich erst am nächsten Tag kapiert. Auch ich habe geträumt.«

Genau wie meine Mutter, die mich in ihren Träumen immer berühren will, umklammert Kayleen mit zittrigen Fingern meine Hand.

»Und als ich von dem Spaziergang im Park geträumt habe?«

»Da auch«, antworte ich mit einem Lächeln. Kayleen hebt ihre freie Hand und berührt meine Wange. Monatelang habe ich mich danach gesehnt. Ich hebe die Hand, um sie auf ihre zu legen. »Jetzt kann ich dir endlich sagen, wie leid mir alles tut, und wie stolz ich auf dich bin.« Eine weitere Träne löst sich aus ihren dichten Wimpern, vorsichtig lehne ich mich zu ihr und drücke ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn. Danielles leises Quaken ist über das Babyphone zu hören. »Danielle ist das schönste Baby der Welt.« Das behauptet vermutlich jeder Vater.

»Sie sieht aus wie du«, flüstert Kayleen jetzt, deshalb stupse ich grinsend ihre Nasenspitze an.

»Nein, sie hat deine Nase.«

Kayleen kichert. »Das hat Sam …«, sie bricht ab und starrt mich an. »Du warst da, oder? Als sie geboren wurde.«

»Natürlich, ich bin immer bei euch. Ich war mit dir beim Arzt, bin mit dir in diesen unterirdischen Zügen zur Arbeit gefahren und war mit dir und Sam in diesem schrecklichen Club und in der Bar.«

»Die Spiegel? Ich habe mir das nicht eingebildet?«

Ich schüttle den Kopf. »Nein.«

»Warum warst du nach meinem Geburtstag nicht mehr so oft hier?«

Ich drücke wieder ihre Hand. »Weil du dich nicht an etwas klammern sollst, das nicht sein kann.«

Mit dem Handrücken wischt sie sich über die Augen. »Aber die Träume sind doch real, oder?«

»Nein, es bleibt ein Traum, aber so können wir miteinander sprechen. Die Spiegel waren nur die Verstärkung deines Gefühls.«

»Ich wusste trotzdem immer, dass du da bist.«

»Du kannst mich vielleicht nicht sehen, Kay, trotzdem schlafe ich jede Nacht bei dir im Bett und wünsche mir, du würdest spüren, dass ich dich festhalte.« Sie streichelt über mein Gesicht.

»Ich glaube, das tue ich, weil ich es mir wünsche.« Danielles Quengeln ist in ein Weinen übergegangen. Ihr Blick wandert kurz in den Flur und wieder zurück zu mir. »Deine Tochter ist wach.«

Meine Tochter. Das hört sich gut an. »Darf ich mitkommen?«

Sie steht auf und nimmt meine Hand. »Tust du das nicht sowieso?«

Kapitel Drei

Danny

»Wie geht’s Kayleen?«, hakt mein Schutzengel nach, der bereits in meinem Zimmer auf mich wartet. Ich lasse mich in den Sessel fallen und lehne den Kopf gegen die weichen Polster.

Endlich.

»Danny?« Ein Luftzug vor meinem Gesicht lässt mich aufblicken. Alan wedelt mit einer Hand vor mir herum. »Alles ok?«

»Ja, ähm … es war toll. Ich …« Nach über acht Monaten durfte ich wieder Kayleens Hand halten, ihre samtige Haut streicheln und in den Tiefen ihrer Augen ertrinken.

»Gut.« Alan klatscht in seine Hände. »Bist du bereit für deine nächste Lektion?«

Überrascht starre ich ihn an. »Na klar, was ist es diesmal?« Er hat die Tür schon erreicht. Bei den letzten Lektionen habe ich jemanden überredet, das Richtige zu tun, und gelernt, in den Körper eines Menschen zu schlüpfen.

»Heute wirst du dich entscheiden müssen«, erklärt er und obwohl ich keine Ahnung habe, was das bedeutet, stehe ich auf, um ihm zu folgen.

»Was heißt das?« Alan antwortet nicht. »Entscheiden für was?« Irritiert kratze ich mich am Kopf. »Für wen?« Meine Gedanken rasen. »Gegen wen?« Werde ich jemanden nach dem Tod abholen? Am Aufzug bleibt er stehen und dreht sich zu mir um, sein sonst so geduldiger Blick sagt mir, dass es genau das ist.

Alan öffnet die quietschenden Gitter. »Du wirst entscheiden, wem du helfen kannst und wem nicht, Danny.«

Mein Magen zieht sich zusammen und in meiner Kehle bildet sich ein dicker Kloß. »Wird heute jemand sterben?«

Die Gitter quietschen erneut. »Ja.«

Der Fahrstuhl bringt uns in einen langen kahlen Flur. Es riecht nach Desinfektionsmittel und die Leuchtstoffröhren an der Decke lassen alles kühl und steril wirken. Wir sind in einem Krankenhaus.

Verdammt.

»Komm.« Alan führt mich vorbei an geschlossenen Türen und einem Schwesternzimmer, am Ende nehmen wir die Treppe nach oben und treten dort in einen Flur.

»Wo sind wir hier?«

»Das ist die Neugeborenen-Station und da hinten im Kreißsaal Nummer drei liegt eine junge Frau, die gerade ihr Baby zur Welt bringt.«

Die Wände hier sind in einem warmen Gelb gestrichen und die Türen mit bunten Blumen oder Tieren bemalt. Es stehen Topfpflanzen in einem Aufenthaltsraum und eine Krankenschwester sitzt in einem Glaskasten über irgendwelche Unterlagen gebeugt. Es kommt uns eine junge Frau mit einer Glaswanne auf Rollen entgegen, in der ein Baby schläft. Kayleen hatte für Danielle auch so einen Wagen. Mein Magen dreht sich wieder, aber Alan marschiert zielstrebig auf die Tür mit der großen 3 zu, bevor er sich zu mir umdreht.

»Bist du bereit?«

Keine Ahnung.

Er drückt die Tür auf und lässt mich eintreten. Hier ist es warm und eine Frau stöhnt unter Schmerzen. So wie Kayleen bei Danielles Geburt. Eine männliche Stimme sagt etwas und eine andere fordert die Schwangere auf, tief Luft zu holen. In einem großen Bett liegt eine blonde Frau, die Haare kleben verschwitzt an ihrer Stirn und sie folgt schweratmend den Anweisungen des Arztes. Der Mann an ihrer Seite hält ihre Hand.

»Das ist Janine, sie ist vierunddreißig und ihr Mann Bryan«, erzählt Alan, nachdem wir nähergetreten sind. »Die beiden haben sich bei der Arbeit kennengelernt und letztes Jahr geheiratet.«

Ich beobachte Janine, die sich unter Schmerzen aufbäumt, stöhnt und schreit. Ihr Mann streichelt ihren Rücken und stützt sie, als sie sich keuchend nach hinten sinken lässt. Über ihrem riesigen Bauch ist ein Gürtel gespannt.

»Sieh mal auf den Monitor dort.« Alan deutet auf den flackernden Bildschirm. Es sind zwei Babys zu sehen, aber nur ein Herzton ist zu hören.

»Oh verdammt.«

Alan nickt. »Es sind Zwillinge, eines der Babys ist tot.«

Ich blicke wieder zu Janine. »Wie lange ist sie schon hier drin? Sie ist komplett fertig.« Für Kayleen war die Geburt anstrengend, aber für diese Frau wirkt es wie eine Tortur.

»Gut erkannt, Herr Doktor. Die Ärzte werden sie gleich in den OP bringen, um das lebendende Baby auf die Welt zu holen.« Jetzt löst die Schwester den Gürtel um Janines Bauch und wischt das Ultraschallgel ab. Sofort wird der Bildschirm schwarz.

»Und was machen wir hier? Was soll ich entscheiden, wenn das Baby schon tot ist?«

Janine lehnt sich mit geschlossenen Augen in ihre Kissen und Alan deutet auf die junge Frau. »Sie oder das Baby.«

Entsetzt drehe ich mich zu ihm um. »Was? Warum?«

»Das weißt du genau. Sie hat eine große Menge Blut verloren und kämpft schon viel zu lange, der tote Fötus in ihrem Bauch vergiftet sie langsam. Die Ärzte werden nur einen retten können. Es ist deine Entscheidung.«

Der Doktor erklärt Janine und Bryan, was jetzt passieren wird, das Bett wird zur Tür geschoben und Verzweiflung spiegelt sich im Gesicht der jungen Frau. Mit einem zaghaften Lächeln drückt Bryan ihre Hand und presst seine Lippen auf ihre.

»Janine oder das Baby, Danny«, fordert Alan mit eindringlicher und fester Stimme.

Er meint das ernst.

»Das kann ich nicht, Alan!«

»Doch! Du bist Schutzengel und es ist deine letzte Lektion.«

Im Busch habe ich öfter eine solche Entscheidung getroffen. Ich habe einen verletzten Löwen erschossen oder ein Leopardenbaby, das mit einer gebrochenen Hüfte in einem Baum festgesteckt hat, zum Sterben zurückgelassen. Haben das damals auch Schutzengel beeinflusst? Haben Tiere überhaupt Schutzengel? Aber das hier ist ein Menschenleben. Das Neugeborene oder seine Mutter? Verzweifelt ziehe ich an meinen Haaren, bis es wehtut.

»Das ist nicht fair!«

»Das Leben ist nicht fair, Danny, und jetzt beeil dich, sonst sterben alle drei!« Fassungslos starre ich hinter dem Bett her, mit dem Janine im OP verschwunden ist. Meine Gedanken wandern zu meiner Tochter. Ihre Geburt, der erste Schrei und ihr Protest, weil die Schwester sie in die kalte Schale der Waage gelegt hat. Ihre blauen Augen, die mich aufmerksam mustern, oder ihre winzige Faust, die meinen Finger festumklammert. Ich folge Janines Mann in den Wartebereich, wo er sich seufzend in einen Sessel niederlässt und das Gesicht in seinen Händen abstützt. Das Leben ist nicht fair. Nein, wirklich nicht. Aber das Leben nach dem Tod erst recht nicht. Der junge Mann hat keine Ahnung, was hier passiert, deshalb lege ich meine Hand auf seinen Arm und blicke in seine Augen.

»Es tut mir leid«, flüstere ich, bevor ich mich umdrehe, um dafür zu sorgen, dass das Baby überlebt. Genau wie bei dem schreienden Leopardenbaby, das sicher nicht mal tot war, bevor die Raubtiere über es hergefallen sind, ist es ein Scheißgefühl. Ich bin seit vier Wochen Vater, deshalb wird dieses Baby nicht sterben. Alan nickt mir zu und bleibt im Wartebereich bei Janines Mann und seinem Schutzengel zurück. Im OP haben die Ärzte Janine betäubt und ihren Bauch aufgeschnitten, um das lebendende Baby und den toten Körper des Zwillings zu holen. Der Monitor neben dem Bett piept energisch.

Himmel, ist mir schlecht.

Der Herzschlag des Babys verschwindet vom Bildschirm. Mit schnellen Handgriffen werden die beiden Nabelschnüre durchtrennt und das lebende Baby zur Untersuchung weggebracht. Eine Krankenschwester wickelt das zweite Kind in ein Tuch und bringt es ins Nebenzimmer. Schon bei der Nachsorge der Operationsnarbe setzt Janines Herzschlag aus. Hektisch kommt ein Defibrillator zum Einsatz. Die Ärzte kümmern sich um ihren Bauch, zur Stabilisierung wird etwas in ihre Vene gespritzt. Doch es hilft nichts, ihr Herz ist zu schwach. Dann ist es vorbei. So wie bei mir. Ein durchdringender Ton. Eine flache Linie auf dem Monitor. Trotz mehrfachen Schluckens bleibt der Kloß in meinem Hals. Janine ist tot. Ungläubig schüttle ich den Kopf und beobachte die Arbeiten im Operationssaal, bis ich es nicht mehr aushalte und zurück nach draußen schlurfe. Im Warteraum ist das Licht greller, deshalb kneife ich die Augen kurz zusammen.

»Du hast das Richtige getan, Danny.« Alan kommt mir entgegen und sieht mich mitfühlend an.

»Was ist mit ihm?« Mit einem Kopfnicken deute ich zu Janines Mann. »Ich kann ihn doch nicht hierlassen. Allein.«

»Er ist nicht allein.«

Ich sehe ein zweites Mal hin und entdecke, den dunkelhaarigen Schutzengel, der sich jetzt neben ihn setzt. Ein Arzt kommt näher und schüttelt den Kopf. Er reicht Janines Mann die Hand und sagt ihm, dass er einen gesunden Sohn hat, aber ich vermute, das dringt nicht bis zu ihm durch. Er hat seine Frau verloren. Mit tränenüberströmtem Gesicht sinkt er langsam in die Knie.

»Wo wird Janine jetzt hingehen? Kommt sie zu uns? Wird sie mich für ihren Tod verantwortlich machen?«

Alan schüttelt den Kopf. »Nein, das wird sie nicht. Oder hast du mir die Schuld gegeben, dass ich mich für Kayleen und Danielle entschieden habe?«

Unfähig zu antworten, raufe ich mir die Haare. Ich habe einen Menschen sterben lassen. Mein Kopf schwirrt und der Kloß im Hals ist immer noch da.

»Lass uns gehen«, sagt Alan leise, legt seinen Arm um meine Schulter und führt mich durch eine Tür, die uns zurück in mein Zimmer bringt. Zum ersten Mal, seit ich hier bin, bin ich wirklich müde. Ich habe eine junge Frau umgebracht.

»Du hast niemanden umgebracht«, beharrt Alan. Er schubst mich auf mein Bett. »Versuch zu schlafen.«

»Ich muss erst sehen, ob es Danielle gut geht«, murre ich und greife eilig nach einem Passierschein. Ich will zu meiner Tochter. Unbedingt. Sie soll sich an meinem Finger festhalten und mich mit ihren tiefblauen Augen ansehen. Bei ihr wird es mir besser gehen. Alan verlässt mit einem Lächeln auf den Lippen mein Zimmer, während ich über den Flur zum Aufzug haste. In Danielles Kinderzimmer trete ich sofort an ihr Bettchen und streiche sanft über ihre Pausbäckchen. Der Schnuller bewegt sich rhythmisch auf und ab, aber sie wacht nicht auf. Ich beuge mich zu ihr, atme ihren Duft nach Babyshampoo ein und drücke ihr einen Kuss auf die Stirn.

»Schlaf gut, mein Engel.«

Nebenan in Kayleens Schlafzimmer lege ich mich zu ihr ins Bett, ziehe sie in die Arme und schließe müde die Augen. Mit einem tiefen Seufzen presse ich meine Lippen in ihren Nacken. Früher hat es mir immer geholfen, mit Kayleen über meine Arbeit zu sprechen, aber heute habe ich eine frischgebackene Mutter umgebracht. Einen Vater zum Witwer gemacht und einem Neugeborenen seine Mutter genommen. Darüber werde ich Kayleen nie etwas erzählen können. Schutzengel zu sein, ist echt nicht einfach.