Bergkristall - Folge 252 - Margit Hellberg - E-Book

Bergkristall - Folge 252 E-Book

Margit Hellberg

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Beschreibung

Die drei gesetzten Herren in zünftiger Wanderkluft starren gebannt in die enge Schlucht hinunter, auf die schmale Brücke, die über den tosenden Bach führt und die doch eigentlich gesperrt ist ...

"So ein Wahnsinn", murmelt der Apotheker. "Was will der da auf der maroden Brücke? Hat er denn die Schilder nicht gesehen? Oder ob das ein Selbstmörder ist?"

Albin Lackner, Restaurator und Künstler, erschrickt. "Um Gottes willen!", stöhnt er. "Das fehlt noch, dass wir mit ansehen müssen, wie einer -"

Jetzt hebt Tierarzt Bruno Haberloh eilig sein Fernglas. "Das auch noch!", stößt er aufgeregt hervor. "Das ist ein Madel, eine ganz junge Frau! Wie die ins Wasser starrt! Ich sag euch: Die will springen! Leute, wir müssen was tun!" Und schon rennt er los.

Die zarte Gestalt auf der Brücke ahnt nicht, dass sie beobachtet wird. Langsam tritt sie ans Geländer ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Lass dir nie die Hoffnung nehmen!

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Anne von Sarosdy/Bastei Verlag

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2630-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Lass dir nie die Hoffnung nehmen!

Wie eine verzweifelte junge Frau zurück ins Leben fand

Von Margit Hellberg

Die drei gesetzten Herren in zünftiger Wanderkluft starren gebannt in die enge Schlucht hinunter, auf die schmale Brücke, die über den tosenden Bach führt und die doch eigentlich gesperrt ist …

„So ein Wahnsinn“, murmelt der Apotheker. „Was will der da auf der maroden Brücke? Hat er denn die Schilder nicht gesehen? Oder ob das ein Selbstmörder ist?“

Albin Lackner, Restaurator und Künstler, erschrickt. „Um Gottes willen!“, stöhnt er. „Das fehlt noch, dass wir mit ansehen müssen, wie einer …“

Jetzt hebt Tierarzt Bruno Haberloh eilig sein Fernglas. „Das auch noch!“, stößt er aufgeregt hervor. „Das ist ein Madel, eine ganz junge Frau! Wie die ins Wasser starrt! Ich sag euch: Die will springen! Leute, wir müssen was tun!“ Und schon rennt er los.

Die zarte Gestalt auf der Brücke ahnt nicht, dass sie beobachtet wird. Langsam tritt sie ans Geländer …

Der in reizvoller Landschaft gelegene Luftkurort Schönweiden war nicht so groß, dass prominente Personen wie der Bürgermeister Severin Schuster, der Herr Hochwürden Wenzel, der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Meierlink, der Tierarzt Dr. Haberloh und der Apotheker Herwart Künzel nicht bei jedermann bekannt und bei den meisten recht beliebt waren.

Mit etwas gemischten Gefühlen betrachtete man indessen den Kunstmaler und Kirchenrestaurator Lackner. Wie konnte das ausgewachsene Mannsbild ganz allein in einem Haus am Waldrand leben, ohne dass jemals eine helfende weibliche Hand dort tätig wurde? Ausschauen musste es doch da drin – zum Grausen!

Nur dem Umstand, dass der Maler, der Tierarzt und der Apotheker dicke Freunde waren, war es zu verdanken, dass die Alteingesessenen den Maler als Gemeindemitglied halbwegs akzeptierten. Und die Heiligenbilder konnte er wirklich aufs Allerfeinste wieder herrichten. Das musste ihm der Neid lassen.

Aber die anderen Bilder, die er malte … Da stieg ja sogar dem abgebrühtesten Frauenhelden die Schamröte ins Gesicht! Wenn sie nur nackt gewesen wären! Aber es saß ja kein Auge, kein Arm, kein Zeh dort, wo sie hingehörten. Das nannte man „Zeitgenössische Kunst“.

Die drei Freunde trafen sich so oft wie möglich im Gasthaus „Zum wilden Bären“. Meistens spielten sie Skat, wobei es sehr laut zuging, denn ohne Streitereien war ein Skatspiel nur halb so schön. Wer zum Schluss gewonnen hatte, wurde dazu verdonnert, die gesamte Zeche des Abends zu bezahlen.

Im Winter stand dieses Vergnügen bei den drei Freunden im Vordergrund. Kaum wehte jedoch ein lindes Frühlingslüftchen, zog es sie aus der dumpfen Wirtsstube hinaus in die freie Natur. Dann schnürten sie ihre Wanderstiefel, packten ihre Rucksäcke, nahmen die derben Stöcke zur Hand und durchwanderten an den Wochenenden und Feiertagen die schöne Bergwelt rings um den kleinen Luftkurort.

Am ersten Sonntag im Mai, der recht vielversprechend mit strahlender Sonne begann und jeden voller Hoffnung der schönen Jahreszeit entgegensehen ließ, hatten sich die drei Freunde zur ersten großen Wanderung zusammengefunden.

Sie waren mit dem Geländewagen von Bruno Haberloh, dem Tierarzt, bis zum hochgelegenen Waldparkplatz gefahren. Wie vorauszusehen gewesen war, befand sich der Weg dorthin in keinem guten Zustand – der Winter hatte seine Spuren hinterlassen. Daher waren die hohen Räder des „unbequemen Karrens“, wie der Apotheker Herwart Künzel ihn schimpfte, sehr angebracht.

Als sie ausstiegen, versanken sie erst einmal bis zu den Knöcheln in matschigem Altschnee.

„Verflixt und zugenäht!“, fluchte jetzt der Maler. „Wie sehen meine Stiefel jetzt aus? Und wer putzt sie mir? Du, Bruno, denn du hast uns hierher geschleppt.“

„Du hast doch genug Farbe im Haus, da pinselst du einfach etwas drüber. Bei dir fällt das doch gar nicht auf, Albin.“

„Dass ich dir nicht deine Nase anpinsele, Bruno! Die ist vom vielen Biertrinken viel zu rot, da muss ein bisserl grün darüber.“

„Dann schon lieber blau. Das passt besser zum Bier. Heute blau und morgen blau und übermorgen wieder …“, begann Bruno Haberloh zu singen.

„Hör auf mit den ollen Kamellen!“, beschwerte sich jetzt der Apotheker, der sich um seine Schuhe keine Sorgen machte. „Schaut euch lieber den schönen Himmel an! Haben wir nicht ein Wetter, wie es sich gehört, wenn Engel wie wir unterwegs sind?“

„Ich hab noch nie einen Engel mit einem Bart gesehen“, erwiderte Albin Lackner grinsend, „und ich habe doch wirklich genug davon restauriert. Du darfst dich also nicht mit Bruno und mir messen, mein Freund! Wir sind nicht nur die reinsten Engerl, wir schauen auch genau so aus.“

„Der Bruno ist bloß ein bisserl zu groß dafür geraten“, setzte sich der Apotheker Künzel zur Wehr.

„Falsch, ganz falsch! Der Bruno ist eine Art Erzengel, der das Paradies vor Leuten wie dir bewacht.“

„Was ist denn jetzt?“, machte der zum Erzengel avancierte Tierarzt dem Geplänkel ein Ende. „Albern wir weiter hier herum oder gehen wir endlich los?“

„Aha, dich zieht es also schon mit Macht zur Geißenhütte!“, zog Albin, der Maler, ihn nun auf. „Die gute Brotzeit und eine oder gar zwei Maß locken gar zu sehr, nicht wahr?“

„Da irrst du dich gewaltig“, antwortete Bruno Haberloh. „Mich treibt die Sehnsucht zu der feschen Afra hinauf!“

Diesmal lachten sie alle drei in schönster Eintracht, denn Afra besaß zwar einen liebenswerten Charakter – ihr Aussehen und die vielen Jahrzehnte, die sie auf dem runden Buckel hatte, konnten jedoch kein Mannsbild mehr auf den Berg hinauftreiben.

Herwart Künzel hörte zuerst mit dem Lachen auf.

„Wir sollten uns schämen. Afra war in ihrer Jugend bildhübsch. Ich habe mal ein Foto von ihr gesehen. Not, Sorgen und harte Arbeit haben ihre Spuren hinterlassen. Man sollte sie bewundern und nicht auslachen.“

„Es war nicht böse gemeint“, beschwichtigte Bruno seinen Freund. „Wir haben ja auch nicht Afra ausgelacht, sondern uns selbst. Weil wir eben trotz unserer gut sechzig Jahre noch die reinsten Deppen sind. Und jetzt sage ich: Auf geht’s!“

Von jetzt an brauchte jeder von ihnen den Atem zum Steigen und nicht mehr zum Reden. Sie waren schon oft diesen Weg gegangen. Von Jahr zu Jahr kam er ihnen aber steiler vor. Nach einer scharfen Biegung um einen Felsvorsprung herum blieb der Apotheker schnaufend stehen.

„Puh, man merkt, dass man den Winter sozusagen hinterm Ofen verbracht hat. Ich bin ganz aus der Übung.“

„Alt bist du geworden“, stichelte Bruno, dessen lange Beine weniger Schritte zu machen brauchten als die kürzeren seiner Freunde. „Mir macht das steile Wegstück nichts aus.“

Albin Lackner bildete das Schlusslicht. Aber nicht, weil es ihm erging wie dem Apotheker, sondern weil seine Künstleraugen immer wieder hier und da einen besonders malerischen Anblick entdeckten.

„Da, schaut mal! Da ist ein Stück Felsen abgebrochen. Der Rest sieht aus wie eine Eule. Herwart, hast du deinen Fotoapparat dabei? Mach doch mal ein Bild davon!“

„Hab ich heute vergessen.“ Der Apotheker betrachtete kritisch die gegenüberliegende Felswand. „Aber du hast recht. Mit einiger Fantasie kann man eine Eule erkennen. Wo mag der Fels hingestürzt sein?“

Vergeblich reckte er den Hals, doch er konnte nichts sehen.

Unwillkürlich trat er dicht an den Rand des Weges, um in den Abgrund zu spähen. Tief unten toste der Wallerbach, der zur Zeit der Schneeschmelze besonders viel Wasser führte.

„Bist du verrückt? Willst du unbedingt runterfallen?“, schrien Bruno Haberloh und Albin Lackner fast gleichzeitig.

„Regt euch bloß nicht auf! Der Abhang ist hier gar nicht steil, da kann man sich notfalls am Gestrüpp festhalten.“

„Und wer soll dich dann wieder raufziehen? Vergiss nicht, dass wir keine zwanzig mehr sind.“

„Ich lebe ja noch. Also, gehen wir weiter. Die Hälfte haben wir ja gleich geschafft.“

Der Wallerbach rauschte umso lauter, je höher die Freunde wanderten. In unzähligen kleinen und größeren Kaskaden stürzte er zu Tal. Selbst in besonders heißen und trockenen Sommern versiegte der Wallerbach nicht. Er wurde vom Gletscher hoch droben am Wallerhorn gespeist. In der Hauptsaison pilgerten unzählige Urlauber durch die Wallerklamm, um das Naturschauspiel zu bewundern. Die Gemeinde Schönweiden verwendete alljährlich große Summen auf die Instandhaltung und Sicherung des Weges. Ein Unfall durfte auf gar keinen Fall vorkommen.

Der Apotheker blieb erneut stehen. Er trocknete sich den Schweiß von der Stirn, wobei er lautstark auf seine Schwester schimpfte, mit der er in einem Haus lebte.

„Sie hat mich gezwungen, das viel zu warme Zeug anzuziehen! Es wundert mich immer weniger, dass ihr Mann, der arme Johannes, so frühzeitig das Zeitliche gesegnet hat. Sie hat ihn so verzärtelt, dass er gar keine Abwehrkräfte mehr hatte.“

„Sie meint es doch nur gut, Herwart. Ich wünsche mir oft, dass mich jemand umsorgt. Meine Hauserin … du lieber Himmel, der ist es völlig egal, ob ich mich erkälten könnte oder nicht. Deine Schwester hat sehr vernünftig gedacht, denn oben pfeift meistens ein kalter Wind.“

Bruno Haberloh nahm die Schwester seines Freundes in Schutz. Sie hatte es bestimmt auch nicht leicht mit ihrem Bruder, der sich allmählich zum Sonderling entwickelte. Da ihr der verstorbene Mann nur wenig hinterlassen hatte und ihre Rente nicht hoch war, musste sie froh sein, bei ihrem Bruder Unterschlupf gefunden zu haben. Bei Gelegenheit wollte Bruno seinem Freund mal die Ohren lang ziehen, damit er etwas netter zu seiner Schwester wäre.

Albin Lackner war weitergegangen. Er sah schon das Ende der Steigung vor sich. Die Felsen endeten hier, man konnte die weite Almfläche bereits erahnen. Ein tiefer Einschnitt zeigte die Stelle, an welcher der Wallerbach vom Almfeld kommend in die Klamm stürzte. Über diesem Einschnitt befand sich eine Holzbrücke, von der schwindelfreie Leute gern in die brausenden Wassermassen blicken.

Und dort – mitten auf der Brücke – stand ein Mensch …

***

„He! Wo bleibt ihr denn?“, schrie Albin nach rückwärts. „Schnell! Das müsst ihr sehen! Es steht jemand auf der Brücke!“

„Donnerwetter!“ Bruno war zuerst neben ihm. „Die Brücke ist doch gesperrt! Man sieht ja das Hinweisschild bis hierher. Es gibt eben immer wieder unvernünftige Menschen, die sich über alle Warnungen hinwegsetzen. Wenn was passiert, dann sind immer die anderen schuld.“

Schnaufend kam der Apotheker näher.

„Tatsächlich, dort steht einer! Wer weiß, ob er nicht mit Absicht die Gefahr sucht? Ein Selbstmörder vielleicht?“

„Red keinen Quatsch, Herwart!“, stotterte Albin entsetzt. „Das fehlte gerade noch, dass wir Zeugen eines Todessprungs in die Wallerklamm werden …“

„Wir müssen das verhindern.“ Bruno Haberloh setzte sich wieder in Bewegung. „Natürlich dürfen wir keinen Versuch machen, diesen Menschen von seinem Vorhaben abzubringen. Damit erreichen wir nur das Gegenteil.“

„Wir wissen doch gar nicht, ob er springen will“, wandte der Apotheker ein. „Vielleicht ist es wirklich nur ein Leichtsinniger.“

„Ich hab eine Idee“, platzte Bruno aufgeregt heraus. „Aber dazu müssen wir erst näher gehen. Wir sollten uns nicht zu früh bemerkbar machen. Zum Glück geht der Weg jetzt hinter dem Felsen herum. Da kann man uns eine ganze Weile nicht sehen.“

„Und was machen wir nachher?“

„Das sage ich dir gleich. Erst wollen wir die Person näher in Augenschein nehmen.“

Gut verborgen von einem mannshohen Stein hob Bruno Haberloh sein Fernglas an die Augen.

„Na, so was“, flüsterte er, „das ist ein junges Mädchen, kein Mann. Es starrt wie hypnotisiert in die Tiefe. Also, wenn ihr mich fragt, die will gern springen, traut sich aber nicht.“

„Lass mich auch mal sehen“, bat der Apotheker, und auch Albin Lackner wollte sich selbst davon überzeugen, dass es sich um ein junges Mädchen handelte, das offensichtlich in selbstmörderischer Absicht auf der Brücke stand.

Jetzt wurde Bruno aktiv.

„Hört gut zu: Du, Herwart, legst dich, wenn wir nahe genug herangekommen sind, auf den Boden. Es muss aussehen, als hättest du einen Schwächeanfall erlitten. Albin und ich rufen die junge Frau zu Hilfe. Sollte sie kommen, dann musst du deine Rolle als Schwerkranker so lange weiterspielen, bis wir sie aus der Gefahrenzone wegführen können, kapiert?“

„Warum gerade ich?“, maulte Herwart Künzel.

„Weil du aussiehst, als stündest du kurz vor einem Schlaganfall. Krebsrot bist du im Gesicht. Dir glaubt sie auf Anhieb, dass es dir schlecht geht. Also, was ist? Probieren wir’s?“

„Klar! Und zwar ganz schnell. Es wäre ja schrecklich, wenn wir zu spät kommen.“

Bruno und Albin nahmen ihren Freund Herwart in die Mitte. Herwart spielte seine Rolle hervorragend. Er ließ sich so kraftlos hängen, dass Bruno und Albin leise schimpften.

„Jetzt übertreibe aber nicht gleich! Du bist ja schwer wie zwei Zentnersäcke!“

„Es muss doch echt aussehen …“, keuchte Herwart, der ganz in seiner Aufgabe aufging.

In der Nähe der Brücke ließen ihn die Freunde unsanft auf den Boden fallen.

„Au!“, schrie Herwart empört. „Das war nicht vereinbart!“

„Du bist zu schwer. Und jetzt halt die Klappe.“

Bruno richtete sich zu voller Größe auf. Er legte die Hände trichterförmig um den Mund.

„Hallo, he, Sie da! Ach, bitte, können Sie uns helfen? Unserem Freund ist übel geworden. Wir müssen Hilfe holen, können ihn aber nicht allein liegen lassen. Bitte, kommen Sie ganz schnell!“