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Kleine und mittlere Kommunalverwaltungen werden aufgrund ihrer Beschäftigungsstruktur durch Langzeiterkrankungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Ziel dieser wissenschaftlichen Arbeit ist es, u. a. hemmende und fördernde Faktoren eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements explizit für diese Behördendimensionen zu analysieren. Mittels sozialempirischer Untersuchung wird anhand der Gemeinden im Neckar-Odenwald-Kreis der Bedarf sowie Chancen und Schwierigkeiten bei einer Implementierung des BEM in kleinen und mittleren Verwaltungen aufgezeigt. Unter Berücksichtigung der rechtswissenschaftlichen Bedeutung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements werden die theoretischen Grundlagen und der Verfahrensablauf dargestellt. Darüber hinaus umfasst diese wissenschaftliche Arbeit eine Orientierungshilfe zur erfolgreichen Ein- und Durchführung des Eingliederungsprozesses, speziell für kleine und mittlere öffentliche Arbeitgeber, sowie Interessenvertretungen.
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Seitenzahl: 144
Veröffentlichungsjahr: 2015
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An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die diese wissenschaftliche Arbeit durch ihre fachliche und persönliche Unterstützung begleitet haben.
Besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Jürgen Kegelmann und Herrn Jürgen Ehler, die es mir ermöglichten, mich dieser interessanten Thematik zu widmen und durch ihre kritischen Anregungen und Hilfestellungen zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben.
Des Weiteren möchte ich mich bei Stefanie und Michael Brück sowie bei Angelika und Gerhard Volk bedanken, die mir während des gesamten Studiums hilfreich und motivierend zur Seite standen.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
A) BEM – THEMATISCHER KONTEXT
1. Einleitung
1.1. Einstieg
1.2. Problemstellung
1.3. Ziel der Arbeit
1.4. Aufbau der Arbeit
2. Betriebliches Eingliederungsmanagement – Grundlagen
2.1. Legaldefinition
2.2. Zielorientierung und Nutzen des BEM
2.3. Akteure
2.3.1. Innerbehördliche Akteure
2.3.2. Außerbehördliche Akteure
2.4. Abgrenzung Krankenrückkehrgespräch
2.5. BEM – Komponente des Betrieblichen Gesundheitsmanagements
2.6. Geltungsbereich
2.6.1. Persönlicher Geltungsbereich
2.6.2. Sachlicher Geltungsbereich
2.6.2.1. Arbeitsunfähigkeit
2.6.2.2. Der 6-Wochen-Zeitraum
2.6.2.3. Behördengröße
3. Betriebliches Eingliederungsmanagement – Verfahrensablauf
3.1. Ermittlung Arbeitsunfähigkeitszeiten
3.2. Erstmalige Kontaktaufnahme
3.3. Erstgespräch
3.4. Fallbesprechung
3.5. Maßnahmenvereinbarung
3.6. Maßnahmendurchführung
3.7. Wirksamkeitskontrolle und Evaluation
4. Rechtswissenschaftliche Bedeutung des BEM
4.1. Datenschutzrechtliche Beurteilung
4.2. Kündigungsrecht
4.3. Kündigungsschutz – differenziert nach Behördengröße
B) ANGEWANDTE WISSENSCHAFT – DAS BEM IN KLEINEN UND MITTLEREN KOMMUNALVERWALTUNGEN –
5. Begriffsbestimmung und Merkmale kleiner und mittlerer Kommunalverwaltungen
5.1. Begriffsbestimmung
5.2. Merkmale
6. Forschungsfeld Neckar-Odenwald-Kreis
6.1. Daten und Fakten
6.2 Herausforderungen
6.3. Situationsanalyse BEM
6.3.1. Implementierungsgrad
6.3.2. Arbeitsunfähigkeit
6.3.2.1. Krankenstand und -entwicklung
6.3.2.2. Krankheitsursachen
7. Hemmende und fördernde Faktoren in kleinen und mittleren Kommunalverwaltungen
7.1. Bedenken und Nutzen eines BEM
7.2. Zustimmungsbereitschaft durch Vertrauenskultur
7.3. Zustimmungsbereitschaft durch Datenschutz
7.4. Ansatzpunkte von Anreizsystemen
8. Implementierungskonzeption
8.1. Konzeptionelle Herangehensweise
8.2. Akzeptanz und Sachkompetenz generieren
8.3. Festlegung von Zuständigkeiten und Ressourcen
8.4. Potenzielle Maßnahmen
8.4.1. Innerbehördliche Maßnahmen
8.4.2. außerbehördliche Maßnahmen
8.4.3. Die stufenweise Wiedereingliederung – Hamburger Modell
9. Fazit
Quellenverzeichnis
Anlagenverzeichnis
Abbildung 1:
Mögliche Beteiligte im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements
Abbildung 2:
Säulen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements
Abbildung 3:
Verfahrensablauf BEM im Einzelfall
Abbildung 4:
BEM im eröffneten Kündigungsschutz
Abbildung 5:
BEM im nicht eröffneten Kündigungsschutz, differenziert nach Beschäftigtenzahl
Abbildung 6:
Geographische Karte des Neckar-Odenwald-Kreis
Abbildung 7:
Beschäftigtenanzahl der Kommunalverwaltungen des N-O-K
Abbildung 8:
Durchschnittsalter Kommunalverwaltung
Abbildung 9:
Herausforderungen für kleine und mittlere Kommunalverwaltungen in den kommenden Jahren
Abbildung 10:
Implementierungsgrad BEM in kleinen und mittleren Kommunalverwaltungen des N-O-K
Abbildung 11:
Implementierungsgrad differenziert nach Beschäftigtenzahl
Abbildung 12:
Prozentualer Anteil langzeiterkrankter Beschäftigter in den vergangenen zwölf Monaten
Abbildung 13:
Fehlzeitenentwicklung
Abbildung 14:
Krankheitsursachen in kleinen und mittleren Kommunalverwaltungen
Abbildung 15:
Bedenken gegenüber BEM
Abbildung 16:
Einflussfaktoren auf die Zustimmungsbereitschaft des BEM-Berechtigten
Abbildung 17:
Fördernde Faktoren
Abbildung 18:
Implementierungskonzeption
Abbildung 19:
Informationsstand Personalverantwortliche ohne BEM
Abbildung 20:
Anzahl Gemeinden mit Personalrat
Abbildung 21:
Anzahl Gemeinden mit Schwerbehindertenvertretung
Abbildung 22:
Verfügbarkeit Betriebsarzt in kleinen und mittleren Kommunalverwaltungen
Die kommunalen Verwaltungseinrichtungen der Städte, Gemeindeverbände und kreisangehörigen Gemeinden haben einen elementaren Einfluss auf die soziale, wie auch wirtschaftliche Entwicklung der örtlichen Gemeinschaft und damit einen erheblichen Stellenwert für das Leben ihrer Bürger.1 Als verfassungsrechtlich gesicherte Institutionen wird ihnen das Recht auf kommunale Selbstverwaltung gewährt und damit ein hohes Maß an Autonomie, sowie ein breiter Handlungsspielraum zur Erfüllung ihrer Aufgaben eingeräumt.2 Veränderte gesellschaftliche und politische Erwartungen der Bevölkerung beeinflussen zunehmend die kommunalen Aufgaben und erfordern ein neues Verständnis der Behörden als moderne und serviceorientierte Dienstleister, sodass eine Wandlung von der reinen Eingriffsverwaltung hin zu einer Leistungsverwaltung erforderlich ist. Zur Sicherung der kommunalen Aufgabenwahrnehmung bedarf es motivierter und gesunder Mitarbeiter.
Gesellschaftliche Entwicklungen, wie bspw. der demographische Wandel, verändern nicht nur die kommunalen Aufgaben, sondern projizieren sich zunehmend auf die Altersstrukturen der Behörden. Stetiger Personalabbau, verlängerte Lebensarbeitszeiten und fehlende Nachwuchskräfte erhöhen kontinuierlich das Durchschnittsalter der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Seit dem Jahr 2010 verzeichnen die kommunalen Behörden einen Personalrückgang von 13 % und weisen somit die höchste Verringerung der im öffentlichen Dienst
tätigen Personen aus.3 Gleichzeitig verfügt die kommunale Ebene über einen besonders hohen Anteil älterer Beschäftigter, wobei die Altersgruppe der 45- bis 54-Jährigen mit 35 % am häufigsten vertreten ist. Noch eindringlicher stellt sich die Situation dar, wenn der Fokus auf die Altersstruktur 45 und älter gelegt wird, da diese 60 % der kommunalen Beschäftigten darstellen. Demgegenüber stehen gerade einmal 21 % an Nachwuchskräften unter 35 Jahren.4
Parallel zu den erhöhten Altersstrukturen steigen die kommunalen Dienstleistungsangebote nach Zahl und Umfang in den vergangenen Jahren kontinuierlich an.5 Veränderte Arbeitsbedingungen stellen an die alternden Belegschaften der öffentlichen Verwaltung erhöhte Arbeitsbelastungen bei gleichbleibenden oder rückläufigen Personalstrukturen. Immer weniger Beschäftigte müssen stets mehr Leistung erbringen. Steigender und anhaltender Leistungsdruck wirkt sich zunehmend auf die Gesundheit der Beschäftigten aus und fordert ein Umdenken seitens der Personalverantwortlichen hin zu einer alterszentrierten Personalpolitik. Ältere Beschäftigte fallen zwar seltener aus als ihre jüngeren Kollegen, dafür aber tendenziell über einen längeren Zeitraum. Somit ist zu erwarten, dass Langzeiterkrankungen vermehrt auftreten. Gerade in kleinen und mittleren Kommunalverwaltungen ist ein längerfristiger Ausfall eines Mitarbeiters, aufgrund der geringen Beschäftigtenzahl, eine schwerwiegende Beeinträchtigung der kommunalen Aufgabenwahrnehmung. Angesichts der aufgeführten Veränderungen sind die Überwindung, sowie die Vorbeugung einer Arbeitsunfähigkeit anzustreben, um den für die Gemeinden und den Mitarbeiter wichtigen Arbeitsplatz zu erhalten.
Auf diese Entwicklungen hat der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates am 01. Mai 2004 reagiert, indem er das Neunte Sozialgesetzbuch (SGB IX) mittels „Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen“ novellierte.6 Die gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers für langzeiterkrankte Beschäftigte, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten, wurde in das SGB IX „Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen“ neu integriert.
Bereits seit über neun Jahren besteht die gesetzliche Regelung zur Implementierung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM). Mit diesem Verfahren setzen sich in der Praxis bislang vor allem große private wie öffentliche Arbeitgeber (AG) auseinander. Kleine und mittlere Unternehmen zeigen sich bei der Einführung tendenziell eher zurückhaltend. In literarischen und wissenschaftlichen Ausarbeitungen wird zunehmend Handlungsbedarf im privatwirtschaftlichen Bereich sozialempirisch wie rechtswissenschaftlich analysiert und fördernde wie hemmende Faktoren aufgezeigt. Kleine und mittlere Unternehmen weisen dabei ein verhältnismäßig hohes Umsetzungsdefizit auf.7
Explizite Ausarbeitungen bezüglich des Implementierungsgrades eines BEM in kleinen und mittleren öffentlichen Verwaltungseinrichtungen sind bislang unzureichend. Zwar widmet sich auch Niehaus in ihrer Studie zur Umsetzung des BEM in kleinen und mittleren Unternehmen dem Bereich der öffentlichen Verwaltung, allerdings erfolgt eine Vermengung mit dem Privatbereich. Aufgrund der Unterschiede zwischen privaten und öffentlichen Arbeitgeberstrukturen sind induktive Aussagen und Rückschlüsse für kleine und mittlere öffentliche Verwaltungen nur bedingt zulässig.8
Gerade kleine und mittlere Verwaltungen werden aufgrund ihrer Beschäftigungsstruktur durch Langzeiterkrankungen vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Ziel dieser wissenschaftlichen Arbeit ist es, u. a. hemmende und fördernde Faktoren eines BEM explizit für diese Behördendimensionen zu analysieren. Mittels sozialempirischer Untersuchung wird anhand der Gemeinden im Neckar-Odenwald-Kreis (N-O-K) der Bedarf sowie Chancen und Schwierigkeiten bei einer Implementierung des BEM aufgezeigt. Darüber hinaus wird eine Orientierungshilfe zur erfolgreichen Ein- und Durchführung des Eingliederungsprozesses, speziell für kleine und mittlere öffentliche AG, sowie Interessenvertretungen angestrebt. Den aufgezeigten, defizitären Kenntnisstand gilt es zu beheben und gleichzeitig die Bereitschaft der Führungskräfte, ein BEM zu installieren, zu erhöhen; sodass dieses letztendlich zielführend in die behördlichen Strukturen integriert werden kann.
Eine thematische Hinführung und Festlegung der wissenschaftlichen Ziele leitet die Arbeit ein, hieran schließt sich die Darlegung der allgemeinen und rechtlichen Grundlagen des BEM an. Um eine zielgerichtete Einordnung vorzunehmen, wird eine Abgrenzung zu dem Krankenrückkehrgespräch vorgenommen. Zur kontextuellen Verortung wird dieses im Zusammenhang des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) dargestellt. Anschließend werden die Grundlagen des Verfahrensablaufs im Einzelfall aufgezeigt. Die einzelnen Prozessschritte werden theoretisch analysiert und dargelegt. Der thematische Kontext schließt mit einer rechtswissenschaftlichen Beurteilung unter besonderer Betrachtung des Daten-und Kündigungsschutzes ab.
Nach Vermittlung der theoretischen Grundlagen erfolgt eine praxisorientierte sozialempirische Betrachtung des BEM in kleinen und mittleren Kommunalverwaltungen am Beispiel der Gemeinden im N-O-K. Zu Beginn wird eine Definition dieser Behördendimensionen vorgenommen und deren organisatorische wie strukturelle Merkmale aufgezeigt. Das Forschungsfeld und der Bedarf werden analysiert sowie fördernde und hemmende Faktoren praxisnah erörtert. Aspekte einer erfolgreichen Ein- und Durchführung des BEM in kleinen und mittleren Kommunalverwaltungen werden innerhalb einer Implementierungskonzeption aufgezeigt. Konzentration liegt hierbei auf der Einleitung eines BEM und der in Betracht kommenden Maßnahmen. Resümee und systemischer Ausblick bilden das Schlussfazit der Arbeit.
In § 84 Abs. 2 SGB IX ist der Begriff des betrieblichen Eingliederungsmanagements gesetzlich definiert. Unter freiwilliger Zustimmung und Mitwirkung der betroffenen Person klärt der AG mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 93 SGB IX, bei schwerbehinderten Menschen zudem mit der Schwerbehindertenvertretung, die Möglichkeiten zur Überwindung der Arbeitsunfähigkeit und mit welchen Mitteln und Leistungen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Bei Bedarf kann der Betriebs- oder Werksarzt hinzugezogen werden. Auf die Ziele des BEM sowie Art und Umfang der im Rahmen des BEM erhobenen und verwendeten Daten ist die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter zuvor hinzuweisen. Sofern Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht kommen, werden seitens des AG die örtlichen gemeinsamen Servicestellen oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen. Diese setzen sich dafür ein, dass die notwendigen
Leistungen oder Hilfen für die Eingliederung unmittelbar beantragt und innerhalb der Frist nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX erbracht werden. Anspruch auf Klärung des Verfahrens steht sowohl dem Personalrat sowie der Schwerbehindertenvertretung zu. Ihnen obliegt die Überwachungspflicht, ob der AG seinen Verpflichtungen nach § 84 Abs. 2 SGB IX nachkommt.9
Zentrale Zielsetzungen eines BEM sind gesetzlich normiert. Es ist auf die Überwindung der Arbeitsunfähigkeit (Rehabilitation), die Vorbeugung erneuter Arbeitsunfähigkeit (Prävention) und den Erhalt des Arbeitsplatzes (Integration) zielorientiert ausgerichtet.10 Intention des Gesetzgebers ist, mittels BEM die Rückkehr und Integration langzeiterkrankter Beschäftigter an den Arbeitsplatz zu ermöglichen, sowie eine krankheitsbedingte Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses zu vermeiden.11 Vordergründiges Ziel ist folglich die Vermeidung einer chronischen Erkrankung durch Einleitung präventiver Maßnahmen.12
Bereits das ehemalige Schwerbehindertenrecht enthielt eine Regelung zur betrieblichen Prävention und ist heute in § 84 Abs. 1 SGB IX normiert. Dieses ist vornehmlich darauf ausgelegt, ein Kündigungsverfahren bei erkrankten schwerbehinderten Beschäftigten zu vermeiden. Der Ansatz des BEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX geht weit darüber hinaus. Hier gilt der sogenannte „Vorrang der Prävention“13, dies bedeutet, es geht nicht allein um die Vermeidung
einer krankheitsbedingten Kündigung, sondern um Vorbeugung gesundheitlicher Probleme, Chronifizierung von Krankheiten und Behinderungen.14 Das BEM als letztes präventives Mittel ist ein strukturierter und kooperativer Managementprozess dessen Maßnahmen an die individuellen Bedürfnisse des langzeiterkrankten Mitarbeiters angepasst werden. Aufgrund dieser Zielsetzungen wirft das BEM ein neues Verständnis von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit auf. Durch verstärkte Aktivitäten des Arbeits- und Kooperationsprozesses und der Verknüpfung des behördlichen Ablaufs mit den Angeboten sozialer Leistungssysteme bieten Fehlzeiten neues Potential. Zeiten eines krankheitsbedingten Ausfalls sind somit keinesfalls Zeiten der Untätigkeit.15
Entscheidende Zielgrößen des BEM sind Gesundheit, Leistungsfähigkeit, Belastbarkeit und Zufriedenheit aus Beschäftigtensicht. Gesunde und motivierte Mitarbeiter wirken sich positiv für den Arbeitgeber aus, bspw. in Form von geringeren Fehlzeiten.16 Gemeinsam mit dem langzeiterkrankten Beschäftigten werden die Ursachen der Arbeitsunfähigkeit ermittelt und eine systematische Initiierung von Maßnahmen unter Hinzuziehung interner und ggfs. externer Akteure eingeleitet.
Über die betrieblichen Grenzen hinaus zeigt das BEM mittelbar seine Auswirkungen. Der Erhalt des Arbeitsplatzes und somit der Arbeit fördert die Bindung des Beschäftigten an die Realität. Die 1931 durchgeführte Marienthal Studie hat aufgezeigt, dass Arbeit einen
sozialen Status zuweist, Identität erzeugt, soziales Engagement fördert, das Selbstwertgefühl des Beschäftigten steigert und eine bessere Zeitstrukturierung ermöglicht.17 Somit hat das BEM durch die Entlastung der Sozialsysteme auch einen beachtenswerten sozialen Nutzen. AG werden vermehrt in die Pflicht genommen, sich um das Wohlbefinden und die Gesundheit ihrer Beschäftigten zu bemühen, bevor diese dauerhaft arbeitsunfähig ausfallen.18 Sie müssen damit alle Aktivitäten, Maßnahmen und Leistungen für jeden individuellen Fall überprüfen, um Arbeits- und Leistungsfähigkeit wiederherzustellen und nachhaltig zu sichern.19
Des Weiteren wirken sich Bemühungen der Gesunderhaltung der Beschäftigten positiv auf das Image des Unternehmens oder der Dienststelle aus. Identifikation mit der Organisationskultur wird verbessert, wodurch motivierte und zufriedene Mitarbeiter eine höhere Produktivität leisten können.20 Erhebliche zeitliche Differenzen zwischen Initiierung von Maßnahmen und der messbaren erfolgreichen Wiedereingliederung verringern die Wahrnehmung der zahlreichen Nutzen eines BEM. Zudem dient die Überwindung der Arbeitsunfähigkeit der Bindung des Wissens und der Erfahrungen von Mitarbeitern an die jeweilige Organisation.
Aus Arbeitnehmersicht bietet das BEM signifikanten Nutzen zur Wiederherstellung der Gesundheit und Vorbeugung einer erneuten Erkrankung. Eventuelle betriebliche Ursachen der Krankheit können
reduziert oder gar vermieden werden. Eine (Wieder-)Eingliederung an den bisherigen oder alternativen Arbeitsplatz erfolgt durch maßgenaue Abstimmung auf die jeweilige gesundheitliche Situation. Zudem birgt das BEM auch finanzielle Vorteile für den Arbeitnehmer (AN), da er schneller wieder Lohn statt Kranken- oder Übergangsgeld erhält. Gerade bei schwerbehinderten Beschäftigten hat die Teilhabe am Arbeitsleben einen hohen Stellenwert, da ihnen die Arbeit einen besonderen sozialen Status zuweist und sich vehement auf deren Selbstwertgefühl auswirkt.
Bereits aus der Legaldefinition unter 2.1. geht hervor, dass verschiedene Akteure zusammenwirken. Diverse interne und externe Akteure mit verschiedenen Rechten und Pflichten arbeiten in einem kooperativen Prozess. Oftmals sind die Zuständigkeiten und Beteiligungen bereits gesetzlich normiert.21
Abbildung 1: Eigene Darstellung „Mögliche Beteiligte im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements" in Anlehnung an Grafik des Portals „Einfach Teilhaben" des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS)22
Dem Arbeitgeber wird die gesetzliche Verpflichtung auferlegt, ein BEM für langzeiterkrankte Beschäftigte anzubieten. Sein Zuständigkeitsbereich umfasst u. a. die generelle Überprüfung, ob der jeweilige personelle und sachliche Geltungsbereich eröffnet ist. Sofern die Voraussetzungen vorliegen, hat dieser das Verfahren durch erstmalige Kontaktaufnahme einzuleiten. Eine unmittelbare Beteiligung während des andauernden Eingliederungsprozesses ist nicht notwendig. Aufgrund des zustehenden Direktions- und Weisungsrechts kann dieser die Aufgabe delegieren und Beschäftigte mit der Koordination des BEM beauftragen. Ungeachtet einer Delegation bleibt der AG für den Eingliederungsprozess vollumfänglich verantwortlich.23
Zentraler Akteur des BEM ist der länger als sechs Wochen arbeitsunfähige Beschäftigte, nachfolgend wird dieser gleicherweise als BEM-Berechtigter bezeichnet. Primär geht es um die Überwindung und Vorbeugung dessen Arbeitsunfähigkeit sowie den Erhalt seines Arbeitsplatzes. Alle eingeleiteten Maßnahmen konzentrieren sich auf die Verbesserung seiner individuellen gesundheitlichen Lage. Ohne freiwillige Zustimmung des BEM-Berechtigten ist die Durchführung eines BEM nicht möglich. Eine erteilte Zustimmung kann im Verlauf des Eingliederungsprozesses jederzeit widerrufen werden. Lehnt der betroffene Beschäftigte ein solches ab, kann das Verfahren nicht eingeleitet werden. Voraussetzung für die Einleitung sinnvoller Maßnahmen ist die Kenntnisnahme der beteiligten Personen über die gesundheitliche Situation des BEM-Berechtigten. Nur mit aktiver Teilnahme und uneingeschränktem Willen des BEM-Berechtigten ist eine erfolgreiche Eingliederung möglich. Er begleitet alle Prozessschritte, wird kontinuierlich über den Stand der Eingliederungsmaßnahmen informiert und ist Dreh- und Angelpunkt des BEM.24
Die Legaldefinition sieht eine Zusammenarbeit zwischen AG mit der zuständigen Interessenvertretung und bei schwerbehinderten Menschen zusätzlich mit der Schwerbehindertenvertretung vor. Hat der BEM-Berechtigte der Beteiligung dieser zugestimmt, sind diese zwingend zu involvieren.25
Dem Personalrat obliegt die Überwachungsfunktion der ordnungsgemäßen Umsetzung des Eingliederungsprozesses.26 Hierzu steht ihm ein Informationsanspruch über die betroffenen Personen zu, welche die Voraussetzungen für ein BEM erfüllen. Unter Wahrung datenschutzrechtlicher Aspekte ist dem Personalrat ein Überblick in Form einer Namensliste sowie der erfolgten Anschreiben zu gewähren. Nur hierdurch ist es dem Personalrat möglich, die hinreichende Gewissheit zu erlangen, ob die Beschäftigten informiert wurden.27
Des Weiteren steht dem Personalrat ein Initiativrecht auf Durchführung eines BEM im Einzelfall zu. Nach § 70 Abs.1 Landespersonalvertretungsgesetz für Baden-Württemberg (LPVG) kann der Personalrat eine Maßnahme beantragen, wenn er zur Mitbestimmung berechtigt ist. Ein solcher Fall ist die Mitbestimmung nach 79 Abs. 1 Nr. 8 LPVG zur Verhütung von Dienst-und Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und sonstigen Gesundheitsschädigungen. Hierunter werden Maßnahmen erfasst, welche die Beschäftigten vor Gefahren arbeitsplatzspezifischer Tätigkeiten bewahren sollen.28 Die Mitbestimmung bezieht sich auf die Ergreifung von Gesundheitsschutzmaßnahmen, welche die psychische und physische Gesundheit erhalten und schließlich arbeitsbedingte Beeinträchtigungen vermeiden. Hat der AG bislang kein BEM eingeführt, kann der Personalrat im Einzelfall die Durchführung eines BEM beantragen.29
Gemäß § 95 Abs. 1 SGB IX wird die Förderung der Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb oder die Dienststelle durch die Schwerbehindertenvertretung
