Bitte Dennis, lass mir etwas Zeit - Toni Waidacher - E-Book

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Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer Sebastian Trenker hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern. Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen. Wolfgang und Renate Volkmar, die von Susanne Reisinger vor zwei Tagen in ein anderes Zimmer umquartiert worden waren, weil sich das Ehepaar vom Läuten der Kirchenglocke in der Nacht belästigt gefühlt hatte, kamen die Treppe nach unten. Es war halb acht am Morgen und Susi Reisinger, die an der Rezeption des Hotels saß, ahnte nichts Erfreuliches, als sie den mürrischen Gesichtsausdruck Wolfgang Volkmars registrierte. »Guten Morgen«, grüßte sie, als das Paar auf die Rezeption zusteuerte. »Ich hoff' doch, Sie haben eine ruhige Nacht hinter sich. Gestern hab' ich Sie leider net angetroffen, sodass ich mich net erkundigen konnt', wie S' mit dem neuen Zimmer zufrieden sind.« »Überhaupt nicht!«, blaffte Wolfgang Volkmar. Er und seine Frau waren stehengeblieben. »Wir können das Fenster nicht öffnen, nicht mal kippen, weil wir alle Viertelstunde von dem unerträglichen Gebimmel gestört werden. Halten wir das Fenster geschlossen, wird es im Zimmer derart heiß und stickig, dass man fast keine Luft mehr bekommt.« Renate hatte, während ihr Mann seine Schimpftirade vom Stapel gelassen hatte, mehrere Male zustimmend genickt. »Es ist nicht auszuhalten«, pflichtete sie ihrem Gatten bei. »Wir sind am Überlegen, ob wir den Urlaub nicht abbrechen. Natürlich wollen wir dann unser Geld zurück.« »Das werden S' dann mit ihrer Versicherung abklären müssen«, erklärte Susanne in kühlerem Tonfall. Sie respektierte die Anliegen der Hotelgäste und auch das Alter der beiden, aber die ständige Nörgelei begann sie zu ärgern. Betont sachlich fuhr sie fort: »Sie kennen ja ­unsere Geschäftsbedingungen.

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Der Bergpfarrer Extra – 21 –

Bitte Dennis, lass mir etwas Zeit

Und plötzlich geht es um Leben und Tod

Toni Waidacher

Wolfgang und Renate Volkmar, die von Susanne Reisinger vor zwei Tagen in ein anderes Zimmer umquartiert worden waren, weil sich das Ehepaar vom Läuten der Kirchenglocke in der Nacht belästigt gefühlt hatte, kamen die Treppe nach unten.

Es war halb acht am Morgen und Susi Reisinger, die an der Rezeption des Hotels saß, ahnte nichts Erfreuliches, als sie den mürrischen Gesichtsausdruck Wolfgang Volkmars registrierte. »Guten Morgen«, grüßte sie, als das Paar auf die Rezeption zusteuerte. »Ich hoff’ doch, Sie haben eine ruhige Nacht hinter sich. Gestern hab’ ich Sie leider net angetroffen, sodass ich mich net erkundigen konnt’, wie S’ mit dem neuen Zimmer zufrieden sind.«

»Überhaupt nicht!«, blaffte Wolfgang Volkmar. Er und seine Frau waren stehengeblieben. »Wir können das Fenster nicht öffnen, nicht mal kippen, weil wir alle Viertelstunde von dem unerträglichen Gebimmel gestört werden. Halten wir das Fenster geschlossen, wird es im Zimmer derart heiß und stickig, dass man fast keine Luft mehr bekommt.«

Renate hatte, während ihr Mann seine Schimpftirade vom Stapel gelassen hatte, mehrere Male zustimmend genickt. »Es ist nicht auszuhalten«, pflichtete sie ihrem Gatten bei. »Wir sind am Überlegen, ob wir den Urlaub nicht abbrechen. Natürlich wollen wir dann unser Geld zurück.«

»Das werden S’ dann mit ihrer Versicherung abklären müssen«, erklärte Susanne in kühlerem Tonfall. Sie respektierte die Anliegen der Hotelgäste und auch das Alter der beiden, aber die ständige Nörgelei begann sie zu ärgern. Betont sachlich fuhr sie fort: »Sie kennen ja ­unsere Geschäftsbedingungen. Eine kostenfreie Stornierung ist nur bis zu einem Monat vor Urlaubsantritt möglich. Ihre Versicherung wird natürlich auch nur dann zahlen, wenn sie den Urlaub aus wichtigem Grund abbrechen.«

»Wir haben keine Versicherung abgeschlossen«, stieß Wolfgang hervor. »Wir sind nämlich nicht davon ausgegangen, dass wir den Urlaub vorzeitig beenden müssen, weil es hier nicht auszuhalten ist. Man hat uns – wahrscheinlich vorsätzlich – verschwiegen, dass man in diesem Hotel wegen des fürchterlichen Glockengeläuts keine echte Ruhe findet. Egal, ob man sich in den Biergarten setzt, ob man einen Mittagsschlaf halten oder in der Nacht ungestört ruhen möchte – alle fünfzehn Minuten legt die Kirchenglocke los. Wir werden, falls wir den Urlaub abbrechen, die Rückzahlung der gesamten Pauschale, die wir entrichtet haben, gerichtlich einklagen.«

»Nun ja …«, begann Susi.

Wolfgangs wegwerfende Handbewegung schnitt ihr das Wort ab. »Keine weiteren Rechtfertigungsversuche, junge Frau!«, blaffte er. »Die versprochene Ruhe ist in Ihrem Hotel nicht gewährleistet. Das werden Sie nicht abstreiten wollen. Und jetzt gehen meine Gattin und ich frühstücken. Mal hören, was der eine oder andere Urlauber zu dem verwünschten Gebimmel zu sagen hat.«

»Unsere anderen Gäst’ sollten S’ net aufhetzen, Herr Volkmar«, sagte Susi bemüht ruhig. Innerlich kochte sie und fragte sich, was dieses Ehepaar mit seiner ständigen Kritik bezwecken wollte.

»Aufhetzen!«, erregte sich Wolfgang Volkmar. »Wenn ich meinem Unmut Luft mache, nennen Sie das aufhetzen? Das wird ja immer schöner hier! Wir haben uns umgehört, und wir sind nicht die einzigen, die sich von dem ständigen Läuten der Kirchenglocke beeinträchtigt fühlen. Man hat uns Ruhe und Erholung zugesichert, für unser Geld aber bekommen wir nur Stress und Ärger. Komm, Renate, dieses lange Gerede hat keinen Sinn, frühstücken wir und überlegen wir dann unsere nächsten Schritte.«

Die Frau warf den Kopf in den Nacken und setzte sich gleichzeitig mit ihrem Mann in Bewegung.

Susi schaute mit gemischten Gefühlen hinterher. Dann ging sie in das kleine Büro, in dem ihr Vater gerade am Schreibtisch saß und Buchungen durchging.

»Kann ich dich kurz stören, Pa­pa?«

Sepp Reisinger wandte sich seiner Tochter zu. »Natürlich. Was gibt’s denn?«

»Die Volkmars haben sich wieder beschwert, es wird immer schlimmer. Sie fühlen sich immer noch von der Kirchenglocke gestört und überlegen, ob sie den Urlaub net abbrechen. Für den Fall haben sie angekündigt, dass sie die gesamte Urlaubspauschale zurückfordern werden, notfalls wollen sie die Rückerstattung des Geldes einklagen.«

Sepp Reisinger runzelte die Stirn. »Unmöglich, dass sie in dem Zimmer, das sie jetzt haben, auch nur den leisesten Ton hören. Ich werd’ das Gefühl net los, dass sie uns nur terrorisieren wollen. Das würd’ denen so gefallen! Nachdem sie anderthalb Wochen bei uns geurlaubt haben, möchten sie – ohne einen Cent zu bezahlen –, wieder heimfahren. Da bleibt ihnen der Schnabel aber sauber!« Der sonst so friedliche und umgängliche Hotelier war echt verärgert.

»Wollt’ sich net Pfarrer Trenker mit dem Bürgermeister zusammensetzen, um dieses Problem zu besprechen?«, fragte Susi.

»Der Bergpfarrer war beim Bruckner«, antwortete Sepp. »Der will die Sach’ im Gemeinderat abklären. Gehört hab’ ich nix mehr. Ich werd’ mich gleich mal erkundigen.«

»Die Volkmars haben angedroht, die anderen Gäste aufzuwiegeln«, sagte Susi. »Wolfgang Volkmar verwehrt sich zwar dagegen, denn er bezeichnet es als ›seinem Unmut Luft machen‹. Aber im Endeffekt hetzt er die Leut’ auf. Mich würd’s net wundern, wenn sich der eine oder andere Gast plötzlich auch von der Kirchenglocke gestört fühlen würd’.«

»Das ist zu befürchten«, murmelte Sepp. »Ich sag’ dir Bescheid, wenn ich mit dem Pfarrer gesprochen hab’.«

*

Zur selben Zeit, in der Susi und ihr Vater ihre Sorgen wegen des Ehepaars Volkmar austauschten, betrat Sophie Tappert, die Pfarrhaushälterin, den kleinen Supermarkt, in dem zu dieser frühen Stunde noch nicht allzu viel los war. Man konnte die Kunden an zwei Händen abzählen. Die Kasse war verwaist, die Kassiererin – es handelte sich um die Gattin des Inhabers –, befand sich wohl irgendwo zwischen den Regalen und kümmerte sich um den Warenbestand.

Sophie nahm sich einen Einkaufswagen und begab sich ebenfalls zwischen die Regale. Sie ging zielstrebig vor, denn sie hatte im Kopf, was sie kaufen wollte.

Hinten, bei den Kühlregalen, vernahm sie Stimmen. Eine Frau sprach etwas, das Sophie nicht verstehen konnte, eine andere antwortete. Und diese Stimme hätte sie zwischen Tausend anderen eindeutig identifiziert. Es war die Stimme der Erbling-Maria, die Witwe des früheren Poststellenleiters, die in St. Johann für ausgiebig Klatsch und Tratsch sorgte.

Wenn man wollte, dass etwas bei der richtigen Adresse ankam, dann brauchte man es der Erbling-Maria nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertrauen. Schon machte es die Runde, und oft wurde dabei aus der Mücke ein Elefant.

Sophie war klar, dass es sich kaum vermeiden ließ, mit der Erbling zusammenzutreffen. Zwar legte sie keinen allzu großen Wert auf Ratsch und Tratsch, aber sie wollte auch nicht unhöflich sein.

Es war die Frau Herrnbacher mit der Maria gerade redete. Als Sophie mit ihrem Einkaufswagen zwischen den Regalen hervorkam, erspähte Maria sie, brach mitten im Satz ab und rief: »Ja da schau an, die Frau Tappert. Dass man Sie auch mal wieder trifft. Wie lang haben wir uns schon nimmer gesehen? Drei Tage, oder sind’s schon vier? Ich hab’ mich schon bei der Frau Terzing von der Bäckerei erkundigt, ob S’ vielleicht krank sind. Aber sie hat mich beruhigt und mir geantwortet, dass sie fast jeden Tag bei ihr frische Semmeln holen.«

›Ja, ja‹, dachte Sophie, ›eine Zeitlang gelingt es mir, dir aus dem Weg zu gehen, Maria. Zwischendrin aber erwischt du mich immer wieder einmal, so wie heut’ …‹

Laut sagte sie: »Na ja, man geht halt net immer um die gleiche Zeit zum Bäcker oder in den Supermarkt, und so ist’s ganz normal, dass man sich net alle Tage trifft. Meistens hab’ ich’s eh eilig. Drum geh’ ich in der Regel schon frühmorgens los, weil da die wenigsten Kunden sind und ich net warten muss.«

»Ich möcht’ wissen, was Ihnen davonläuft, Frau Tappert«, erwiderte Maria etwas schnippisch.

Frau Herrnbacher wandte sich ab und widmete sich wieder ihrer Arbeit.

»Na ja«, versetzte Sophie, »ich hab’ den Haushalt des Pfarrers zu versorgen, und unter der Woche kommt sein Bruder zum Mittagessen. Da ich jeden Tag frisch koch’, braucht das seine Zeit.«

»Sicher haben S’ auch schon erfahren, dass die Niedermeyer-Sonja seit voriger Woche in der Klinik ist«, wechselte Maria das Thema. »Das Herz …«

»Ja, das ist bekannt«, sagte Sophie. »Sie hat sich halt immer ein bissel viel zugemutet, die Sonja. Das ist jetzt die Quittung. Man kann nur hoffen, dass sie ein kleines bissel kürzer tritt, wenn s’ wieder daheim ist, und sich auch öfter mal was gönnt.«

»Ihre Sparsamkeit grenzt oft schon an Geiz«, erklärte Maria. »Aber die Julia wird’s freuen, wenn s’ mal alles erbt. Soweit mir bekannt ist, gibt’s außer ihr niemand, dem die Sonja mal ihr Hab und Gut vermachen könnt’. Die Julia ist übrigens seit Samstag in St. Johann und kümmert sich um die Tiere ihrer Tante.« Marias Stimme wurde leiser, als sie hinzufügte: »Ich hab’ immer gedacht, sie wär’ in Weilheim liiert.«

»Ja, so ist mir das auch bekannt«, sagte Sophie.

»Besonders ernst scheint der Julia das aber net zu sein«, versetzte Maria und ihr Blick wurde verschwörerisch. »Man hat sie beobachtet, wie sie am Montagabend mit dem Reber-Dennis spazieren gegangen ist. Später haben die beiden dann die halbe Nacht im Biergarten gesessen. Sie sollen ganz schön miteinander geturtelt haben, die zwei.«

»So, so«, murmelte Sophie. »So weit ich mich erinner’, haben sich die beiden doch damals schon, ehe die Julia nach Weilheim gegangen ist, ganz gut verstanden. Warum also sollten s’ jetzt net miteinander reden?«

»Ob’s beim Reden geblieben ist, ist fraglich«, entgegnete Maria. »Die Raab-Elsbeth hat die beiden beobachtet. Sie sollen ganz schön miteinander geflirtet haben. Aber das muss die Julia selber wissen. Falls sie tatsächlich noch liiert ist, dann kann einem nur der Lebensgefährte leidtun, der wahrscheinlich net ahnt, dass seine Partnerin einem anderen Kerl schöne Augen macht.«

»Man darf net alles glauben, was die Leut’ erzählen«, sagte Sophie, der das Gespräch ganz und gar nicht behagte. »Der Dennis und die Julia kennen sich seit ihrer Kindheit, und wenn die beiden ein Glasl Wein miteinander trinken und ein bissel reden und lachen, muss man net gleich das Schlimmste annehmen. So etwas sollt’ man auch net besonders thematisieren, denn Sie wissen ja selber, Frau Erbling, wie schnell die Gerüchteküche brodelt und die Leut’, über die geredet wird, ungünstig gekennzeichnet werden.«

»Die Raab-Elsbeth weiß doch, was sie gesehen hat«, verteidigte sich Maria. »Und sie würd’ sicher net drüber reden, wenn’s so harmlos gewesen wär’.«

Sophie winkte ab. »Selbst wenn’s so wär’, Frau Erbling, die Julia weiß bestimmt, wie weit sie gehen kann. Ich mach’ mir wegen ihres – hm, Seelenheils keine Gedanken.«

Maria hob die Brauen. »Man redet ja net, man sagt ja bloß, Frau Tappert. Aber dass der Dennis, kaum dass die Julia ohne ihren Lebensgefährten in St. Johann weilt, gleich an ihrem Rockzipfel hängt, lässt tief blicken und ist Anlass genug, um sich ein paar Gedanken zu machen.«

»Für mich net«, erwiderte Sophie. »So, jetzt muss ich aber schauen, dass ich weiterkomm’. Auf Wiedersehen, Frau Erbling. Man sieht sich sicherlich irgendwann mal wieder.«

»Davon geh’ ich aus, Frau Tappert. Grüßen S’ mir den Herrn Pfarrer. Und bleiben S’ gesund.«

»Das wünsch’ ich Ihnen auch«, antwortete Sophie, dann schob sie ihren Einkaufswagen zwischen die nächsten Regale und atmete auf. Sie hörte die Maria noch sagen:

»Mit der Frau Tappert kann man net vernünftig reden. Ständig pressiert’s ihr. Manchmal hab’ ich den Eindruck, sie läuft vor mir davon.«

Frau Herrnbacher erwiderte etwas, aber sie sprach zu leise, als dass Sophie es hätte verstehen können.

Wenig später hatte Sophie ihren Einkauf erledigt und ging zur Kasse.

Frau Herrnbacher kam und murmelte: »Ganz hinten, bei den Haushaltsartikeln, hat die Maria grad die Meierhöfer-Gretl erwischt. Und nun muss sich die Gretl, ob s’ will oder net, die Geschichte von der Julia und dem Dennis anhören. Es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis jeder im Ort zu hören bekommen hat, dass die beiden sofort ein Verhältnis miteinander angefangen haben.«

»Dafür sorgt die Maria ganz gewiss«, seufzte Sophie. »Hoffentlich gerät sie mit ihrem Getratsch net mal an den Unrechten, der ihr klarmacht, wo der Bartel den Most holt.«

»So richtig ernst nimmt die Maria eh keiner«, gab Frau Herrnbacher zu bedenken.

»Aber fast jeder trägt die Gerüchte weiter, die sie in die Welt setzt«, gab Sophie zu verstehen. »Und was am Ende oftmals draus wird, Frau Herrnbacher, das muss ich Ihnen ja net sagen.«

»Das ist leider so. Aber solang’s Leut’ wie die Erbling-Maria gibt, wird sich daran nix ändern.«

Nach diesen Worten scannte Frau Herrnbacher die Waren, Sophie bezahlte, packte alles ein und verließ den Supermarkt.

Als sie wenig später das Pfarrhaus betrat, hörte sie durch die nur angelehnte Tür des Pfarrbüros den Pfarrer sprechen. Ein Blick in den Türspalt verriet Sophie, dass er telefonierte. Sie zog sich in die Küche zurück.

*

Sebastian hatte Bürgermeister Bruckner am Apparat. Nachdem sie sich begrüßt hatten, fragte das Gemeindeoberhaupt: »Wegen was rufen S’ denn an, Hochwürden? Darf ich raten?«

»Da gibt’s nix zu raten, Markus. Der Sepp hat mich eben angerufen. Die Gäste aus Darmstadt beschweren sich, nach wie vor, wegen des nächtlichen Glockengeläuts. Leider hör’ ich von deiner Seite nix mehr über die Sach'. Hast du das Anliegen überhaupt schon im Gemeinderat vorgebracht?«

»Regen S’ sich ab, Hochwürden«, erwiderte Bruckner. »Die Gemeinderatssitzung findet heut’ um elf Uhr statt. Damit lieg’ ich doch gut in der Zeit. Wie Sie sicherlich wissen, kann ich so eine Sitzung net von einer Stunde auf die andere anberaumen. Jede Sitzung bedarf eines gewissen Vorlaufs. Ich muss mich vorbereiten, und die Gemeinderäte müssen wissen, worum es geht, damit sie sich auch drauf vorbereiten können. Außerdem … Egal, Hochwürden, ich meld’ mich bei Ihnen, wenn wir eine Lösung gefunden haben.«

»Was wolltest du eben noch sagen, Markus? Außerdem – was?«

»Ich wollt’ sagen, dass die ganze Sach’ net so brandheiß ist, dass sie von einer Minute auf die andere gelöst werden müsst’. Die Kirche steht seit ungefähr dreihundert Jahren, und seitdem läuten die Glocken – auch des Nachts. Ich wüsst’ eine Lösung, Hochwürden, eine Lösung, durch die sich nix ändern würd’.«

»Ich glaub’, ich weiß, woran du denkst, Markus.«

»Es wär’ doch das Einfachste für alle Beteiligten. Soll das Ehepaar seinen Urlaub abbrechen und nach Haus’ fahren. Auf die beiden Stänkerer kann der Reisinger-Sepp sicher verzichten.«

»Damit wär’s net getan, Markus«, wandte Sebastian ein. »Herr Volkmar hat angekündigt, dass er seine Zahlungen komplett zurückerstattet haben will, außerdem hat er gedroht, eine Bewertung im Internet zu veröffentlichen, und wie die aussieht, kannst du dir denken. Er wird den ›Löwen‹ sowie St. Johann als nicht empfehlenswert beurteilen. An einer derartig negativen Rezension hat der Sepp, wie du dir denken kannst, kein Interesse, und du solltest sie auch vermeiden. Es ist schließlich – dein St. Johann.«

»Und schon hab’ ich ihn wieder, wie?«, brummte Bruckner.

»Wen hast du wieder?«, erkundigte sich Sebastian etwas verständnislos.

»Den Schwarzen Peter. Wir haben schon mal drüber gesprochen. Sie wollen der Gemeinde die Verantwortung zuschieben.«