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Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Es war an einem Montagmorgen im Hochsommer, als der sechsundzwanzigjährige Herbert Attinger zum zweiten Mal in seinem Leben über den Pass fuhr, der von Norden her ins Wachnertal führte. Bereits einmal hatte er ihn vor etwa vier Wochen überquert, als er sich im Forstamt bei seinem künftigen Vorgesetzten, dem mittlerweile zum Oberförster beförderten Christian Ruhland, vorgestellt hatte. Nun fuhr er die Serpentinen ein zweites Mal hinunter, um seinen Dienst als Förster bei der staatlichen Forstamtsdienststelle St. Johann im Wachnertal anzutreten. Herbert kam aus Garmisch-Partenkirchen. Er war dort geboren und aufgewachsen. Sein Studium hatte er an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf absolviert, war nach seinem Studium beim staatlichen Forstamt Garmisch-Partenkirchen als Forstwirt tätig gewesen, und hatte sich an die Zweigstelle St. Johann beworben, als da die Stelle eines Försters ausgeschrieben worden war. Er freute sich schon. Christian Ruhland, der bisher als einziger Förster tätig gewesen war, hatte ihm erzählt, dass im Wachnertal die Welt noch in Ordnung war. »Der Försterjob ist hier nicht mit Stress und Hektik verbunden, man kann in aller Ruhe und Beschaulichkeit den Staatswald betreuen, für die Pflege des Waldes und seine Bewirtschaftung sorgen, und sich um den Natur- und Umweltschutz sowie die Tiere des Waldes kümmern«, hatte Christina zu verstehen gegeben, und Herbert hatte nicht einen Moment daran gezweifelt, dass es dem auch so sein würde. Genau das war es, was Herbert suchte. Er wollte seinen Job gewissenhaft und in aller Ruhe ausüben. Er hatte die Passstraße hinter sich und lenkte seinen Ford Kuga in die weitläufige Ebene zwischen den bewaldeten Höhenzügen und dem Hochgebirge im Hintergrund hinein. Herbert hatte sich informiert und wusste, dass es im Wachnertal drei Gemeinden gab, nämlich die Gemeinden St. Johann, Waldeck und Engelsbach. Die Adresse des Forstamts hatte Herbert anlässlich seines ersten Besuchs schon in sein Navi eingegeben. Der Weg führte durch die Ortschaft St. Johann hindurch.
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Seitenzahl: 133
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Es war an einem Montagmorgen im Hochsommer, als der sechsundzwanzigjährige Herbert Attinger zum zweiten Mal in seinem Leben über den Pass fuhr, der von Norden her ins Wachnertal führte. Bereits einmal hatte er ihn vor etwa vier Wochen überquert, als er sich im Forstamt bei seinem künftigen Vorgesetzten, dem mittlerweile zum Oberförster beförderten Christian Ruhland, vorgestellt hatte. Nun fuhr er die Serpentinen ein zweites Mal hinunter, um seinen Dienst als Förster bei der staatlichen Forstamtsdienststelle St. Johann im Wachnertal anzutreten.
Herbert kam aus Garmisch-Partenkirchen. Er war dort geboren und aufgewachsen. Sein Studium hatte er an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf absolviert, war nach seinem Studium beim staatlichen Forstamt Garmisch-Partenkirchen als Forstwirt tätig gewesen, und hatte sich an die Zweigstelle St. Johann beworben, als da die Stelle eines Försters ausgeschrieben worden war.
Er freute sich schon. Christian Ruhland, der bisher als einziger Förster tätig gewesen war, hatte ihm erzählt, dass im Wachnertal die Welt noch in Ordnung war. »Der Försterjob ist hier nicht mit Stress und Hektik verbunden, man kann in aller Ruhe und Beschaulichkeit den Staatswald betreuen, für die Pflege des Waldes und seine Bewirtschaftung sorgen, und sich um den Natur- und Umweltschutz sowie die Tiere des Waldes kümmern«, hatte Christina zu verstehen gegeben, und Herbert hatte nicht einen Moment daran gezweifelt, dass es dem auch so sein würde.
Genau das war es, was Herbert suchte. Er wollte seinen Job gewissenhaft und in aller Ruhe ausüben.
Er hatte die Passstraße hinter sich und lenkte seinen Ford Kuga in die weitläufige Ebene zwischen den bewaldeten Höhenzügen und dem Hochgebirge im Hintergrund hinein. Herbert hatte sich informiert und wusste, dass es im Wachnertal drei Gemeinden gab, nämlich die Gemeinden St. Johann, Waldeck und Engelsbach. Die Adresse des Forstamts hatte Herbert anlässlich seines ersten Besuchs schon in sein Navi eingegeben. Der Weg führte durch die Ortschaft St. Johann hindurch. Ein ganzes Stück außerhalb des Ortes, an einem Waldrand, an dem die Landstraße vorbeiführte, meldete die Computerstimme des Navigationsgerätes, dass Herbert sein Ziel erreicht hatte.
Es war ein großes, im alpenländischen Stil erbautes Gebäude mit vielen Fenstern, in dem das Forstamt untergebracht war. An den Balkonen und auf den Fensterbänken bot sich dem Auge des Betrachters eine vielfältige Blütenpracht. Die Balkone und Fensterläden sowie die hölzernen Wandverkleidungen und der kunstvoll gefertigte Dachreiter sahen aus wie frisch gebeizt.
Schon bei seinem ersten Besuch war Herbert von seinem künftigen Arbeitsplatz ausgesprochen angetan gewesen. Das gesamte Umfeld behagte ihm.
Der junge Förster fand einen Parkplatz, stellte seinen Wagen ab und stieg aus, schaute sich um und setzte sich sogleich in Richtung Haustür in Bewegung. Er betrat einen langen Flur, von dem viele Türen abzweigten. Er musste nicht lange die Namensschilder an der Wand neben den Türen studieren, denn er wusste noch von seinem ersten Besuch hier, welche Tür in das Büro des Oberförsters führte. Er steuerte sie zielstrebig an und klopfte dagegen. Da Christian Ruhland informiert war, dass an diesem Vormittag sein Mitarbeiter den Dienst antrat, befand er sich nicht im Außendienst. Er öffnete sogar die Tür, lachte und sagte: »Da sind Sie ja, Herr Attinger.« Er gab Herbert die Hand, der schüttelte sie. »Bitte, kommen S‘ rein.« Christian ließ Herberts Hand los und trat zur Seite. Herbert ging an ihm vorbei, und Christian zog die Tür zu. Dann begab er sich hinter seinen Schreibtisch, wies auf den Stuhl davor und forderte Herbert auf, Platz zu nehmen. Er selbst setzte sich an seinen Arbeitsplatz. »Neun Uhr«, sagte er. »Sie sind ja pünktlich wie ein Maurer.«
»Es war fast nix los auf der Bundesstraße«, versetzte Herbert. »Im Übrigen ...«, er grinste entwaffnend, »... ist Pünktlichkeit eine Tugend. Ich erwarte auch von anderen, dass sie pünktlich sind.«
»Da haben wir schon die erste Gemeinsamkeit«, erklärte Christian grinsend, dem der junge Kollege ausgesprochen sympathisch war. Da er auch einen sehr guten Abschluss und erstklassige Beurteilungen vorweisen hatte können, war Christian unter vier Bewerbern die Entscheidung nicht schwergefallen. »Im Übrigen haben wir schon, als Sie sich vor einigen Wochen vorgestellt haben, alles soweit besprochen. Ihr Aufgabengebiet kennen Sie. Ihr Büro werde ich Ihnen zeigen. Haben Sie schon eine Unterkunft?«
»Ja. Ich hab‘ fürs Erste in der ›Pension Edelweiß‹ ein Zimmer gebucht, werde mich jedoch nach einer kleinen Wohnung umsehen. Unabhängig davon könnt‘ ich auch pendeln. Bis Garmisch ists ja nur ein Katzensprung.«
»Das ist richtig. Einfacher ist es jedoch, wenn Sie hier wohnen. Sie sparen sich Zeit, und Ihre Autoreifen halten länger.«
»Das ist ein Argument«, erwiderte Herbert lachend, wurde aber sogleich wieder ernst und gab zu verstehen: »Ich freu‘ mich jedenfalls schon auf die Arbeit hier. Das Tal ist traumhaft, ein wahres Paradies. Ich hab‘ immer behauptet, dass ich von Garmisch niemals weggehen werde. Aber dann hab‘ ich die Stellenausschreibung gesehen, hab‘ mich im Internet kundig gemacht, und war von Stunde an in das Wachnertal verliebt.«
»Das lobe ich mir«, sagte Christian lächelnd. »Ich will Ihnen aber nicht verschweigen, Herr Attinger ...« Christian brach ab. »Wir sollten du zueinander sagen«, meinte er. »Das vereinfacht den Umgang miteinander. Was meinen S‘?«
»Einverstanden.«
»Ich heiß‘ Christian. Aber das wirst du schon wissen.« Christian dachte kurz nach, dann fuhr er fort: »Bei deinem ersten Besuch hab‘ ich davon gesprochen, dass im Wachnertal die Welt noch in Ordnung sei. Du erinnerst dich gewiss.«
»Natürlich. Hat sich das etwa geändert?«
»Tja, man sollt‘ den Tag nicht vor dem Abend loben, sagt ein altes Sprichwort. Bei uns ist die Welt nämlich seit zwei Wochen nimmer so richtig in Ordnung. Wir haben einen Wilddieb im Revier. Vor zwei Wochen hat er ein Reh geschossen, eine Woche später einen Bock. Einmal hab‘ ich den Aufbruch selber gefunden, das heißt, mein Hund, der Strolch, hat ihn erschnüffelt, beim zweiten Abschuss haben Waldarbeiter den entfernten Knall des Gewehrs gehört und sind dem Klang nachgegangen. Sie haben den Wilderer zwar vertrieben, aber den Bock haben sie auch nimmer zum Leben erwecken können.«
»O, o«, machte Herbert. »Das hört sich aber gar nicht gut an. Ich hab‘ zwar noch nie mit einem Wilderer zu tun gehabt, hab‘ mir aber sagen lassen, dass solche Zeitgenossen nicht ungefährlich sind.«
»Drumsolltest du nicht versuchen, den Helden zu spielen, solltest du zufällig den Weg des Kerls kreuzen«, mahnte Christian. »Jagdwilderei ist, wie du weißt, ein Straftatbestand. Um ihre Tat im Falle des Falles zu verschleiern, schrecken manche Leute vor nix zurück.«
»Du hast aber schon Anzeige erstattet?«, kam es fragend von Herbert.
»Natürlich. Der Trenker-Max – er leitet die Polizeidienststelle in St. Johann -, war an beiden Tatorten. Der Täter hat allerdings keine Spuren hinterlassen. Wir haben lediglich den Aufbruch und einen toten Rehbock. Es ist aber davon auszugehen, dass der Wildschütz wieder auf die Pirsch geht. Sämtliche Gastwirte und Restaurants im Tal sind informiert. Sie sollen sich sofort an die Polizei wenden, sollte ihnen jemand Wildbret anbieten. Einen Hinweis hats bisher jedoch noch nicht gegeben.«
»Der Krug geht solang zum Brunnen, bis er bricht«, philosophierte Herbert. »Ich könnt‘ auch sagen: Unrecht Gut gedeiht nicht. Irgendwann wird der Wilddieb leichtsinnig, und dann geht er der Polizei ins Netz.«
»Dein Wort in Gottes Ohr«, murmelte Christian. »Hoffen wir, dass er nimmer allzu lang sein Unwesen treiben kann. Wir werden natürlich die Augen offenhalten. Aber wie gesagt: Wir spielen nicht die Helden.«
»Alles klar«, erklärte Herbert.
»Hast du sonst noch irgendwelche Fragen?«, erkundigte sich Christian.
»Im Moment net.«
»Dann stell‘ ich dich jetzt dem Dienststellenleiter vor, danach zeig‘ ich dir dein Büro, und morgen geh‘ ich mit dir in das Revier, das du zu betreuen hast. Sollten sich im Laufe der Zeit irgendwelche Fragen ergeben, ich bin jederzeit per Handy erreichbar, oder du triffst mich in der Dienststelle an. – Bereite dich darauf vor, dass wir heut‘ Nachmittag einen kleinen Ausflug in den Ort unternehmen werden. Ich will dich nämlich beim Bürgermeister einführen und dich dem Trenker-Max, unserem Polizisten, vorstellen.«
Christian stemmte sich am Tisch in die Höhe, und auch Herbert erhob sich. »Mir bleibt es im Moment nur, dir viel Spaß bei der Arbeit und uns eine gute Zusammenarbeit zu wünschen«, fügte Christian seinen Worten von eben hinzu. »Ich denk‘ aber, dass wir zwei gut miteinander auskommen.«
»Davon bin ich überzeugt«, erwiderte Herbert.
*
Am Dienstagmittag kam Max Trenker, wie jeden Tag von Montag bis Freitag, zum Mittagessen ins Pfarrhaus. Sophie ließ ihn ein, Max grüßte freundlich und sie erwiderte seinen Gruß, dann ging er zur Garderobe, legte seine Dienstmütze auf die Hutablage und zog seine Jacke aus. Es war jeden Tag das gleiche Ritual. Als die Jacke am Haken hing, schnupperte er in die Luft, nickte wie zur Bestätigung seines Gedankens, und grinste wissend. »Es riecht nach Gebratenem«, konstatierte er. »Nachdem es gestern fleischlos gegeben hat, vermute ich ganz stark, dass Sie uns heute wieder was vom Tier kredenzen, Frau Tappert.«
»Zwiebelrostbraten mit Bratkartoffeln«, verriet Sophie lächelnd. »Ich denk‘, damit treffe ich bei Ihnen voll und ganz ins Schwarze, Max.«
»Dafür kriegen S‘ von mir zwölf von zehn Punkten, Frau Tappert«, rief Max. »Ist mein Bruderherz schon im Esszimmer?«
»Er sitzt noch an seinem Schreibtisch. Aber er hat sicherlich mitgekriegt, dass Sie da sind, und er wird ... Da ist er ja schon.«
Tatsächlich ging die Tür zum Büro des Bergpfarrers auf und Sebastian trat auf den Flur. »Grüß di, Bruder. Alles im grünen Bereich?«
»Servus, Sebastian«, erwiderte Max den Gruß. »Dass alles im grünen Bereich ist, möcht‘ ich nicht gerade behaupten«, fügte er hinzu.
»Wieso? Ist was mit den Kindern, oder mit der Claudia?« Besorgt fixierte der Pfarrer seinen Bruder, als versuchte er von dessen Zügen die Antworten auf seine Fragen abzulesen.
»Nein, nein, mit denen ist alles in Ordnung. Es ist wegen der Vorfälle im Ainringer Forst. Du weißt schon, die Sache mit dem Wildfrevel.«
»Ich würde vorschlagen, meine Herren«, meldete sich Sophie zu Wort, »Sie besprechen das im Esszimmer. Dann kann ich nämlich das Essen auftragen.« Es klang freundlich, aber bestimmt.
»Mir läuft eh schon das Wasser im Mund zusammen«, gestand Max. »Es gibt eine meiner Lieblingsspeisen«, fügte er an Sebastian gewandt hinzu. »Zwiebelrostbraten.« Er rieb sich mit der linken Hand kreisförmig über den Leib.
»Es hat fast kein Essen gegeben, was die Frau Tappert gekocht hat und das du nicht zu deiner Lieblingsspeise erklärt hast, Bruderherz«, stieß Sebastian lachend hervor. »Aber ich will dir nicht zu nahetreten. Ich könnt‘ nämlich auch vom Zwiebelrostbraten leben.«
Sie begaben sich ins Esszimmer und nahmen ihre angestammten Plätze ein. Der Tisch war gedeckt. Sophie brachte auf einem Tablett die Pfanne mit dem Fleisch und einer weiteren Pfanne mit den Bratkartoffeln. Nachdem sie jedem der Brüder ein Stück von dem Braten auf den Teller gelegt und das Fleisch mit gerösteten Zwiebeln abgedeckt hatte, bediente sich jeder an den Bratkartoffeln. Sophie stellte vor jeden noch eine Portion gemischten Salat hin, wünschte guten Appetit und ließ dann sie die Brüder allein.
»Ist denn schon wieder ein Fall von Wilderei zu vermelden?«, fragte Sebastian, nachdem sie eine Weile schweigend gegessen hatten.
»Nein. Aber die zwei Fälle, die der Christian zur Anzeige gebracht hat, reichen mir fürs Erste. Ich habe nix in den Händen. Die Waldarbeiter, die dem Klang des Schusses nachgegangen sind, haben den Wilddieb zwar noch zwischen den Bäumen davonlaufen sehen, und sie haben sogar versucht, ihn zu stellen, aber der Kerl ist ihnen entwischt. Einen Aufbruch und einen toten Rehbock, den der Wilderer schon angefangen hat, aufzubrechen. Das ist alles, was ich in Händen hab‘.«
»Das ist nicht viel«, erklärte Sebastian lakonisch.
»Das ist gar nix. Gestern Nachmittag war der Christian bei mir in der Dienststelle und hat mir den jungen Kollegen vorgestellt, der gestern seinen Dienst hier in St. Johann beim Forstamt angetreten hat. Herbert Attinger heißt er, er ist ungefähr Mitte zwanzig und kommt ausgesprochen sympathisch rüber. Wir haben uns über das Problem mit dem Wilderer unterhalten. Der Christian meint, dass es schwer sein wird, den Halunken zu fassen, es sei denn, man erwischt ihn auf frischer Tat. Aber selbst dann dürfte es schwer sein, ihn zu stellen, denn er ist bewaffnet und es ist nicht abzusehen, wie er reagiert, wenn er sich in die Enge gedrängt fühlt.«
»Ja, das könnt‘ gefährlich werden, sollt‘ der Christian oder der neue Förster mit dem Wildschützen zusammentreffen«, murmelte Sebastian. »Hast du dich eigentlich schon mal gefragt, Bruder, was der Wilderer mit dem Wildbret macht, das er erjagt hat? Er kann doch das Fleisch nicht alles selber essen.«
»Ich vermute, dass er es an Restaurants und Gasthöfe verkauft«, antwortete Max. »Es ist aber auch nicht auszuschließen, dass er seine eigene Gefriertruhe mit dem Fleisch füllt. Wenn sie voll ist, hört er möglicherweise zu wildern auf.«
»Bis er wieder Platz geschaffen hat in seiner Gefriertruhe«, ergänzte Sebastian, schaute einen Moment lang nachdenklich drein, dann ergriff er noch einmal das Wort und sagte: »Müssen beim Ankauf von Wildbret nicht Nachweise geführt werden, die einen Schluss zulassen, wer das Fleisch verkauft hat?«
»Du meinst die Möglichkeit der Rückverfolgbarkeit von Ankäufen«, präzisierte Max und nickte. »Ja, solche Nachweise sind zu führen. Die wird mir allerdings jeder Gastwirt vorlegen können. Ob es sich tatsächlich um das im schriftlichen Nachweis aufgeführte Fleisch handelt, das er seinen Gästen vorsetzt, lässt sich allerdings auch nicht mit letzter Sicherheit sagen. Außerdem bedarf es keines entsprechenden Nachweises, wenn das Fleisch direkt an den Endverbraucher abgegeben wird. Wenn du also einem Jäger ein Reh abkaufst, um es einzufrieren und nach und nach zu verzehren, bedarf es keines Rückverfolgungsnachweises.«
»Einen Wilderer im Ainringer Forst, der etliche Quadratkilometer umfasst, auf frischer Tat zu ertappen, ist meiner Meinung nach ein Ding der Unmöglichkeit«, brachte Sebastian seine Überzeugung zum Ausdruck.
»Leicht wirds nicht, den Halunken zu überführen«, erklärte Max.
»Du hast doch dem Christian und seinem neuen Mitarbeiter hoffentlich eingeschärft, dass sie nicht versuchen sollen, dem Kerl das Handwerk zu legen, sollt‘ er, wie’s der Zufall vielleicht will, einem von ihnen über den Weg laufen. Wir leben schließlich nimmer in Zeiten eines Wildschützen Jennerwein.«
»Das habe ich zwar angesprochen«, erwiderte Max, »aber das wär‘ gar nicht nötig gewesen. Der Christian hat seinen jungen Kollegen drauf hingewiesen, dass er im Falle des Falles auf keinen Fall den Helden spielen darf. Aber das lernen die Forstbediensteten ja schon während ihrer Ausbildung.«
»Dann kann man nur hoffen, dass der Wilderer irgendwann von selber wieder aufhört, oder dass er auf frischer Tat beobachtet und erkannt wird«, gab Sebastian zu verstehen. »Eigentlich kanns ja nur ein Einheimischer sein, denn wenn er den Waldarbeitern entkommen konnte, dann muss er sich auskennen.«
Max schaute skeptisch drein, kommentierte diese Äußerung aber nicht. Es war nämlich nur reine Spekulation des Pfarrers und viel zu vage, um dazu eine Aussage zu machen.
Eine halbe Stunde später verabschiedete er sich von seinem Bruder und von Sophie. »Das Essen war – wie halt immer -, erstklassig, Frau Tappert«, lobte er. »Ein Sternekoch könnt‘ keinen besseren Zwiebelbraten zubereiten.« An Sebastian gewandt sagte er: »Wir sehen uns dann morgen Mittag wieder. Bis dahin frohes Schaffen, Bruderherz.«
»Das wünsch‘ ich dir auch. Bestell‘ der Claudia und den Kindern die besten Grüße von mir, und sag‘ ihnen, dass ich bald mal zu Besuch komm‘. Das ist eh schon längst überfällig.«
»Ich bestelle es der Claudia. Komm‘ halt einfach mal an einem Samstagnachmittag. Da sind wir alle daheim. Die Claudia und die Kinder würde es freuen.«
»Ich verspreche es, Max. Am nächsten Samstag lad‘ ich mich bei euch zum Kaffeetrinken ein.«
»Na dann ...«
Max verließ das Pfarrhaus und Sebastian begab sich wieder in sein Büro.
*