Bittere Erkenntnis - Patricia Vandenberg - E-Book

Bittere Erkenntnis E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Das Ehepaar Dr. Daniel Norden und Fee sehen den Beruf nicht als Job, sondern als wirkliche Berufung an. Aber ihr wahres Glück finden sie in der Familie. Fünf Kinder erblicken das Licht der Welt. Die Familie bleibt für Daniel Norden der wichtige Hintergrund, aus dem er Kraft schöpft für seinen verantwortungsvollen Beruf und der ihm immer Halt gibt. So ist es ihm möglich, Nöte, Sorgen und Ängste der Patienten zu erkennen und darauf einfühlsam einzugehen. Familie Dr. Norden ist der Schlüssel dieser erfolgreichsten Arztserie Deutschlands und Europas. Es war der zehnte April, und Beatrice Cameron fuhr zum wiederholten Male zur Uni-Klinik, um ihren Mann zu besuchen. Es wurde ihr dabei immer schwerer ums Herz. An diesem Tag war sie, die eigentlich immer positiv dachte, sogar deprimiert. Kaum war sie losgefahren, hatte man im Radio die Mitteilung gebracht, daß Marcel Cameron seine Hauptrolle in der Fernsehtrilogie »Der Tod ist nicht das Ende«, wegen längerer Krankheit zurückgeben mußte. Zurückgeben mußte! Das hatte einen bitteren Beigeschmack für Beatrice. Gerade drei Tage hatten sie gewartet, bis sie die Rolle neu besetzten. Marcel hatte davon noch keine Ahnung. Wenn er es nun auch im Radio gehört hat, ging es Beatrice durch den Sinn. Sie fürchtete sich nun vor diesem Besuch. Wie sollte es nur weitergehen, wenn er überhaupt nicht mehr spielen konnte? Sie mochte gar nicht daran denken, da sie wußte, daß sein Beruf die eigentliche große Liebe in seinem Leben war. Seine Familie sei eine gelungene Produktion, hatte Marcel einmal vor Jahren gesagt. Sie hatte oft daran gedacht, denn in den letzten Jahren war die Familie für ihn immer nebensächlicher geworden, da das Fernsehen ihm ständig neue Rollen brachte. Natürlich hatte er auch sehr viel verdient, aber es war auch viel Geld ausgegeben worden. Das Haus im Würmtal hatte über eine Million gekostet. Die Inneneinrichtung war auch nicht gerade billig gewesen, obgleich Beatrice versucht hatte, ihren Mann zu bremsen. Aber er hatte sie nur ausgelacht. Das machen wir doch mit links, hatte er gesagt.

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Familie Dr. Norden – 785 –

Bittere Erkenntnis

Unveröffentlichter Roman

Patricia Vandenberg

Es war der zehnte April, und Beatrice Cameron fuhr zum wiederholten Male zur Uni-Klinik, um ihren Mann zu besuchen. Es wurde ihr dabei immer schwerer ums Herz.

An diesem Tag war sie, die eigentlich immer positiv dachte, sogar deprimiert. Kaum war sie losgefahren, hatte man im Radio die Mitteilung gebracht, daß Marcel Cameron seine Hauptrolle in der Fernsehtrilogie »Der Tod ist nicht das Ende«, wegen längerer Krankheit zurückgeben mußte.

Zurückgeben mußte! Das hatte einen bitteren Beigeschmack für Beatrice. Gerade drei Tage hatten sie gewartet, bis sie die Rolle neu besetzten. Marcel hatte davon noch keine Ahnung.

Wenn er es nun auch im Radio gehört hat, ging es Beatrice durch den Sinn.

Sie fürchtete sich nun vor diesem Besuch.

Wie sollte es nur weitergehen, wenn er überhaupt nicht mehr spielen konnte? Sie mochte gar nicht daran denken, da sie wußte, daß sein Beruf die eigentliche große Liebe in seinem Leben war. Seine Familie sei eine gelungene Produktion, hatte Marcel einmal vor Jahren gesagt. Sie hatte oft daran gedacht, denn in den letzten Jahren war die Familie für ihn immer nebensächlicher geworden, da das Fernsehen ihm ständig neue Rollen brachte. Natürlich hatte er auch sehr viel verdient, aber es war auch viel Geld ausgegeben worden.

Das Haus im Würmtal hatte über eine Million gekostet. Die Inneneinrichtung war auch nicht gerade billig gewesen, obgleich Beatrice versucht hatte, ihren Mann zu bremsen. Aber er hatte sie nur ausgelacht. Das machen wir doch mit links, hatte er gesagt.

Sie dachte auch an die Zukunft, an die Kinder, Marcel lebte in der Gegenwart, als ob jeder Tag der letzte wäre. Ob das in seinem Unterbewußtsein war?

Die Krankheit war plötzlich gekommen, und die Ärzte konnten noch immer keine Diagnose stellen. Freilich hatte er auch früher manchmal über Schmerzen geklagt, über Migräne und Magenbeschwerden, aber da er dabei ­blendend ausgesehen hatte, hatte man ihm das sowieso nicht geglaubt. Auch Beatrice hatte es für Launen gehalten. Er war oft schwankenden Stimmungen unterworfen, verlor leicht die Geduld, und war auch zu den Kindern ungerecht.

»Er ist halt ein Künstler«, meinte die neunzehnjährige Kim nachsichtig.

»Er denkt immer noch, daß wir nicht älter werden«, meinte der siebzehnjährige Kai. Auch in seiner Beziehung zum Vater hatte sich etwas geändert, obgleich er von Marcel immer bevorzugt worden war.

Kim hatte darunter zum Glück nicht gelitten. Worüber Beatrice am meisten erschrocken gewesen war, war die Tatsache, daß ihr Leben ohne ihn weiterging und Kim und Kai sich nur ganz nebenbei nach ihm erkundigten. Beatrice entschuldigte dies damit, daß Marcel im letzten Jahr tatsächlich mehr bei Filmterminen gewesen war als zu Hause.

Wie immer fand sie keinen Parkplatz in der Nähe der Klinik, aber sie ärgerte sich nicht darüber. So gewann sie noch Zeit, um sich zu überlegen, was sie die Ärzte fragen und Marcel sagen sollte.

Natürlich würde er zuerst fragen, wer alles angerufen hätte. Es war aber so, daß nur in den ersten drei Tagen Anrufe gekommen waren von Leuten, die sich nach seinem Befinden erkundigt hatten. Jetzt war seine Rolle neu besetzt, und niemand schien sich mehr für ihn zu interessieren.

Beatrice wußte, wie schnell man vergessen wurde, Marcel würde das nicht ertragen können.

An diesem Tag hatte der Facharzt für Onkologie, Dr. Timothy Leander, der nach zwanzigjähriger Tätigkeit an amerikanischen Kliniken in seine alte Heimat zurückgekehrt war, seine erste Konferenz als Chefarzt an der Uni-Klinik. Seine Kollegen hatten diesem Tag mit sehr gemischten Gefühlen entgegengesehen.

»Der Ami« war hinter vorgehaltener Hand getuschelt worden. Es wurde spekuliert, was er wohl für ein Typ wäre. Vierundvierzig Jahre alt, zweifacher Doktor und Professor für Nuklearmedizin. Ein glänzender Ruf war ihm vorausgeeilt. Manche hatten auch versucht, sich über sein Privatleben zu informieren, aber sie hatten nur erfahren, daß seine Frau, die fünf Jahre älter gewesen war als er und Amerikanerin, vor einem Jahr gestorben war. Das sei für ihn der Anlaß gewesen, den Ruf nach München anzunehmen. Professor Meister hatte ihn persönlich der Abteilung vorgestellt.

Man sah einen hochgewachsenen, breitschultrigen Mann mit dunklen, an den Schläfen leicht ergrauten Haaren, aber wer achtete schon auf das Haar, wenn man ein so interessantes, ausdrucksvolles Gesicht sah. Manche Schwester seufzte in sich hinein, wenn sie von dem Blick dunkler, forschender Augen gestreift wurde. Die Ärztin Dr. Renate Langner überlegte schon, wann sie das erste Rendezvous mit ihm arrangieren könnte. Es sollte ihr keine andere zuvorkommen.

Die Ärzte, die zur Abteilung gehörten, waren mehr von seiner kurzen, knappen Ansprache angetan, die hoffen ließ, daß er eine harmonischere Atmosphäre schaffen würde als sein Vorgänger.

Er ließ sich dann von dem Oberarzt Dr. Pahlsen über die derzeit schwierigsten Fälle informieren. »Der Patient, der uns die meisten Rätsel aufgibt, ist Marcel Cameron, ein Serienstar beim Fernsehen.«

Dr. Pahlsen entging es, daß Dr. Leanders Augenbrauen sich leicht zusammenzogen, als er diesen Namen aussprach.

»Wieso gibt er Rätsel auf?« fragte Dr. Leander.

»Er sieht blendend aus und ist todkrank, und wir wissen nicht, wie wir es seiner Frau beibringen sollen.«

»Glücklich verheiratet?«

»Anscheinend, sie besucht ihn jeden Tag, eine sehr sympathische Frau.«

»Kinder?«

»Zwei, aber die waren noch nicht hier. Er will es nicht. Er ist sehr eigenwillig, ein schwieriger Patient.«

»Starallüren?«

»Ich wollte es nicht so nennen. Er kann sehr charmant sein.«

»Hat er heute Besuch?«

»Eine Kollegin ist bei ihm, die Matteo, Sara Matteo, vielleicht haben Sie sie auch schon mal gesehen.«

»Ich bin kein Fernseh-Fan, wenn es nicht um Sport geht.«

Dr. Pahlsen sah ihn kurz an. Er mußte feststellen, daß sein neuer Chef auch sehr sportlich wirkte. Er war überzeugt, daß sie gut miteinander auskommen würden.

»Kommt Frau Cameron zu bestimmten Zeiten?« fragte Dr. Leander. »Ich möchte mich erst über den Zustand ihres Mannes vergewissern, bevor ich mit ihr spreche.«

Dr. Pahlsen atmete hörbar auf. »Sie wollen es ihr selbst sagen?«

»Erst, wenn ich die genaue Diagnose kenne. Sie geben mir bitte die Unterlagen. Die von den anderen vordringlichen Fällen auch. Aber ich sollte doch einen Blick auf Cameron werfen.«

Max Pahlsen war so froh darüber, daß er das nicht auf die lange Bank schob.

Er begleitete ihn zu Camerons Zimmer. Dort hatte es gerade ein dramatisches Gespräch zwischen Marcel Cameron und Sara Matteo gegeben.

»Du mußt mit deiner Frau sprechen, Marcel, das erwarte ich von dir. Du brauchst dich nicht hinter deiner Krankheit zu verschanzen. So schlimm kann es nicht sein, wie du aussiehst. Ich werde das nicht allein ausbaden!« Dann ging die Tür auf, und Sara Matteo sprang erschrocken auf.

»Oh, là, là«, sagte sie unwillkürlich, als sich Timothy vorstellte. Sie schenkte ihm ein verführerisches Lächeln, doch er sah über sie hinweg zu dem Patienten, dem sein Name nichts zu sagen schien. Um so besser, dachte der Arzt.

»Ich komme morgen wieder, Marcel«, sagte Sara mit einem Unterton, der Dr. Leander aufhorchen ließ, aber er fühlte schon ganz mechanisch den Puls des Kranken, der ihm verriet, daß er sich in hochgradiger Erregung befand.

Sara wurde von Dr. Max Pahlsen hinauskomplimentiert.

»Haben Sie Schmerzen, Herr Cameron?« fragte der Arzt, ihn genau betrachtend.

»Herr Cameron hat vor einer halben Stunde eine Infusion bekommen. Er müßte eigentlich schlafen«, sagte Dr. Pahlsen.

»Meine Frau wird bald kommen, da will ich nicht schlafen«, murmelte Marcel Cameron, aber ihm fielen schon die Augen zu.

»Dann werden wir uns später unterhalten«, sagte Dr. Leander.

*

Zu dieser Zeit hatte Dr. Daniel Norden seine Mittagspause beendet. Er gab seiner Frau Fee einen Kuß.

Das vergaß er nie.

»Ich habe noch gar nicht gefragt, wie es Cameron geht. Was hat sich herausgestellt? Ist es dir noch nicht mitgeteilt worden, Daniel?«

»Nein, wahrscheinlich hat Leander noch keinen Überblick.«

»Er ist schon da? Da haben sie wenigstens mal wieder einen Chefarzt, der sympathisch ist. Es wird Zeit, daß in dieser Abteilung Ruhe einkehrt. Ich bin heilfroh, daß du nicht solchen Intrigen ausgesetzt bist, mein Schatz.«

»Und vor allem nicht mit zu flotten Assistenzärztinnen konfrontiert werde«, scherzte er.

Fee warf ihm einen schrägen Blick zu.

»Stimmt es, was über die Langner geredet wurde?«

»Ich will damit nichts zu tun haben, Feelein. Klinger war auch nicht ohne. Sein größtes Pech war, daß seine Frau ihn auch loswerden wollte. Klinikklatsch kann tödlich wirken.«

»Man hat ihn doch noch rechtzeitig gerettet«, meinte Fee.

»Ihm hilft das nichts, mein Liebes.«

»Mitleid brauchen wir auch nicht zu haben. Er hätte früher daran denken sollen, was ihm Ehebruch einbringen kann.«

»Was meinst du denn, wie viele Männer überhaupt treu sind, Allerliebste?«

Ihre Augen verdunkelten sich. »Cameron jedenfalls nicht, obgleich er wahrhaftig eine zauberhafte Frau hat.«

»Aber in diesem Beruf ist die Gefahr für Seitensprünge gegeben, das wird Beatrice wissen.« Fee bekam noch einen Kuß, dann eilte er zu seinem Wagen.

Ob Trixi sich darüber Gedanken macht, ging es Fee durch den Sinn.

*

Beatrice machte sich schon ziemlich lange Gedanken, und jetzt kam die leibhaftige Versuchung in Gestalt von Sara Matteo auf sie zu.

»Oh, Beatrice, welch ein glücklicher Zufall, daß wir uns treffen. Ich muß unbedingt mit Ihnen sprechen!« zwitscherte Sara. Ihre hohe Stimme klang etwas zu schrill und verriet ihre innere Erregung.

Beatrice bewahrte Haltung, obgleich diese Frau ihr zuwider war in ihrer maßlosen Eitelkeit und Überheblichkeit.

»Worum geht es?« fragte Beatrice kühl. »Marcels Rolle ist bereits anderweitig besetzt. Weiß er es schon?«

»Nein, um Himmels willen, das ist doch nur für den Fall vorgesehen, daß er länger krank sein wird.«

»Mir klang das, was ich im Radio hörte, aber anders. Haben Sie Schwierigkeiten mit der Neubesetzung? Jochen Franz soll ja ziemlich schwierig sein.«

»Darum geht es mir nicht. Gehen wir dort ins Café, man kann sich schließlich nicht auf der Straße unterhalten.«

Was soll es, dachte Beatrice, es klärt die Situation. Sie war be-müht, sich nicht anmerken zu lassen, daß sie die andere sonstwo hin wünschte.

Sara hielt sich auch nicht lange bei der Vorrede auf. »Da Marcel es anscheinend immer weiter vor sich her schiebt, muß ich Ihnen wohl reinen Wein einschenken, Beatrice. Daß wir schon längere Zeit ein enges Verhältnis haben, dürfte Ihnen wohl nicht unbekannt sein. Ich bin schwanger, und es wäre besser, Sie würden sich gütlich von Marcel trennen.«

Beatrice hatte sich nicht aus der Fassung bringen lassen wollen, aber das machte sie doch sprachlos.

»Sie sind schockiert?« fragte Sara spöttisch.

»Ich muß zugeben, daß ich damit nicht gerechnet habe«, erwiderte Beatrice mit mühsamer Beherrschung. »Aber damit wäre wohl alles gesagt. Sie können ihn haben. Ob das zu seiner Genesung beiträgt, wage ich zu bezweifeln, aber Sie werden ihn schon über die kommenden Wochen und Monate hinwegtrösten.«

Sara starrte sie an. »Was wollen Sie denn damit sagen? Er wird doch bald wieder gesund sein, jedenfalls hat er mir das gesagt. Und dann wollte er mit Ihnen sprechen.«

Sara sah Beatrice unter halbgeschlossenen Lidern an. Ihre Lippen verzogen sich zu einem frivolen Lächeln.

Sie ist nicht nur arrogant und oberflächlich, sie ist dumm, dachte Beatrice, so dumm, daß sie sich nicht mal Gedanken macht, wie ernsthaft krank Marcel sein kann.

»Sie möchten Marcel also heiraten«, sagte sie.

»Natürlich, unser Kind soll einen Vater haben.«

»Er hat bereits zwei Kinder.« Beatrice sagte es kühl und so, als sei es eine sachliche Feststellung. »Sie wissen, daß Marcel fünfzig ist und wir zwanzig Jahre verheiratet sind?«

»Da nutzt sich eben jede Ehe ab. Sie werden doch nicht sentimental werden, Beatrice. Finden Sie sich mit der Tatsache ab. Ihre Kinder sind schließlich schon erwachsen.«

»Lassen wir das Gerede, ich habe gesagt, daß Sie ihn haben können. Ich werde es ihm auch sagen.«

»Damit sollten Sie lieber warten, bis er gesund ist.«

»Darauf könnte ich lange warten!« stieß Beatrice hervor, erhob sich und ging, ohne Sara noch eines Blickes zu würdigen.

Die dachte jetzt allerdings doch nach, was diese letzten Worte bedeuten konnten. Sollte Marcel etwa kränker sein, als er selbst glaubte? Sollte er vielleicht in Zukunft gar keine Rollen mehr bekommen? Sie hatte zwar ein Spatzenhirn, aber in bezug auf Geld und Karriere war sie hellwach.

Ihr war es jetzt ziemlich flau im Magen. Sie beschloß, gleich morgen mit diesem interessanten neuen Arzt zu sprechen. Da würde er ihr gegenüber sicher auch freundlicher sein, wenn niemand sonst anwesend war.

*

Dr. Timothy Leander beschäftigte sich bereits mit Marcel Camerons Anamnese, als Beatrice das Krankenzimmer ihres Mannes betrat.

Sie hatte noch fünf Minuten überlegt, wie sie sich verhalten sollte. Sie hatte schon kehrtmachen wollen, als ihr Stolz sich regte. Nein, hinnehmen würde sie das nicht so einfach, wenn Marcel auch noch so krank sein mochte! Man hatte ihr immer ausreichende Auskünfte gegeben, und sie hatte auch nicht nachgefragt. Sie hatte, entgegen ihrer sonstigen Art, den Kopf in den Sand gesteckt.

War dieser Sara überhaupt zu trauen? Hatte sie nicht nur einen Versuch unternommen, sich interessant zu machen auf meine Kosten, ging es Beatrice durch den Sinn. Es gab wohl keinen Zweifel, daß Marcel ein Verhältnis mit ihr hatte, das ahnte sie schon lange. Sara hatte häufig genug bei ihnen angerufen. Nach solch einem Anruf war Marcel immer nervös gewesen und hatte mit einer Ausrede das Haus verlassen.

Marcel schien zu schlafen, als sie an sein Bett trat, aber sie spürte, daß er nur so tat.

Sie setzte sich und blickte zum Fenster hinaus. Ab und zu warf sie einen Blick auf ihn. Er stöhnte leise vor sich hin, und sie wußte genau, daß er damit eine Reaktion bei ihr erreichen wollte.

Sie tat ihm den Gefallen, ewig wollte sie nicht stumm herumsitzen.

»Hast du Schmerzen?« fragte sie. Gleich öffnete er die Augen. »Du bist es ja, Bea, ich habe gar keinen Zeitbegriff mehr.«

»Es ist vierzehn Uhr.«

»Du bist so zuverlässig. Es wird mir lästig, hier zu liegen. Hast du mal mit dem Arzt gesprochen?«

»Ich höre immer dasselbe.«

»Jetzt ist ein neuer Chefarzt hier. Vielleicht stellt der endlich mal eine richtige Diagnose. Jeden Tag Infusionen, da muß es doch mal besser werden. Diese Ärzte, ewig studieren sie, aber wenn mal etwas anders läuft, als es in ihren gescheiten Büchern steht, wissen sie nicht mehr weiter.«