Blonde Squaw und Weißer Tod: 4 Western - John F. Beck - E-Book
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John F. Beck

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Western von John F. Beck: Matthew Dunlop und der weiße Tod Matthew Dunlop - Umzingelt Matthew Dunlop und die blonde Squaw Sheng stoppt die Todeskutsche Als Matthew Dunlop, Marshal von Dodge City, den Banditen Scobey ins Jail steckt, überfällt ihn das dumpfe Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Er geht dem nach und stößt dabei auf Jake Marengo mit seiner Bande, der eine junge blonde Frau in Indianerkleidung bei sich hat. Matthew ist überrascht, als er erkennt, dass es Maureen ist, die seit vier Jahren bei den Indianern lebt und die Frau des Kiowa Chief ist. Ihr Vater, der befehlsgewohnte Rancher Glenfield, hatte Marengo beauftragt, seine Tochter Maureen aus dem Indianercamp zu holen - der Lohn: fünftausend Dollar! Matthew ist sich darüber im Klaren, dass er der blonden Frau helfen muss, um eine blutige Auseinandersetzung mit den Indianern zu verhindern, denn Roter Wolf will seine blonde Squaw zurück ...

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John F. Beck

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Inhaltsverzeichnis

Blonde Squaw und Weißer Tod: 4 Western

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Matthew Dunlop und der weiße Tod

Matthew Dunlop - Umzingelt

Matthew Dunlop und die blonde Squaw

Sheng stoppt die Todeskutsche

Blonde Squaw und Weißer Tod: 4 Western

John F. Beck

Dieser Band enthält folgende Western

von John F. Beck:

Matthew Dunlop und der weiße Tod

Matthew Dunlop - Umzingelt

Matthew Dunlop und die blonde Squaw

Sheng stoppt die Todeskutsche

Als Matthew Dunlop, Marshal von Dodge City, den Banditen Scobey ins Jail steckt, überfällt ihn das dumpfe Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Er geht dem nach und stößt dabei auf Jake Marengo mit seiner Bande, der eine junge blonde Frau in Indianerkleidung bei sich hat. Matthew ist überrascht, als er erkennt, dass es Maureen ist, die seit vier Jahren bei den Indianern lebt und die Frau des Kiowa Chief ist. Ihr Vater, der befehlsgewohnte Rancher Glenfield, hatte Marengo beauftragt, seine Tochter Maureen aus dem Indianercamp zu holen – der Lohn: fünftausend Dollar! Matthew ist sich darüber im Klaren, dass er der blonden Frau helfen muss, um eine blutige Auseinandersetzung mit den Indianern zu verhindern, denn Roter Wolf will seine blonde Squaw zurück ...

​Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / Böcklin mit Steve Mayer

© dieser Ausgabe 2020 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Matthew Dunlop und der weiße Tod

Western von John F. Beck

Der Umfang dieses Buchs entspricht 131 Taschenbuchseiten.

Seit vier Tagen, seit Joana Redford mit ihren vier Freunden die Morrisons Cattlemen Bank in Dodge City ausgeplündert hat, ist Marshal Matthew Dunlop hinter ihnen her. Für sechsundfünfzigtausend Dollar mussten die Bankangestellten sterben. Als Dunlop die Bande aufspürt und drei von ihnen, einschließlich Joana, gefangen nehmen kann, steht ihnen ein gefährlicher und kraftzehrender Weg bevor, denn ein Blizzard bricht über sie herein, der ihnen den Tod bringen kann ...

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Alfred Bekker

© Roman by Author /COVER: FIRUZ ASKIN

© dieser Ausgabe 2020 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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1

Vorsichtig, damit das metallische Knacken ihn nicht verriet, lud Marshal Matthew Dunlop sein Gewehr durch. Dann schlich er geduckt noch einige Yard näher an das Feuer heran, das zwischen schroffen Felstrümmern und düster ragenden Douglasfichten flackerte.

Der neue Tag dämmerte fahl über den bewaldeten Kämmen der Smoky Hills herauf. Ein leichter Wind blies. Ein paar Schneeflocken umwirbelten die winterlich gekleideten Gestalten an den Flammen. Seit vier Tagen, seit sie Morrisons Cattlemen Bank in Dodge City ausgeplündert hatten, war Matthew zäh und unbeirrt hinter ihnen her. Auch als Morrison und seine Männer gestern in der Wildnis am Saline River umgekehrt waren, hatte er nicht aufgegeben.

Es war die junge schwarzhaarige Frau, die nun den leer getrunkenen Kaffeebecher wegstellte und sich erhob. Ihr schmales Gesicht wurde von den niedrig züngelnden Flammen angestrahlt. Auch nach vier Tagen Flucht durchs unwirtliche Land des nördlichen Kansas war dieses Gesicht immer noch von einer faszinierenden, herben Schönheit.

„Es wird Schnee geben“, hörte Matthew Dunlop ihre dunkle Stimme. Eine Stimme, mit der sie vor ein paar Tagen noch die Bewohner von Dodge als Sängerin im Old House Saloon begeistert hatte.

„Viel Schnee“, fügte sie hinzu. Sie hatte den schmalen Kopf mit der Pelzmütze erhoben, als witterte sie in den Wind. „Wir haben keine andere Wahl, wir müssen uns schnellstens zur Elkhorn Gulch durchschlagen.“

„Wilburn wird nicht gerade begeistert sein, wenn sich rausstellt, dass wir die Sache mit Morrisons Bank ohne ihn gedeichselt haben“, brummte der bullige Rawlins skeptisch.

Holbrook und Roscoe kauerten neben ihm. Matthew war beunruhigt, weil Donegan fehlte. Deshalb wartete er noch. Joana Redford bückte sich nach den prallvollen Satteltaschen, in denen Matthew die sechsundfünfzigtausend Dollar vermutete, die sie in Dodge City erbeutet hatten.

Sie hatten es verteufelt schlau angefangen. Zwei Wochen lang hatte Joana Abend für Abend die Gäste im Old House zu Applausstürmen hingerissen. Eine Klassefrau mit einer Klassestimme. Dann waren ihre Freunde Rawlins, Holbrook, Roscoe und Donegan wie zufällig in der Stadt aufgekreuzt. Es hatte eine Wiedersehensfeier mit allem Drum und Dran gegeben, und nicht mal Matthew, der sonst jedem Fremden gegenüber misstrauisch wie ein Wolf war, hatte Verdacht geschöpft und in der hübschen Sängerin die Anführerin einer Bankräuberbande vermutet.

Sie war schlank und verhältnismäßig groß. Auch in Männerkleidung, mit Stiefeln und einer pelzgefütterten Jacke, verloren ihre Bewegungen nichts von der katzenhaften Geschmeidigkeit, die im Saloon alle Blicke gebannt hatte. Fast schien es, als würde sie sich hier draußen in der frosterstarrten Wildnis ebenso wohlfühlen wie in der Stadt. Ihre Stimme klang selbstsicher und entschlossen.

„Wir haben es geschafft, Dunlop und seine Leute abzuhängen. Wenn’s drauf ankommt, werden wir auch mit Jack Wilburn fertig. Jedenfalls können wir es uns nicht leisten, hier herumzusitzen, bis Quint zurückkommt. Wir hinterlassen ihm ein Zeichen, damit er weiß, wohin er uns folgen soll. Das genügt. Außerdem ...“

Sie brach ab und blickte auf die plötzlich schnaubenden Pferde. Der Wind hatte überraschend gedreht und den Tieren wahrscheinlich die Witterung des Marshals zugetragen. Im nächsten Moment verschwand Joana Redfords Hand unter der Mackinaw-Jacke.

Die Männer am Feuer reagierten ebenfalls. Mit den Händen an den Revolvern, die sie über den dicken Winterjacken trugen, kamen sie hoch. Matthew blieb keine Wahl.

Die Winchester 73 im Hüftanschlag, trat er aus seiner Deckung. Drohend stand seine hohe, breite Gestalt zwischen den Felsen und Bäumen am Rand des Lagerplatzes. Im frühen Zwielicht erkannte er die Pferde auf der anderen Seite nur als dunklen Pulk.

„Lasst die Kanonen stecken, sonst geht mein Gewehr los!“, warnte er scharf.

Sie starrten ihn an wie ein Gespenst, ungläubig, entsetzt. Dann glomm Hass in ihren Augen auf. Nur Joanas Miene war wie zu Stein erstarrt. Bill Rawlins fluchte: „Verdammt, Dunlop, wie hast du das geschafft?“, knirschte Hoolbrook. „Stehst du mit dem Teufel im Bund, du Bastard?“

„Redet nicht, schnallt eure Schießeisen ab!“, peitschte die Stimme des Lawman.

Sie standen da wie zum Sprung geduckte Wölfe. Ein Fehler, eine winzige Unachtsamkeit, und Matthew Dunlop würde nie mehr zu seinen Freunden nach Dodge zurückkehren.

Die sechsundfünfzigtausend Dollar in den Ledertaschen, die nun vor Joanas Füßen lagen, hatten einen Toten und zwei Schwerverletzte gefordert. Seitdem lag der Schatten des Galgens über diesem gefährlichen Rudel.

Eine Weile wirkte die Szene wie gelähmt. Sekunden, in denen das Raunen des Windes in den Fichtenwipfeln und das Knistern der Flammen lauter zu werden schien.

Endlich zog Joana die Hand unter der Jacke hervor — leer. Ihre Schultern waren zurückgebogen, so dass sie noch aufrechter, stolzer dastand.

„Macht keinen Fehler, Amigos!“, mahnte sie kühl. „Dunlop ist nicht irgendein Sternträger. Wenn der schießt, trifft er auch. Stimmt’s, Marshal?“ Plötzlich lächelte sie. Ein kaltes, herausforderndes Lächeln. „Nur — werden Sie auch auf eine Frau schießen?“

Matthews Gewehrlauf wanderte drohend. Keiner konnte sich ausrechnen, wann die Mündung auf ihn deutete und wann nicht.

„Versuchen Sie lieber nicht, es herauszufinden, Joana!“

„Warum nicht?“ Ihr Lächeln war wie eingemeißelt. Ein Funkeln erschien in ihren dunklen Augen. „Vielleicht ziehe ich eine Kugel dem Strick vor, der in Ihrer Stadt auf mich wartet, Dunlop ...“

Trotz des schneidend kalten Winds überlief es den Marshal heiß, als sie tatsächlich langsam um das Feuer herum auf ihn zukam. Bluff oder Ernst? Matthew hatte auf einmal einen Druck in der Kehle. Vielleicht wollte sie ihn auch nur ablenken, damit die anderen eine Chance bekamen, ihn zu erwischen.

Rawlins und Holbrook duckten sich noch mehr. Roscoe, mit seinen fünfundzwanzig Jahren der jüngste Mann der Bande, lief jedoch zu der Frau und packte sie heftig am Arm.

„Sei nicht verrückt, Joana!“, keuchte er. „Du wirst nicht hängen, niemals! Du weißt, dass jeder von uns bereit ist, sich für dich in Stücke reißen zu lassen. Der verdammte Sternträger wird auch noch dahinterkommen. Allein hat er nicht die Spur einer Chance, uns nach Dodge zu schleppen. Wenn er’s trotzdem versucht, bezahlt er garantiert mit seinem Leben dafür. Hast du verstanden, Dunlop?“

„Ich bin nicht taub“, erwiderte Matthew trocken. „Doch ihr scheint Dreck in den Ohren zu haben. Was wollt ihr? Eure Colts abschnallen oder mein Blei?“

„Sie wollen deinen Skalp, Sternträger, und sie werden ihn auch bekommen!“ Die wilde Stimme aus dem Schatten der Fichten, zwischen denen die Pferde der Bankräuber standen, traf Matthew wie ein Messerstich.

Quint Donegan!

Der Teufel mochte wissen, wo er sich herumgetrieben hatte. Möglich, dass Joana dieses Satansweib, ihn als Kundschafter auf der eigenen Spur zurückgeschickt hatte. Jedenfalls war er früher da, als sogar die Frau und seine Kumpane erwartet hatten. Viel zu früh!

Matthew Dunlop ließ sich sofort fallen. Wie ein Peitschenhieb pfiff Donegans Schuss knapp über ihn weg. Die Pferde wieherten schrill.

„Keine Bewegung!“, schrie Matthew denen am Feuer zu.

Holbrook zog trotzdem. Matthew schoss, sprang auf, stürmte geduckt auf das Camp zu, schoss nochmals. In das Krachen hinein peitschte Donegans nächster Feuerstoß. Dann konnte der Halunke nicht mehr feuern, weil Matthew wie ein Wirbelsturm zwischen Roscoe, Rawlins und der Frau war. Rawlins hatte seinen Colt bereits halb aus dem Leder. Da traf der Gewehrlauf des Marshals ihn und schleuderte ihn nieder.

„Flieh, Quint!“, schrie die Frau. Sie sprang Matthew wie eine Wildkatze an, packte den Gewehrlauf und versuchte, den Marshal am Schießen zu hindern. „Reite zu Wilburn, Quint! Sag ihm, wenn er das Geld aus Morrisons Bank will, soll er uns heraushauen!“

Matthew stieß sie zur Seite. Gerade noch rechtzeitig, um zu verhindern, dass Dan Roscoe ebenfalls seinen Sechsschüsser ins Spiel brachte. Der schlanke, wildäugige Bandit starrte ihn hasserfüllt an. Seine Rechte umkrampfte den Revolver wie ein Schraubstock.

„Weg damit!“, zischte Dunlop. Erst als er Roscoe die Winchester gegen den Bauch drückte, ließ der Kerl die Waffe fallen. Drüben bei den Fichten wieherten noch immer wie Pferde. Hufe stampften hart die gefrorene Erde. Jetzt erst konnte Matthew sich herumwerfen.

„Gib auf, Donegan!“

Er sah die tief aufs Pferd geduckte Gestalt des sehnigen Verbrechers jedoch nur als huschenden Schatten. Als er merkte, dass Donegan die übrigen Gäule an einem Lasso mitzerrte, war es schon zu spät. Jeder Schuss wäre reine Bleiverschwendung gewesen.

„Ich komme zurück, Joana!“, gellte die Stimme des Davongaloppierenden. „Ich hetz’ ihm Wilburns Meute auf den Hals. Haltet nur aus!“

Das Dunkel des Waldes verschluckte ihn.

Mit zwei langen Schritten war Matthew bei Rawlins, der gerade wieder die Hand nach seinem Colt ausstreckte. Matthew stellte einen Fuß auf die Waffe. Mit der angeschlagenen Winchester wartete er stumm, bis der bullige Schurke auf den Beinen war. Rawlins fluchte. Sein Vorrat an Verwünschungen schien unerschöpflich. Er verstummte erst, als Roscoe bei Holbrook niederkniete, der neben dem nur mehr schwach flackernden Feuer lag. Vorsichtig wälzte Roscoe den Getroffenen herum. Zähneknirschend, mit geballten Fäusten, richtete sich Roscoe auf.

„Er war mein Freund, Dunlop. Nun werd’ ich es nicht Wilburn überlassen, dich in die Hölle zu befördern.“ Er schätzte die Entfernung zu seinem am Boden liegenden Revolver. Seine drahtige Gestalt spannte sich.

„Ruhig Blut, Dan!“, warnte die Frau. „Vielleicht wartet er nur darauf, dass du ihm einen Grund lieferst, nochmals abzudrücken. Vielleicht denkt er, dass er dann mit Bill und mir leichteres Spiel hat. Aber Ihre Rechnung geht so oder so nicht auf, Dunlop. Hundert Meilen von hier nach Dodge, und dabei nur Ihr Pferd, das Sie wahrscheinlich irgendwo zwischen den Felsen versteckt haben. Du liebe Zeit, Marshal, wie wollen Sie das denn anfangen?“

„Zum Beispiel so“, knurrte Matthew. Er zog die Handschellen, die er zu einem Bündel zusammengeschnürt am Gürtel trug, unter der Jacke hervor. Klirrend landeten sie vor Rawlins’ Stiefeln. „Du kannst mit der Lady anfangen. Dann nimm Roscoe dran. Vergiss zum Schluss dich selber nicht.“

Rawlins spuckte aus. Sein grobschlächtiges, unrasiertes Gesicht war verkniffen.

„Verdammt will ich sein, wenn ich das tue! Du bist verrückt, Mann, wenn du vorhast, uns zu Fuß loszujagen.“

„Bedankt euch bei eurem Freund Donegan dafür!“

„Die Pest an deinen Hals!“

„Denk lieber an deinen eigenen!“, gab Matthew schroff zurück. Er hatte wieder das Bild der getöteten Bankangestellten vor Augen. Joana brauchte ihm nicht erst zu sagen, wie wenig rosig die Situation für ihn aussah. Das änderte jedoch nichts an seinem Auftrag, die gefangenen Banditen und das geraubte Geld nach Dodge zu schaffen.

Die Schwarzhaarige hatte die Nerven, sich eine fertig gedrehte Zigarette anzuzünden. Durch den dünnen Rauchschleier musterte sie den hünenhaften Marshal mehr interessiert als besorgt.

„Tu, was er verlangt, Bill! Wozu regst du dich auf? Quint wird in ein paar Stunden bei unseren Freunden in der Elkhorn Gulch sein. Sie haben ja sicher von Jack Wilburn gehört, Marshal. Wahrscheinlich hängt sein Steckbrief in Ihrem Office. Nun, dann wissen Sie auch, dass Wilburn von der Sorte ist, die sich auch mit dem Teufel anlegt, wenn genug Geld dabei rausspringt. Und sechsundfünfzigtausend Dollar sind mehr Geld, als Jack Wilburn je auf einem Haufen beisammen gesehen hat. Die Frage ist eigentlich nur, ob Wilburns Blei oder der Schneesturm Sie eher erwischt. Oder riechen Sie nicht, was sich da über den Hügeln zusammenbraut? Wenn Sie schlau sind, Dunlop, steigen Sie auf Ihr Pferd und verschwinden, bevor Sie mitten in einer Hölle stecken, aus der es für Sie kein Entkommen mehr gibt. Wir können ja drüber reden, wie hoch die Summe ist, die wir Ihnen als Trostpflaster mit auf den Weg geben.“

Matthew Dunlop lächelte hart.

„Ich brauche kein Trostpflaster, wenn ich alles haben kann.“

Joana Redford kniff die Augen zusammen. Ihr hübsches Gesicht verhärtete sich.

„Nimm doch den Zaster und verzieh dich, wenn du Wilburn unbedingt auf dem Hals haben willst!“, zischte Rawlins.

„Du bist ein Dummkopf, Bill“, erklärte die Frau kalt. „Er meint nicht nur das Geld, sondern auch uns. Er ist einer von den Helden, die bereit sind, für das lächerliche Stück Blech an ihrer Jacke dem Teufel auf den Zähnen zu tanzen. Wahrscheinlich hat er sich auch schon überlegt, wo wir frische Pferde herbekommen.“

„Richtig!“, nickte Matthew gelassen. „Acht Meilen westlich von hier verläuft die Postkutschenstraße, die die Siedlungen am Salomon River mit der Eisenbahnlinie im Süden verbindet. Irgendwo da drüben liegt Coleman’s Pferdewechselstation am Cheyenne Hill. Dorthin werden wir uns durchschlagen.“

„Wir haben viel gemeinsam, Dunlop“, lächelte Joana spöttisch. „Genau wie Sie werde ich nie aufhören, mir eine Chance auszurechnen. Der Unterschied ist nur, dass meine Rechnung stimmt.“

„Das wird sich zeigen.“ Entschlossen richtete der Marshal sein Gewehr auf Joanas bulligen Kumpan. „Nimm jetzt die Handschellen, Rawlins! Oder willst du, dass ich mit der Winchester nachhelfe? Wenn der Schneesturm losbricht, bevor wir bei Coleman’s Station sind, geht es schließlich nicht nur mir an den Kragen.“

2

Der Mann, der fünf Meilen nördlich der Cheyenne Hill Station sein abgekämpftes braunes Pferd auf einer felsigen Anhöhe zügelte und auf der eigenen Fährte zurückspähte, spürte das sich zusammenbrauende Unwetter ebenfalls. Es war nicht nur der Geruch von Schnee, der die kalte Luft erfüllte. Der Wind war abgeflaut, die Atmosphäre wie von knisternder Elektrizität aufgeladen. Kein Krähenruf. Kein Huschen eines davonstiebenden Wilds im Unterholz des gegenüberliegenden Berghangs. Das zerklüftete, dicht bewaldete Gebiet zwischen dem Smoky Hill River und dem Salomon wirkte wie ausgestorben. Die Natur schien den Atem anzuhalten vor einem Ereignis, das alles, was laufen, kriechen und fliegen konnte, in einen Unterschlupf vertrieben hatte.

Das Fell des Pferdes dampfte. Der Atem des Tiers hing wie Rauch in der eisigen Luft. Obwohl der Schatten der Felsen ihn verbarg, duckte sich Caleb Hardesty unwillkürlich, als weit hinter ihm ein Reiter auf einer Bodenwelle auftauchte. Hardestys knochige, verarbeitete Rechte fuhr zur Kehle hoch. Er schien plötzlich nicht mehr genug Luft zu bekommen.

Dann glitt er vom Pferd. Etliche Sekunden lang hielt er sich am Sattel fest, so erledigt und ausgebrannt war er nach den unzähligen Meilen, die er nun schon auf der Flucht vor dem Mann dort hinten zurückgelegt hatte. Während er gebannt auf die dunkle Gestalt auf seiner Fährte blickte, tastete seine Hand zum Kolben des Springfield Karabiners, der aus dem Scabbard ragte. Es war die einzige Waffe, die Hardesty besaß. Aber auch sie konnte ihm die Furcht nicht nehmen. Der hagere, etwa fünfzigjährige Farmer floh seit Tagen wie ein gehetztes Wild vor Brent Jackson, und immer stärker wuchs in ihm die Angst, dass er dem andern nie mehr entkommen würde.

Eine unsichtbare Faust schien seine Kehle zuzudrücken. Die Panik kam wie eine feurige Woge, die jeden klaren Gedanken wegzuschwemmen drohte. Er fieberte plötzlich danach, wieder aufs Pferd zu springen und in blinder Flucht weiterzujagen. Nur fort! Weg von dem düsteren Reiter, der ihm wie ein tödlicher Schatten folgte.

Ein Mann auf einer Spur, die keine mehr war, seit der Frost die Erde gehärtet hatte. Doch Jackson hatte Augen wie ein Falke. Kein geknicktes Hälmchen, kein abgebrochener Zweig entging ihm. Er näherte sich der felsigen Anhöhe so zielstrebig, als hätte Hardesty einen Wegweiser für ihn aufgestellt.

Der Farmer biss die Zähne zusammen. Die Falten in seinem ledrigen Gesicht vertieften sich. Schließlich gab er sich einen Ruck und zerrte die Springfield heraus. Der Braune würde höchstens noch ein, zwei Stunden durchhalten. Hardesty wusste nur zu gut, was es bedeutete, wenn er den Verfolger dann immer noch auf seiner Fährte hatte.

Seine Bewegungen waren schwerfällig. Nicht nur der anstrengende, für ihn ungewohnte Ritt war daran schuld. Die Angst hing wie mit Bleigewichten an seinen Gliedern. Er war ein Mann des Pflugs, kein Kämpfer wie Jackson, der droben in Nebraska als unschlagbar mit seinem Revolver galt. Wenn es überhaupt eine Chance für ihn gab, dann war es die Überraschung, die er auf seiner Seite hatte. Jackson hatte ihn bereits durch halb Nebraska bis hierher ins nördliche Kansas gehetzt. Er, Hardesty, war immer nur davongelaufen, wie ein Kaninchen, das vor dem Wolf floh. Jackson würde mit allem rechnen, aber nicht damit, dass er hier auf ihn wartete.

Caleb Hardesty schauderte. Fremd und klobig lag das Gewehr in seinen schwieligen Händen. Die Stille senkte sich wie eine Zentnerlast auf Hardesty. Seine hagere Gestalt bog sich noch mehr zusammen.

„Es muss sein!“, beschwor er sich selber. „Er lässt mir keine Wahl!“

Er blickte zum Himmel, der sich wie eine dunkelgraue Metallkuppel über den Gipfeln der Smoky Hills wölbte. Der Tag war über das Stadium der Dämmerung nicht hinausgekommen. Noch deutlicher roch Hardesty, dass es Schnee geben würde. Viel Schnee, der von seiner Spur nichts übrig lassen würde, wenn es ihm gelang, sich Jackson für die nächste Stunde vom Leib zu halten.

Der Mann aus Nebraska kauerte sich hinter einem Felsblock nieder. Seine Hände zitterten, als er den Karabiner durchlud. Er hauchte sie an, schob sie abwechselnd unter die abgetragene Jacke, die für die Jahreszeit viel zu dünn war.

Zweihundert Yard entfernt tauchte Brent Jackson hinter einer Buschreihe auf. Eine große, leicht im Sattel vorgeneigte Gestalt. Sein langer Kavalleriemantel fiel an den Flanken des Pferdes hinab. Auf die Entfernung war das Gesicht unter der breiten Hutkrempe nicht zu erkennen.

Jackson ritt ohne Hast, so als spielte es für ihn keine Rolle, ob er das gehetzte Wild noch heute, morgen oder erst in einer Woche erwischte. Es war diese Ausdauer, Geduld und Sicherheit eines erfahrenen Menschenjägers, die Hardesty von Neuem nervte.

Seine Augen flackerten. Er musste alle Energie aufbieten, um nun nicht doch zu seinem Pferd zu rennen. Vorsichtig hob er die Waffe, versuchte zu zielen. Der Lauf wackelte so heftig, dass er sich selbst verwünschte. Er zwang sich, tief und gleichmäßig zu atmen.

Warten! dachte er verbissen. Dieser verdammte Revolverschwinger musste noch näher heran.

Es war ein Warten, das Caleb Hardestys ganze Kraft erforderte. Nun drang das Klopfen der Hufe an Hardestys Ohr. Der Kopfgeldjäger, der Hardestys Skalp wollte, weil dieser in seiner Geldnot Spielschulden gemacht hatte, rückte unablässig näher.

Hunderfünfzig Yard ... hundertzwanzig ... dann nur noch hundert. Hardesty hielt den Atem an, als das Pochen der Hufe plötzlich aussetzte. Seine knochigen Hände, klamm von der Kälte, schlossen sich fester um das Gewehr.

Jackson hatte sich im Sattel aufgerichtet. Die Zügel lagen locker in seiner linken, seine rechte Hand war unter dem Kavallerieumhang verschwunden. Reglos, einem Reiterdenkmal ähnlich, spähte er zu der felsbedeckten Anhöhe, zu der Hardestys Spur führte. Dabei schien er auf etwas zu lauschen, was Hardesty nicht hören konnte.

Der Farmer schluckte trocken. Er glaubte das Brennen von Jacksons Blick auf der Haut zu spüren. Verdammt, der Kerl konnte ihn hier doch unmöglich sehen! Oder doch? Hardestys Herz trommelte dem Zerspringen nahe. Kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn. Die Erkenntnis, dass er diesem Gegner nicht mal aus dem Hinterhalt gewachsen war, erfüllte ihn mit Entsetzen. Als Jackson plötzlich seinen grauen Wallach herumriss, war Hardesty sekundenlang wie gelähmt. Dann brach ein Feuerstrahl aus seiner Springfield. In blinder Panik jagte er sofort eine Kugel hinterher. Er schrie dazu, ohne dass es ihm bewusst war. Sein Mund blieb offen, als er sah, wie Jacksons Pferd nach vorn einbrach und der Reiter wie ein Stoffbündel durch die Luft sauste. Einen Augenblick hoffte Hardesty, das Unmögliche geschafft und den Verfolger erwischt zu haben.

Jackson blieb jedoch in Bewegung, als er schwer aufprallte. Mit raubtierhafter Geschmeidigkeit rollte er sich hinter die nächste Deckung. Sein Pferd schlegelte noch mit den Hufen, dann lag es plötzlich still.

Hardesty keuchte. Sein Gesicht glühte jetzt. Die Kälte schien von ihm abzuprallen. Ein zerrissenes Lachen brach aus seiner Kehle. Er sprang auf und feuerte einen weiteren Schuss dorthin, wo Jackson hinter einem Felsbrocken lag. Nun war es nicht mehr wichtig, ob er traf. Die Jagd war entschieden, für ihn!

„Es ist aus, Jackson!“, brüllte er in einem geradezu irren Triumph. „Ohne Pferd bist du erledigt, du verfluchter Killer! Der Blizzard wird dich erwischen, während ich ...“

Er brach ab und fuhr einen Schritt zurück, als drüben Brent Jacksons Gestalt drohend hinter dem Felsblock emporwuchs. Jacksons Gewehr war unter dem Körper des toten Wallachs festgeklemmt. Mit dem Revolver hatte er auf die Entfernung keine Chance. Aber er stand so furchtlos und entschlossen dort, als wüsste er genau, dass Hardesty nicht mehr die Energie besaß, auf ihn anzulegen.

Hardesty atmete heftig. Sogar jetzt konnte er die Drohung nicht abschütteln, die von der unbewegten Gestalt ausging und die ihm abermals die Kehle zuschnürte. Jäh warf er sich herum, schwang sich in den Sattel und floh wie von Furien gehetzt durch die düstere, froststarre Wildnis nach Süden.

3

„Wir schaffen es nicht!“, schrie Rawlins. Weiße Atemwolken stießen aus seinem Mund. „Wir hätten in den Hügeln bleiben sollen, verdammt noch mal! Wenn uns der Blizzard hier erwischt, sind wir erledigt!“

Matthew Dunlop, der den Falben am Zügel führte, auf dessen Rücken nun Joana zusammengesunken und mit Stahlfesseln an den Handgelenken saß, blieb stehen. Das Stampfen der Hufe setzte aus. Die Totenstille, die auf der Ebene lastete, wurde ihm als tödliche Drohung bewusst. Ein unheimliches Schweigen, in dem es nur ihre eigenen heftigen Atemzüge gab.

Der Marshal spähte aus zusammengekniffenen Augen zum gegenüberliegenden Rand der flachen Talsohle. Seit mehr als einer Stunde wies ihm die felsige Kuppe des Cheyenne Hill, die alle übrigen Höhen überragte, den Weg, ohne dass sie dem Ziel näher zu kommen schienen. Die bleifarbene Dämmerung verwischte alle Konturen. Matthew schätzte, dass sie noch drei oder vier Meilen zurücklegen mussten. Auf diese Entfernung war weder etwas von der Poststraße, die dort drüben durch die Ausläufer der Smoky Hills verlief, noch von der Pferdewechselstation am Fuß des Berges zu erkennen.

Der Himmel verdunkelte sich mehr und mehr. Bis auf einen fahlen Streifen über den fichtenbestandenen Kämmen im Norden. Kein Windhauch rührte sich. Keine Schneeflocke fiel. Wie schwarze Punkte verharrten die Männer und die Frau mitten auf der grauen, trostlosen Ebene. Die Kälte nahm zu. Matthew und seine unfreiwilligen Begleiter hatten Handschuhe angezogen, die Jackenkragen hochgestellt, die Hüte möglichst tief herabgezogen. Die Temperatur sank von Minute zu Minute. Die eisige Luft biss auf der Haut. Sobald sie sich nicht mehr bewegten, spürten sie, wie die Kälte durch ihre Kleidung kroch.

Matthew Dunlop blickte in hasserfüllte Gesichter, als er sich, die Hand auf dem Coltkolben, halb umdrehte.

„Mit den Pferden, die euer Freund Donegan mitgenommen hat, wären wir längst in Colemans Blockhütte in Sicherheit.“

„Sicherheit!“, schnaubte Bill Rawlins wütend und spuckte aus. „Die wird es für dich nirgendwo mehr geben, Sternträger. Nicht, solange du uns und die sechsundfünfzigtausend Bucks aus Morrisons Bank mit dir herumschleppst!“ Er starrte auf die prallen Ledertaschen, die über Matthews linker Schulter hingen. Sein stoppelbärtiges, derbes Gesicht war gerötet. Roscoe dagegen war bleich wie der Tod. Sein glühender Blick verriet Matthew, dass er nicht so sehr an die Beute dachte, sondern an den Toten, den sie ohne Grab hatten zurücklassen müssen: Holbrook, von dem Dan Roscoe behauptete, dass er sein Freund gewesen war.

„Weiter!“, befahl Matthew.

Rawlins und Roscoe blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Die Angst vor dem Schneesturm, der vielleicht nur mehr hundert oder auch nur fünfzig Meilen weiter im Norden bereits über der Prärie wütete, trieb sie hinter dem verhassten Lawman her. Das Pferd spürte die Gefahr ebenfalls. Dunlop musste die Zügel kurz nehmen, da mit der vorwärtsdrängende Falbe sie ihm nicht aus der Hand riss.

Kaum, dass es ein bisschen hell geworden war, schien nun schon wieder die Nacht hereinzubrechen. Pechige Schwärze überzog das Firmament. Der blasse Streifen im Norden hob sich mit doppelter Intensität davon ab. Die Silhouette des Cheyenne Hill verschmolz allmählich mit der Finsternis, die sich wie ein Schleier auf die Ebene senkte. Es war, als würde sich ihr Ziel entfernen. Als sie dann von Norden her einen dünnen, rasch anschwellenden Pfeifton hörten, wussten sie, dass sie das Rennen nicht mehr gewinnen konnten. Sie hasteten, dicht um das Pferd versammelt, wie auf der Flucht vor einer Horde Sioux über die flache Talsohle. Joanas biegsamer Körper passte sich dem Rhythmus des Pferdes an. Ihre gefesselten Hände umklammerten das Sattelhorn.

Nirgends ein Fels, der ihnen Schutz vor dem Unwetter bot, das jede Minute losbrüllen konnte. Kein Gebüsch, in dem sie sich verkriechen konnten. Nur steinharte Erde und dürre Stängel, die wie Glas unter ihren Stiefeln zersplitterten.

Der schwergewichtige Rawlins, der nur einen halben Kopf kleiner war als der Marshal aus Dodge, fiel einige Schritte zurück.

„Warte, Dunlop!“, keuchte er. „Bleib stehen, du verdammter Bastard, und nimm uns die Armbänder ab! Hörst du nicht, Sternträger? Du sollst warten, du Schinder! Du hast kein Recht, uns hier draußen krepieren zu lassen!“

„Spar dir deinen Atem und lauf!“, schrie Matthew über die Schulter. Eine dünne Reifschicht bedeckte sein Kinn und seine Wangen. Jeder Schweißtropfen gefror sofort zur Eisperle.

Rawlins’ Flüche versanken in dem geisterhaften Pfeifen. Ein durchdringender Ton, der nun von allen Seiten zu kommen schien. In dem langgestreckten Tal wurde es noch düsterer. Über den Waldbergen im Norden zog sich das weißliche Licht zu einem schaurig und gefährlich wirkenden Kreis zusammen. Innerhalb einer Minute schwoll das Pfeifen zu einem unheimlichen Orgeln, das den Raum zwischen Himmel und Erde ausfüllte. Mit voller Wucht brach es plötzlich über die Ebene herein. Roscoe stieß einen erschrockenen Schrei aus. Da ging bereits alles in einem brodelnden, brüllenden Chaos unter.

Der Sturm kündigte sich nicht mit einer vorausgejagten Bö oder einem Flockenwirbel an. Eine gigantische Woge aus Schnee stürzte unvermittelt auf die Flüchtenden herab. Es war wie der Weltuntergang. So, als würde der schneebeladene Himmel wie eine baufällige Kuppel einbrechen. Von einem Moment zum anderen bedeckte eine dicke Schneeschicht die gefrorene Erde.

Der Sturm traf das Pferd wie mit einer Riesenfaust. Der Falbe stolperte, stürzte. Ein Fetzen von Joana Redfords Schrei gellte dem Marshal in den Ohren. Er konnte sie nicht mehr festhalten. Sie verschwand auf der anderen Seite des Tiers im tosenden Gischt. Der Blizzard tobte und heulte wie tausend hungrige Ungeheuer. Matthew Dunlop und seine Gefangenen kamen sich wie auf dem Grund eines kochenden Ozeans vor. Brüllend schleuderte der Sturm Tonnen von Schnee über die Smoky Hills. Mit einem Schlag hatte sich das tote Land in eine entfesselte weiße Hölle verwandelt.

Keuchend, gegen den wütenden Anprall des Sturms gestemmt, stapfte Matthew um das Pferd herum, das sich mühsam hochrappelte. Joana kniete vor ihm, zusammengekrümmt, die Hände über dem Kopf, als fürchtete sie, von niederstürzenden Trümmern erschlagen zu werden.

Der Blizzard riss wie mit unsichtbaren Krallen an Matthews Kleidung, als er die Frau hochzog. Jetzt war sie nicht mehr die gefährliche Bandenführerin. Er sah die Todesangst in ihren aufgerissenen dunklen Augen. Ihre blutleeren Lippen bewegten sich.

„Halten Sie sich am Pferd fest!“, brüllte Matthew. „Wir müssen weiter! Wir schaffen es! Noch drei Meilen, dann sind wir bei Colemans Hütte.“

Der Sturm riss seine Stimme fort. Der Schnee, mit Eiskristallen vermischt, stürzte in weißen Riesenwänden auf sie herab und drohte sie unter sich zu begraben. Mann wusste nicht, ob die Frau ihn verstanden hatte. Er drängte sie zum Pferd, bedeutete ihr, sich festzuklammern. Ihr langes, unter der festgebundenen Pelzmütze hervorlugendes Haar flatterte heftig. Mühsam rang sie nach Luft.

Die Temperatur war noch mehr gefallen. Die eisige Luft schmerzte in den Lungen. Die Wildheit des Sturms drohte sogar den hünenhaften Marshal auf die Knie zu zwingen. Undeutlich erkannte er Roscoe auf der anderen Seite des Pferds. Schwankend und gegen den brüllenden Sturm geduckt, drehte er sich nach Rawlins um.

Wie ein Schatten war der Bandit plötzlich vor ihm. Zu spät erkannte Matthew die Gefahr. Der unerwartete Anprall des Verbrechers warf ihn um. Einen Moment fürchtete er, in der um ihn wirbelnden Schneewolke zu ersticken. Rawlins stürzte sich auf ihn. Sein Mund war zu einem wilden Schrei aufgerissen, seine linke Gesichtshälfte schneeverklebt. Ein Schlag traf Matthews Gesicht. Dann versuchte der Verbrecher mit den gefesselten Händen seine Kehle zu packen, während Wogen von Schnee und Hagelkörnern auf sie brandeten. Das Ganze war ein Alptraum, tödlicher Wahnsinn!

Verzweifelt stieß der Marshal die geballte Rechte hoch. Er erwischte Rawlins seitlich am Kopf, doch der bullige Schurke zeigte keine Reaktion. Er war wie von Sinnen, unempfindlich gegen den Sturm, die Kälte und Matthews Hiebe. Doch die Stahlkette zwischen seinen Handgelenken und die gefütterten Handschuhe behinderten ihn. Seine Hände glitten ab.

Matthew gelang es, ein Knie zwischen sich und den massiven Kerl zu zwängen. Ein heftiger Stoß schleuderte Rawlins von ihm weg. Der Bandit fiel auf den Rücken. Keuchend rollte sich Matthew herum. Als er schwankend hochkam, traf der Sturm ihn von vorn. Im Nu war sein Gesicht wie von glühenden Nadeln zerstochen. Er bekam keine Luft mehr, konnte nichts mehr sehen.

Da war Rawlins schon wieder bei ihm. Die Schulter des Bankräubers warf Matthew gegen das Pferd. Er stemmte sich ein, bog geistesgegenwärtig den Kopf weg, als Rawlins’ Fäuste auf ihn zuschossen. Matthews Hieb schleuderte den Angreifer zurück. Rawlins glitt aus und stürzte. Matthew fuhr zu Joana herum, die im selben Moment die Winchester aus dem Sattelfutteral zerrte.

Sie wollte zurückweichen, die Waffe auf ihn richten, doch sie kam nicht so schnell mit dem Repetierbügel zurecht. Aus der Drehung schlug der Marshal ihr wütend das Gewehr aus den Händen. Die davonwirbelnde Waffe verschwand in dem Schnee, den der Blizzard in der kurzen Zeit um sie herum aufgehäuft hatte.

„Ihr seid ja verrückt!“, schrie Matthew in das Orgeln des Sturms. „Wir sind alle erledigt, wenn wir nicht endlich von hier wegkommen!“

Nach Atem ringend, von weißen Schleiern umwirbelt, starrte die Anführerin der Bankräuber ihn an. Matthew löste das zusammengerollte vereiste Lasso vom Pferd. Er verknotete es am Sattelhorn, schlang das Seil um die Stahlkette zwischen Joanas Handgelenken und band dann auch Rawlins fest. Ihr Widerstand war erloschen, aber nicht der Hass, der in ihren Augen schwelte.

Schnee und Eis verklebten das Fell des Pferdes. Mit einem schützenden Arm vorm Gesicht stapfte Matthew um das Tier herum. Er wollte Roscoe ebenfalls am Lasso festbinden, schon deswegen, damit sie einander in dem tobenden Unwetter nicht verloren. Die schlanke Gestalt des Banditen war nur mehr ein verwischter Schatten. Roscoe floh. Trotz seiner Fesseln und obwohl er weder Pferd noch Waffe besaß, rechnete er sich eine Chance aus, dem Gesetz und dem Blizzard zu entkommen.

„Komm zurück, du Narr!“, schrie Dunlop. „Du schaffst es nicht! Mann, was du vorhast, ist Selbstmord!“

Es war zwecklos. Seine Stimme reichte nicht einmal so weit, wie er sehen konnte. Der Sturm verwischte die Fußabdrücke des Fliehenden, kaum dass Roscoe den jeweils nächsten Schritt machte. Matthew hastete zwei, drei Yard hinterher, dann blieb er stehen. Es hatte keinen Sinn. Ebensowenig nützte es, wenn er jetzt zum Colt griff. Wildgepeitschte weiße Schleier verschlangen Dan Roscoe. Seine schwankende, schemenhafte Gestalt schien sich in ihnen aufzulösen.

Matthew ballte die Fäuste, biss die Zähne zusammen. Mit einigem Glück konnte Roscoe zwar die Hügel am gegenüberliegenden Talrand erreichen, aber damit hatte er noch lange nicht gewonnen. Allein und zu Fuß konnte er sich unmöglich zu Jack Wilburns Banditencamp in der Elkhorn Gulch durchschlagen.

Matthew zog den Kinnriemen seines Stetsons fester, damit der Blizzard ihm nicht den Hut davonriss. Dann stolperte er zum Pferd zurück, bevor er auch noch die anderen Gefangenen aus den Augen verlor. Joana und Rawlins drückten sich in den Sturmschatten des Tiers. Sie starrten ihm entgegen. Die Lippen der Frau formten eine Frage. Matthew schüttelte nur den Kopf. Als er die Zügel packte, schob sich Joana so dicht neben ihn, dass er trotz des tobenden Elements ihre Worte verstand.

„Sie mit Ihrer verfluchten Gesetzestreue haben ihn dazu getrieben, Dunlop. Er wird nicht durchkommen. Es ist Ihre Schuld!“

Nicht einmal die Hölle, die um sie herum aufgebrochen war, konnte den Hass ersticken, der diese Frau erfüllte. Matthews Miene glich einer Steinmaske, als er sich in Bewegung setzte. Der Körper des Falben war die einzige Deckung, die sie besaßen.

Die unerschöpflichen Schnee und Eismassen, die der Sturm von Norden heranpeitschte, begruben das Tal förmlich unter sich. Drei Meilen bis zur Pferdewechselstation am Cheyenne Hill. Das waren drei Meilen durch eine Hölle aus Sturmgebrüll, Eiseskälte und tosenden, alles niederwalzenden Schneewogen. Aber sie hatten keine Wahl. Mit Messerschärfe drang die Kälte durch ihre Kleidung, als hätten sie nur dünne Fetzen auf der Haut. Sie würden erfrieren, unterm Schnee begraben werden, wenn sie sich niederkauerten, um auszuruhen und abzuwarten. Der Sturm konnte vielleicht nur Stunden dauern, aber ebenso auch erst nach Tagen abflauen.

Die Schneedecke wuchs von Minute zu Minute. Jeder Schritt wurde zur Anstrengung, jeder Atemzug zur Qual. Die Sicht reichte keine fünf Yard weit. Matthews einzige Orientierung war, dass sie das Pferd immer genau zwischen sich und dem anprallenden Blizzard hatten, damit die Richtung einigermaßen stimmte. Doch die Gefahr blieb, dass sie meilenweit an Colemans Stationshütte vorbeiliefen. Der Gedanke daran bohrte sich wie ein Giftstachel in das Gehirn des Marshals.

4

Etwa zur selben Zeit, als Matthew Dunlop mit seinen Gefangenen die Ebene östlich des Cheyenne Hill erreichte, tauchten die Reiter vor Quint Donegan auf. Plötzlich, ohne dass ein Geräusch ihn gewarnt hätte, versperrten sie ihm hinter einer Felsbiegung den Weg durch die von schroffen Steinbrüchen und verfilztem Unterholz gesäumte Schlucht. Donegans erste eingefleischte Reaktion war der Griff zur Revolverhalfter. Doch der kalt funkelnde Stahl der auf ihn gerichteten Gewehre ließ ihn im Sattel erstarren.

Sie waren zu fünft. Winterlich vermummte Gestalten, die mit ihren struppigen Pferden verwachsen schienen. Männer, die wie ein Teil der Wildnis wirkten. Genauso gefährlich, unberechenbar und durch nichts unterzukriegen.

Die Kälte umschloss Donegan plötzlich wie ein Eispanzer, der ihm die Luft abdrückte. Bis er Jack Wilburn erkannte, der die Meute anführte. Da zog Donegan mit einem erleichterten Grinsen auf dem stoppelbärtigen Gesicht die Hand von der Waffe.

„Teufel noch mal, habt ihr mich erschreckt, Jungs!“ Seine Stimme klang fremd in dem abgrundtiefen Schweigen, das auf den bewaldeten Höhen lastete. Es war die unheilverkündende, sprichwörtliche Stille vor dem Sturm.

Wilburn, ein untersetzter Mann mit bartumwuchertem Gesicht, ganz in speckiges Leder gekleidet, ließ das Spencergewehr sinken. Kein Gruß, kein Lächeln. Der Atem kam wie Dampf aus den Nüstern der Pferde. Das Klappern der Hufe wirkte lauter als sonst, als die Männer, immer noch Bügel an Bügel, auf Donegan zuritten.

Sattelleder jankte, Gebissketten klirrten. Dann waren sie nahe genug, dass Donegan das scharfe Glitzern in den Augen des berüchtigten Bandenführers erkannte.

„Wo sind die andern?“, fragte Wilburn schroff.

Donegan versuchte ein schiefes Grinsen.

„Dieser Hundesohn von Sternträger aus Dodge hat sie geschnappt. Heute früh, als wir aufbrechen wollten, war er plötzlich da. Dabei hätten wir unsere Skalps darauf verwettet, ihn und seine Leute am Smoky Hill River abgehängt zu haben.“

In Wilburns bärtigem Gesicht bewegte sich kein Muskel. Quint Donegan spürte die Drohung, die von ihm ausging. Er vergaß den Blizzard, der sich mit einem geisterhaften Streifen Helligkeit über den Bergkuppen im Norden und mit einer unheimlichen Todesstille ankündigte. Vergaß, dass es höchste Zeit wurde, sich nach einem Unterschlupf umzusehen.

„Und?“, schnappte Wilburn knapp.

„Holbrook hat's erwischt“, berichtete der sehnige Reiter unbehaglich. „Alles, was ich dann noch mitbekam, war, dass Joana schrie, ich solle versuchen, mich zu dir durchzuschlagen, damit du sie, Dan und Bill heraushaust.“

„So, hat sie das“, knurrte Wilburn.

„Dunlop, der Marshal, ist allein“, sagte Donegan schnell. „Ein harter Bursche, zugegeben. Härter als viele, die den Stern tragen. Aber ohne die Pferde, mit denen ich abgehauen bin, ist er aufgeschmissen. Es wird sicher kein Problem für dich, ihn zu erledigen.“

„Warum sollte ich?“

Quint Donegan lächelte ungläubig.

„Aber, Wilburn, jeder weiß doch, dass du und Joana ...“

Er verstummte. Das Aufblitzen in Jack Wilburns Augen warnte ihn. Der bärtige Banditenboss lenkte sein Pferd näher an ihn heran. Sein Blick bohrte sich in Donegans flackernde Augen.

„Warum redest du nicht weiter, Amigo? Was ist mit mir und Joana, he? Okay, sie ist zu mir ins Bett gestiegen, ich hab’ ihr vertraut. Wolltest du davon sprechen, Donegan?“

„Wilburn, ich ...“

Die Mündung des Spencergewehrs flog hoch. Sie war dicht vor Donegans erschrockenem Gesicht. Wilburns Begleiter warteten stumm und mit finsteren Mienen. Ab und zu warf einer einen besorgten Blick nach Norden. Aber der Blizzard, der von dort über das weite Land zwischen den Rocky Mountains und dem Mississippi heranraste, interessierte Wilburn jetzt nicht.

„Donegan“, begann er gefährlich leise, „wieso, glaubst du, hab’ ich mit Prescott, Wells, Braddock und Stevens die Hütten in der Elkhorn Gulch verlassen? Ich will’s dir sagen, Donegan. Ich hatte vor, euch dreckige Verräter, die ihr mit Joana abgehauen seid, vor meine Flinte zu holen. Ich mag es nämlich nicht, wenn so lausige Ratten sich einbilden, mich aufs Kreuz legen zu können.“

Der Rest Farbe wich aus Donegans unrasiertem Gesicht. Seine Schultern waren verkrampft. Er wagte keine Bewegung.

„Wilburn, du irrst dich! Kein Mensch hatte vor, dich aufs Kreuz zu legen. Wir wären gewiss nicht ...“

Der Schlag mit dem Gewehrlauf kam so unerwartet, dass Donegan nicht mehr ausweichen konnte. Er schrie, als er plötzlich vom Pferd gefegt wurde. Der harte Aufprall betäubte ihn für Sekunden. Als er sich herumwälzte und ächzend auf die Knie kam, tauchte Wilburns Spencer wieder vor seinem Gesicht auf. Hufgeklapper kreiste ihn ein.

„Ihr seid nach Dodge geritten und habt Morrisons Bank ausgeräumt“, drang Wilburns Stimme wie durch eine dicke Mauer zu ihm. „Deshalb war Dunlop hinter euch her. Stimmt’s?“

„Ja, aber ...“

„Wo ist das Geld, du Bastard? Bist du damit abgehauen? Hast du Joana und die andern deswegen im Stich gelassen?“

Donegan legte eine Hand an die rechte Schläfe, wo der Stahllauf ihn erwischt hatte. Die Haut war aufgerissen, Blut sickerte herab. Donegan spürte die zunehmende Kälte nicht mehr. Er suchte auch den Colt nicht, den er beim Sturz vom Pferd verloren hatte. Alles, was zählte, war der Tod, den er in Jack Wilburns mitleidlosen Augen sah. Verzweifelt schüttelte er den Kopf.

„Ich bin nur geflohen, weil Joana es wollte. Ich hab’ ihr Geld nicht, ich schwör’s dir, Wilburn! Dunlop, dieser verfluchte Hund, hat es jetzt. Es sind sechsundfünfzigtausend Dollar! Die größte Beute, die uns je in die Hände fiel, Wilburn!“

„Es ist mein Geld, meine Beute!“, stieß Wilburn mit überraschender Wildheit hervor. „So wie es mein Plan war, Morrisons Bank auszunehmen. Meine Idee, dass Joana zwei Wochen zuvor als Sängerin in einem Saloon von Dodge auftreten, die Stadt auskundschaften und das Vertrauen der Bewohner gewinnen sollte! Hundertmal hab’ ich alles mit ihr durchgesprochen, alles auf sie gesetzt! Und dann zieht sie mit euch räudigen Kojoten los, um den Coup ohne mich zu deichseln. Dieses verdammte Biest! Sie denkt wohl, sie kann jeden um den Finger wickeln. Aber verlass dich drauf, Donegan, sie wird bezahlen, genau wie du, Roscoe und Rawlins! Die Abrechnung mit Holbrook hat der Sternträger mir ja abgenommen.“

„Aber nein, Wilburn, wir wären doch zurückgekommen“, beteuerte Donegan hastig. „Du siehst doch, wir waren bereits auf dem Weg zur Elkhorn Gulch, wo ...“

Jack Wilburn lachte rau.

„Ja, Dunlop scheint euch ganz schön eingeheizt zu haben. Und dann noch der plötzliche Frosteinbruch und das heraufziehende Unwetter. Klar, dass ihr Nieten es mit der Angst zu tun bekommen habt und auf dem schnellsten Weg ins Camp zurück wolltet. Typisch für solches Pack! Joana muss sich ja meiner verdammt sicher gewesen sein. Dachte wohl, ein bisschen Hüftewackeln und ein süßes Lächeln würden genügen, alles wieder ins Lot zu bringen. Da hat sie sich aber verrechnet, und zwar gründlich, wie du vielleicht inzwischen gemerkt hast, Freund Donegan.“

Schwankend stemmte sich der sehnige Bankräuber hoch. Wilburns Gewehrmündung bewegte sich mit ihm. Donegans Stimme wirkte so verunglückt wie sein Gesichtsausdruck.

„Ich hatte keine Ahnung, dass Joana die Sache auf eigene Faust erledigen wollte. Wenn es so ist, will ich keinen Cent von dem verdammten Geld, sondern ...“

„Davon war auch nicht die Rede“, unterbrach ihn Wilburn abermals.

Donegan schluckte. Verzweifelt suchte er nach einem Ausweg.

„Wenn du willst, Wilburn, führ’ ich euch zu der Stelle, wo wir gelagert haben. Es ist ...“

„Nicht nötig. Der Schnee wird ja doch früher da sein. Das heißt jedoch nicht, dass ich mir die Moneten nicht hole, die mir zustehen. Es ist mir egal, ob Joana oder Dunlop sich als die Besitzer fühlen. Sie werden alle dran glauben.“ Er drehte den Kopf zur Seite, spuckte aus und zog sein Pferd herum. „Sehen wir zu, Jungs, dass wir noch ein paar Meilen schaffen! Wir können in der Höhle am Pumaskull Rock unterkriechen, wenn das verflixte Mistwetter losbricht. Also, Beeilung, Freunde!“

Auf seinen Wink schnappte sich einer der Kerle die Zügel von Donegans Gaul, an dem die übrigen Pferde festgeleint waren. Die Hufe tackten laut auf der gefrorenen Erde.

„Wartet!“, schrie Donegan. „Verdammt, Wilburn, du kannst mich doch nicht ohne Pferd hier sitzenlassen!“

„Du siehst doch, dass ich es kann“, lachte der Bärtige, ohne sich umzusehen.

Donegan lief ein paar Schritte hinterher. Keuchend und mit geballten Fäusten blieb er stehen. „Die Hölle soll dich verschlingen, Wilburn!“, kreischte er verzweifelt.

Der Bandenboss fuhr halb im Sattel herum. Seine Spencer spuckte einen Feuerstrahl, und der Peitschenknall, der sich an den Schluchtwänden brach, war das Letzte, was Quint Donegan hörte.

5

Der Sturm riss dem Marshal die Tür der Blockhütte aus der Hand. Ein heftiger Flockenwirbel füllte den vom Herdfeuer rötlich erhellten Raum. Matthew stolperte über die Schwelle. Er zog Joana und Rawlins am Lasso hinter sich herein. Sie hatten kaum mehr die Kraft, sich auf den Füßen zu halten. Sie kamen wie Schneegespenster aus dem Blizzard, der die einsame Pferdewechselstation am Fuß des Cheyenne Hill wütend umheulte. Schneebedeckt von Kopf bis Fuß, halb erfroren, kaum mehr ein Gefühl in den Armen und Beinen. Ihre Gesichter waren von Eiskristallen zerstochen, obwohl sie sich Tücher oder Wollschals vorgebunden hatten, so dass jetzt nur die Augen und die mit Schnee und Eis verklebten Brauen zu erkennen waren.

Matthew Dunlop sah die Gesichter der Männer, die am Tisch in der Mitte der Hütte aufgesprungen waren, wie durch Milchglasscheiben. Funken stoben aus der offenen Feuerstelle. Der halbe Hüttenboden war im Nu mit Schnee bedeckt. Eiseskälte fauchte herein.

Einer der Männer rannte zur Tür. Er musste sich mit aller Kraft dagegenstemmen, um sie zu schließen. Er schob den Bohlenriegel vor. Dabei rief er etwas, aber Matthew verstand nichts.

Um Matthew drehte sich alles. Die geldgefüllten Satteltaschen rutschten von seiner Schulter. Gleichzeitig überkam ihn die Erleichterung, dass sie es geschafft hatten. Es erschien ihm wie ein Wunder, dass sie in der weißen Hölle, die da draußen tobte, hierher gefunden hatten. Er tappte, wie von einem Magnet angezogen, auf die im steingemauerten Herd züngelnden Flammen zu. Hatte er je etwas Wundervolleres als diese Wärme erlebt? Die massiven, mit Lehm und Moos abgedichteten Balkenwände ringsum waren ein Festungswall, an dem das Wüten des Schneesturms zerschellte.

Matthew zerrte sich die Handschuhe herab. Seine Finger, die in der Kälte fast abgestorben waren, schmerzten, als das Blut wieder richtig zirkulierte. Der Schnee auf Matthews Kleidung schmolz. Niemand im Raum sprach. In Matthews Ohren war noch immer das Orgeln des Blizzards. Es dauerte eine Weile, bis der bleierne Druck in seinem Kopf nachließ. Jemand schob ihm einen Stuhl hin, reichte ihm einen Becher mit einem heißen Getränk.

Matthew verschüttete fast die Hälfte. Es war Tee, aber für einen Mann, der aus der Blizzard-Hölle kam, das reinste Lebenselixier. Der Boden unter Matthews Sohlen hörte auf zu schwanken, die Wände bewegten sich nicht mehr. Mit einem heiseren „Danke“ stellte er den leer getrunkenen Becher auf den Tisch.

Der Raum war einfach, aber behaglich möbliert. Indianerdecken und Felle schmückten die Wände. Die Schlafstellen konnten durch einen jetzt zur Seite gezogenen Vorhang abgetrennt werden. Über dem offenen Herd, in dem das Feuer immer wieder aufloderte, wenn eine Bö durch den Kamin fauchte, hing ein wassergefüllter Gusseisenkessel. Rundpfosten stützten das schneebeladene Dach. An einem zwischen den Pfeilern gespannten Strick trockneten Wäschestücke.

Matthew merkte, dass er noch immer das Ende des Lassos hielt. Erschöpft war Joana auf die Knie gesunken. Rawlins lehnte keuchend an einem Pfosten. Die Stahlketten zwischen den Handgelenken der Gefangenen funkelten im Flammenschein. Ein Gefunkel, das die Blicke der Männer in der Hütte auf sich zog.

Matthew wischte mit dem Ärmel den letzten Schnee von seiner Mackinaw-Jacke, damit sein Abzeichen sichtbar wurde. Seine rissige Stimme kam ihm selber fremd vor.

„Marshal Dunlop aus Dodge City.“ Er blickte den bärtigen, stämmigen Mann an, der ihm den Becher gereicht hatte. „Ich nehme an, Sie sind Joe Coleman, der Boss hier.“

Der Stämmige nickte. Er wies auf den jungen blonden Mann, der der Frau hoch half und ihr zu trinken gab. Joanas Augen waren geschlossen. Er musste sie stützen und ihr den Becher an die Lippen halten.

„Chris, mein Sohn“, murmelte Coleman. Dann mit einer Kopfbewegung zu dem hageren Mann auf der anderen Seite des Tisches. „Caleb Hardesty, ein Farmer aus Nebraska. Er hat es vor dem Sturm gerade noch hierher geschafft. Irgendein Revolverschwinger, der ihn von seinem Land vertrieben hat, ist hinter ihm her.“

Hardesty stand wie auf dem Sprung, seit die Tür plötzlich mit einem Knall aufgeflogen war. So, als erwartete er jeden Moment das Auftauchen eines weiteren Besuchers. Irgendwer hatte einmal im Gespräch mit Matthew erwähnt, dass es Leute gab, deren Angst sie wie ein Geruch umgab. Daran musste Dunlop jetzt denken, als er dem etwa fünfzigjährigen Farmer einen kurzen, prüfenden Blick zuwarf. Ein Blick, unter dem Hardesty sich unwillkürlich duckte. Der Versuch eines Lächelns misslang ihm zur Grimasse.

Joe Coleman war in der vom Sturm umbrausten Station der ruhende Pol. Seine Bewegungen waren nicht schwerfällig, aber bedächtig. Seine sonore Stimme verriet Selbstvertrauen und Entschlossenheit. Sein bärtiges Gesicht besaß jenen Ausdruck von Gutmütigkeit, der jederzeit in Härte umschlagen konnte.

„Sie können mir nachher alles erzählen, Marshal“, schlug er vor. „Setzen Sie sich erst einmal und ruhen Sie sich aus! Inzwischen kümmere ich mich um Ihre Pferde.“

„Es ist nur ein Pferd, und es steht bereits im Stall bei Ihren Postkutschengäulen.“

Die buschigen Brauen des Stationers schnellten hoch.

„Heißt das, Sie sind zu Fuß gekommen?“

„Aus den Hügeln vom Buffalo Creek, ja.“

Während die Colemans ihn ungläubig anstarrten, zerschnitt Matthew Dunlop das Seil, das mit den Handschellen seiner Gefangenen verbunden war. Dabei bemerkte er das Funkeln von Joanas Augen unter den halb gesenkten Lidern. Es warnte ihn. Sicher, sie war erschöpft, aber beileibe nicht mehr so sehr, wie sie den Bewohnern der Pferdewechselstation vorspielte. Colemans Sohn half ihr gerade aus der pelzgefütterten Jacke. Er musste sie abermals festhalten, als sie schwankte und gegen ihn sank.

„Mein Gott, es war grauenhaft!“, stöhnte sie. „Statt einen Schlupfwinkel zu suchen, hat Dunlop uns quer durch die Hölle geschleppt.“ Ein Zittern durchlief ihre schlanke, biegsame Gestalt.

Chris Coleman schluckte. Er warf dem großen Marshal einen halb unsicheren, halb feindseligen Blick zu.

Matthew straffte sich. Sie waren zwar dem Schneesturm entronnen, aber das bedeutete kein Ende der Schwierigkeiten. Im Gegenteil. Joana würde nun alles versuchen, damit es ihm nicht gelang, sie nach Dodge vor den Richter zu schleppen. Ein junger Bursche wie Chris, der tagaus, tagein hier draußen in der Wildnis lebte und nur selten eine hübsche Frau zu sehen bekam, würde in ihren Händen zu Wachs werden, wenn Matthew es so weit kommen ließ. So wie sie ihren Kopf an Chris’ Schulter lehnte, sich schutzsuchend an ihn schmiegte, war es für den Marshal nicht schwer, zu erraten, was sie vorhatte. Entschlossen zog er die Verbrecherin von dem jungen Mann weg.

„Geben Sie sich keine Mühe, Joana!“, sagte er rau. „Ich kenn’ alle Tricks, die Sie auf Lager haben. Sie sollten die Zeit, die uns bleibt, bis wir weiterziehen, besser dazu benutzen, sich auszuruhen.“

Sie taumelte. Wie willenlos ließ sie es geschehen, dass Matthew sie mit dem zerschnittenen Lasso an einen Stützpfeiler in der Nähe des Herds fesselte. Das Seil ließ ihr genug Bewegungsfreiheit, sich zu setzen oder hinzulegen. Matthew breitete eine Decke neben den Pfosten.

Doch Chris rief empört: „Das ist unmenschlich, nach allem, was sie ausgestanden hat. Was hat sie denn getan, Marshal, dass Sie sie so behandeln?“

Matthew schlang auch das Seil, das an Rawlins’ Stahlfessel hing, um einen Holzpfosten. Der bullige Schurke fluchte nur leise. Mit knappen Worten berichtete Matthew von dem Banküberfall in Dodge City und der blutigen Schießerei, die es dabei gegeben hatte.

„Alles war ganz anders“, rief Joana atemlos. „Wir wollten, dass alles ohne einen Schuss verlief. Aber es waren Morrisons Leute, die zu feuern anfingen.“

„Überfall bleibt Überfall“, brummte Coleman, dem das Brennen in den Augen seines Sohns nicht entgangen war.

Joana warf den Kopf zurück. Das pechschwarze Haar umzüngelte wild ihr vom Flammenschein verschöntes Gesicht.

„Sie reden wie Dunlop! Und genauso werden der Richter und die Geschworenen sprechen, wenn der Sternträger es schafft, mich in sein Gefängnis zu stecken. Kein Mensch wird ein Wort darüber verlieren, dass ich nur mein Recht wollte.“

Rawlins wandte überrascht den Kopf. Ein lauerndes Grinsen erschien auf seinem grobschlächtigen Gesicht.

„Übertreiben Sie’s nur nicht, Joana!“, murmelte der Marshal, nachdem er auch Rawlins eine Wolldecke hingeworfen hatte, damit er es sich einigermaßen bequem machen konnte.

„Es ist wahr!“, beteuerte die Anführerin der Bankräuber heftig. „In Dodge City kümmert sich ja kein Mensch darum, woher Morrison, der dort den feinen Gentleman spielte, das Geld hatte, mit dem er seine Bank eröffnete. Wahrscheinlich wird auch niemand glauben, dass ein großer Teil davon mir gehört. Ja, starren Sie mich nur an, Dunlop! Ich bin nicht verrückt, ich weiß, was ich sage! Es ist die Wahrheit, auch wenn Sie sie nicht hören wollen.“

„Wenn Sie wirklich was zu sagen haben, Joana, dann heben Sie es sich für den Richter auf. Der ist dafür zuständig, nicht ich.“

„Als wenn das etwas nützte!“ Die schwarzhaarige Frau lachte bitter. „Kerle wie Morrison, die mit ihren dicken Brieftaschen die Stadt regieren, werden doch in Wahrheit das Urteil bestimmen. Machen wir uns doch da nichts vor! Und was ist gegen so einen protzigen Typ schon die Aussage einer Tingeltangel-Sängerin! Nein, wenn ich erst einmal in Dodge bin, gibt es keine Chance mehr für mich. Großer Himmel, wie konnte ich damals nur auf Jerry Morrison hereinfallen! Auf seine Sprüche, sein freundliches Getue!“ Seufzend schüttelte sie den Kopf. Dann blickte sie Chris an. Ihre Worte waren für ihn bestimmt. „Es ist schon etliche Jahre her, als ich eine Ranch erbte. Morrison drängte mich, sie zu verkaufen und ihm das Geld für die Gründung seiner Bank zu überlassen. Er versprach mir hoch und heilig, es mit vielfachen Zinsen zurückzuzahlen. Wir waren gute Freunde damals. Ich sah in ihm den einzigen Menschen, der es gut mit mir meinte. Deshalb vertraute ich ihm. Alles Lüge und Betrug!“ Ihre Stimme war herb. Matthew musste zugeben, dass sie nicht nur eine erstklassige Sängerin, sondern auch eine vorzügliche Schauspielerin war. Sie wandte nicht den Blick von Colemans Sohn. „Morrison hat mich reingelegt, abgeschoben. Und als ich dann, wenn schon nicht die Zinsen, so doch mein Kapital zurückwollte, da wusste er von nichts. Mein Fehler, dass ich mich auf sein Wort verlassen hatte. Ich hatte nichts gegen ihn in der Hand. Kein Papier, keine Unterschrift. Ich stand auf der Straße und musste meinen Lebensunterhalt als Saloonsängerin verdienen. Bis ich Bill Rawlins und seine Freunde traf, die mir helfen wollten, mein Geld gegen eine gewisse Beteiligung zurückzuholen. Stimmt’s, Bill?“

„Genauso war’s“, brummte er, kaum sein Grinsen verbergend.

Joana Redfords Augen schienen noch dunkler zu werden. Augen, die schon ganz andere Männer als Chris Coleman in ihren Bann geschlagen hatten.

„Vielleicht war es der falsche Weg“, gab die Frau leise zu. „Aber ich war verzweifelt genug, es zu riskieren. Morrison hat es herausgefordert.“ Heftig atmend wartete sie nun auf die Wirkung ihrer Worte. Sie kauerte mit dem Rücken an dem Stützpfosten, an den Matthew ihre Hände festgebunden hatte. Die dicke Wollbluse konnte nicht verbergen, wie ihre runden, festen Brüste sich hoben und senkten.

Eine Weile gab es nur das Brausen des Sturms, der an den Balkenwänden rüttelte. Dann pochten Chris’ Tritte durch den Raum.

„Binden Sie sie los, Dunlop!“, verlangte er mühsam beherrscht.

Matthew drehte sich ihm mit ausdrucksloser Miene zu.

„Du denkst doch nicht wirklich, dass auch nur ein Wort von dieser rührseligen Story wahr ist!“

„Darum geht es nicht!“, stieß Chris hervor. „Jedenfalls werde ich nicht zulassen, dass Sie eine Frau so behandeln, Marshal.“

„Misch’ dich da nicht ein, Junge!“, mahnte Coleman ärgerlich. Doch Chris’ Blick blieb an Matthew wie festgebrannt.

„Vergessen Sie nicht, Dunlop, dass Sie hier nur Gast sind!“

„Vor allem vergesse ich nicht, was in Morrisons Bank geschah“, erwiderte Matthew rau. „Ein Toter und zwei Schwerverletzte sind genug. Der Richter wird herausfinden müssen, wer geschossen hat. Doch immerhin ist es möglich, Chris, dass du dich für eine Mörderin einsetzt!“

„Das ist nicht wahr!“, schrie Joana. „Er hasst mich. Er wird alles tun, mich an den Galgen zu bringen. Er hat auch Dan Roscoe, einen von Rawlins’ Partnern, draußen im Blizzard zurückgelassen, zu Fuß, mit Handschellen gefesselt, dem sicheren Tod geweiht!“ Sie sprang auf, ihre Augen glühten. „Er hat kein Recht mehr, den Stern zu tragen!“, schrie sie noch wilder. „Er ist eine von Morrisons Marionetten, und weiß der Henker, was Morrison ihm versprochen hat, wenn er mich zur Strecke bringt und als Schuldige abstempelt. Er hält mich wie ein gefangenes Tier, angeblich, weil ich sonst fliehen könnte. Mein Gott, wohin denn?“ Sie lachte verzweifelt. Ein Lachen, das Chris Coleman wahrscheinlich durch und durch ging.

„Sie hat recht, Marshal“, knirschte der Junge. Seine Fäuste öffneten und schlossen sich. „Sie wissen verdammt genau, dass sie bei diesem Wetter keine Chance hat, Ihnen zu entkommen. Trotzdem ...“

„Die Chance, die sie braucht, ist ein geladener Revolver“, unterbrach Dunlop ihn scharf. „Als sie aus Morrisons Bank kam, hatte sie auch einen in der Hand und zögerte nicht, ihn zu benutzen, als es darum ging, sich den Weg freizuschießen. Glaub’ mir, ich weiß genau, was ich tue! Es ist keine Schikane, sondern Vorsicht. Und auch dir rate ich, vorsichtiger zu sein.“

Bevor Chris aufbrausen konnte, schob sich Coleman dazwischen.

„Verdammt will ich sein, wenn ich zulasse, dass dieses Frauenzimmer dich um den Finger wickelt, Junge! Hör auf, sie anzustarren! Leg lieber Holz nach, damit das Feuer nicht ausgeht!“ Er versuchte ein Lächeln, als er Matthew ansah. „Machen Sie sich keine Sorgen wegen ihm, Marshal! Er ist nur jung und hitzig. Damals, als ich seine Mutter kennenlernte, war ich genauso. Ich passe schon auf ihn auf.“

Chris schoss das Blut in die Wangen.

„Ich bin alt genug, auf mich selber aufzupassen! Du brauchst dich bei diesem Kerl nicht auch noch für mich zu entschuldigen, nur weil er dieses lausige Stück Blech an seiner Jacke trägt. Ich pfeif’ drauf!“

„Hören Sie nicht hin, Dunlop!“, murmelte Joe Coleman verlegen. Er hob die nassen Satteltaschen auf und warf sie auf den Tisch. Eine Schnalle ging dabei auf. Mehrere Geldscheinbündel quollen heraus. Mit unbewegter Miene schob Coleman sie zurück und verschloss die Tasche wieder. Hardesty hatte sich unwillkürlich mit starrem Gesicht vorgebeugt, und Chris vergaß, was er eben noch hatte sagen wollen.

„Sechsundfünfzigtausend Dollar“, bemerkte Rawlins mit verkniffenem Grinsen. „Hübscher Batzen, was?“

Joe Coleman blickte ihn kalt an.

„Eine Million würde nicht ausreichen, damit ich eine Hand rühre, dich zu befreien, Bandit.“

Rawlins lachte geringschätzig.

„Du solltest dich von Dunlop zum Deputy vereidigen lassen, Mister! Aber nicht jeder trägt seine Anständigkeit wie ein Brett vorm Hirn, wenn sich ihm eine Chance bietet, auf die andere ein ganzes Leben lang vergeblich warten. Hab’ ich recht, Hardesty?“

Der hagere Farmer, der noch gebannt auf die Ledertaschen starrte, fuhr wie ertappt zusammen. Er schoss dem bulligen Gefangenen einen wütenden Blick zu.

„Ich müsste verrückt sein, wenn ich mich in dieses Spiel einkaufte. Ich hab’ genug eigene Probleme.“

„Wer ist dieser Kerl, der hinter Ihnen her ist?“, fragte Matthew Dunlop interessiert.

Hardestys Augen wichen ihm aus. Es schien ihm unangenehm zu sein, dass der Marshal dieses Thema anschnitt. Fahrig fingerte er an seinem Hemdkragen herum.

„Brent Jackson, ein übler Revolverschwinger und Kartenhai. Er hat mich von meiner Farm am Loup River in Nebraska vertrieben. Seitdem ist er wie ein Bluthund hinter mir her.“

Matthew pfiff leise durch die Zähne.

„Ein verteufelt weiter Weg. Was verspricht dieser Jackson sich davon, wenn er Sie schnappt?“

„Mein Land, meinen Besitz, was weiß ich!“ Hardestys Hände flatterten. „Vielleicht hat ihn auch jemand angeheuert, der es auf meine Farm abgesehen hat. So was soll’s ja geben. Aber ich werd’ mich hüten, ihn so nahe an mich rankommen zu lassen, damit er's mir erklären kann. So neugierig bin ich nicht.“ Er lachte krächzend.

„Denken Sie, dass er hier aufkreuzen wird?“

Matthew war überrascht über die Panik, die plötzlich in Hardestys tiefliegenden Augen loderte. Der Farmer duckte sich. Jetzt fehlte nur noch, dass er nach dem Gewehr griff, das neben ihm lehnte.

„Woher soll ich das wissen?“, zischte er. Im nächsten Moment hatte er sich gefangen. „Ich hab’ ihn zum letzten Mal gesehen, als ich vorgestern den Salomon River durchfurtete“, erklärte er achselzuckend. „Weiß der Kuckuck, wo er jetzt steckt.“

„Nach dem Schneesturm hat er kaum mehr eine Chance, Ihre Spur aufzustöbern“, meinte Coleman. „Marshal, wie war das eigentlich mit dem Kerl, den Sie angeblich da draußen zurückgelassen haben sollen?“

„Rawlins griff mich an, als der Blizzard losbrach“, berichtete Matthew, der Roscoe keineswegs vergessen hatte. „Sein Partner benutzte die Gelegenheit, sich davonzumachen. Ich konnte ihn nicht halten.“

„Er wollte es auch nicht!“, hetzte Joana. „Er war froh, ihn loszuwerden. Wer weiß, ob er nicht auch vorhat..

„Halten Sie den Mund!“, fuhr der Stationer sie an. „Ich bin kein Greenhorn. Ich weiß genau, dass es für Dunlop wesentlich einfacher gewesen wäre, allein auf seinem Pferd hierher zu kommen, anstatt Sie und Rawlins mitzuschleppen. Dieser entflohene Bursche muss den Verstand verloren haben, wenn er sich in der Wildnis da draußen ohne Gaul eine Chance ausrechnete.“

„Er wird versuchen, sich zur Elkhorn Gulch durchzuschlagen“, überlegte Matthew Dunlop. „Jack Wilburn und seine Banditen haben sich dort eingenistet. Kennen Sie die Gegend?“

Coleman hatte seine Pfeife hervorgekramt. Er brannte den Tabak mit einem Span an, den er ins Herdfeuer hielt, und paffte dicke Rauchwolken in die Hütte. Der von den Flammen erhellte Raum war wie eine Insel im Toben der entfesselten Elemente.

„Die Schlucht liegt nicht viel mehr als fünfzehn Meilen nordwestlich von hier“, brummte Coleman. „Eine Strecke, die kein Mann bei diesem Wetter ohne Gaul bewältigen kann. Dieser verrückte Bursche hat sein eigenes Todesurteil gefällt.“

„Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, ihn zurückzuholen.“ Die Frage beschäftigte Matthew schon die ganze Zeit.

„Bei dem Sturm?“ Coleman rauchte heftiger. Ebenso heftig schüttelte er den Kopf. „Unmöglich!“

Doch der Gedanke ließ Matthew Dunlop nicht mehr los. Immer wieder hatte er das Bild der im Schneetreiben versinkenden schwankenden Gestalt vor Augen. Die Flucht des jungen Banditen war möglicherweise eine Kurzschlusshandlung gewesen. Ausgelöst durch die Erinnerung an den Tod seines Freundes Holbrook. Matthew bückte sich nach seinen Handschuhen.

„Es käme auf einen Versuch an. Und darauf, dass Sie mir Ihr bestes Pferd überlassen.“

Der stämmige Besitzer der Pferdewechselstation nahm die Pfeife aus dem Mund.

„Die Chancen, dass Sie diesen Versuch nicht mit Ihrem Leben bezahlen, Marshal, stehen zehn zu hundert. In diesem Schneesturm könnten Sie zehn Yard an einer ganzen Kompanie vorbeireiten, ohne sie zu bemerken.“

„Roscoe wird den kürzesten Weg zur Elkhorn Gulch nehmen. Sicher baut er darauf, dass er in dieser Gegend jeden Baum und Felsen kennt. Vielleicht gibt es eine Chance, wenn Sie mir diesen Weg genau beschreiben. Roscoes Vorsprung kann noch nicht sehr groß sein.“

„Vor wem wollen Sie auf einmal den Helden spielen, Dunlop?“, höhnte Joana. „Oder plagt Sie plötzlich Ihr Gewissen? Ich dachte, Sie hätten gar keins!“

Rawlins lachte heiser.

„Lass ihn doch, Joana! Auf die Weise werden wir allen Ärger im Handumdrehen los. Verschwinde nur, Dunlop! Und grüß den Teufel von mir, dem du da draußen ganz sicherlich begegnen wirst!“

Matthew blickte Coleman an.

„Ich verlasse mich auf Sie.“

Der Bärtige nickte.

„Keine Angst, dass ich nicht mit diesen Galgenvögeln fertig werde! Aber ich bleibe dabei: Es ist sinnlos, ja verrückt, wenn Sie für einen dieser Schurken nochmals da draußen Ihr Leben riskieren wollen.“

„Kommen Sie, Dunlop!“, rief Chris mit blitzenden Augen. „Sie sollen das Pferd haben. Und wenn Pa Ihnen den Weg nicht beschreibt, dann werd’ ich es tun. Sei's auch nur, damit ich Sie hier nie wiedersehe ...“

6

Nach zwei Stunden im eisigen Sturm war die Erinnerung an Colemans Blockhütte nur mehr wie ein Hirngespinst. Es schien unvorstellbar, dass es in dieser brüllenden Hölle aus Schnee und Eis nur ein paar Meilen entfernt einen Platz an einem wärmenden Feuer gab. Gigantische Schneewogen hatten die Wälder und Bergketten zwischen der Nebraskagrenze und dem Smoky Hill River zugedeckt. Es schneite immer noch. Die sturmgepeitschten Flocken waren mit daumennagelgroßen Eisbrocken durchmischt.

Matthew hatte einen Wollschal über den Hut gebunden, einen weiteren trug er vorm Gesicht. Außerdem hatte er seine Cowboyboots mit Fellstiefeln vertauscht, die Coleman ihm überlassen hatte. In seiner Satteltasche steckte obendrein eine Flasche mit hochprozentigem Rum. Doch das alles waren armselige Trümpfe gegen die tobenden Naturgewalten.

Zwar bremsten die Felsbrüche und bewaldeten Kämme der Smoky Hills die volle Wucht des Blizzards, aber die Kälte und der immer tiefer werdende Schnee machten jeden Yard, den der einsame Reiter zurücklegte, zu einem mühseligen Kampf.

Schließlich musste der Marshal sich eingestehen, dass der Stationshalter recht behielt: In diesem weißen Chaos gab es keine Chance, irgendeinen Menschen, es sei denn durch Zufall, aufzuspüren. Auch nicht, als es zu schneien aufhörte, denn der Sturm blies mit ungebrochener Wildheit weiter. Ein heulendes, fauchendes Ungeheuer, das weiße Wolken aus den Senken und von den Hängen schleuderte, die alles einhüllten. Es gab Stellen, an denen Matthews grauer Wallach bis zur Brust in den vom Sturm herangewehten Schnee einsank.

Jeder Yard, den sich der Marshal weiter von der Cheyenne-Hill-Station entfernte, war ein Yard näher zur Schwelle des weißen Todes. Schweren Herzens musste sich Matthew zur Umkehr entschließen.

Fichtenwipfel rauschten über ihm. Die schlanken Stämme bogen sich beängstigend. Der Sturm verschluckte ihr Knarren. Matthew trieb sein Pferd auf eine überhängende Felswand zu, um dort ein paar Minuten zu verschnaufen. Die weißen Schleier um ihn wurden durchsichtiger. Matthew traute seinen Augen nicht, als er plötzlich die Reiter wie Schemen vor sich sah. Mit ihren im Sturm flatternden umgehängten Decken wirkten sie wie Gespenster. Matthew saß sekundenlang wie vor den Kopf geschlagen im Sattel. Sein vor Kälte und dem Brüllen des Sturms benommenes Gehirn arbeitete langsamer als sonst.

Wilburn!, durchglühte es ihn.

Einen Augenblick später entdeckte er die eben noch von einer sturmgepeitschten Buschgruppe verdeckte Gestalt. Ein Mann, der torkelnd durch den kniehohen Schnee auf die schattenhaft verschwommenen Reiter zulief.

Es war Roscoe.

Unglaublich, dass er es überhaupt noch schaffte, sich auf den Füßen zu halten. Ein Kerl zäh wie ein Puma. Hass und Verzweiflung hatten ihn Meile um Meile durch den Schneesturm vorangepeitscht. Er winkte mit den geketteten Händen, stolperte, stürzte. Verbissen raffte er sich auf und hastete weiter. Er glaubte sich gerettet. Das unerwartete Auftauchen der Reiter aus der Elkhorn Gulch — niemand sonst konnte in dieser Wildnis unterwegs sein — war für ihn gewiss wie ein Wunder.

Dem Marshal blieb keine Zeit, zu rätseln, wieso die Kerle da vorn nicht in einem einigermaßen sturmgeschützten Schlupfwinkel ausharrten.. Denn sie hatten nicht nur den auf sie zutorkelnden Mann, sondern auch ihn, Dunlop, entdeckt. Die Sicht war so schlecht, dass Matthew ihre jähe drohende Bewegung mehr ahnte, als richtig sehen konnte. Mit der behandschuhten Rechten packte er die im Scabbard steckende Winchester 73. Vorsichtshalber hatte er bei seinem Aufbruch das Gewehrschloss mit einem Wolltuch umwickelt. Trotzdem blieb es fraglich, ob die Waffe jetzt funktionieren würde.